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In Felix Saltens bemerkenswertem Werk "Fünfzehn Hasen" entfaltet sich eine facettenreiche Erzählung über das Leben und die Herausforderungen einer Hasenfamilie im Wald. Mit einer poetischen Sprache und einem feinen Gespür für die Natur bringt Salten die Leser in die komplexe Welt der Tiergemeinschaften, in der das Streben nach Freiheit und Geduld auf die Realität von Gefahren und Verlusten trifft. Der literarische Kontext dieses Werkes ist geprägt von der jüdischen Emigration und dem Umdenken in der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts, was sich in der Hinterfragung von Tradition und Identität widerspiegelt. Felix Salten, ein versierter jüdischer Schriftsteller und Journalist, ist bekannt für seine tiefgründigen Perspektiven und seine Fähigkeit, die Tierwelt mit menschlicher Erfahrung zu verknüpfen. Sein eigenes Leben, das von Migration und dem Streben nach einer Stimme in einer verändernden Welt geprägt ist, verlieh dem Werk eine zusätzliche Dimension von Empathie und Einsicht. Diese bewegenden Erfahrungen brachten ihn dazu, die fragilen Verhältnisse zwischen Freiheit und Überleben aus der Perspektive der Natur zu schildern. "Fünfzehn Hasen" ist eine eindringliche Lektüre, die zum Nachdenken anregt und Leser jeden Alters berührt. Es ist ein Werk, das nicht nur durch seine liebevolle Beschreibung der Natur begeistert, sondern auch durch seine tiefgründigen Themen von Gemeinschaft, Verantwortung und dem ewigen Kampf ums Überleben. Lassen Sie sich in die zauberhafte Welt von Felix Salten entführen. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Im Schatten von Wald und Feld verhandelt Felix Saltens Fünfzehn Hasen die zerbrechliche Balance zwischen Leben und Verlust, in der ein kleiner Verband von Wildkaninchen jeden Atemzug dem Wechselspiel von Instinkt und Erfahrung, von Zufall und Gesetz der Natur abringen muss, während unsichtbare Gefahren, wechselnde Jahreszeiten und die schwer einzuschätzende Nähe des Menschen jene fortwährende Anspannung erzeugen, aus der sowohl Gemeinschaft als auch Einsamkeit, sowohl Fürsorge als auch Flucht erwachsen und die Leserinnen und Leser dazu lädt, die Welt aus einer radikal erdnahen, verletzlichen Perspektive neu zu betrachten, und Verantwortung zu fühlen.
Das Buch gehört zur Tradition des Tierromans und der Naturerzählung, in der Tiere als handelnde Figuren erscheinen, ohne dass die biologischen Realitäten romantisiert würden. Verortet ist die Handlung in einer mitteleuropäischen Landschaft aus Hecken, Feldern und Waldsäumen, deren ökologische Ordnung den Takt vorgibt. Fünfzehn Hasen erschien 1928, in der Zwischenkriegszeit, und stammt vom österreichischen Autor Felix Salten, der durch Bambi breite Bekanntheit erlangte. Der Erzählmodus verbindet genaue Beobachtung mit behutsamer Anthropomorphisierung: Die Tiere sprechen und denken, doch ihre Wahrnehmung bleibt an Körper, Rhythmus und Gefahren des Terrains gebunden, wodurch ein glaubwürdiger Realismus gewahrt bleibt.
Zu Beginn treffen wir auf eine kleine Gemeinschaft von Kaninchen, die am Rand des Feldes nistet und ihre Laufwege zwischen Deckung und Nahrung sorgsam austariert. Aus wechselnden Blickwinkeln folgt die Erzählung einzelnen Tieren durch Dämmerungen, Regen und Frost, durch Gerüche, Geräusche und die ständige Bereitschaft, zu lauschen und zu fliehen. Die Stimme bleibt ruhig, beobachtend, mit feinen Wertungen, die der Perspektive der Tiere entspringen. Spannung erwächst weniger aus großen Wendungen als aus der Frage, ob der nächste Bissen, der nächste Sprung, der nächste Atemzug gelingt. So entsteht ein konzentriertes, still intensives Leseerlebnis.
Die Kapitel wirken wie sorgfältig komponierte Beobachtungsbilder: kurze Szenen des Äsens, abruptes Erstarren, das Anlernen der Jungen, das Wiedererkennen von Fährten, die Warnung vor offenen Flächen. Saltens Prosa ist knapp und bildhaft, doch nie gefällig; sie vertraut auf den Rhythmus des Terrains und die Logik des Augenblicks. Zwischen Schnelligkeit und Verharren baut sich Spannung auf, die sich in Sekunden entlädt oder im Ungefähren hängen bleibt. Das Ergebnis ist eine Erzählweise, die Leserinnen und Leser in die Körperlichkeit der Tiere zieht, ohne die Distanz des reflektierenden Beobachtens ganz aufzugeben, und so beides vereint: Nähe und Klarheit.
Zentrale Themen sind Überleben und Zusammenhalt, aber auch Lernen und Erinnerung: Regeln, die nicht geschrieben sind, sondern als Haltungen, Gerüche, Wege im Körper bewahrt werden. Der Übergang zwischen Wald und Feld fungiert als Schwelle, an der Chancen und Risiken sich kreuzen. Zeit erscheint als Zyklus, in dem Geburt und Verlust einander folgen, ohne Pathos und ohne Sentimentalität. Gleichzeitig zeigt das Buch, wie sehr Sicherheit ein kollektiver Prozess ist, der Aufmerksamkeit, Umsicht und Rücksicht verlangt. Die kleine Gemeinschaft wird zur Linse, durch die Nahrungsketten, Territorien, Wetter und Lichtverhältnisse als konkrete Bedingungen des Daseins erfahrbar werden.
Aus der Perspektive der Kaninchen erscheinen Menschen, Hunde und Werkzeuge nicht als Dämonen, sondern als Kräfte mit unberechenbarer Reichweite, deren Muster erkannt und deren Nähe gemieden werden muss. Diese Sicht macht Machtgefälle sichtbar, ohne zu moralisieren, und lenkt den Blick auf Verwundbarkeit, Gefährdung und Anpassung. In Zeiten verdichteter Landwirtschaft, zerschnittener Lebensräume und wachsender Sensibilität für Biodiversität wirkt die Erzählung bemerkenswert gegenwärtig. Sie zeigt, wie Entscheidungen auf der Skala weniger Meter und Minuten über Leben entscheiden können, und erinnert daran, dass Koexistenz mehr ist als Abwesenheit von Gewalt: Sie beruht auf Kenntnis, Maßhalten und Respekt.
Für heutige Leserinnen und Leser bietet Fünfzehn Hasen eine Schule der Aufmerksamkeit: ein langsames, doch spannungsreiches Erzählen, das Einfühlung ohne Verklärung ermöglicht. Die Geschichte ist zugänglich für jüngere Lesende, entfaltet jedoch in ihren Nuancen und Beobachtungen eine Tiefe, die Erwachsene anspricht. Wer Natur nicht als Kulisse, sondern als lebendige Ordnung begreifen möchte, findet hier präzise Anschauung und geduldige Reflexion. Zugleich lädt das Buch ein, über Gemeinschaft, Vorsicht und Verantwortung nachzudenken, ohne fertige Antworten zu liefern. Damit bleibt es mehr als historische Kuriosität: ein zeitloses Stück Literatur über Leben im Angesicht ständiger Unsicherheit.
Felix Saltens Fünfzehn Hasen schildert in dichter, naturkundlich geerdeter Prosa das Leben einer Gruppe von Hasen in Wald und Feld. Die Erzählung folgt ihnen über wechselnde Jahreszeiten und zeigt, wie sie Nahrung suchen, Gefahren wittern und sich im Spannungsfeld zwischen Instinkt und Erfahrung behaupten. Aus der Perspektive der Tiere entfaltet sich ein stilles Drama des Überlebens, in dem Wahrnehmung, Geruch und Geräusch zu leitenden Signalen werden. Ohne romantische Verklärung, aber mit empathischem Blick macht Salten sichtbar, wie sehr jedes Zögern oder jedes zu späte Ansetzen existenzielle Folgen haben kann. Der Rahmen bleibt konsequent die unmittelbare, tierische Lebenswelt.
Zu Beginn zeichnet der Roman das lockere Gefüge der fünfzehn Tiere: keine Herde, sondern ein wechselndes Nebeneinander, verbunden durch Gewohnheiten, Warnsignale und geteilte Deckungen am Waldrand. Man erlebt ihre Dämmerungsgänge zu Wiesen und Feldern, das Lauschen in den Wind, das Einfrieren bei leisem Knacken. Präsente Feinde wie Fuchs, Greifvogel und Marder geben den Takt des Tages vor und schärfen die Prinzipien des Überlebens: Deckung suchen, Wege variieren, nie zweimal denselben Austritt wählen. Zentral ist der Gegensatz zwischen Vorsicht und Bedürfnis. Hunger, Neugier und Rangstreitigkeiten stehen im ständigen Widerstreit mit der Notwendigkeit, unentdeckt zu bleiben.
In der ersten Buchhälfte markiert eine von Menschen ausgelöste Störung einen Wendepunkt: Schüsse, Hundegebell und das lärmende Durchkämmen von Hecken zwingen die Tiere, vertraute Passagen aufzugeben. Die Gruppe zerstreut sich, einzelne Hasen schlagen weite Bögen über offene Felder, andere suchen neue Deckung in Dornen oder auf Brachland. Dieser erzwungene Wechsel des Terrains verändert Routinen und Risiken zugleich. Der Roman nutzt die Episode, um die Anpassungsfähigkeit der Tiere auszuloten und zu zeigen, wie Erinnerung an sichere Linien und der Mut zum Abweichen sich ergänzen. Auch Konkurrenz innerhalb der Art verschiebt sich, sobald gewohnte Plätze knapp und Wege gefährlich werden.
Es folgt eine Phase, in der die Nähe zu menschlicher Nutzung ambivalent erscheint. Frische Saat, Kohlstrünke und abgeerntete Stoppeln versprechen leichte Nahrung, doch Zäune, Fallen und das unberechenbare Auftauchen von Menschen erhöhen die Gefahr. Unter den Hasen entstehen unterschiedliche Strategien: Einige suchen die relative Sicherheit dichter Waldsäume, andere riskieren das offene Gelände. Der Text kontrastiert diese Haltungen und macht deutlich, wie Erfahrung, Temperament und Tageszeit Entscheidungen prägen. Begegnungen mit anderen Waldbewohnern vertiefen den Eindruck eines dicht verwobenen Lebensraums, in dem jede Bewegung Folgen hat. Aus kleinen, beinahe lautlosen Begebenheiten erwachsen die großen Konflikte um Raum, Futter und Fortpflanzung.
Mit dem Winter verdichtet sich die Bedrohung. Schnee legt Spuren offen, Frost verhärtet den Boden, und die knappe Nahrung treibt die Tiere zu längeren, riskanteren Wegen. Nächte werden zur Prüfung, in denen jede Schattenverschiebung zählen kann. Erfahrene Tiere geben den Ton an, zeigen windgünstige Lagen und selten genutzte Deckungen, doch Erschöpfung und Hunger lassen Vorsätze bröckeln. Der Roman spitzt den Grundkonflikt zu: überleben durch Geduld und Disziplin oder durch wagemutige Ausbrüche aus der Routine. Stürme, Kälte und das anhaltende Ausspähen durch Feinde machen deutlich, wie schmal der Korridor zwischen Sicherheit und Gefahr in der kalten Zeit ist.
Mit dem Tauwetter verschieben sich die Gewichte erneut. Weicher Boden, junges Grün und längeres Licht erleichtern die Nahrungssuche, doch mit der Regsamkeit der Menschen kehren Maschinenlärm und neue Begrenzungen zurück. Felder werden umgebrochen, Wege verlegt, Deckung beseitigt oder unvermittelt geschaffen. Die Erzählung zeigt, wie die Tiere auf die veränderte Landschaft reagieren, sichere Übergänge neu kartieren und erprobte Regeln anpassen. Zugleich betont sie den zyklischen Charakter des Lebens: Erfahrungen gehen still von älteren auf jüngere weiter, Verluste bleiben spürbar, und dennoch setzt sich Bewegung fort. Ein weiterer Wendepunkt ergibt sich, als vertraute Routen unerwartet versperrt werden.
Am Ende bleibt weniger eine abgeschlossene Handlung als ein prägnanter Eindruck von Widerstandskraft unter ständiger Bedrohung. Fünfzehn Hasen verdichtet alltägliche Abläufe zu einem Bild von Natur als Netzwerk wechselseitiger Abhängigkeiten, in dem menschliches Handeln allgegenwärtig mitschwingt. Der Roman macht die Perspektive der Beute erfahrbar und legt damit die ethische Frage nach Raum, Rücksicht und Koexistenz nahe, ohne programmatisch zu argumentieren. Seine nachhaltige Wirkung entsteht aus der Genauigkeit der Beobachtung und der behutsamen Empathie, mit der Salten Wahrnehmung und Entscheidung im Tierleben schildert. So bleibt die Lektüre aufmerksamkeitsbildend, berührend und bewusst spoilerarm offen in ihrer letzten Wendung.
Felix Saltens Fünfzehn Hasen erschien 1929 im deutschsprachigen Raum, in einer von Wien geprägten Kultur- und Medienlandschaft. Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 entstand die Erste Republik Österreich; Verwaltung, Bildungswesen und ein dichter Pressemarkt blieben prägende Institutionen. Die urbane Kaffeehaus- und Feuilletonkultur Wiens bot Autoren wie dem jüdisch-österreichischen Schriftsteller und Journalisten Salten (1869–1945) ein Forum. Gleichzeitig strukturierten Jagd- und Forstverwaltungen die Nutzung der Wälder in Mitteleuropa. Diese Konstellation – moderne Massenpresse, etablierte Verlage, staatliche Forstpraxis und ein breites bürgerliches Lesepublikum – bildete den institutionellen Hintergrund, vor dem Saltens naturkundlich fundierte Tiererzählung veröffentlicht und rezipiert wurde.
Saltens Buch steht in der Tradition der Tiererzählung, die im deutschsprachigen Raum um 1900–1930 hohe Popularität erreichte. Bereits Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde (1923) hatte ihm breites Renommee eingebracht. In Zeitschriftenfeuilletons, Familienbibliotheken und Buchklubs fanden naturkundlich grundierte, realistisch erzählte Tiergeschichten ein aufmerksames Publikum. Parallel erstarkten Wander- und Naturfreunde-Verbände sowie die Heimatschutzbewegung, die Landschaft, Flora und Fauna als kulturelle Werte propagierten. Diese kulturellen Strömungen förderten eine Literatur, die Verhalten, Lebensräume und Gefährdungen von Wildtieren anschaulich machte, ohne auf Märchenschemata zu reduzieren. Fünfzehn Hasen knüpft an diese Lesetradition an und erweitert sie um gruppenbezogene Perspektiven.
In den Jahrzehnten vor und nach dem Ersten Weltkrieg wurde die mitteleuropäische Wald- und Agrarlandschaft intensiv bewirtschaftet. Seit dem 19. Jahrhundert hatten Forstwissenschaft und Regelwerke nachhaltige Nutzung, Kahlschlagverbote und Wiederaufforstung etabliert; zugleich wurden Wildbestände als jagdliches und ökonomisches Gut betrachtet. In der Zwischenkriegszeit setzten sich Regulierung von Jagdzeiten, Schongebieten und Prämien für Beutegreifer fort, während Flächenumbruch, Entwässerungen und Feldrandverbauungen Lebensräume veränderten. Diese historisch belegten Praktiken bestimmten Konflikte zwischen Wildtieren, Landwirtschaft und Jagd. Das Wirkungsfeld solcher Eingriffe bildet den realistischen Hintergrund, vor dem Saltens Darstellung von Gefahr, Nahrungssuche und jahreszeitlichem Wechsel anschlussfähig wurde.
Die Veröffentlichung fiel in eine politisch polarisierte Epoche. Nach 1918 prägten wirtschaftliche Not, paramilitärische Verbände und ideologische Konflikte Österreich. 1927 eskalierte die Krise im sogenannten Juliaufstand in Wien nach dem Schattendorfer Urteil; 1933–1934 folgte der autoritäre Umbau des Staates. Im gesamten deutschsprachigen Raum nahm Antisemitismus zu. Als jüdischer Autor wurde Salten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 in Deutschland von Zensur und Ausschluss getroffen; seine Bücher waren dort nicht mehr legal erhältlich und fielen den Bücherverbrennungen zum Opfer. Nach dem „Anschluss“ 1938 war dies auch in Österreich der Fall. Salten emigrierte 1939 in die Schweiz.
1929 brach die Weltwirtschaftskrise aus; die Folgen trafen Österreich besonders hart, kulminierend 1931 im Zusammenbruch der Creditanstalt. Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit und politische Radikalisierung prägten den Alltag. Der Buchmarkt reagierte mit preisgünstigen Reihen, Leihbibliotheken und einer Mischung aus eskapistischer und gesellschaftsbezogener Literatur. Saltens Tiererzählungen wurden häufig zugleich als Erwachsenen- und Jugendliteratur angeboten, was ihrer Verbreitung in Haushalten und öffentlichen Leihbibliotheken zugutekam. Zugleich wuchs die Bedeutung von Zeitungen und Zeitschriften als Erstveröffentlichungsorte und als Werbeträger für neue Titel. Diese Verlags- und Vertriebsstrategien verankerten naturkundlich realistische, aber erzählerisch zugängliche Bücher im Massenpublikum – ein Umfeld, in dem Fünfzehn Hasen seine Leser fand und Diskussionen über Mensch-Natur-Beziehungen anregte.
Saltens Name war durch Übersetzungen seiner Tierbücher bereits international bekannt; ab den späten 1920er und frühen 1930er Jahren erschienen Ausgaben in mehreren Sprachen, darunter Englisch. Während der Nationalsozialismus seine Verbreitung im Deutschen Reich unterband, zirkulierten seine Bücher in der Schweiz, in Großbritannien und in Nordamerika weiter. Buchgemeinschaften und Feuilletons steigerten in den USA und Großbritannien generell die Sichtbarkeit übersetzter Prosa. Diese transnationale Rezeption prägte die Wahrnehmung als naturgetreu beobachtete, literarisch anspruchsvolle Tierprosa aus Mitteleuropa. Gleichzeitig wurde ihre Lektüre in Deutschland nach 1933 durch Indizierung und Bibliotheksbereinigungen stark eingeschränkt, was die innerdeutsche Wirkungsgeschichte von Fünfzehn Hasen im Unterschied zur internationalen Leserschaft nachhaltig veränderte.
In den 1920er und 1930er Jahren wuchs das öffentliche Interesse an Tierverhalten. Naturkundliche Museen, populärwissenschaftliche Vorträge und Filme verbreiteten Beobachtungen über Reviere, Instinkte und Sozialverhalten. Im deutschsprachigen Raum wirkten Forscher wie Oskar Heinroth (Berlin) und – etwas später, in Wien – Konrad Lorenz, deren Arbeiten die entstehende Ethologie prägten. Diese wissenschaftliche Aufmerksamkeit für Verhalten und Anpassung schuf ein Klima, in dem Leser detailgetreue, nicht verniedlichende Tierdarstellungen schätzten. Saltens sorgfältige Beobachtungen von Lebensrhythmus, Feinden, Witterung und Nahrungsangebot korrespondierten mit diesem Wissenshorizont und unterstützten die Plausibilität seiner Erzähltechnik, auch wenn seine Figuren literarisch geformte Charaktere bleiben.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Fünfzehn Hasen als präzise situierte Zwischenkriegsliteratur lesen: eine Erzählung, die den Druck moderner Eingriffe in Landschaft und Wildbahn, die Verletzlichkeit kleiner Gemeinschaften und die Abhängigkeit vom jahreszeitlichen Takt sichtbar macht. Ohne den Handlungsverlauf vorwegzunehmen, greift das Buch wiederkehrende Motive von Gefahr, Flucht und Anpassung auf. Forschung und Kritik haben das Werk wiederholt als Gleichnis auf Minderheitenexistenz, Prekarität und Verfolgung in Mitteleuropa interpretiert, zugleich aber auf seine naturkundliche Genauigkeit verwiesen. Als Kommentar zur Epoche verbindet es ökologische Realität mit kulturellen und politischen Erfahrungshorizonten der Jahre vor der Katastrophe der 1930er/40er.
Wo sind meine Geschwister?«
Der junge Hase, der im Dickicht unter Farnwedeln neben seiner Mutter saß, hatte das plötzlich gefragt.
Er war so klein wie ein Klümpchen Erde des Waldbodens. Er glich einem Flöckchen Wolle, doch er schien fast noch zarter als der zarteste Flaum, schier hauchartig. Er sah ganz nebelgrau aus; sein Fell hatte jenes feine Farbengemenge, das man Pfeffer und Salz nennt. Er war eigentlich so wesenlos und dabei doch so wunderbar wie der erste blasse Schimmer des frühen Morgens, der soeben herandämmerte. Auf seiner Stirn stand der weiße Stern, das Zeichen seiner Kindheit.
»Wo sind meine Geschwister?« fragte er noch einmal. Sie waren ihm gerade jetzt eingefallen. Er wußte nicht, wie, und er dachte auch nicht weiter darüber nach. Er war gewohnt zu fragen, und so fragte er.
Die Mutter schwieg.
Eine große, stattliche Häsin, saß sie völlig in sich verkauert, hatte einen schwarzen Streifen, der sich den Rücken entlang über das erdbraune Fell hinzog, hatte kleine schwarze Streifen am Bug der Löffel. Und ihre mächtigen weißen Schnurrhaare befanden sich jetzt in unaufhörlicher, leiser Bewegung. Es blieb unwahrscheinlich, daß der winzige Junge neben ihr jemals so gewaltig werden könnte wie sie.
»Mir ist doch«, fing er wieder an, »mir ist doch, als seien viele Geschwister dagewesen . . .«
Als keine Antwort kam, redete er weiter: »Brüder und Schwestern waren bei mir . . . Ich weiß nicht mehr wie viele, es ist so lange her, und ich bin noch zu klein gewesen, damals . . .«
Dieses »lange her« und dieses »damals« hatte sein eigenes Maß, denn der Junge war erst ein paar Wochen auf der Welt.
Die Mutter wandte sich zu ihm. Ganz wenig, ohne ihre Haltung zu ändern. Doch ihre Schnurrhaare spielten etwas lebhafter. »Ja, ja«, sprach sie, »mein lieber Hops, du wirst größer. Es ist zum Staunen, wie schnell du groß wirst . . .«
Der winzige Hops richtete sich auf, saß in den Hinterbeinen und stellte erfreut die Löffel hoch. »Wo sind die andern?« forschte er dringend.
Die Mutter antwortete leise: »Verschwunden . . .«
Hops legte die Löffel nieder. »Auch du verschwindest manches Mal . . . aber du kommst wieder . . .«
Die Mutter hielt die Nase fest zwischen die Vorderpfoten gepreßt und schwieg.
Dem Kleinen ahnte Schlimmes; er fragte: »Wann . . . wann kommen sie zurück . . . die andern?«
Noch fester drückte die Mutter ihren Kopf in die Vorderpfoten, noch leiser sagte sie: »Niemals . . .«
»Wo sind sie?« Hops war es bang zumute, aber er ließ nicht locker.
Ohne sich zu regen, gab die Mutter Antwort: »Verloren sind sie . . .«
Der Kleine begriff nicht ganz, was er da hörte. Gleichwohl war er erschüttert. Nach einer Pause verlangte er zu wissen: »Und ich . . .? Werde auch ich verloren sein?«
Die Mutter zuckte: »Mein Hops . . . mein lieber Hops . . .« Sie seufzte, ehe sie weitersprach: »Du mußt aufpassen, immer, immer achtgeben, immer . . . verstehst du? Und du mußt laufen können . . . schneller als alle andern Geschöpfe hier im Walde . . .«
Hops beteuerte: »Oh, Mutter . . . ich gebe ja acht . . . ich weiß eigentlich noch gar nicht, warum, aber ich geb' immer acht!«
»Du bist brav«, wurde er gelobt, »eines Tages wirst du von selbst lernen, warum wir immer auf der Hut sein müssen . . . Du bist jung, mein Kleiner . . .«
»Und laufen kann ich«, rief Hops, »schau mir zu . . .«
Er begann zu rennen, unbeholfen, kindlich, doch mit bestem Willen. Er umsprang die Mutter, rannte in immer größeren Kreisen.
Die Mutter saß still und blickte ihm nach. Eine geringe Zufriedenheit durchzog warm ihr Herz. Dann murmelte sie vor sich hin: »So oder so . . . niemand behält seine Kinder . . .« Sie legte die stattlichen Löffel melancholisch und langsam nieder, während sie bekümmert wiederholte: »So oder so . . . die Kinder bleiben nie . . . sie brauchen uns eines Tages nicht mehr . . .«
Hops geriet in eine Ekstase des Laufens. Das graue Flöckchen Wolle, das von seiner Mutter Hops genannt wurde, fegte über den Boden hin, unter den Blättern von Farnkraut und Lattich, unter dem dünnen, niedrigsten Gezweig junger Hartriegel- und Brombeerstauden. Manche von den Gerten peitschten ihn, wenn sie zurückschnellten, ganz leicht. Hops empfand das angenehm und als eine Mahnung, noch rascher dahinzurennen.
Der Wald begann zu erwachen.
Eine fahle Helligkeit drang durch das frische Maiengrün der Laubwipfel in das Dickicht.
Holztauben schwangen sich mit geräuschvollem Flügelschlag von den Ästen. Laut knatternden Fittichs verließen die Fasanen ihre Schlafbäume, und ihr metallischer Balzton, abgerissen und berstend, klang überall auf. Das wirkte, als züngelten da und dort im Walde blitzende Flammen empor, um gleich wieder zu verlöschen; hörte sich an wie ein im Ausbrechen schon bereuter Schrei, gemengt aus Schmerz und Lust.
Hoch oben, auf den höchsten, dünnsten Zweigspitzen der Buchen und Linden saßen die Amseln, waren vom Erdboden gesehen nur schwarze Punkte, aber ihr andauernder, in frohen Weisen wunderbar abwechselnder Gesang strömte die Musik inbrünstiger Daseinswonne durch den Maimorgen.
Der Pirol schleuderte seinen goldgelben Leib von Baum zu Baum und jauchzte dazu, immer dieselbe begeisterte Strophe, als wäre die Sonne schon aufgegangen.
