Die Waise auf Gut Schönebeck - Eva-Maria Horn - E-Book

Die Waise auf Gut Schönebeck E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Ich habe an Stefan nichts mehr auszusetzen, wenigstens beinahe nicht«, schränkte Baronin Burkhard beleidigt ein. »Du brauchst wirklich nicht so die Augen zu verdrehen, Lydia, das macht man einfach nicht. Du wirst Stefan schon ein wenig Schliff beibringen. Sorgen macht mir eigentlich nur die Verwandtschaft. Wie kann ein Graf nur eine solche Verwandtschaft haben? Mit der kannst du keinen Staat machen, im Gegenteil, du wirst dich blamieren, wenn sie nur erscheint.« »Über was du dir Gedanken machst, Mama! Beruhige dich, die Verwandtschaft wird uns nicht belästigen. Wenn ich Gräfin Schönebeck bin, wird sich auf dem Gut vieles ändern. Und da ist für seine popelige Verwandtschaft kein Platz.« Sie verzog in spöttischer Belustigung den Mund. »Stefan ist zum Glück leicht zu lenken. Das meiste bemerkt er nicht einmal. Wirklich, Mama, er kann unglaublich töricht und sehr einfältig sein.« Baronin Burkard krauste nervös die Stirn und krampfte die dicken Händchen zusammen. Ihre ständig roten Finger waren ihr großer Kummer, jetzt allerdings hatte sie nicht einen Blick für sie. Sie mußte ihre Worte sehr sorgfältig wählen. Lydia konnte empfindlich sein. »Ich weiß nicht«

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Fürstenkinder – 25 –

Die Waise auf Gut Schönebeck

Sie gibt drei Kindern ein Zuhause

Eva-Maria Horn

»Ich habe an Stefan nichts mehr auszusetzen, wenigstens beinahe nicht«, schränkte Baronin Burkhard beleidigt ein. »Du brauchst wirklich nicht so die Augen zu verdrehen, Lydia, das macht man einfach nicht. Du wirst Stefan schon ein wenig Schliff beibringen. Sorgen macht mir eigentlich nur die Verwandtschaft. Wie kann ein Graf nur eine solche Verwandtschaft haben? Mit der kannst du keinen Staat machen, im Gegenteil, du wirst dich blamieren, wenn sie nur erscheint.«

Lydia betrachtete eingehend ihre Fingernägel, tupfte auf den Daumennagel noch ein wenig Rot und murmelte wie nebenbei:

»Über was du dir Gedanken machst, Mama! Beruhige dich, die Verwandtschaft wird uns nicht belästigen. Wenn ich Gräfin Schönebeck bin, wird sich auf dem Gut vieles ändern. Und da ist für seine popelige Verwandtschaft kein Platz.« Sie verzog in spöttischer Belustigung den Mund. »Stefan ist zum Glück leicht zu lenken. Das meiste bemerkt er nicht einmal. Wirklich, Mama, er kann unglaublich töricht und sehr einfältig sein.«

Baronin Burkard krauste nervös die Stirn und krampfte die dicken Händchen zusammen. Ihre ständig roten Finger waren ihr großer Kummer, jetzt allerdings hatte sie nicht einen Blick für sie.

Sie mußte ihre Worte sehr sorgfältig wählen. Lydia konnte empfindlich sein.

»Ich weiß nicht«, sagte sie ängstlich und ließ keinen Blick von dem schönen Gesicht ihrer Tochter. »Stefan würde ich nicht als einfältig bezeichnen. Ich glaube, er weiß genau, was er will.«

»Natürlich, Mama.« Lydia pustete ungeduldig über die noch feuchten Fingernägel. »Hacke doch nicht auf Worten herum.«

»Ich meine ja nur«, beeilte sich die Baronin zu versichern, »ich meine nur, daß Stefan genauso halsstarrig sein kann wie jeder Mann.

Wenn ich da nur an deinen Vater denke, Lydia. Am Anfang unserer Ehe versuchte er wirklich, mir zu gefallen, aber wenn ich etwas wollte, das ihm gegen den Strich ging, konnte ich mit Engelszungen reden, und es half doch nichts.«

Lydias eben noch so verdrießliches Gesicht verzog sich zu einem Lachen, ihre braunen Augen blitzten vor Vergnügen.

»Papa ist schon in Ordnung, deine Wünsche können manchmal sehr töricht sein, liebe Mama. Um auf Stefans Verwandte zurückzukommen, kann ich nur abschließend sagen, daß ich nicht daran denke, Kontakt mit seinem Bruder zu pflegen.«

Die Baronin setzte sich genüßlich in dem bequemen Sessel zurecht. Sie liebte den Klatsch von Herzen und genoß ihn sehr.

»Wie konnte der alte Graf nur erlauben, daß sein Sohn Komponist wurde! Ich verstehe das nicht. Die Schönebecks legen wirklich wenig Wert auf ihre vornehme Abstammung, scheint mir. Wenn ich mir Stefan ansehe… nein, nein, nicht, daß ich etwas Abwertendes über ihn sagen will, aber man muß trotzdem bemerken, daß er keineswegs Wert auf sein Äußeres legt. Wenn ich nur an die Cordhosen denke, die er mit Vorliebe trägt. Cordhosen, als wäre er ein Arbeiter!« Sie verzog empört den kleinen rotgeschminkten Mund.

»Kaum jemand trägt die einfachste Kleidung mit der Nonchalance wie Stefan, Mama. Mit seinen breiten Schultern und der schlanken Figur kann er alles tragen. Er wirkt immer, und wo er auftaucht, recken die Mütter heiratsfähiger Töchter die Köpfe nach ihm.

Die Baronin strahlte.

»Niemand von allen gönnt dir Stefan, Lydia. Ich weiß bestimmt, daß die Gräfin Dora ihn für ihre alberne Kleine angeln wollte. Sag mal, dieser Bruder von Stefan, lebt er in guten Verhältnissen? Bei einem Künstler weiß man so etwas nie.«

»Du meinst, ob er Geld hat? Weiß ich nicht.«

Lydia schlug die wohlgeformten Beine übereinander und starrte auf den großen Mahagonischrank, der die ganze Stirnseite des sonnigen Zimmers einnahm. Einen Augenblick lang dachte sie an die Zimmer auf Schönebeck. An die alten, so behäbig aussehenden Eichenmöbel, denen man ansah, daß sie bereits seit einer Ewigkeit auf ihrem Platz standen. Sie bohrte den Fuß in die rote Wolle des kostbaren Perserteppichs.

Alles in Lydias Elternhaus war teuer und kostbar… und doch fehlte dem Haus das gewisse Etwas.

Die Mutter würde wohl nicht einmal wissen, was Lydia darunter verstand.

»Stefan macht sich nichts aus Geld«, sagte sie aus ihren Gedanken heraus und schaute durch das breite Fenster auf den gepflegten Park hinaus. Der Springbrunnen plätscherte monoton und unterstrich die Stille. »Stefan hat unglaublich wenig Verständnis für Gelddinge. Und wenn der Komponist ähnlich ist wie er…?« Sie zuckte in sprechender Geste die Schulter. »Stefan kann froh sein, wenn ich ihm alle finanziellen Dinge aus der Hand nehme und mich darum kümmere. Wenn Georg wie Stefan ist und dazu noch in der breiten Masse der Künstler steckt, dann ist er bestimmt nicht reich. Und drei Kinder hat er außerdem, Mama. Nein, mit der Verwandtschaft sollte man wirklich kurzen Prozeß machen. Einmal im Jahr kann man sich anrufen, aber zu Besuch will ich sie nicht auf Schönebeck haben. Und schon gar nicht die Rangen, er sagt selbst, daß die drei sehr lebhafte Kinder sind.«

Die Baronin nickte zufrieden.

»So ist es recht, Lydia. Setz nur gleich zu Anfang deinen Willen durch. Wie steht es mit der Schwester seines verstorbenen Vaters? Ich muß gestehen, die alte Stiftsdame flößt mir immer Angst ein. Wenn ich ihr begegne, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Was Stefan zu wenig vornehm ist, ist sie zuviel. Dabei besitzt sie doch nun wirklich kein Vermögen. Sie ist nichts weiter als geduldet auf Schönebeck. Stefan macht noch so ein Theater mit ihr! Mich fragt er nie zuerst, ob es mir zu kalt oder zu warm ist! Immer sie. Er bringt ihr einen Schal, beobachtet sie ständig ängstlich, ob sie sich wohl fühlt…, wirklich zu albern. Sie wird doch hoffentlich sofort das Schloß verlassen, wenn ihr verheiratet seid?«

»Darauf kannst du dich verlassen.« Lydias eben noch so gelassenes Gesicht verzog sich böse. »Sie hat eine Art, mich zu mustern, die schon abscheulich ist. Das kommt alles in die Reihe. Sie hat nach dem Tod seiner Mutter die Stelle der Hausfrau übernommen, nett von ihr. Aber jetzt brauchen wir sie nicht mehr.«

»Sei nur vorsichtig, Lydia. Ich glaube, Stefan hängt wirklich an ihr. Du darfst ihn nicht kopfscheu machen, Liebes. Vielleicht könnte ich der Stiftsdame einmal einen zarten Wink geben?«

Aber man sah ihr an, daß sie jetzt schon Angst vor einer solchen Aufgabe hatte.

Lydia winkte ungeduldig ab. Der blaue Stein an ihrem Ringfinger blitzte.

»Misch dich nicht ein, Mama, das ist meine Aufgabe. Zu gegebener Zeit werde ich mit Tante Adelheid darüber reden. Natürlich erst nach der Hochzeit. Aus ihren Räumen mache ich etwas ganz Besonderes. Sie bewohnt die herrlichen Turmzimmer, die einen bezaubernden Ausblick haben. Dort schlage ich meine Zelte auf. Die Zimmer werden meine Residenz. Einrichten werde ich sie!«

Sie küßte mit blitzenden Augen ihre Fingerspitzen und gab sich ganz den Träumen hin.

Baronin Burkhard war aufgestanden und ging zum Fenster. Der große venezianische Spiegel warf ihr Bild zurück.

Ein wenig schuldbewußt musterte die Baronin ihre leider viel zu dick gewordene Figur.

Ich müßte dringend abnehmen, dachte sie kummervoll und dachte neidisch an Tante Adelheids gertenschlanke Gestalt.

»Dort drüben kommt ein Reiter die Allee hinauf, Lydia. Um diese Zeit kann es doch nur Stefan sein?«

Lydia war aufgesprungen und stellte sich neben sie. Sie kniff die Augen zusammen.

»Ich müßte eine Brille tragen«, murrte sie. »Aber nicht einmal die teuerste steht mir. Doch, Mama, das ist Stefan!«

Die Baronin strahlte.

»Nur wer die Sehnsucht kennt«, kicherte sie albern. »Jetzt lenkt ihn nicht einmal mehr die Arbeit ab, Liebes. Bestimmt hat er sich eine Abwechslung für dich überlegt. Wahrscheinlich will er doch mit dir in die Stadt fahren. Gestern hast du ihn darum gebeten, und er hat so schroff nein gesagt, jetzt tut es ihm bestimmt längst leid.«

Lydias schönes Gesicht verzog sich zu einem siegessicheren Lächeln. Sie warf einen schnellen Blick in den Spiegel, strich die braunen Locken aus der Stirn, zupfte an ihrer grünen Seidenbluse und setzte sich wartend zurecht.

»Ich bleibe nur ein paar Minuten, Lydia.« Das Gesicht der Baronin brannte aufgeregt. »Und dann entschuldige ich mich mit dringender Arbeit, nicht wahr?«

Sie hörten Stefans festen Schritt auf den Dielen, er klopfte und betrat den sonnigen Raum. Ihre Blicke trafen sich über die Länge des Zimmers. Baronin Burkhard musterte den jungen Grafen mit mütterlichem Stolz. Ja, Stefan war ein gutaussehender Mann. Ein richtiger Mann… trotz der gräßlichen Reithosen, die natürlich wieder aus Cord waren.

»Guten Morgen. Ich hoffe, ich störe nicht.«

Stefan gab zuerst seiner zukünftigen Schwiegermutter die Hand. Dabei wäre in ihren Augen ein Handkuß angebrachter gewesen. Aber ihre Enttäuschung zeigte sie nicht. Mit Genugtuung stellte sie fest, wie lieb er Lydia begrüßte. Er küßte ihre Wange und strich einmal schnell über ihr Haar.

Schön war es, das Glück des einzigen Kindes mitzuerleben, und vor Rührung schossen der Baronin Tränen in die Augen.

»Lydia, aus unserem Theaterbesuch morgen kann leider nichts werden.« Hochaufgerichtet stand Stefan da. Das karierte Hemd trug er am Hals offen, die Hand schob er nachlässig in die Hosentasche, und im Augenblick fand die Baronin ihn keineswegs angenehm.

Sein dunkelbraunes Haar war zerzaust und sein eben noch so lächelnder Mund herrisch verzogen. »Ich bekam heute morgen Post von meinem Bruder. Er hat endlich Erfolg, Lydia. Er hat ein Angebot aus Japan bekommen.«

Lydia lächelte sparsam.

»Was hat das mit unserem Theaterbesuch zu tun?« fragte sie nachlässig.

Er starrte auf sie hinunter, grinste dann breit.

»Weil die Kinder zu uns kommen. Ich habe ihn natürlich gleich angerufen. Er setzt sie heute abend in den Zug, und ich hole sie morgen früh von der Station ab. Am ersten Abend möchte ich sie natürlich nicht alleinlassen.«

Alle Freundlichkeit verschwand aus Lydias Augen. Sie war aufgestanden und musterte ihn kalt. Sie war beinahe so groß wie er, zwei hochaufgerichtete, schöne Menschen…, aber bei ihren Gesichtern konnte man Angst bekommen.

»Du hattest natürlich keine Zeit, mich vorher um Rat zu fragen, Stefan.«

Wie messerscharf, wie kalt Lydias Stimme klang! Die Baronin zitterte vor Angst, und am liebsten hätte Stefan sie geschüttelt. Er runzelte nur eine Winzigkeit die Brauen.

»Warum sollte ich dich um Rat fragen, Lydia? Man braucht doch nur den Rat eines anderen, wenn man nicht weiß, wie man entscheiden soll! Und für mich gibt es selbstverständlich nur die Entscheidung. Ich freue mich auf Georgs Kinder. Natürlich haben sie auf Schönebeck so lange ein Zuhause, wie Georg sie bei mir lassen will.«

Sie atmete heftig, und die Baronin zitterte vor der Antwort ihrer Tochter.

Schnell sagte sie, dabei den Mund verziehend, als wäre Stefan ein ungezogener Junge:

»Aber man bespricht solche Dinge trotzdem mit seiner zukünftigen Frau, mein lieber Junge. Eine Frau fühlt sich sonst sehr leicht übergangen.«

Stefans graue Augen musterten die Baronin verdutzt. Er sah von der Mutter auf seine Verlobte, und ein wenig schwand die Sicherheit aus seinem arroganten Gesicht.

»Lydia«, begann er zögernd und verzog unbehaglich den Mund. »Aber ich mußte so entscheiden. Das verstehst du doch, nicht wahr?«

Sie hatte schon eine heftige Antwort auf der Zunge. Sie hob den Kopf und begegnete seinem Blick. Die Klugheit gebot ihr, die Arme um seinen Nacken zu schlingen.

Sofort drückte er sie an sich.

»Du hast dein Herz entscheiden lassen«, flüsterte sie mit einem Kuß und schmiegte sich an ihn. »Dein Mitleid finde ich bewundernswert, Liebster. Trotzdem solltest du dir angewöhnen, so etwas mit mir zu besprechen.« Sie rieb ihre Nasenspitze gegen seine Wange und lächelte ihn an. Zärtlichkeit und Liebe schlugen über seinem Kopf zusammen.

»Für drei Kinder ist auf dem Gut gar nicht genug Personal.« Sie schüttelte liebevoll nachsichtig den Kopf und strich mit zärtlichen Fingern sein Haar zurück. »Drei Kinder wollen beaufsichtigt sein, Liebster.«

Er atmete erleichtert auf.

»Das Problem ist gelöst, Liebste. Sie bringen ein Mädchen mit. Meine Schwägerin hat die Kleine vor langer Zeit aus einem Waisenhaus genommen. Sie ist den Kindern unentbehrlich geworden, und Georg verläßt sich sehr auf sie.«

Das gereizte Glitzern in Lydias Augen bemerkte er nicht. Er erzählte aufgeräumt:

»Maike ist erst zwanzig Jahre alt, aber sie soll ungeheuer tüchtig sein. Keine Angst, Lydia, die Kinder werden unseren Haushalt schon nicht durcheinanderbringen und die Arbeit bestimmt nicht stören. Wohin hätte Georg sie sonst geben sollen, wenn nicht nach Schönebeck?« fragte er weich.

Sie sollen sich zum Teufel scheren, hätte sie ihm am liebsten ins Gesicht geschleudert, aber natürlich sagte sie es nicht.

»Ich weiß nicht, ob du klug gehandelt hast, Liebster.« Die Kinder sollen das Wichtigste sein. Sieh einmal, sie leben jetzt bestimmt in beschränkten Verhältnissen in einer Stadtwohnung.«

»Ich achte sehr darauf, daß es ihnen nichts fehlt«, verwahrte er sich ungeduldig.

Also schickt er dem Bruder jeden Monat etwas, dachte Lydia grollend. Das würde sie zu ändern wissen.

»Wie lieb von dir, Stefan. Es wird nur für eine kurze Zeit sein, daß sie auf Schönebeck sind, und wie schwer wird es Ihnen dann fallen, sich wieder an die Enge ihrer Wohnung zu gewöhnen. Überhaupt Liebster, wir müssen unsere ganzen Pläne ändern.«

Er löste sich sanft aus ihren Armen. Mit Befriedigung stellte er fest, daß die Baronin hinausgegangen war. Er ging zum Fenster, setzte sich auf die breite marmone Fensterbank und schob die handbemalten Blumentöpfe achtlos zur Seite.

Unter seinen langen Wimpern warf er seiner Verlobten einen nachdenklichen Blick zu.

»Welche Pläne, Liebste?«

In Lydia brodelte der Zorn, und am liebsten hätte sie ein Kissen in sein aufreizend gleichmütiges Gesicht geworfen. Mit seiner stoischen Ruhe machte er sie noch verrückt.

Sie biß die Zähne zusammen und drehte ihm den Rücken zu. Mit nervösen Fingern ordnete sie die rosa Nelken in der kostbaren Meißner Vase. Das Rosa der Blumen harmonierte wundervoll mit den Gobelinbezügen der Sessel. Aber das sah er nicht… dieser Bauer!

»Ich denke, wir wollen heiraten?« fragte sie schnippisch. Ein Sonnenstrahl lag auf ihrem braunen Haar, es schimmerte wie das Fell seines Lieblingspferdes, und genauso störrisch erschien sie ihm.

»Willst du mich denn gar nicht ansehen, Lydia?« Seine dunkle Stimme war sehr weich, sehr leise, und sie drehte langsam den Kopf.

Kummervoll rief sie: »Warum müssen sie ausgerechnet jetzt kommen, diese Kinder? Sie werden mir die wenige Zeit, die du für mich hast, auch noch stehlen. Und dann der Umbau!«

Das liebevolle Lachen verschwand aus seinen Augen. Er hob die rechte Braue, sein Gesicht bekam von einem Augenblick zum anderen ein fremdes, arrogantes Aussehen.

Kein Wunder, daß ihre Mutter Angst vor diesem Mann empfand.

Zum ersten Mal kam der schönen Lydia der Gedanke, daß Stefan doch wohl nicht so leicht zu lenken war, wie sie dachte.

»Welcher Umbau, Lydia?«

Mit weichen Schritten kam sie zu ihm herüber, sich ihrer Anmut sehr bewußt. Sie stellte sich nahe neben ihn, er brauchte nur die Hand auszustrecken, um sie an sich zu ziehen, aber er tat es nicht. Sie roch sein herbes Rasierwasser, aus seiner Jacke strömte der Geruch nach Pferden, Leder, seine grauen Augen waren forschend auf sie gerichtet, und sie wußte, daß sie ihre Worte sehr auswählen mußte.

Sie verzog betont kindlich den Mund, legte Traurigkeit in ihren Blick.

»Ich hab’ doch so oft schon mit dir darüber gesprochen, Liebster. Ich möchte doch Schönebeck zu einem Mustergut ausbauen. Du sagst selbst, daß lange Zeit schon nichts mehr auf dem Gut verändert wurde.«

Sie legte ihre weiche Hand an sein Kinn, strich mit der Fingerspitze zärtlich über seine Lippe.

»Ich mag das Schloß so, wie es ist. Aber trotzdem möchte ich Verbesserungen haben. Und dann die Pferdeställe. Ich dachte, wir wären uns einig, daß wir die frühere Pferdezucht, die auf Schönebeck immer betrieben wurde, wieder aufnehmen. Und dazu braucht es Verbesserungen. Bis jetzt ist eben dafür nie Geld dagewesen, aber jetzt hast du welches.«

Er machte ein Gesicht, als habe sie ihn geschlagen. Er sah aus, als kaute er an einer Antwort.

»So deutlich hast du deine Pläne noch nie ausgesprochen.« Er hob unbehaglich die rechte Schulter, wie immer, wenn er verlegen war. »Das alles sind Zukunftspläne, Lydia. Natürlich möchte ich wieder Pferde züchten, aber nicht sofort. Das alles muß wohl überlegt werden und braucht Zeit.«

Unbeherrscht stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden. Es lag wenig Anmut in der Bewegung.

»Zeit, Zeit, wie lange denn? Bis wir Greise sind? Worauf sollen wir warten. Wir sind beide begeisterte Pferdenarren, und das wird unsere Lebensaufgabe sein. Darum möchte ich noch vor der Hochzeit mit dem Umbau der Ställe beginnen.«

Sie hatte sich in Eifer geredet, ihre Lippen waren sehr rot, und ihre Augen sprühten. Sie war wunderschön in diesem Augenblick, von einer lebendigen jungen Schönheit.

Aber er sah es nicht. Er musterte nachdenklich ihr elegantes Kleid, ihre Frisur war immer untadelig. Sie paßte in dieses Haus, wo man Vasen und Blumen genau passend zu den Möbeln kaufte, wo man peinlich darauf achtete, daß jeder Stuhl, jeder Schrank wunderbar zur Geltung kam. In diesem Haus war alles auf Effekt abgestimmt. Ganz anders als auf Schönebeck, wo man Sessel nach Bequemlichkeit auszusuchen pflegte, wo man Dinge um ihrer selbst willen mochte, nicht, weil sie teuer oder wirkungsvoll waren.

»Lydia, wir müssen uns falsch verstanden haben.« Er musterte sie freundlich, aber ohne die gewohnte Zärtlichkeit im Blick. »Ich wollte nie dein Geld. Bitte, laß mich ausreden, Kind. Selbstverständlich kannst du im Haus Änderungen durchführen lassen, besonders in deinen Räumen. Dabei stören die Kinder ganz sicher nicht, denn das ganze Haus wirst du wohl nicht auf den Kopf stellen. Dann müssen wir natürlich an Tante Adelheid denken, immerhin ist es ihr Elternhaus, und sie liebt es so, wie es jetzt ist. Ich natürlich ebenso. Die Pferdezucht, Kleines, die muß wirklich noch ein wenig warten. Sieh, ich hatte nie die Absicht, so etwas von deinem Geld auf die Beine zu stellen. Wie wenig kennst du mich doch, Liebe.«

»Das scheint mir auch«, brach es aus ihr heraus, und ihre Augen flammten.

»Wie schön du bist, wenn du wütend bist«, neckte er sie. »Komm, Lydia, seien wir vernünftig. Ich kam, um dir von den Kindern zu erzählen, und nicht, um über einen Umbau zu sprechen, der irgendwann einmal vorgenommen wird.«

Sie verzog eigensinnig den Mund.

»Aber ich möchte jetzt mit dir über unsere Hochzeit und über den Umbau sprechen. Ich habe es mir überlegt, Stefan, ich möchte noch in diesem Herbst heiraten.«

Er bekam große Augen vor Staunen.