Für eine Nacht oder fürs ganze Leben - Ursula März - E-Book

Für eine Nacht oder fürs ganze Leben E-Book

Ursula März

4,6

Beschreibung

Heutzutage erscheint Dating so einfach wie Carsharing, ein paar Klicks, ein paar Algorithmen, gesucht, gefunden. Manfred Hügel etwa sucht ausschließlich Frauen unter 60 Kilogramm. Die Architektin, die ihm eine Seitensprungagentur präsentiert, wiegt deutlich mehr. Warum fühlt er sich mit ihr gegen seinen Willen wohler als je zuvor? Gerlinde Wagner ist in Rente und versucht, ihre Einsamkeit durch festgelegte Rituale zu bannen. Auf einem Datingportal lernt sie Rudi kennen. Mit ihm entdeckt sie ihre eigene Stadt neu. Doch Rudi ist fast 30 Jahre jünger. „Für eine Nacht oder fürs ganze Leben“ erzählt davon, wie die Liebeswahl auch in Zeiten der Singlepartys, der digitalen Kontaktbörsen, der gesellschaftlichen Freiheit unberechenbar bleibt.

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Hanser E-Book

Ursula März

Füreine Nachtoderfürs ganzeLeben

Fünf Dates

Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-25005-5

© Carl Hanser Verlag München 2015

Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München,

Fotografie: © IakovKalinin /Thinkstock

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Wangen im Allgäu

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen

finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de

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Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Inhalt

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Fünf vor zwölf

Schwarze Locken

Ohne Gegenleistung

Method Acting

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Tatsächlich hatte Manfred Hügel bis zum Frühsommer 2005 noch nie mit einer Frau geschlafen, geschweige denn sich ernsthaft in eine verliebt, die mehr als sechzig Kilo wog. Es kam ihm nicht auf ein paar Gramm an. Er stellte Frauen nicht auf eine Personenwaage, bevor er sich mit ihnen abgab, er führte keine Rekrutierungsmaßnahmen durch. Aber er besaß, aus welchen Gründen auch immer, von Jugend an einen präzisen Geschmack. Und die Erfahrung seines Liebeslebens hatte ihm nun einmal bestätigt, dass unter sämtlichen Frauen, die er als schön und begehrenswert, als optisch gelungen befand, keine gewesen war, deren Körpergewicht die Sechzig-Kilogramm-Marke wesentlich überschritten hätte. Er mochte das Füllige so wenig wie das ganz Knochige. Eine Frau von fünfundfünfzig oder gar fünfzig Kilogramm wäre ihm nicht nur zu dürr, zu besenstielig gewesen, sondern auch suspekt im Hinblick auf ihre Gesundheit.

Bei der Körpergröße ließ er mit sich reden. So formulierte er selbst: »Da lass ich mit mir reden«, erklärte Manfred Hügel und verstummte. Verunsichert durch seinen fast barschen Tonfall, fragte ich mich, ob er die Lust an unserem Gespräch verloren habe. Aber so war es nicht, im Gegenteil. Ich saß neben einem Mann, der geradezu danach drängte, etwas unruhig in ihm Kreisendes loszuwerden. Er war nur kein besonders guter Erzähler. Das fiel mir schon nach kurzer Zeit auf. Vielleicht war er einfach nicht geübt darin, eine Geschichte geduldig durchzukneten, in ihre Ecken und Winkel zu dehnen, wie man einen Klumpen Hefeteig mit den Fingerspitzen zieht und dehnt, bis er das ganze Backblech ausfüllt. Manfred Hügel nahm den Klumpen in die Hand, drückte zu und ließ ein, zwei Sätze fallen, die das Fazit der Geschichte enthielten. Als Ingenieur arbeitete er in einem Milieu, in dem, so nehme ich zumindest an, Effizienz auch beim Reden als Vorzug gilt. Erst als endgültig klar war, dass wir die halbe oder im schlimmsten Fall sogar die ganze Nacht auf dem Karlsruher Flughafen festsitzen würden, der mich an die provisorischen Firmencontainer auf Großbaustellen erinnerte, begann er langsamer und ausführlicher zu erzählen.

Er genoss meine Neugier. Er genoss sie sogar ziemlich, nach jeder Frage wartete er begierig auf die nächste, noch intimere Frage, als böte ich ihm kleine Leckerbissen an. Ich fragte ihn in einer recht hemmungslosen Weise aus, die ich mir unter anderen Umständen verboten hätte und die in einer anderen Situation auch völlig unangebracht gewesen wäre. Allerdings wusste Manfred Hügel, wie man Neugier herausfordert. Er gab sich als viriles, ein wenig flegelhaftes Rauhbein, nannte alles, was ihm besonders gefiel, »geil« – Helikopterflüge durch die Rocky Montains waren »geil«, der Kamin in seinem Wohnzimmer war »geil«, die Hamburger Aufführung des Musicals »Cats« war »geil« –, und was er nicht mochte oder was ihm störend im Weg stand, war ganz einfach »scheiße« oder »beschissen«. Dabei ließ er aber durchaus zartere Seiten durchschimmern, signalisierte wie nebenbei, dass es ein Fehler wäre, ihn auf den ersten Blick hin einzuordnen. Mein erster Blick erkannte einen kräftigen, etwas bulligen Mann mit einem ballonrunden, auf den Nacken gepressten Schädel. Einer, der sein Testosteron ein bisschen zu sehr mag, das war mein Gedanke, als ich mich in der Schlange vor dem Abfertigungsschalter umdrehte, um zu sehen, wer hinter mir mit cholerischem Unterton »Scheiße« gerufen hatte. Ich hielt ihn für fähig, einen sinnlosen Krawall zu veranstalten, den ganzen gottverlassenen Container wegen der Verspätung unseres Flugs zusammenzubrüllen, und sagte beruhigend in seine Richtung: »Kismet, dann warten wir halt, ich lade Sie auf einen Kaffee ein.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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