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Teils fiktiv, teils durch wahre Begebenheiten ergänzt, führt der Autor seine Leser durch das Buch "Der Prediger" aus dem Alten Testament. Er ergänzt es mit Kritik an unserer infantilen Anspruchsgesellschaft, in der die Grenzen zwischen wahr und unwahr nicht mehr erkennbar sind. Eine absolute Wahrheit scheint es nicht mehr zu geben. Abrupt endet die Reise in einer Dystopie. Wie ein rotes Licht leuchtet dieser Roman zur Warnung vor den Folgeschäden fehlgeleiteter Toleranz.
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Seitenzahl: 74
Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhalt
Impressum 2
Prolog 3
Geschichte 4
Epilog 55
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
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© 2022 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99131-352-6
ISBN e-book: 978-3-99131-353-3
Lektorat: Thomas Uber
Umschlagfoto: Jakub Krechowicz, Pavel Losevsky, Ying Feng Johansson | Dreamstime.com, Erich Skopek
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Erich Skopek
www.novumverlag.com
Prolog
Hello darkness, my old friend
I’ve come to talk with you again …
… and in the naked light I saw
Ten thousand people, maybe more
People talking without speaking
People hearing without listening …
And the people bowed and prayed
To the neon god they made …
(aus dem Lied „Sounds of Silence“
von Simon and Garfunkel)
Hallo Finsternis, meine alte Freundin
ich bin gekommen, um erneut mit dir zu reden …
… und im hellen Licht, da sah ich
Zehntausende, vielleicht auch mehr
Leute, die sprachen,
ohne etwas zu sagen zu haben
Leute die hörten, ohne zuzuhören …
… und die Menschen verbeugten sich,
um den Neon-Gott anzubeten, den
sie selbst geschaffen hatten …
Geschichte
Gegen 23.30 Uhr verabschiedeten sich die letzten Gäste von der Geburtstagsfeier. Erwin Schäfer war siebenundsechzig geworden. Deshalb nur eine kleine Feier, nicht so wie zu seinem Sechziger. Ob er den Siebziger, sofern er ihn erleben sollte, groß feiern würde, glaubte er eigentlich nicht. Die beiden Freunde, Daniel Rüger und Franz Balzer, waren die letzten, die das Fest verließen. Seine beiden Söhne waren etwas früher gegangen. Die Frauen und einige Bekannte aus der Selbsthilfegruppe hatten schon gegen einundzwanzig Uhr das Fest verlassen – sie konnten mit den endlosen Diskussionen nicht viel anfangen.
Daniel und Franz, wie Erwin Schäfer überzeugte Christen, diskutierten wieder einmal mit Erwins Söhnen über den Sinn des Lebens. Das hatten sie schon öfter getan. Letztere hatten schon von klein auf von den biblischen Geschichten erfahren, hatten über den Glauben viel mitbekommen. Täglich hatte ihnen Erwin am Abend aus der Kinderbibel vorgelesen, hatte mit ihnen die sich daraus ergebenden Themen besprochen. Dennoch teilten sie seinen Glauben nicht. Das war wieder einmal der Beweis dafür, dass man den Glauben an den lebendigen Gott nicht vererben oder gar aufzwingen kann, bestenfalls eine Religion kann man weitergeben. Aber der Glaube an Jesus Christus ist keine Religion, sondern eine persönliche Angelegenheit. Ebenso die Entscheidung für oder gegen ihn. Religion – auch die christliche, so sah es Erwin – hat mit äußerlichen Formen zu tun, mit Riten, Dogmen und einem vorgefassten Programm. Über die Frage, die er einmal gehört hatte, was denn der Unterschied zwischen einem Gottesdienst und einem Fußballspiel sei, hatte er nur geschmunzelt. Ebenso über die Antwort, nämlich, dass man bei einem Fußballspiel nicht wisse, wie es ausgeht.
Wie dem auch sei. Die Diskussion zwischen seinen Söhnen und Freunden war heftig gewesen. Bevor seine Kinder gingen, brachte der Jüngere einen Abschnitt aus dem letzten Kapitel des Buches ‚Prediger‘ in das Wortgefecht ein:
Im Übrigen lass dich warnen. Es werde stets neue Bücher geschrieben und dein Körper wird müde,
wenn du zu viel darin liest.
(Prediger 12:12)
Darauf antworteten Erwins Freunde fast gleichzeitig aus den folgenden Versen:
Als Ergebnis der ganzen Gedanken will ich Folgendes mitgeben. Bring Gott Achtung entgegen und tu das, was Er in seinen Geboten fordert. Das gilt für jeden Menschen.
Gott wird über alle unsere Taten Gericht halten – selbst
über die Taten, die im Verborgenen liegen.
(Kap. 12:13 und 14).
Kurz danach brachen Erwins Söhne auf. Sicher nicht, weil sie die Diskussion scheuten, sondern sie hatten bereits bei ihrem Kommen angedeutet, dass sie an diesem Abend noch etwas vorhatten. Sie sahen einander nicht oft, da der Ältere der Söhne in Dänemark arbeitete und wohnte.
Erwin war darüber nicht böse. Er freute sich, dass es ihnen gut ging. Sie hatten Arbeit und Wohnung und hatten, soweit er wusste, keine größeren Probleme. Nur, dass sie dem Glauben ablehnend gegenüberstanden, machte ihm keine Freude. Dass sie gerade das Lesen und die Bücher thematisierten, befremdete Erwin. Denn als Geschenke gab es wieder Bücher. Und schließlich war es ja nicht normal, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen und das Ende des Buches ‚Prediger‘ zu zitieren. Normalerweise fängt man mit der Einleitung an und arbeitet sich vorwärts. Und dass vieles Lesen den Körper ermüdet, ist ja auch nicht von der Hand zu weisen. Aber, dass Erwins Freunde auf den Zug aufsprangen und gleich mit den darauffolgenden Versen konterten, irritierte ihn schon etwas. Eigentlich hätte er erwartet, dass Daniel und Franz darauf hinwiesen, dass es nicht darum ging, sich viel Wissen über Gott zu erwerben. Und dass es in unserer Beziehung zu Gott in erster Linie um Vergebung unserer Sünden durch Jesu Tod und um ein Leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott ging – „aber gleich mit dem Halten von Geboten zu beginnen? …“
Nach Verabschiedung der letzten Gäste setzte Schäfer sich auf das Sofa und begann nachzudenken. Und wie immer, wenn er sich seinen Gedanken hingab, brauchte er Musik. Er stand auf, ging zum Ständer mit den CDs und begann zu suchen. Schließlich wählte er eine CD von Bob Dylan mit seinen bekanntesten Songs. Natürlich kam als erstes Lied ‚Blowin‘ in the Wind‘. Ein Song, der in seiner Jugend die Hymne einer ganzen Generation war, die sich auf die Suche gemacht hatte, um sich die wesentlichen Lebensfragen zu stellen. Erwin schweifte mit seinen Gedanken in seine Jugend zurück, als er sich gefragt hatte, was das Leben für einen Sinn hat. Er gehörte zur ersten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich keine finanziellen Sorgen machen brauchte. Einerseits war die Elterngeneration zu bescheidenem Wohlstand gekommen, andererseits fanden alle, die einen Lehrplatz suchten, eine geeignete Arbeitsstelle.
So von Existenzsorgen befreit, hatte diese Jugend Zeit und Verlangen, über das rein Materielle hinauszublicken. So auch Erwin. Er dachte jetzt an die vielen Bücher, die er gelesen hatte, an die nächtelangen Diskussionen mit Gleichgesinnten. Natürlich dachten damals nicht alle Jugendlichen so, aber es war eine Zeit des Aufbruchs. Erwin dachte daran, wie er sich die großen Lebensfragen gestellt hatte: Wer bin ich, wozu bin ich auf der Welt und was hat das Leben für einen Sinn?
Er ging zum Bücherschrank, holte sich eine Bibel in moderner Übersetzung heraus und schlug das Buch,Prediger‘ auf. Und begann zu lesen:
Was hat der Mensch, wenn er sich sein Leben lang müht und plagt? Generationen kommen und gehen, doch die Erde änderte sich durch die Zeiten nicht… alles Reden ist mühselig, nichts kann der Mensch vollständig in Worte fassen. Das Auge sieht sich niemals satt und das Ohr kann nie genug hören.
Was einmal gewesen ist, kommt immer wieder, und was
einmal getan wurde, wird immer wieder getan.
Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
(Prediger 1:2-9).
Die Zeilen aus der Heiligen Schrift verschmolzen mit dem Text von ‚Blowin‘ in the Wind‘. Die gleichen Gefühle hatte Erwin Schäfer in seiner Jugend beim Hören von Dylans meistgesungenem und bekanntestem Lied empfunden. Wenn er es damals hörte, tauchten immer wieder die großen Lebensfragen auf. Und brachten ihn zum Nachdenken. Diese Gedanken zogen sich auch durch das zweite Kapitel des Buches,Prediger‘ durch. Es schildert einen Menschen, der sich großen materiellen Gewinn verschafft hatte und ihn auch genoss. Doch er kam zu dem Schluss:
… doch als ich alles prüfend betrachtete, was ich mit meinen Händen erworben hatte, und dies mit der Mühe verglich, die ich damit hatte, merkte ich, dass alles sinnlos war. Es war so unnütz, wie den Wind einzufangen. Es gibt keinen bleibenden Gewinn auf dieser Welt (Prediger 2:11).
Erwin musste dabei auch an die Worte des Propheten Habakuk denken, der dem Volk Gottes Wort offenbarte:Hat nicht der Herr beschlossen,so predigte er den Menschen,dass die Völker sich fürs Feuer mühen und sich wegen unnützer Dinge plagen müssen (Habakuk 2:13)?Und Schäfer dachte an die Worte seiner Mutter, die sie periodisch wiederholte: Du musst dich mehr anstrengen, damit es dir einmal besser geht. Und immer wieder war ihre Antwort auf die Frage, worin denn dieses ‚Besser‚‘ bestehe: Du sollst es einmal leichter haben und mehr Geld zur Verfügung haben als ich und dein Vater. Schäfer verstand es nicht, denn es ging ihm wirklich gut und es ging ihm auch nichts ab. Aber es war die Zeit, in der alle nach mehr Wohlstand strebten und darin den Sinn des Lebens sahen.