Fünf Millionen Lösegeld - Thomas Kredelbach - E-Book

Fünf Millionen Lösegeld E-Book

Thomas Kredelbach

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Beschreibung

Vier maskierte Frauen entführen den Sohn des "Paten von Köln". Ihre Forderung: Fünf Millionen Euro Lösegeld. Während der König der Unterwelt blutige Rache schwört, beginnt eine gnadenlose Jagd nach dem Geld. Am Ende kann nur derjenige reich werden, der es schafft, am Leben zu bleiben.

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Kurzbeschreibung:

Vier maskierte Frauen entführen den Sohn des "Paten von Köln". Ihre Forderung: Fünf Millionen Euro Lösegeld. Während der König der Unterwelt blutige Rache schwört, beginnt eine gnadenlose Jagd nach dem Geld. Am Ende kann nur derjenige reich werden, der es schafft, am Leben zu bleiben. 

Edel Elements Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2017 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2017 by Thomas Kredelbach

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literaturagentur Lianne Kolf.

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München.

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-917-6

www.facebook.com/edelelements/

www.edelelements.de/

Für meine Frau Anke und meinen Sohn Tobias.Meine kleine Familie.

Dienstag, 19.45 Uhr

»ARSCHLOCH! DRECKSAU! MISTRATTE!«

Die Worte hallten durch das voll besetzte Lokal auf der Neusser Straße. Vereinzelt drehten Leute den Kopf und schauten entsetzt zu der hübschen, blonden Frau hinüber, die mit ihrem Begleiter an einem der Tische nahe der Eingangstür saß.

Frank Becker lächelte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Sechs Monate kannte er Rebecca Lange jetzt schon. Sie war die mit Abstand attraktivste Frau, der er je begegnet war. Und er war einer Menge Frauen begegnet. Mit seinen ein Meter neunzig Körpergröße, seiner sportlichen Figur, dunklen Haaren und den braunen Augen war er ein absoluter Frauentyp.

Becker war nie ein Kostverächter gewesen. Er hatte mit unzähligen Frauen geschlafen. Hätte man ihn aber gefragt, wie oft er in seinem Leben schon verliebt gewesen war, hätte er ehrlich geantwortet: »Noch nie.«

Bei Rebecca Lange hatte sich das jedoch schlagartig geändert. Er war ihr vor sechs Monaten begegnet, in einer Bar im Friesenviertel.

Zunächst war es Rebeccas Erscheinung gewesen, die ihm ins Auge gefallen war. Sie war knapp einen Meter achtzig groß, hatte langes, blondes Haar, eine schlanke Figur und tiefblaue Augen, die jeden sofort in ihren Bann zogen.

Je länger Becker sich aber an jenem Abend mit ihr unterhalten hatte, desto klarer wurde ihm, dass sich hinter der schönen Fassade eine erstaunliche Persönlichkeit verbarg. Rebecca war intelligent, hatte Humor und eine Sensibilität, die er bis dahin noch bei keinem Menschen erlebt hatte.

Dass sie am Tourette-Syndrom litt, machte sie für Becker nur noch interessanter. Ihre kurzen, aber heftigen Ausbrüche machten ihm längst nichts mehr aus. In gewisser Weise genoss er sie sogar. Wenn sie miteinander schliefen und Rebecca ihn inmitten der größten Leidenschaft beschimpfte, törnte ihn das unheimlich an.

»SCHWANZLUTSCHER! SCHWACHKOPF! SAFTARSCH!«

»Hey, du bist ja wieder richtig gut drauf«, witzelte er.

Rebecca schüttelte verlegen den Kopf. »Tut mir leid. Heute ist es wieder besonders schlimm.«

»Mir macht das nichts aus.«

»Dir vielleicht nicht.« Rebecca verzog das Gesicht. »Den anderen Gästen aber wahrscheinlich schon.«

Becker winkte ab. »Und wenn schon. Wem es nicht passt, der soll gehen. Das Lokal gehört meinem Vater. Wir können hier tun und lassen, was wir wollen.«

Becker lächelte und griff in das Innenrevers seines Sakkos. Er zog eine kleine Schachtel hervor und reichte sie seiner Freundin.

»Hier, was Kleines zu unserem Jubiläum.«

Rebecca nahm das Geschenk erfreut entgegen. Neugierig öffnete sie den Deckel der Schachtel.

»Es ist wunderschön«, sagte sie beim Anblick des goldenen Armbands.

»Aber nicht annähernd so schön wie du«, entgegnete Becker. »Komm, ich lege es dir um.«

Er griff nach dem Armband und streifte es Rebecca über das Handgelenk.

»Vielen Dank«, sagte sie leise. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Du bist ein … SCHWEINEPRIESTER!«

Verlegen schüttelte sie den Kopf. Becker konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

»Nimm es mit Humor. Ich bin schon ganz anders genannt worden. Bei dir weiß ich zumindest, dass du es nicht ernst meinst.«

»Aber du … HURENSOHN! … hast es nicht verdient, dass ich so etwas sage. Manchmal denke ich, dass du viel zu gut für mich bist.«

Becker schüttelte den Kopf. »Weißt du, was ich bin? Ich bin ein Glückspilz. Du machst mich dazu.« Er tätschelte sich den Bauch. »Ich komme langsam um vor Hunger. Sollen wir bestellen?«

»Gute Idee.« Sie klappte die Speisekarte auf. »Ich liebe dich.«

»Und ich liebe dich«, erwiderte Becker mit ernster Miene. »Ich liebe dich mehr, als ich jemals einen anderen Menschen geliebt habe.«

Dienstag, 20.10 Uhr

Der weiße Lieferwagen fuhr langsam die Neusser Straße entlang. Die vier weiblichen Insassen streiften sich ihre Masken über.

»Ihr wisst alle, was ihr zu tun habt«, sagte Pippi Langstrumpf. Sie wies auf Miss Piggy und die Biene Maja. »Ihr kommt mit mir rein und haltet die Angestellten und Gäste in Schach, während ich mir Becker greife.«

Maja und Piggy nickten. Pippi Langstrumpf wandte sich Minnie Mouse zu, deren Hände das Lenkrad fest umklammerten.

»Du bleibst im Wagen und hältst die Stellung. Lass den Motor laufen. Wenn alles glattgeht, dauert es nicht länger als eine Minute. Wir gehen rein, schnappen uns den Kerl und hauen ab. Sollte plötzlich ein Bulle auftauchen, fährst du mit dem Wagen einmal um den Block. Alles klar?«

Minnie nickte. »Klar, wie besprochen.« Sie grinste hinter ihrer Maske. »War nicht immer Kater Karlo der Bösewicht in den Mickey-Mouse-Comics?«

»Scheiß auf Kater Karlo!«, rief Maja. »Heute sind die Guten die Bösen. Und am Ende sind die Bösen die Reichen.«

Miss Piggy zupfte an ihrer Maske herum. »Mann, ist das warm unter dem Ding. Mir läuft der Schweiß nur so runter.«

»Das liegt nicht an der Maske«, stellte Maja übellaunig fest. »Das ist der verdammte Wagen, der keine Klimaanlage hat.«

»Jetzt hört bloß auf zu meckern«, fauchte Minnie. »Ihr hättet ja einen Benz besorgen können. Dann hätten wir das Problem nicht.«

»Hast du schon mal eine Maus gesehen, die einen Benz fährt?«, witzelte Piggy.

Minnie zeigte ihr den Mittelfinger. »Hast du schon mal ein Schwein gesehen, das im hohen Bogen aus einem Lieferwagen fliegt?«

»Hört auf damit!«, ging Pippi dazwischen. »Konzentriert euch lieber auf eure Aufgabe.«

Die Reifen des Lieferwagens bretterten über den Asphalt.

»Ist es noch weit?«, fragte Piggy.

»Wir sind gleich da«, antwortete Pippi. »Los, nehmt eure Waffen. Aber denkt daran: Wir schießen nur im absoluten Notfall.«

Die anderen Frauen nickten.

»Was ist, wenn einer der Angestellten meint, den Helden spielen zu müssen?«, fragte Miss Piggy.

Pippi seufzte. »Dann müssen wir uns wehren. Aber bringt sie nicht gleich um. Erst mal ein Warnschuss. Ansonsten ein Schuss ins Bein oder in den Arm.«

»Und wenn das nicht reicht?«

»Dann baller ihm den Kopf von den Schultern«, warf Maja ein. »Wer den Helden spielen will, muss mit dem Heldentod rechnen. So einfach ist das.«

Miss Piggy sah Pippi Langstrumpf fragend an. Pippi nickte wortlos.

»Verdammt«, fluchte Piggy. »Ich habe noch nie jemanden erschossen.«

»Für alles gibt es ein erstes Mal«, verkündete Maja unheilvoll.

»Hört mit den bescheuerten Diskussionen auf!«, ging Pippi dazwischen. »Es wird schon alles gutgehen.« Sie wies auf das Lokal, das sich hundert Meter vor ihnen auf der rechten Seite befand. »Da ist es. Es geht los.«

Dienstag, 20.15 Uhr

Minnie drosselte das Tempo und hielt unmittelbar vor dem Lokal. Pippi riss die Wagentür auf und sprang ins Freie. Maja und Piggy folgten ihr. Die Waffen im Anschlag, stürmten sie in das Lokal.

Die meisten Gäste reagierten überrascht, als sie die maskierten Frauen sahen. Die Überraschung wich jedoch schnell blankem Entsetzen, als die Anwesenden die Pistolen erblickten.

Pippi entdeckte Frank Becker sofort. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und legte mit der Waffe auf ihn an.

»Los, mitkommen!«

Becker starrte auf die Pistole. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus.

»Los, mitkommen!«, befahl Pippi ihm noch einmal.

»Was … was wollen Sie von mir?«

»Das wirst du schon noch erfahren.«

»Wenn er nicht will, schieß ihm ins Bein«, riet Maja, die sich Rücken an Rücken mit Piggy in der Mitte des Lokals postiert hatte.

»Aber mit einer Kugel im Bein kann er nicht gehen«, stellte ein kleiner Junge fest, der mit seinem Vater an einem der Mitteltische saß.

Cleveres Bürschchen, dachte Maja.

»Okay, besser keine Kugel ins Bein. Schieß ihm in den Arm!« Maja schaute zu dem kleinen Jungen hinüber. Der nickte zustimmend.

»Ich sage es jetzt zum letzten Mal«, fauchte Pippi. »Du hebst jetzt deinen Arsch und kommst mit uns. Ansonsten schieße ich dir eine Kugel in deinen …«

»SCHWANZ!«, schrie Beckers Begleiterin plötzlich.

Maja schüttelte den Kopf. »Was ist denn mit der los?«

»MISTSAU!«

»Meint die etwa mich?«, fragte Miss Piggy und richtete ihre Waffe auf die Blondine. »Hör mal, komm mir ja nicht dumm!«

»Sie leidet am Tourette-Syndrom«, sagte Becker.

»Das geht schon den ganzen Abend so«, teilte der kleine Junge den drei Frauen mit. »Die kann einem echt auf den Nerv gehen.«

»Sie soll das Maul halten!«, fauchte Miss Piggy Becker zu. »Und jetzt erheb dich gefälligst!«

»Wisst ihr überhaupt, wer ich bin? Habt ihr auch nur die geringste Ahnung, wer …«

»Jetzt reicht es«, sagte Maja. Sie gab einen Schuss ab, der unmittelbar neben Beckers Fuß in den Boden krachte. Das Parkett splitterte. »Die nächste Kugel jage ich dir in den Arsch, du Mistkrücke. Du hast genau drei Sekunden Zeit. Wenn du dich bis dahin nicht bewegt hast …«

»Schon gut, schon gut«, wiegelte Becker ab. Langsam erhob er sich von seinem Platz. »Ich weiß nicht, wer ihr seid. Ich kann euch aber versprechen, dass ihr eine Menge Ärger bekommt.«

»Was du nicht sagst«, entgegnete Pippi und packte Becker am Kragen.

»Cool, eine echte Entführung«, sagte der kleine Junge bewundernd.

»Da hast du morgen in der Schule eine Menge zu erzählen«, stellte Maja lächelnd fest.

Der kleine Junge nickte.

Pippi stieß die Tür auf und schob Becker ins Freie. Piggy und Maja folgten ihnen. Sie bugsierten Becker in den Wagen und stiegen hinter ihm ein. Kaum hatten sie die Wagentür zugezogen, gab Minnie auch schon Gas.

»Das hat ja super geklappt«, jubelte Piggy. »Ich hätte nicht gedacht, dass alles so glattläuft.«

»Freu dich nicht zu früh«, warnte Pippi. »Das Schwierigste steht erst noch bevor.«

»Für euch wird es schwierig, da könnt ihr sicher sein«, fauchte Becker. »Ihr habt ja keine Ahnung, wer …«

Maja drückte ihm ihre Waffe zwischen die Beine. »Ich frage mich, was von deinen Eiern übrig bleibt, wenn ich abdrücke. Meinst du, du fühlst dich anschließend noch wie ein Mann?«

Becker presste die Lippen zusammen.

»Braves Bürschchen«, grinste Maja.

»Wo ist das Klebeband?«, fragte Pippi.

Minnie reichte es ihr über den Sitz nach hinten. Pippi nahm Beckers Arme, schob sie hinter seinem Rücken zusammen und fesselte sie mit mehreren Lagen Klebeband. Anschließend band sie seine Beine zusammen. Zuletzt verband sie ihm mit einem Tuch die Augen.

»Was … was habt ihr mit mir vor?«, fragte Becker nervös.

»Du verschaffst uns Geld«, antwortete Maja.

»Viel Geld«, fügte Piggy lächelnd hinzu.

Dienstag, 20.50 Uhr

»Da bist du ja endlich«, knurrte Kommissar Joachim Lenz seinen Partner Uwe Neuhaus an, als dieser das Restaurant ›Don Pepe‹ auf der Neusser Straße betrat. »Ich warte schon geschlagene fünfzehn Minuten auf dich.«

Neuhaus schüttelte mürrisch den Kopf. »Ausgerechnet heute, wo das Halbfinalrückspiel stattfindet. So ein Mist!«

»Hast du gewettet?«

»Dreitausend auf Madrid.«

Lenz schüttelte den Kopf. »Bist du bekloppt? Das drehen die doch niemals.«

»Mach mir nur Mut.«

»Wie lautet die Quote?«

»Neun zu eins.«

»Das ist gut. Nur ist die Quote leider für die Katz. Ein vier zu null lässt sich Mailand nie und nimmer wegnehmen.«

Neuhaus verzog das Gesicht. Natürlich wusste er, dass die Wette gewagt war. Allerdings musste er nach den letzten Pleiten etwas riskieren. Inzwischen stand er mit sechzig Riesen bei Jimmy Roth in der Kreide. Mit dem Wettgewinn konnte er zumindest einen Teil der Schulden zurückzahlen. Falls ihm das nicht gelang, steckte er knietief in der Scheiße. Jimmy Roth verstand keinen Spaß, wenn es um sein Geld ging. Der Buchmacher war dafür bekannt, dass er säumigen Schuldnern gerne mal Arme oder Beine brach. Mitunter stellte er auch Schlimmeres mit ihnen an. Daran wollte Neuhaus aber lieber nicht denken.

Der Kommissar sah sich um. Das Lokal war klein und gemütlich. Es gab lediglich elf Tische. An allen saßen Leute. Uniformierte Polizisten waren damit beschäftigt, die Gäste zu befragen.

»Was ist passiert?«, fragte Neuhaus.

Lenz berichtete ihm kurz, was die Polizei bisher herausgefunden hatte. Als er geendet hatte, schüttelte Neuhaus verwirrt den Kopf.

»Nur damit ich das richtig verstehe: Drei bewaffnete Frauen, die als Miss Piggy, Pippi Langstrumpf und Biene Maja maskiert waren, sind hier reingestürmt und haben diesen Frank Becker gekidnappt.«

»Richtig. Ein vierter Komplize, von dem wir nicht wissen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, hat draußen im Wagen gewartet. Das Ganze lief sehr professionell ab. Die Frauen waren bestens vorbereitet. Eine von ihnen ging direkt auf Becker zu, während ihre Komplizinnen alle anderen in Schach gehalten haben.«

»Also wussten sie ganz genau, wen sie wollten.« Neuhaus runzelte die Stirn. »Was ist denn so besonders an diesem Becker?«

»Tja, genau da wird die Sache knifflig. Frank Becker ist der Sohn von Norbert Becker.«

Neuhaus fiel die Kinnlade herunter. »Willst du mich verscheißern?«

»Nein, keineswegs. Frank Becker ist der Sohn des Paten. Übrigens gehört das Lokal hier zum Becker-Imperium.«

»Scheiße, verdammt. Die haben den Sohn des Paten in dessen Wohnzimmer gekidnappt. Mutig, mutig.«

»Mut ist wohl nicht der richtige Ausdruck. Wahnsinn passt hier eindeutig besser.«

Neuhaus nickte. »War Becker allein hier?«

Lenz schüttelte den Kopf und zeigte auf Beckers Freundin, die an einem Tisch nahe dem Eingang saß.

»Er war mit ihr hier«, erklärte Lenz. »Sie heißt Rebecca Lange.«

»Becker hat einen guten Geschmack.«

»Und ein fettes Bankkonto. Ohne das kannst du bei einer Tussi wie der sicher nicht landen.«

»Hast du schon mit ihr geredet?«

»Noch nicht. Ich wollte warten, bis du da bist.«

Neuhaus schnalzte mit den Lippen. »Okay, dann wollen wir der Süßen mal auf den Zahn fühlen.«

Die Polizisten setzten sich zu Rebecca Lange an den Tisch und stellten sich vor. Die Frau kratzte sich nervös am Arm. Der Schock über die Entführung stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.

»Ich verstehe das nicht. Wieso tut jemand so etwas? Was wollen diese Leute von Frank?«

»Genau das versuchen wir herauszufinden«, erklärte Neuhaus und beugte sich so weit vor, dass er nur noch wenige Zentimeter von der Frau entfernt war. Deutlich konnte er ihr Parfüm und die feine Creme riechen, mit der sie ihren Körper eingerieben hatte. Ihren Körper. Er malte sich aus, was die Frau unter ihrem schwarzen Rock und der roten Bluse trug. Strapse? Spitzenunterwäsche? Oder gar nichts?

»Bitte erzählen Sie uns, was passiert ist«, sagte Lenz.

Rebecca Lange seufzte leise. Sie berichtete den Polizisten von den drei Frauen, davon, wie diese ins Lokal gestürmt waren und Frank Becker zum Mitkommen aufgefordert hatten, er sich aber zunächst geweigert hatte.

»Erst, als die Frau mit der Biene-Maja-Maske auf Frank geschossen hat, gab er nach.«

»Sie hat auf ihn geschossen?«, fragte Neuhaus überrascht.

»Naja, nicht direkt auf ihn. Sie hat neben seinen Fuß in den Boden geschossen.«

Lenz zeigte seinem Partner das Loch im Boden. Die Kugel war längst von den Forensikern entfernt und ins Labor gebracht worden.

Neuhaus runzelte die Stirn. »Wie sahen die drei Frauen aus?«

Rebecca Lange zuckte hilflos mit den Achseln. »In der Hektik habe ich nicht so sehr auf ihr Äußeres geachtet. Dafür hatte ich viel zu viel Angst. Ich weiß nur, dass sie … SCHWEINEPRIESTER!«

Die Polizisten sahen Rebecca entsetzt an, deren Gesicht rot anlief.

»Tut mir leid. Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass ich unter Tourette leide. Manchmal rutschen mir diese Schimpfwörter heraus.«

»Von der Krankheit habe ich gehört«, glättete Lenz die peinliche Situation. Er grinste breit. »Mir rutschen diese Schimpfwörter manchmal heraus, obwohl ich nicht unter Tourette leide.«

Rebecca lächelte. »Herrje, ist das peinlich. Ich hätte Sie … ARSCHLOCH! … frühzeitig darauf hinweisen sollen. Ich vergesse das immer wieder.«

»Sie müssen sich nicht dafür schämen«, sagte Neuhaus und berührte die Frau am Arm. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er stellte sich vor, dass er ihr die Klamotten vom Leib riss und sich von ihr beschimpfen ließ, während er sie fickte. Der Gedanke machte ihn noch heißer, als er ohnehin schon war.

»Was können Sie uns denn nun über die drei Entführerinnen sagen?«, wechselte Lenz das Thema.

»Wie gesagt, nicht viel«, entgegnete Rebecca. »Natürlich sind mir sofort die Masken aufgefallen. Außerdem glaube ich, dass Pippi Langstrumpf die Anführerin war.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Sie war diejenige, die sich um Frank gekümmert hat. Die anderen beiden haben die übrigen Anwesenden im Auge behalten.«

Lenz nickte. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«

»Ja, noch eine Sache: Miss Piggy wirkte ziemlich gereizt.«

»Wieso gereizt?«

»Naja, mir ist ein Wort herausgerutscht. Sie … SCHWANZLUTSCHER! … wissen schon. Miss Piggy meinte, ich wollte sie beleidigen.«

»Welches Wort ist Ihnen denn herausgerutscht?«

»Ich habe ›Drecksau‹ gesagt.«

»Tja.« Lenz grinste amüsiert. »Ein wenig kann ich Miss Piggy schon verstehen.«

Rebecca lächelte. Neuhaus schielte immer wieder auf ihre Brüste. Lenz ahnte, was in seinem Kollegen vorging.

»Wissen Sie eigentlich, wer der Vater Ihres Freundes ist?«

»Ja, natürlich. Er heißt Norbert Becker und ist Immobilienhändler.«

Lenz kniff die Augen zusammen. Er fragte sich, ob die Frau wirklich so ahnungslos war oder ihnen nur etwas vorspielte.

»Haben Sie ihn schon persönlich kennengelernt?«

»Nein, noch nicht. Frank hat mir erzählt, dass er und sein Vater sich nicht besonders gut verstehen. Deshalb hat er ihn mir noch nicht vorgestellt.«

»Hat er Ihnen sonst noch etwas über seinen Vater erzählt?«

»Nein, nichts. Wieso fragen Sie?«

»Nur so. Das gehört zu unserem Job. Waren Sie und Herr Becker schon häufiger hier im Don Pepe essen?«

»Zwei- oder dreimal. Das Lokal gehört Franks Vater.« Plötzlich kicherte Rebecca. »Eigentlich müssten wir nichts für das Essen bezahlen. Frank hat aber trotzdem immer bezahlt. Er dachte, dass sein Vater sich darüber bestimmt ärgern würde.«

»Eine nette Familie«, bemerkte Neuhaus, der seinen Blick kurz von ihrem Dekolleté losgerissen hatte. »Gab es einen besonderen Anlass, warum Sie heute hierhergekommen sind?«

Rebecca nickte. »Wir haben unser Jubiläum gefeiert. Heute vor sechs Monaten haben wir uns kennengelernt.«

»Wie romantisch«, sagte Lenz, darauf hoffend, dass die Frau seinen süffisanten Unterton nicht bemerkte. Er war seit fünfzehn Jahren verheiratet. Seine Ehe war die Hölle. Seine Frau Renate war eine notorische Nörglerin, die seit Beginn ihrer Ehe von einer schlanken, attraktiven Frau zu einem pummeligen Monster mutiert war.

»Ja, nicht«, entgegnete die Blondine lächelnd. »Er macht mir dauernd Geschenke.«

Er kann es sich auch leisten, dachte Neuhaus verärgert. Schließlich scheffelte Beckers Vater Millionen mit Rauschgifthandel, Mord und Erpressung.

»Wusste jemand, dass Sie heute ins Don Pepe kommen wollten?«

»Ich glaube nicht. Naja, vielleicht die Angestellten. Schließlich haben wir den Tisch reserviert. Wieso fragen Sie?«

»Die Entführerinnen wussten ganz genau, dass Ihr Freund heute Abend hier sein würde«, antwortete Lenz. »Die waren bestens informiert. Fragt sich, woher sie ihre Informationen hatten. Haben Sie eine Idee?«

»Nein, keine.« Rebecca Lange machte ein ängstliches Gesicht. »Glauben Sie, die werden Frank etwas antun?«

Lenz schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Wenn sie das wollten, dann hätten sie das gleich hier im Lokal erledigt.«

»Aber was wollen die Frauen dann von ihm?«

»Das Naheliegendste ist, dass sie Lösegeld erpressen wollen.«

Lenz sah durch die gläserne Eingangsfront nach draußen auf die Straße. Soeben hielt ein Wagen vor dem Lokal. Eine Limousine. Zwei Männer stiegen aus. Einen davon erkannte er sofort. Es war Norbert Becker.

Ein uniformierter Beamter kam zu ihnen an den Tisch, ein untersetzter Bursche mit dunklen Haaren und einer Hasenscharte. »Ich störe nur ungern, aber es gibt etwas, das Sie interessieren wird.«

»Und was soll das sein?«, fragte Neuhaus knurrig.

Der Uniformierte strich sich nervös über seine Hasenscharte. »Unter den Gästen ist ein kleiner Junge. Er ist mit seinem Vater hier. Wie es aussieht, hat er mehr beobachtet als alle anderen Gäste. Ich dachte mir, dass Sie vielleicht mit ihm reden möchten.«

Neuhaus nickte. Er hatte ohnehin lange genug auf die Titten der Blondine gestarrt.

»Gut, wir kommen.«

Dienstag, 21.25 Uhr

Der Polizist führte Lenz und Neuhaus in den hinteren Bereich des Lokals, wo sich die Angestellten versammelt hatten. In einer Ecke stand ein Fernseher. Ohne Ton lief die Übertragung des Halbfinalspiels in der Champions League. Neuhaus starrte auf das Bild. Noch fünf Minuten bis zur Halbzeit, und Madrid führte mit drei zu null. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, weshalb die überwiegend italienischen Angestellten nicht besonders glücklich aussahen. Noch zwei Tore, und Mailand würde trotz des guten Hinspielergebnisses ausscheiden.

»Siehst du das«, lächelte Neuhaus seinen Partner an. »Madrid packt das.«

Lenz nickte. »Sieht aus, als hättest du den richtigen Riecher gehabt.«

Der Uniformierte zeigte auf den Jungen, der mit seinem Vater an einem Ecktisch saß. »Das ist er. Sein Name ist Kim Gronau. Der Vater ist eine Nervensäge. Er quatscht dauernd dazwischen.«

Lenz und Neuhaus setzten sich zu dem Jungen und seinem Vater an den Tisch.

»Hallo Kim«, sagte Lenz. »Mein Name ist Joachim Lenz. Mein Kollege heißt Uwe Neuhaus. Wir sind Kommissare bei der Polizei und würden dir gerne ein paar Fragen stellen.«

»Seid ihr echte Kommissare?«, fragte der Junge.

»Waschechte«, entgegnete Lenz.

»Habt ihr Pistolen?«

»Ja, haben wir. Das gehört zu unserer Dienstausstattung.«

»Die Frauen hatten auch Pistolen. Eine von ihnen hat sogar geschossen.«

»Genau darüber möchten wir mit dir reden«, sagte Neuhaus. »Wir würden gerne von dir erfahren, was du gesehen hast.«

»Er hat das gesehen, was alle gesehen haben«, mischte sich der Vater ein. »Mein Name ist Joachim Gronau. Mann, das war ja vielleicht eine Sache. Wir wollten nur in Ruhe etwas essen. Seit der Scheidung sehen Kim und ich uns nicht mehr besonders oft. Alice, meine Exfrau, legt mir ständig Steine in den Weg. Wie ich bereits sagte, wollten wir beide etwas essen. Ich …«

Neuhaus winkte den Uniformierten herbei, der in der Nähe stehen geblieben war. »Nehmen Sie bitte Herrn Gronau mit in die Küche. Er hat eine wichtige Aussage zu machen.«

»Alles klar«, sagte der Uniformierte und führte den erstaunten Mann vom Tisch fort.

Neuhaus nickte dem Jungen zu. Der Kleine hatte rotblondes, kurz geschnittenes Haar und trug Jeans und ein blaues T-Shirt mit einem Löwen vorne drauf.

»Wie alt bist du, Kim?«

»Elf. Im nächsten Monat werde ich zwölf.«

»Dann bist du ja schon ein großer Junge. Nun erzähl uns doch mal, was du heute Abend gesehen hast.«

»Das war echt krass. Erst fuhr draußen auf der Straße der Lieferwagen vor. Er war weiß und hatte ein paar Beulen. Ich wette, der hat ein paar gute Crashs hinter sich. Dann stiegen drei Frauen aus und kamen ins Restaurant.«

»Konntest du den vierten Komplizen erkennen, der im Wagen sitzen geblieben war?«

»Nein, das ging nicht, die Scheiben waren getönt.«

Neuhaus und Lenz tauschten einen schnellen Blick aus. PECH GEHABT, wollten sie sagen.

»Was passierte, als die drei Frauen das Lokal betraten?«, fragte Lenz.

»Die sind direkt in die Mitte des Lokals gestürmt«, antwortete der Junge. »Eine hat sich vor den Mann gestellt, der entführt wurde. Die anderen beiden standen ein Stück entfernt. Die sahen echt komisch aus.«

»Inwiefern?«

Der Junge lächelte. »Naja, weil Pippi Langstrumpf doch normalerweise rote Haare hat. Die Frau mit der Pippi-Langstrumpf-Maske war aber blond. Lustig fand ich auch, dass Miss Piggy so dünn wie eine Bohnenstange war. Die hätte doch eigentlich dick sein müssen, oder nicht?«

»Eigentlich schon«, bestätigte Lenz. »Was hatte Miss Piggy denn für eine Haarfarbe?«

»Die war auch blond. Die Biene Maja hatte dunkle Haare. Außerdem war sie ziemlich dick. Eigentlich hätten Miss Piggy und die Biene Maja ihre Masken tauschen sollen. Dann hätte es besser gepasst.«

Lenz machte sich eifrig Notizen. »War Pippi Langstrumpf denn dick oder dünn?«

»Die war dünn. Und ziemlich groß. Sie war fast so groß wie der Mann, der entführt wurde.«

»Und wie groß war der?«

»Ziemlich groß. Bestimmt einen Kopf größer als mein Vater.«

Neuhaus schätzte die Größe von Kims Vater auf circa einen Meter siebzig. Demnach musste Pippi Langstrumpf mindestens einen Meter achtzig groß sein.

»O Mamma mia!«, riefen einige der Kellner plötzlich.

Neuhaus blickte zum Fernseher hinüber. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit hatte Real Madrid das vierte Tor geschossen. Jetzt herrschte absoluter Gleichstand.

Neuhaus warf Lenz einen triumphierenden Blick zu und lächelte. Dann wandte er sich wieder dem Jungen zu.

»Wie groß waren Miss Piggy und Biene Maja?«

»Die waren beide etwa so groß wie die Kellnerin da drüben.«

Der Junge zeigte auf eine hübsche, dunkelhaarige Kellnerin, die um die eins sechzig maß.

»Was hatten die Frauen für Kleidung an?«, fragte Lenz.

»Die war bei allen gleich. Alle hatten so einen blauen Overall an, wie ihn mein Vater trägt, wenn er in seiner Werkstatt arbeitet.«

»Dein Vater arbeitet in einer Werkstatt?«

»Ihm gehört eine Autowerkstatt. Er kümmert sich aber fast nur noch um den Bürokram. Die Arbeit machen andere für ihn.«

Neuhaus grinste. »Das ist bei uns genauso. Die Bosse sitzen im Büro, während wir arbeiten. Ist dir denn sonst noch etwas an den Frauen aufgefallen?«

Der Junge nickte stolz. »Die Biene Maja war total cool. Sie wollte, dass Pippi Langstrumpf dem Mann ins Bein schießt, weil der zuerst nicht mitgehen wollte. Ich hab ihr gesagt, dass das keine gute Idee ist, weil der Mann mit einem verletzten Bein nicht mehr hätte gehen können. Maja meinte dann, dass Pippi dem Mann in den Arm schießen soll. Und dann hat Maja vor ihm in den Boden geschossen. Daraufhin ist der Mann mitgegangen.«

»Und wie hat die blonde Frau reagiert, die mit dem Mann am Tisch saß?«

»Die war völlig fertig. Vorher ist sie mir auf den Geist gegangen, weil sie immer Schimpfworte durch das Lokal geschrien hat. Aber nachher hat sie mir fast ein wenig leidgetan. Sie hatte ziemliche Angst.«

Neuhaus nickte. »Ist dir sonst noch etwas aufgefallen?«

Der Junge überlegte. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Nein, das ist alles.«

»Du bist ein toller Beobachter«, lobte Lenz. »Wenn du erwachsen bist, solltest du unbedingt bei uns arbeiten.«

»Aber nur, wenn die Bezahlung stimmt.«

»Dann such dir lieber eine andere Arbeit«, lächelte Lenz und strich dem Jungen über den Kopf. Er mochte den Kleinen. Seine eigene Ehe war kinderlos geblieben. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, warum Renate sich so zum Negativen verändert hatte.

Die Polizisten bedankten sich bei dem Jungen und ließen den Vater zurückholen. Neuhaus warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Fernseher. Zur Halbzeit stand es vier zu null für Madrid. Er lächelte. Im Augenblick standen die Chancen gut.

Dienstag, 21.35 Uhr

Verdammter, nichtsnutziger Idiot, dachte Norbert Becker wütend. Nichts als Ärger habe ich mit dir. Und jetzt lässt du dich auch noch entführen.

Mit langsamen Schritten bewegte sich der Pate von Köln auf das Lokal zu, das er vor zwei Jahren übernommen hatte. Dem Vorbesitzer, Luigi di Natale, hatte er einen guten Preis dafür geboten. Bedauerlicherweise hatte der Italiener abgelehnt. Jetzt lag er zwei Meter tief in der Erde begraben, irgendwo im Königsforst.

Wenn Norbert Becker etwas haben wollte, dann bekam er es auch. Nach dieser Maxime tätigte der Pate von Köln seine Geschäfte. Es war seine einzige Maxime.

Otto Paffrath hielt seinem Boss die Tür auf. Becker betrat das Lokal. Er war eine imposante Erscheinung. Fast ein Meter neunzig groß und über hundert Kilo schwer. Dunkles, an der Stirn bereits schütteres Haar, graue Schläfen und dunkle, wachsame Augen. Ein Mensch, der allein schon aufgrund seines Aussehens Respekt einflößte. Achtundfünfzig Jahre alt. Ehemaliger deutscher Meister im Schwergewicht, obgleich das lange her war. Seit drei Jahren verwitwet. Aus der Ehe stammte sein Sohn Frank, sein einziges Kind.

Paffrath folgte seinem Boss. Seit fünfzig Jahren kannten sie sich schon. Im selben Viertel waren sie aufgewachsen. Sie waren Freunde, doch die Rollen in dieser Freundschaft waren klar verteilt. Becker war Befehlsgeber, Paffrath Befehlsempfänger. Gleichzeitig war Paffrath Beckers Ratgeber, der einzige, auf den der Pate hörte.

Er war ein kleiner Mann mit Halbglatze, dunklen Augen und einer markant klingenden hohen Stimme. Studierter Jurist. Der Einzige im Viertel, der eine höhere Schule besucht hatte. Überdurchschnittlich intelligent, doch lange nicht so gerissen wie Becker, der gerade einmal einen Hauptschulabschluss besaß.

Ein pummeliger Italiener kam auf sie zu. Franco Caruso, der Oberkellner. Überschwänglich begrüßte er Becker und sprach ihm sein Mitgefühl aus.

»Was ist passiert?«, fragte Becker mit seiner rauen Stimme, während er sich im Lokal umsah. Bullen, wohin man nur blickte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er hatte gehofft, dass er die Angelegenheit auf seine Weise regeln konnte. Das war jetzt nur noch bedingt möglich. Hatte man die Bullen erst einmal an der Hacke, schüttelte man sie nicht mehr so leicht ab.

Der Oberkellner lieferte Becker einen umfassenden Bericht.

»Was hältst du von der Sache?«, fragte Becker seinen Berater, nachdem Caruso geendet hatte.

Paffrath runzelte die Stirn. »Klingt nach Profis. Alles gut vorbereitet. Ich frage mich, woher die Entführerinnen wussten, dass Frank hier ist.«

»Das frage ich mich auch. Glaubst du, der Russe steckt dahinter?«

Paffrath überlegte. Becker meinte Oleg Gulakov, einen ehemaligen KGB-Offizier, der vor zehn Jahren als Spätaussiedler mit seiner Familie nach Deutschland gekommen war. Rasch war er zu einer Größe in Kölns Halbwelt aufgestiegen. Inzwischen machte er Becker dessen Position im Rauschgifthandel streitig. Gulakov war ehrgeizig und gefährlich. In letzter Zeit hatte es mehrere kleine Scharmützel gegeben. Drei Tote waren bisher zu beklagen, einer auf Beckers und zwei auf Gulakovs Seite.

»Ja, gut möglich«, sinnierte Paffrath. »Dem White Russian ist alles zuzutrauen.«

White Russian. Den Spitznamen hatte Gulakov in Anlehnung an sein silbergraues, fast weißes Haar verpasst bekommen.

»Wenn er es war, hat er sich damit sein eigenes Grab geschaufelt«, flüsterte Becker. »Dieser Drecksau hacke ich eigenhändig die Glieder ab und stopfe sie ihm in seinen verdammten Arsch.«

»Noch wissen wir nicht, ob er wirklich dahintersteckt. Lass uns die Sache ruhig angehen.«

Becker nickte. Ruhe. Natürlich. Das war das A und O in seiner Branche, der Schlüssel zum Erfolg. Nur so hatte er sich zwanzig Jahre lang an der Spitze halten können.

»Wer hat die Polizei gerufen?«, fragte er den Oberkellner.

»Das war ich«, gab Caruso nervös zu. »Erst wollte ich nur Sie anrufen, doch das Lokal war bis auf den letzten Platz besetzt. Es lief gut, bis zu dem Moment, als …«

Caruso schüttelte den Kopf. Seine Anspannung war in jeder seiner Bewegungen zu erkennen.

»Ich musste die Polizei verständigen. Die Gäste hätten sicher wenig Verständnis gezeigt, wenn ich es nicht getan hätte.«

Becker lächelte. »Du hast dich genau richtig verhalten, Franco. Du musstest die Polizei rufen.«

Caruso atmete erleichtert auf.

Becker wandte sich Paffrath zu. Wieder flüsterte er in sein Ohr.

»Warte ein paar Tage, dann entlässt du den Kerl. Ein paar unserer Leute sollen ihn sich vornehmen. Im Königsforst ist er gut aufgehoben. Da, wo auch der andere Itaker liegt.«

Paffrath nickte. Er wusste, was zu tun war.

»Was ist mit der Frau?«, fragte Becker mit einem Fingerzeig auf Rebecca Lange. »Ob sie in der Sache mit drinsteckt?«