Funkelsee – Das einsame Lied der Pferde (Band 6) - Ina Krabbe - E-Book

Funkelsee – Das einsame Lied der Pferde (Band 6) E-Book

Ina Krabbe

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein neues, wildes Pferdeabenteuer vom Funkelsee! Malu und Lea begleiten ihre Großtante Gesine zu Filmaufnahmen nach Burg Dunkelwald. Absolutes Highlight: Als Schlafplatz bekommen die Freundinnen einen eigenen Wohnwagen zugewiesen, direkt neben den Pferdeställen. Doch woher kommt die schaurig-schöne Melodie, die nachts zu hören ist? Und was hat es mit dem Wiehern auf sich, das aus dem Teil der Burganlage dringt, den niemand betreten darf? Während um sie herum die Filmarbeiten beginnen, ist Malu schon bald dem düsteren Geheimnis von Burg Dunkelwald auf der Spur … Die Funkelsee-Reihe – mitreißender Mix aus Pferden, Freundschaft und Abenteuern Spannende Bücher mit starken Mädchencharakteren und großen Geheimnissen. Ein perfektes Geschenk für Pferdenarren ab 10 Jahren. Für Fans von Elena Ein Leben für Pferde, Pferdeflüsterer-Academy und Charlottes Traumpferd. Bisher erschienen: Band 1: Flucht auf die Pferdeinsel Band 2: Versunken in der Pferdebucht Band 3: Das goldene Fohlen Band 4: Der Ruf der wilden Pferde Band 5: Das Tal der verlorenen Pferde Band 6: Das einsame Lied der Pferde Stimmen zum ersten Band "Funkelsee - Flucht auf die Pferdeinsel": »Das Buch ist lang, aber es ist mir vorgekommen, als ob es nur 50 Seiten gewesen wären. Am Ende war es nämlich so spannend, dass ich es nicht mehr weglegen konnte.« Junia Martel (9 Jahre), Kinder- und Jugendredaktion Buecherkinder.de »schnell wird klar, dass die Geschichte viel mehr ist als ein Pferdebuch. (...) Die sympathischen Hauptpersonen und die gelungene Mischung aus Spannung, Tierliebe, Freundschaft und ein bisschen Verliebtheit lassen auf den Beginn einer neuen Reihe hoffen« Sigrid Born, ekz-Bibliotheksservice

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 258

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Originalcopyright © 2021 Südpol Verlag, Grevenbroich

Autorin: Ina Krabbe

Illustrationen: Ina Krabbe

E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim

ISBN: 978-3-96594-127-4

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Mehr vom Südpol Verlag auf:

www.suedpol-verlag.de

Die Funkelsee-Bücher

Funkelsee - Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1)

Funkelsee - Versunken in der Pferdebucht (Band 2)

Funkelsee - Das goldene Fohlen (Band 3)

Funkelsee - Der Ruf der wilden Pferde (Band 4)

Funkelsee - Das Tal der verlorenen Pferde (Band 5)

Funkelsee - Das einsame Lied der Pferde (Band 6)

1. Kapitel

Es war früh am Morgen, gerade mal kurz nach sechs (und das in den Ferien!), als Malu die Pferdeweide hinter Schloss Funkelfeld betrat. Leas Schnarchen hatte sie geweckt und bei dem Lärm konnte sie beim besten Willen nicht mehr ein­­schlafen. Es war wirklich erstaunlich, welch laute Ge­­räu­­­­­­sche Leas Körper produzieren konnte. Eigentlich soll­­te sie sich inzwischen daran gewöhnt haben, schließlich ver­brach­te ihre Freundin die gesamten Sommerferien bei ihr, wäh­­rend Leas Mutter eine Rundreise durch Polen mach­te – auf den Spuren ihrer Familiengeschichte. Lea hatte keine Lust gehabt auf ausgedehnte Besuche entfernter Groß­tanten und -onkel, ihr reichte schon die weitverzweigte Verwandtschaft in Deutschland. Daher hatte sie sich kurzentschlossen auf Schloss Funkelfeld einquar­tiert.

Malu schloss das kleine Holztor hinter sich, das sie vor Kurzem mit ihrem Bruder Edgar (ok, Halbbruder, aber machte das einen Unterschied?!) in den Zaun eingebaut hatte, und lief durch das taufeuchte Gras auf den Offen­­­stall am Ende der Weide zu. Papilopulus, ihr geliebter dunkelbrauner, inzwischen teilweise eher grauer Wallach, döste mit gesenktem Hals mitten auf der Wiese. Als er Malu hör­­te, hob er schwerfällig den Kopf und schnaubte freudig. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und sie beschleunigte ihre Schritte.

»Hi, mein Alter, guten Morgen«, flüsterte sie liebevoll, wäh­­rend sie über seine weichen Nüstern strich. Träge bohrt­­e die Pferdeschnauze sich in Malus Hosentasche. Das Mädchen kicherte. »Da passt deine Riesenschnauze be­­stimmt nicht rein, Papi.« Malu zog ein Leckerchen hervor und hielt es dem alten Rennpferd hin. Ganz vorsichtig nahm es der Wallach mit seinen dicken Lippen von ihrer Hand­­­fläche und zermahlte es dann genüsslich zwischen den Zähnen, wobei dicke Sabberfäden aus dem Maul tropften.

»Du hast so gute Manieren, Papi, aber dieses Gesabber macht es einfach kaputt.« Lachend wischte Malu sich die klebrigen Hände an der Hose ab und gab Papilopulus einen Kuss auf den Nasenrücken mit dem kleinen herzförmigen Fleck. »Da solltest du dringend dran arbeiten. So, und jetzt sind die anderen an der Reihe.«

Als hätte er den letzten Satz verstanden, sprang ein klei­ner brauner Wirbelwind auf sie zu – Lapislazuli! Ihr Bru­­der Edgar hatte ihr das hellbraune Fohlen zum 14. Ge­­­burtstag geschenkt. Lapi war die Tochter von Edgars Pinto­­stute Alibaba, die unter dem Dach des Offenstalls stand und ihr herumtollendes Fohlen nicht aus den Augen ließ. Winzige Nüstern schnupperten an Malus Händen und stupsten sie erwartungsvoll an. Malus Magen kribbelte vor Glück, es gab einfach nichts Süßeres auf der Welt!

Nach­­dem sie ein weiteres Leckerchen verfüttert und das Fohlen ausgiebig geknuddelt hatte, waren die anderen Pferde an der Reihe: die Isländer Ping und Pong, die dicht bei­einander in der offenen Box standen, die Ponys Zimt und Vanille und ihre Schimmelstute Schneechen, die ihr neugierig mit ihrem gesunden Auge entgegensah. Auf der anderen Seite war nur eine leere Augenhöhle, an deren Anblick sich Malu erst hatte gewöhnen müssen.

Sie zupfte der Stute ein paar Strohhalme aus der Mähne, während die ihre Leckerei genoss. »Nachher drehen wir eine Runde um den See und dann geht’s ab ins Wasser«, versprach Malu ihr. Schneechens Ohren zuckten aufmerksam, als würde sie jedes Wort verstehen. Manchmal glaubte Malu tatsächlich, dass ihre Pferde sie verstanden und dann stellte sie sich vor, dass sie sich richtig mit ihnen unterhalten könnte. Was sie wohl sagen würden? Malu grinste, wahrscheinlich würden sie viel übers Essen reden.Sie setzte ihre Runde fort und begrüßte noch Edgars Pferde Alibaba und den alten Schimmel Rocco.

Lapislazuli folgte Malu auf Schritt und Tritt und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Wahrscheinlich hatte sie die Hoffnung, dass noch ein Leckerchen für sie heraussprang.

Malu strich über die warmen Hälse und Kruppen der Pferde und genoss die Ruhe um sich herum. Die kühle, frische Luft war eine Wohltat, allein dafür hatte es sich schon gelohnt, so früh aufzustehen.

Der Sommer war dieses Jahr so heiß, dass man es ab Mittag eigentlich nur noch badend im Funkelsee aushal­­­­ten konnte. Aber stattdessen hatte sie die letzte Woche mit Lea, ihrem gemeinsamen Freund Vincent und ihrer Cousine Lenka in Spanien verbracht, mitten in der Wüste, wo es noch mal um einige Grade hei­ßer war1. Malu schauderte, als sie an das schreckliche Er­­ziehungscamp dachte, in dem sie durch einen fiesen Trick von Lenkas Stiefvater gelandet waren. Zurück in Deutsch­­land hatten die vier erst mal eine Nacht und den ganzen nächsten Tag durchgeschlafen, so erschöpft waren sie gewesen. Jetzt hatte Malu das Gefühl, als läge das alles schon eine Ewigkeit zurück. Selbst ihr heftiger Sonnen­brand war inzwischen komplett verheilt.

Plötzlich schoss eine kleine schwarz-weiße Fellkugel auf Malu zu und sprang begeistert an ihr hoch.

»Juri! Na, mein Kleiner.« Malu beugte sich hinunter und kraulte den kleinen Terrier hinter den Ohren. Der warf sich auf den Rücken, ließ sich ein paar Sekunden den Bauch streicheln, dann fegte er wieder davon.

Kurz darauf streckte Lenka den Kopf um die Ecke. »Hi, Malu. Ich dreh eine Runde mit Juri, kommst du mit?«

Seit ihre Cousine den süßen kleinen Hund hatte, war sie zu einer echten Frühaufsteherin geworden (gezwungenermaßen!).

»Ich muss noch die Wassereimer sauber machen und auffüllen«, sagte Malu.

Lenka blieb zögernd stehen und sah ihre Cousine forschend an. »Hast du heute schon auf dein Handy geguckt?«

Malu schüttelte den Kopf. »Das muss ich gleich den Klauen meiner Mutter entreißen. Sie hat es gestern Abend eingesammelt, damit Lea und ich keinen Blödsinn gucken.« Bei den letzten Worten malte sie Anführungszeichen in die Luft.

»Ah, dann ...« Lenka wandte sich ab, stopfte sich Earpods in die Ohren und pfiff nach Juri, der sofort Gas gab und den Feldweg entlangpeste. »Bis nachher.«

»Wieso fragst du?« Verwundert blickte Malu ihrer Cousine hinterher, doch die hörte sie nicht mehr. Warum hatte sie nach Malus Handy gefragt? Aber das eigentlich Verwunderliche war, dass sie und Lenka nach ihrem Aben­­teuer in Spanien zu einem relativ normalen Umgang mit­einander gefunden hatten. Zumindest hatte Malu nicht mehr das Gefühl, dass sie ihrer Cousine am liebsten gleich die Augen auskratzen wollte, wenn sie sie sah. Dabei hatte sie gedacht, dass sie Lenka nie verzeihen könnte, wie schlecht sie Papilopulus behandelt hatte, nachdem Gesi­­nes Schwester Sybill gestorben war. Damals hatte Lenka geglaubt, ihr Vater hätte Schloss Funkelfeld mitsamt dem alten Rennpferd geerbt. Tja, Pech gehabt, am Ende hatte Malus Halbbruder Edgar alles bekommen und nach einer sehr verwickelten Geschichte gehörten Schloss und Lände­reien jetzt ihrer Großtante Gesine.

Lenka lebte inzwischen wieder bei ihrem Vater im alten Pfört­nerhäuschen, nachdem ihre Mutter in Spanien verhaftet worden war. Das war für ihre Cousine das Schlimmste gewesen, dass ihre Mutter auf einen Betrüger hereingefallen war und wegen dem jetzt im Gefängnis sitzen musste.

Zum Glück war auch der kleine Terrier Juri mit nach Deutschland gekommen, den Malu sehr ins Herz geschlossen hatte.

Sie wischte den Trinkbottich auf der Weide sauber und rollte den Schlauch ab, um frisches Wasser einzufüllen. Am Ende ihres Spanienabenteuers hatte ihre Cousine sich wirklich mutig und hilfsbereit verhalten, das musste Malu zugeben und das war auch der Moment gewesen, in dem sie beschlossen hatte, Lenka doch noch eine Chance zu geben. Bis jetzt sah es gut aus.

»Moin, moin«, schallte Edgars Stimme durch den Stall. »Was hat dich denn so früh aus dem Bett getrieben?«

Malu blickte sich um und entdeckte ihren Bruder, der in der Tür stand und sich verlegen durch seine blonden Strubbel­­haare fuhr. Seine übertrieben fröhliche Art passte weder zu der frühen Uhrzeit noch zu seinem Blick.

»Ist irgendwas?«, fragte Malu alarmiert.

»Nein, was soll sein?« Edgar schwang sich über die Stange, die den Bereich mit den Strohballen abtrennte und zerrte einen davon in den Stall hinüber. »Bei dir alles in Ordnung?«, fragte er so beiläufig wie möglich.

»Jaaa?« Malu stemmte die Hände in die Seiten und musterte ihren Bruder. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte? Lenka hat auch schon so komische Andeutungen gemacht.«

»Nee, was soll schon sein. Alles gut.« Edgar grinste schief und wandte sich wieder dem Ballen zu. Mit einem Schnitt seines Taschenmessers trennte er die Schnüre durch und verteilte dann das frische Stroh zwischen den Pfer­­­den.

Malu machte noch die restlichen Trinkbehälter sauber und füllte sie wieder auf. Ihre eben noch so fröhliche Stimmung war einem gewissen Misstrauen gewichen. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass Edgar und Lenka ihr etwas verheimlichten. Sobald sie in der Wohnung war, würde sie gleich als Erstes versuchen, an ihr Handy zu kommen.

Nachdem sie die morgendliche Arbeit bei den Pferden erledigt hatte, ließ sich Malu zufrieden auf die Strohballen sinken. Edgar war schon auf dem Weg zu den Gästepferden und seinem Hengst Flash, um auch dort frisches Stroh in den Boxen zu verteilen. Die Sonne schickte ihre ersten zartrosa leuchtenden Strahlen durch die Bretterritzen des Holzdaches. Sie musste an Jaron denken und wie immer kribbelte es dabei angenehm in ihrem Bauch. Sie stellte sich vor, wie er neben ihr saß mit seinen schwarzen wuscheligen Haaren und ihr durch die schwarze Brille einen verliebten Blick zuwarf. Sie seufzte. Wenn er in ein paar Monaten aus Amerika zurück war, würde sie die Sache mit dem Küssen angehen, das hatte sie sich fest vorgenommen und mit Lea auch schon verschiedene Pläne gemacht, wie das funktionieren könnte. Aber erst mal musste sie sich ganz dringend wieder bei ihm melden, das hatte sie über dieser Spaniengeschichte etwas vernachlässigt – wenn auch nicht ganz freiwillig, denn in dem Camp hatte man ihnen die Handys abgenommen.

Ginge es nach Malu, hätte sie jetzt eine ruhige Erho­lungs­pause bei ihren Pferden verdient, mit langen Ausritten und hin und wieder einer kleinen Abkühlung im See. Das war eigentlich schon letzte Woche der Plan gewesen, aber dann hatte der Hilferuf ihrer Cousine alles zunichte gemacht und Malu, Lea und Vincent waren Hals über Kopf nach Spanien aufgebrochen. Und jetzt würde es schon wieder nichts mit dem entspannten Chillen werden, denn sie und Lea hatten ihrer Großtante Gesine versprochen, sie morgen zu den Filmaufnahmen zu begleiten.

Eigentlich war es Lea gewesen, die bei einem Wettbe­­werb auf einer Müslipackung mitgemacht und dabei die Teil­nahme an einem Casting für die Serie Zusammen für alle Zeiten gewonnen hatte. Doch zu ihrem Pech spielte die Staffel, die gedreht werden sollte, ausgerechnet auf einem Gestüt und die Rolle als Stallmädchen hatte ihr nicht ganz so gelegen (Lea und Pferde, das ging eben gar nicht!). Als dann eines der Filmpferde durchgegangen war und Gesi­ne es kurzerhand wieder eingefangen hatte, war die Rolle ihrer Großtante zugefallen. Als Gewinnerin des Castings war sie jetzt für vier Drehtage in ein Gestüt eingeladen, mit Un­­terkunft und Verpflegung und durfte in einigen Film­szenen mitspielen. Weil Gesine aber auf keinen Fall alleine fahren wollte, hatte sie noch beim Casting ausgehandelt, dass Lea und Malu sie begleiten durften.

Malu schloss die Augen und genoss die ersten warmen Sonnenstrahlen des Tages auf der Haut, bis sich etwas kitzelig Samtiges davorschob und ein Schnauben von sich gab. Feine Spucketröpfchen verteilten sich in ihrem Gesicht. Malu blinzelte mit einem Auge und sah direkt in Lapis dunkle, leuchtende Augen, die von langen Wimpern eingerahmt wurden – etwas, worum Lea das kleine Fohlen sehr beneidete. Lachend rückte sie das letzte Leckerchen heraus und knuddelte Lapi noch mal, bevor sie sich auf den Weg zurück ins Schloss machte.

Gleich würde sie endlich wissen, was denn so Geheim­nisvolles auf ihrem Handy war.

Funkelsee - Das Tal der verlorenen Pferde

2. Kapitel

Diesmal verließ Malu den Stall durch die Vordertür und lief den Feldweg entlang, der ums Schloss herumführte. Links im Wald konnte sie den hellen Putz des neu gestrichenen Pförtnerhäuschens durch die Bäume schimmern sehen und rechts führte ein kleiner Weg durch einen Torbogen auf den Schlossplatz. Die weißen Fensterumrandungen strahlten förm­­lich inmitten der altrosa verputzten Außenwände und vor der großen Freitreppe standen seit der Eröffnung des Reithotels runde Holztische mit Stühlen, auf denen bunte Kissen lagen. Inzwischen hatte Malu sich daran gewöhnt, dass sie ihr Zuhause mit Hotelgästen teilen musste. Auf der Wiese, die direkt an den Platz angrenzte, grasten drei statt­­liche Pferde, die Gästen gehörten. Noch vor Kurzem hatten hier Papilopulus und ihre anderen Pferde gestanden, aber dann hatten ihre Mutter Rebekka und Gesine be­­schlossen, dass es doch schön für die Hotelgäste wäre, wenn sie beim Frühstück schon ihre Pferde sehen konnten und die Funkelsee-Pferde waren auf die Weide hinter dem Schloss verbannt worden. Als ob es für Malu und Edgar nicht ebenso schön wäre, morgens ihre Pferde zu sehen! Malu schnaubte, aber für ihre Mutter und ihre Großtante stand das Wohl der Hotelgäste neuerdings an erster Stelle.

Ihr Magen knurrte. Beim Anblick der eingedeckten Ti­­sche dachte der wohl an ein leckeres Frühstück. Von den Ho­­tel­­gästen war noch niemand zu sehen und auch vom Per­­so­­nal konnte Malu keinen entdecken, obwohl aus der Ho­­­tel­­küche bereits betriebsames Klappern und Klirren von Tel­lern und Besteck tönte. Als sie gerade an der Freitreppe vor­­bei­ging, schwang plötzlich die Schlosstür auf und ein gro­­ßer Kartonstapel wankte auf sie zu.

»Vorsicht!«, polterte eine dunkle Stimme, die eindeutig zu Hausmeister Kalle gehörte. »Ausm Weg! Ick seh nüscht.«

»Papa, warte mal.« Hinter Kalle stolperte sein Sohn Vin­cent aus der Tür, der ein paar sperrige Pappen unter dem Arm trug. »Wo soll das ganze Zeug denn hin?«

Kalle und Vincent wohnten in einer kleinen Wohnung über dem alten Pferdestall. Eigentlich war Vincent nur für einen Ferienjob von Berlin nach Schloss Funkelfeld ge­­kommen. Er musste ein bisschen Geld verdienen, um den Blechschaden am Auto des Freundes seiner Mutter zu be­­zahlen, den er verursacht hatte. Doch nach einigen An­­lauf­­schwierigkeiten (Vince war ja so was von mies gelaunt ge­wesen!), verstanden sich Malu und Edgar prima mit ihm und alle waren froh, dass Vincent bei seinem Vater eingezogen war. Nach den Ferien würde er dann in Edgars Klasse gehen.

»Verdammich!« Kalle hatte die erste Stufe übersehen, stol­­­perte und die leeren Kartons purzelten die Treppe herunter bis vor Malus Füße.

»Det war wohl nüschte, wa«, sagte Malu und grinste zu ihm hoch.

»Jut berlinert, Kleene.« Kalle lachte und besah sich das Chaos. »Det is vielleicht ’n Heckmeck.«

»Soll ich euch helfen?«, bot Malu an und machte An­­stal­ten die Kartons zusammenzusuchen.

»Nee, lass ma, det macht der Vince gleich, wa, Vince?« Er drehte sich zu seinem Sohn um, der mit den Augen rollte.

»Klar macht der Vince das. Der Vince macht doch alles«, grummelte der Junge und ließ die großen Pappen ebenfalls die Treppenstufen hinunterrutschen. Er richtete sich auf und strich sich die halblangen schwarzen Haare aus dem Ge­­­sicht, jetzt erst konnte er Malu sehen, die hinter seinem Va­­ter gestanden hatte. Sofort schlich sich ein mitleidiger Zug in sein Gesicht.

»Na, wir verstehn uns. Dit janze Zeug räumste aus der Kammer und bringst det ruff uf’n Dachboden überm Stall«, lamentierte sein Vater weiter. »Det muss ratzekahl leer sein, Rebekka braucht die Kammer. So, ick jeh schon ma nach der Heizung kieken.« Er klopfte seinem Sohn auf die Schulter und verschwand dann zügig Richtung Keller­ein­gang.

»Alles ok bei dir?«, fragte Vincent und musterte Malu ver­­stohlen, während er die Kartons einsammelte. Unter nor­­malen Umständen hätte Malu ihm natürlich geholfen, aber das hier waren keine normalen Umstände mehr! Sie musterte den schlaksigen Jungen mit zusammengekniffenen Augen. »Wie meinst du das?«

»Nur so.« Vincent zuckte mit den Schultern und stapelte die Schachteln noch etwas schneller aufeinander. »Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«

»Wenn es etwas gibt, das ich wissen sollte, dann raus mit der Sprache, Vince.«

»Nüscht, wie mein Vater sagen würde.« Er grinste sie ent­­schuldigend an, klemmte sich die langen Pappen unter den Arm und hob dann den Kartonturm hoch, der dabei bedenklich ins Schwanken kam. »Ich muss dann mal. Man­che Leute müssen eben hart arbeiten, während andere den ganzen Tag rumchillen können.« Pfeifend ging er davon und als er in der Mitte des Schlossplatzes ankam, brüllte er: »Ausm Weg! Ick seh nüscht.«

Malu musste trotz allem lachen. Vincent war seinem Vater ähnlicher, als er glaubte.

Sie musste jetzt langsam mal ganz dringend einen Blick auf ihr Handy werfen. Ob es vielleicht kaputt war? Und alle wussten Bescheid, nur sie nicht? Ok, das wäre schlimm, ziemlich schrecklich sogar, denn sie hatte vor ein paar Monaten ihre gesamten Ersparnisse in das neue Smartphone gesteckt. Mit schnellen Schritten steuerte Malu auf ihre Haustür zu. Sie wohnte mit ihrer Mutter und Edgar in dem Nebengebäude links vom Schloss, auf der anderen Seite lebte ihre Großtante Gesine. Die Zimmer des Schlossgebäudes selber waren für die Hotelgäste reserviert und im unteren Bereich waren die Hotelküche und der Frühstücksraum untergebracht. Vor zwei Wochen erst war das Reithotel Funkelfeld eröffnet worden, das jetzt Platz für zehn Gäste und ihre Pferde bot, die entweder im Offenstall oder in einer der Boxen untergebracht werden konnten.

Als Malu die Tür aufschloss, schrak sie zurück, direkt dahinter stand Gesine, die wohl gerade das Haus verlassen wollte. Die ältere Dame war eine imposante Erscheinung, groß und trotz ihres fortgeschrittenen Alters fit und agil. Lachend fuhr sie sich durch ihre kurzen grauen Haare. »Dich habe ich gesucht, Malu.«

»Lass mich raten«, knurrte Malu. »Du willst wissen, ob bei mir alles in Ordnung ist?«

Ihre Großtante zog die Augenbrauen hoch. »Eigentlich wollte ich dich und Lea zu mir zum Frühstück einladen, letzte Lagebesprechung vor unseren aufregenden Dreh­tagen.«

»Und es ist ganz bestimmt nichts mit meinem Handy?«

»Wieso Handy? Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte ihre Großtante vorsichtig.

»Ha! Wusste ich es doch«, rief Malu und drängte sich an der älteren Frau vorbei. »Ich muss mein Handy haben, ist Rebekka hier?«

Kopfschüttelnd sah Gesine ihrer Großnichte hinterher. »Ich sag’s ja immer, diese Dinger machen die Kinder völlig meschugge«, murmelte sie vor sich hin, laut rief sie: »Deine Mutter ist drüben im Hotel. Wir sehen uns in einer halben Stunde bei mir, Lea weiß Bescheid. Und du müsstest dich dann bitte um meinen Computer kümmern. Das Ding funktioniert wieder nicht richtig, ist bestimmt kaputt.«

»Ich guck mir das gleich an.« Malu grinste in sich hinein. Ihre Großtante hatte es nicht so mit der Technik, sie besaß zwar einen Computer und ein Handy, hatte aber absolut keine Lust sich damit zu beschäftigen, wie man die Dinger bediente. Und wenn etwas nicht so funktionierte, wie sie es erwartete, dann kam sie schnell zu dem Schluss, dass das Ding (welches auch immer) kaputt war.

Gedankenversunken klapperte Malu in der Küche die üblichen Orte ab, an denen ihre Mutter ihr Handy ver­­steckte, wenn sie mal wieder der Meinung war, dass ihre Tochter es mit dem Medienkonsum übertrieb. Aber selbst in der Schublade mit den Tischdecken war nichts. Sie erweiterte ihren Suchradius auf sämtliche Küchenschränke, Flurkommoden, den Kühlschrank (das hatte ihre Mutter tat­­sächlich mal gebracht!) und sah sogar im Mülleimer nach, aber das Handy blieb verschwunden!

Frustriert ließ Malu sich auf die Küchenbank plumpsen.

Aus dem oberen Stockwerk polterten Schritte die Treppe herunter und ein paar Sekunden später stand Lea in der Küche. Sie hatte ihre langen blonden Haare zu einem lo­­cke­ren Pferdeschwanz zusammengebunden und trug ihre schluffigsten Joggingklamotten. Alles in allem sah sie so aus, als ob sie sich gleich wieder ins Bett legen wollte.

»Bevor du fragst, mit mir ist nicht alles ok«, pampte Malu sie an.

Lea sah sie mit einer Mischung aus Neugier und Mitleid an. »Erzähl, was ist los?«

»Mein Handy ist verschwunden«, sagte Malu frustriert.

»Ah«, Lea lächelte erleichtert, »das finden wir schon noch. Gesine war gerade hier und hat mich aus dem Bett ge­schmissen, es gibt was zu futtern bei ihr. Und sie will noch ein paar Sachen mit uns besprechen, ich hatte allerdings eher den Eindruck, dass sie Hilfe bei ihrem E-Mail-Programm braucht. Aber es gibt Kuchen zum Frühstück, besser kann der Tag doch eigentlich nicht anfangen, oder?«

»Klingt verlockend«, musste Malu zugeben. Ihr Magen knurrte zustimmend.

Der kleine Tisch in Gesines Küche war vollgestellt mit leckeren Sachen: knusprige Brötchen, selbstgemachte Jo­­han­­nisbeermarmelade (aus von Malu eigenhändig und vor allem in praller Hitze geernteten Früchten!), Nuss-Nugat-Creme, frisch gepresster Orangensaft und als Krö­­nung ein dop­­pelstöckiger Himbeerkuchen. Gesines Com­pu­­ter­pro­blem musste riesig sein!

»Tod und Verderben soll euch holen, dann kann ich er­­ben die ganzen Kohlen.«

»Ich hab dich auch lieb, Rosa«, lachte Malu und kraulte dem alten rosa Kakadu das Köpfchen.

»Tod und Verderben«, krähte Rosa noch mal fröhlich.

»Mir ist dieser Vogel immer noch unheimlich«, stellte Lea fest. »Zur Abwechslung könnte er ja mal was Fröhliches rezitieren.«

»Man muss nur verstehen, was Rosa damit meint«, sagte Gesine lachend. »Na los, setzt euch. Ihr müsst den gan­­zen Tisch leer essen, damit Platz für mein Laptop ist.«

»Wie übersetzt du denn Tod und Verderben aus dem Kakaduischen?«, fragte Lea und zog ihren Stuhl möglichst weit weg von Rosa an den Tisch.

»Das ist ganz einfach.« Gesine holte ein paar Sonnen­blumenkerne aus ihrer Tasche und reichte sie dem Vogel. »Es bedeutet meistens: Hallo, schön dich zu sehen, was hast du mir zu futtern mitgebracht?«

Lea lachte. »Das merk ich mir.«

Als beide Mädchen eine Tasse Kakao vor sich stehen hatten, setzte sich Gesine mit ihrem Kaffee dazu. »Was war denn eigentlich mit deinem Handy, Malu?«

»Ganz schlechtes Thema«, winkte Lea ab und schlug sofort ein anderes an. »Was sind denn die neusten Infos zu deiner Rolle? Ich bin so megagespannt! Wir sind live dabei, wenn ein Film gedreht wird, und dann auch noch Zusammen für alle Zeiten, meine absolute Lieblingsserie. Gut, diese Danni Morilla war schon ziemlich eingebildet, aber vielleicht hatte sie auch nur einen schlechten Tag. Ich freu mich so auf morgen!« Sie blickte erwartungsvoll in die Runde, doch Gesine und Malu hatten die Zeit genutzt und in ihre Brötchen gebissen, also plapperte Lea munter weiter. »Ihr wisst ja, dass ich eigentlich mit meiner Karriere als Schauspielerin abgeschlossen hatte und mein Modelabel wäre bestimmt auch ganz großartig geworden, aber jetzt habe ich doch das eigenartige Gefühl, dass das nur ein Umweg war und die Schauspielerei doch mein Ding ist.«

Gesine sah Lea besorgt an, dann nahm sie ein großes Messer und säbelte drei großzügige Stücke von dem Him­beer­kuchen ab. »Du bist doch nicht traurig, dass ich die Rolle bekommen habe?«

Lea hob abwehrend die Hände. »Auf gar keinen Fall, das mit den Pferden, das war nichts für mich. Aber es gibt ja bestimmt noch die eine oder andere Rolle ohne Pferd. Hab ich euch schon von meinem Traum erzählt?«

Malu und Gesine schüttelten den Kopf und machten sich über den Kuchen her, während Lea in schillernden Farben von roten Teppichen, die sie in langen Ballkleidern entlangschritt, erzählte. Als sie fertig war, hatten Malu und Gesine ihre Teller leer gefuttert, während sich auf Leas immer noch das Essen türmte.

»Jetzt iss mal was, Kind, damit ich meinen Laptop holen kann. Da ist nämlich die Adresse drauf, wo wir hinfahren müssen.«

»Hach, das wird grandios«, seufzte Lea und machte sich über ihren Kuchen her.

Endlich war der Tisch abgeräumt und Gesine platzierte ihren Laptop vor Malu. »Das E-Mail-Programm ist komplett verschwunden. Das Ding ist bestimmt kaputt.«

Malu nickte und strich mit dem Finger über das Touch­pad, klickte hier und da und plötzlich ploppte das Programm auf.

»Also, du bist einfach genial«, raunte ihre Großtante be­­wundernd. »Wie du diese neumodische Technik im Griff hast!«

Malu lachte. »So genial bin ich leider nicht, du hattest bloß das Icon weggeschoben, mit dem du das Programm auf­­rufen kannst.«

»Willst du etwa damit sagen, dass ich schusselig bin?«, fragte Gesine spaßhaft drohend.

»Auf keinen Fall! Dann bleiben wir lieber dabei, dass ich genial bin«, grinste Malu.

»Wir wollten die Adresse aufrufen«, erinnerte Lea ungeduldig. »Und die haben doch bestimmt auch eine Liste geschickt, was du alles mitnehmen musst, oder?«

»Ich glaube, so gewaltig ist meine Rolle nicht«, murmelte Gesine und setzte ihre Lesebrille auf, bevor sie sich mühsam durch ihre E-Mails klickte. »Ah, da hab ich was. Huch, da ist ja noch eine Mail von Hurtig-Film, die ist von letzter Woche.«

»So lange hast du schon keine Mails mehr abgerufen?«, fragte Malu entsetzt.

Gesine zuckte mit Schultern. »Es war so viel zu tun, ihr wart nicht da und Edgar hatte auch keine Zeit ...«

Zum Glück kümmerte sich Rebekka um den geschäftlichen Mailverkehr, sonst würde es das Reithotel vermutlich nicht lange geben. Malu wollte gerade einen Scherz darüber machen, doch dann blieben ihr die Worte im Hals stecken. Gesine war ganz bleich geworden, entsetzt starrte sie auf den kleinen Bildschirm. Dann schlug sie den Laptop mit einem Knall zu. »Auf gar keinen Fall fahre ich dahin!«, sagte sie laut und erhob sich abrupt.

3. Kapitel

Die Mädchen sahen Gesine verdattert hinterher, die fluchtartig aus der Küche gestürmt war.

»Was war das denn?« Lea blickte ihre Freundin fragend an.

Malu zuckte mit den Schultern. »Wir werden es gleich her­­ausfinden«, sagte sie und klappte den Bildschirm wieder hoch.

»Wahrscheinlich soll deine Großtante in einer Nackt­szene mitspielen«, kicherte Lea.

»Oje.« Malu verzog das Gesicht. »Dann versteh ich Ge­sine, das würde ich auch nicht machen.«

Die Mail von der Filmproduktion war noch geöffnet und die Mädchen überflogen den Text.

»Keine Nacktszene.« Lea klang fast ein wenig enttäuscht. »Nur der Drehort hat sich geändert, die Filmarbeiten sollen jetzt in Burg Dunkelwald stattfinden, hier steht die Adresse. Ob das vielleicht zu weit weg ist?«

Malu gab die Daten ins Navigationsprogramm ein und ließ sich die Route anzeigen. »Im Gegenteil, Burg Dun­kel­wald ist nur eine halbe Stunde von hier entfernt. Das kann es nicht sein.«

»Oh, nein!«, kreischte Lea auf. »Guck mal hier!« Sie deu­­tete auf den Bildschirm.

»Ankunftszeit 16 Uhr am 26. Juli«, las Malu und sah Lea entgeistert an. »Das ist heute!«

Lea sprang panisch auf. »Ich muss noch duschen, nein, erst packen, oh Gott, ich hab noch nichts zusammengesucht. Meine Haare!« Sie hüpfte wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Küche herum. Plötzlich stoppte sie. »Deswegen war Gesine bestimmt so geschockt.«

Malu bezweifelte allerdings stark, dass so etwas ihre Groß­­tante aus dem Konzept bringen konnte, die war meis­­­tens die Ruhe selbst. Außerdem würde sie sich nicht halb so viele Gedanken über ihr Äußeres machen wie ihre Freundin. Während Lea ihr Styling in Angriff nahm, würde sie versuchen herauszufinden, was Gesine so an der Mail verstört hatte.

Insgeheim musste Malu sich eingestehen, dass sie es nicht allzu schlimm finden würde, wenn die Filmaufnahmen ins Wasser fielen, dann würde aus ihrem Chillplan doch noch was werden. Sie seufzte. Allerdings würde das für Lea einem Weltuntergang nahekommen, das stand fest. Also würde sie als beste Freundin, die sie war, natürlich ver­suchen, ihre Großtante umzustimmen. Was auch immer Ge­­sine so quer lief.

Instinktiv lenkte Malu ihre Schritte zu den Pferdeställen. Noch bevor sie die Stallgasse betreten hatte, sah sie Pferde­­äpfel und Strohklumpen durch die Luft sausen und in einer Schubkarre (oder auch daneben) landen, die vor einer offe­­nen Boxentür stand – Gesine tobte sich mit der Mist­gabel aus.

Als sie Malu entdeckte, hielt sie inne und richtete sich stöhnend auf. »Ich habe da wohl gerade ein bisschen überreagiert«, brummte sie.

»Was war denn los?« Malu nahm den Besen und kehrte die wild verstreuten Strohschnipsel zusammen.

Ihre Großtante seufzte und schüttelte unwillig den Kopf. »Ich habe keine allzu guten Erinnerungen an Burg Dunkel­wald.«

»Du kennst sie?«

»Als Kind war ich öfter dort.« Gesine lächelte versonnen. »Da war ich vielleicht so alt wie du.« Dann verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck abrupt. »Aber dann ... ach was«, sie machte eine wegwerfende Handbewegung, »Schwamm drü­­ber, das ist alles lange her. Natürlich fahren wir hin, als ob ich mir das entgehen lasse. Wer weiß, vielleicht entdeckt Hol­­ly­­wood mich und ich komme noch ganz groß raus. Und außer­­dem können wir es deiner Freundin nicht antun. Lea wird nie wieder ein Wort mit mir sprechen, wenn ich kneife.«

Malu lachte. »Komisch, den gleichen Gedanken hatte ich eben auch.«

»Ich miste hier fertig aus, dann überlegen wir, was wir noch besorgen müssen.« Gesine griff wieder nach der Forke.

»Ich glaube, zum Ausmisten hast du keine Zeit mehr. Du hast die Mail nicht zu Ende gelesen, oder? Wir müssen schon heute Nachmittag da sein.«

»Oh Gott.« Gesine holte tief Luft. »Dann würde ich sagen, ich beeile mich, wir schaffen das schon noch.«

In diesem Moment kam Vincent mit federnden Schritten in den Stall, in seinen Ohren steckten schwarze Kopfhörer. Malu nahm ihrer Großtante die Mistgabel aus der Hand und streckte sie dem Jungen entgegen. »Das macht der Vince bestimmt gerne fertig, wa, Vince?«

»Aber natürlich, die Dame!« Gespielt erfreut nahm Vin­cent die Forke entgegen. »Woher weißt du nur immer so genau, wonach ich mich gerade am meisten sehne?«

Malu grinste. »Intuition und Empathie.« Dann zog sie Gesine mit sich. »Wir müssen jetzt leider los, Ruhm und Ehre warten auf uns.«

»Viel Spaß bei eurem Dreh und vergesst mich nicht, wenn ihr berühmt seid«, rief Vincent hinter ihnen her. »Und schick mal ein paar Bilder.«

Bilder, genau! Malu fiel ihr Handy wieder ein, das musste sie unbedingt finden, bevor es losging. Sie konnte un­möglich ohne fahren!

Schnell lief sie über den Hof und stürmte die Treppe hoch ins Schloss. Ihre Mutter stand am Empfangstresen in der Eingangshalle. Atemlos berichtete Malu davon, dass die Drehtage vorverlegt worden waren und sie dringend ihr Handy brauchte.

Rebekka sah sie erstaunt an. »Das hatte ich dir doch heute morgen auf den Küchentisch gelegt, bevor ich gegangen bin.«

»Da lag es aber nicht«, beteuerte Malu.

Doch Rebekka war sich hundertprozentig sicher. Also sprin­­tete Malu wieder zurück zu sich nach Hause und durch­­forstete die Küche ein zweites Mal. Nichts! Weit und breit keine Spur von ihrem Handy! Ob Edgar es weggenommen hatte, um sie zu ärgern? Aber eigentlich passte das nicht zu ihrem Bruder.

Aus dem oberen Stockwerk war lautstarkes Poltern zu vernehmen, dann ein Fluchen und wieder Gepolter. Als Malu in ihr Zimmer kam, staunte sie nicht schlecht über das Chaos, das ihre Freundin in der kurzen Zeit angerichtet hatte. Überall flogen Klamotten, Handtücher und Schuhe herum, auf ihrem Bett lagen zwei aufgeklappte Koffer.

»Bevor du dich aufregst«, Lea hob beschwichtigend die Hände, »ich habe mir fest vorgenommen, weniger mitzunehmen, als ich in Spanien dabeihatte. Ich bin ja lernfähig.«

Malu musste grinsen. Tatsächlich hatten sie Leas zahlreiche Koffer und Taschen nur mit vereinten Kräften durch die Gegend schleppen können und dann hatte sie kaum etwas davon gebraucht.

»Ich kann mich nur so schlecht entscheiden«, jammerte Lea. »Hätte ich gewusst, dass wir gleich schon losmüssen, wäre ich heute morgen direkt aufgeblieben.«

»Wann warst du denn wach?«, fragte Malu und stieg über die Kleiderberge zu ihrem Schrank, um die Rei­­­se­­tasche herauszuholen.

»Weiß nicht, du hast jedenfalls so laut geschnarcht, echt unglaublich. Das kannst du dir nicht vorstellen«, sagte Lea.

Malu grinste. »Doch, kann ich, glaub mir.«

»Dann war ich in der Küche, was trinken und wollte ei­­gent­lich aufbleiben, aber irgendwann war ich dann doch zu müde«, plapperte Lea weiter, während sie wahllos ein paar T-Shirts und Hosen in den roten Koffer stopfte.