Daniela erbt  Schloss Lovenburg - Eva-Maria Horn - E-Book

Daniela erbt Schloss Lovenburg E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Fräulein von Lovenberg, Telefon.« Natürlich mußte ausgerechnet jetzt der Seniorchef durch das Büro gehen. Und natürlich warf er Danni einen grämlichen Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloß. Danni war aufgesprungen, der Bleistift rollte auf die Erde. Wie immer, wenn sie verlegen war, wurde ihr Gesicht glutrot. »Verflixt, Gerda. Ausgerechnet jetzt muß Martin anrufen. Dabei weiß er doch, daß Privatgespräche bei uns ungern gesehen werden. Wetten, daß mich der Alte gleich anruft und mir extra Arbeit gibt? Wenn jemand privat spricht, meint er doch schon, wir hätten nichts zu tun.« Dabei nahm Danni den Hörer aus Gerdas Hand, verdrehte die blauen Augen und grinste kläglich. »Martin? Was gibt es denn? Es muß ja schon irgendwo brennen, daß du unsere Vereinbarung nicht einhältst.« Eine fremde, unpersönliche Stimme kam durch den Draht. »Rechtsanwaltsbüro Dr. Mark. Einen Moment, ich verbinde.« Dannis Augenfarbe wechselte vom Blau ins Grünliche, wie immer, wenn sie erregt war. »Es ist gar nicht Martin«

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Fürstenkinder – 95 –

Daniela erbt Schloss Lovenburg

Unveröffentlichter Roman

Eva-Maria Horn

»Fräulein von Lovenberg, Telefon.«

Natürlich mußte ausgerechnet jetzt der Seniorchef durch das Büro gehen. Und natürlich warf er Danni einen grämlichen Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloß.

Danni war aufgesprungen, der Bleistift rollte auf die Erde. Wie immer, wenn sie verlegen war, wurde ihr Gesicht glutrot.

»Verflixt, Gerda. Ausgerechnet jetzt muß Martin anrufen. Dabei weiß er doch, daß Privatgespräche bei uns ungern gesehen werden. Wetten, daß mich der Alte gleich anruft und mir extra Arbeit gibt? Wenn jemand privat spricht, meint er doch schon, wir hätten nichts zu tun.«

Dabei nahm Danni den Hörer aus Gerdas Hand, verdrehte die blauen Augen und grinste kläglich. Nicht eben freundlich rief sie in die Muschel:

»Martin? Was gibt es denn? Es muß ja schon irgendwo brennen, daß du unsere Vereinbarung nicht einhältst.«

Eine fremde, unpersönliche Stimme kam durch den Draht.

»Rechtsanwaltsbüro Dr. Mark. Einen Moment, ich verbinde.«

Dannis Augenfarbe wechselte vom Blau ins Grünliche, wie immer, wenn sie erregt war.

»Es ist gar nicht Martin«, flüsterte sie ihrer Kollegin zu.

»Dr. Marl. Spreche ich mit Fräulein von Lovenberg?«

Danni schluckte, unwillkürlich stellte sie sich gerade hin. Gerda ließ kein Auge von Dannis sprechendem Gesicht. Sie platzte beinahe vor Neugier.

»Ja, ich bin Daniela von Lovenberg.«

»Fein. Ich habe Ihre Adresse von meinem Klienten John Baron von Lovenberg. Ihr Verwandter verstarb vor einem Monat. Bitte, erlauben Sie mir, Ihnen mein herzliches Beileid auszusprechen.«

Dannis Stimme schwankte. Ein wenig ratlos sah sie in Gerdas neugierige Augen, wandte sich dann ab und sagte verlegen:

»Ich habe nichts von Onkel Johns Tod gewußt. Man benachrichtigte mich nicht. Und ich muß sagen, ich meine, es ist sicherlich nicht gerade freundlich von mir gewesen, aber ich habe beinahe vergessen gehabt, daß Onkel John, ich meine…«

Er unterbrach ihr Gestottere, wie ihr schien, sehr amüsiert. Sie konnte sich den Mann genau vorstellen. Uralt war er, sicherlich so verstaubt wie sein Büro.

»Ich bin darüber informiert. Aber Ihr Onkel hat Sie nie aus den Augen verloren, gnädiges Fräulein. Er war über Sie genau im Bilde.«

»Wirklich? Aber wieso? Warum schrieb er mir dann nie? Ich hätte mich über eine Nachricht von ihm sehr gefreut. Besonders nach dem Tode meiner Eltern.«

Danni konnte nicht verhindern, daß ihre Stimme schwankte.

»Wir könnten uns darüber in meinem Büro unterhalten. Herr von Lovenberg hat Sie in seinem Testament bedacht. Heute nachmittag um drei Uhr ist die Testamentseröffnung. Geladen sind außer Ihnen die Schwester des Verstorbenen, Gräfin Dorn und ihr Sohn Dietrich von Dorn. Es tut mir leid, daß ich Sie erst heute benachrichtigen konnte, ich war verreist, und meine Sekretärin versäumte es. Bitte, entschuldigen Sie.«

Alles Blut wich aus Dannis Gesicht. Sie spürte, wie ihre Lippen zitterten.

»Hören Sie«, flüsterte sie heiser. »Ich möchte lieber nicht. Ich meine, Tante Adele und ich… sie und meine Eltern… kurz und gut, es mag für Sie lächerlich klingen, aber Tante Adele und wir verstanden uns nie. Und nur an ihr lag es, daß Papa und Onkel John sich nicht verstanden. Ich mag sie nicht sehen. Und Diet-rich schon gar nicht.«

Jetzt lachte er wirklich, und es war sogar ein sympathisches Lachen.

»Es wird sich leider nicht vermeiden lassen. Und Sie sind ja nicht allein, junge Dame. Ich achte schon darauf, daß Ihnen nicht einmal mit Worten ein Härchen gekrümmt wird.«

Danni seufzte abgrundtief.

»Ich wußte es heute morgen gleich, daß etwas schiefgeht. Ich habe nämlich heute morgen meinen Spiegel zerbrochen.«

Jetzt lachte er wieder, und Danni lachte mit, so mitreißend war seine gute Laune.

»Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, Fräulein von Lovenberg. Es muß sich erst noch herausstellen, ob dieser Tag wirklich ein Unglückstag ist. Darf ich Sie also um drei Uhr in meinem Büro erwarten? Sie wissen, wo die Goethestraße ist? Im Eckhaus in der ersten Etage ist mein Büro. Nr. 3. Hoffentlich ist die Nr. 3 nicht Ihre Unglückszahl«, neckte er sie.

»Ist sie«, behauptete Danni seufzend. »Wie ich das aber meinem Chef beibringen soll, weiß ich wirklich nicht. Immerhin bin ich ein berufstätiges Mädchen.«

»Weiß ich. Soll ich Ihren Chef für Sie anrufen?«

Entsetzt rief sie:

»Das fehlte noch. Also dann, bis später.«

Ihre Finger zitterten sogar, als sie den Hörer auf die Gabel zurücklegte.

»Nun sag doch etwas«, Gerda zappelte vor Aufregung. »Aus dem Gespräch konnte man ja kaum etwas entnehmen. Hast du geerbt? Und was?«

Danni setzte sich auf die Kante des Schreibtisches, ihre langen, braungebrannten Beine erreichten nur gerade den Fußboden.

»Was ich geerbt habe, weiß ich noch nicht. Aber daß es nur eine Winzigkeit ist, dafür hat Tante Adele gesorgt, darauf kannst du Gift nehmen. Ich weiß auch schon, was er mir geben will. Er hat damals von meinem Vater eine goldene Tischuhr bekommen, komisch, wieso ich mich jetzt daran erinnere. Ich war dabei, als meine Eltern sie kauften, und ich war ganz begeistert von ihr. Man konnte das ganze Räderwerk sehen, und zu jeder vollen Stunde bimmelte sie wie ein Weihnachtsglöckchen. Ich habe wie am Spieß gebrüllt, als mein Vater sie Onkel John gab.«

Dannis Augen verloren sich in dem nüchtern eingerichteten Büro, sie starrte auf die alten Dielen, sie schien wirklich weit fort zu sein. Und selbst ihre Stimme war traumverloren.

»Zum letzten Male war ich auf Lovenberg, als ich sechs Jahre alt war. Es ist ein herrliches altes Gut. So viele Tiere hatten sie. Am liebsten wäre ich die ganze Zeit im Pferdestall geblieben. Damals wurde gerade ein Fohlen geboren. Komisch, daß ich mich plötzlich an das alles erinnere.«

»Und das Haus? Ist es ein Haus oder ein Schloß?« Gerda fragte ganz vorsichtig, begierig, mehr zu erfahren. So mitteilsam war Danni ganz selten. Kaum jemals erzählte sie von sich selbst, von früher. Dabei sah man ihr an, daß sie etwas ganz Besonderes war. Hoffentlich erwachte Danni nicht so rasch aus ihren Erinnerungsträumen.

»Es ist ein kleines Schlößchen, gemessen an den anderen Gutshäusern der Umgegend. Es hat nur sechs-undfünfzig Zimmer. Im Hufeisen ist es gebaut, und im Innenhof plätschert ein alter Springbrunnen, ganz vermoost war der Rand, und die roten Mauern des Schlosses spiegelten sich in dem glasklaren Wasser. Im dreißigjährigen Krieg wurde das alte Gutshaus völlig zerstört und dann 1730 wieder aufgebaut, im herrlichen Rokokostil. Natürlich ist der Spätbarock deutlich zu erkennen, aber…«

»Du, für Baustile interessiere ich mich nicht. Rokoko oder Barock sagt mir nicht viel. Wie ist das Schloß?«

»Herrlich. Trotz der spielerischen Eleganz urgemütlich. In den Zimmern kann man wohnen, so behaglich sind sie. Onkel John war ein sonderbarer Kauz, er hat nie geheiratet und lebte auf Lovenberg allein. Allerdings war er aufgeschlossen und normal, bevor seine Schwester Adele ihm den Haushalt führte. Papa erzählte es manchmal. Damals besuchten sie sich häufig, und Onkel John kam auch zu uns. Aber dann…«

»Ich will Ihre private Unterhaltung gewiß nicht stören«, kam die zynische Stimme des Chefs durch den Raum.

Die Köpfe der beiden Mädchen fuhren herum. Da stand er in der Türöffnung, das Gesicht ein einziger, grämlicher Vorwurf. »Sollten Sie Zeit haben, so hätte ich gern mit Ihnen über das Manuskript gesprochen, Fräulein von Lovenberg, das Sie mir gestern auf den Schreibtisch legten.«

Danni nickte, stieg langsam vom Schreibtisch und ärgerte sich wie so oft über seine diktatorische Art. Warum konnte er nicht menschlicher sein? Zwei Jahre war sie im Verlag, aber sie hatte den alten Herrn noch nie lachen gesehen. Er gab jedem das Gefühl, er schenke ihm etwas.

Sie folgte ihm stumm.

Er saß schon wieder hinter seinem Schreibtisch, der mit Manu-skripten überladen war. Natürlich bot er ihr keinen Stuhl an.

Wieso ärgerte es sie heute? Sie sollte sich inzwischen an seine Art gewöhnt haben.

Er trommelte mit den blassen Händen auf dem blauen Aktendeckel herum, sah auf den Titel und dann Daniela an. Sein Adamsapfel hüpfte auf und nieder.

»Ich habe den Roman gestern abend gelesen. Ich bin nur neugierig, warum Sie ihn als ungewöhnlich gut bezeichnen! Mir sagte er nichts.«

Der zynische, stechende Blick bereitete ihr Übelkeit. Ihm jetzt Sätze ins Gesicht schleudern können… ihm jetzt sagen…

Was denn, Daniela?

»Stör’ ich?«

Der Juniorchef kam ins Zimmer, und sofort wich der dumpfe Druck von Dannis Magen, sie gab erleichtert das Lächeln des jungen Mannes zurück.

»Ja, du störst uns«, kam die grämliche Antwort.

Der junge Mann kümmerte sich nicht darum. Er warf die Tennistasche auf den Rauchtisch, nahm ein blütenweißes Taschentuch aus der Tasche seiner grauen Hose und stellte sich hinter den Stuhl seines Vaters.

»Oh, ein vielversprechender Titel: Das Bild im Brunnen. Haben Sie es gelesen, Fräulein von Lovenberg? Warum setzen Sie sich denn nicht? Sie stehen da wie ein armer Sünder. Eine dumme Angewohnheit von Ihnen, stehenzubleiben, wenn mein Vater Platz genommen hat.«

Der alte Herr beachtete die Worte seines Sohnes gar nicht.

»Du solltest lieber arbeiten, als deine Zeit auf dem Tennisplatz zu verbringen.«

»Irrtum, Papa, ich verbringe meine Zeit da nicht, ich halte mich nur fit. Jetzt klemme ich mich hinter meinen Schreibtisch, nachdem ich etwas für meinen Körper getan habe, und du weißt, wie leicht mir dann die Arbeit von der Hand geht. Sie macht mir sogar Freude. Was ist mit diesem Roman? Kenn’ ich den Autor?«

Danni blieb stehen. Ihre Augen verloren den Ärger. Lebhaft erzählte Sie:

»Er ist ein unbekannter Autor. Aber ich bin von seiner Ausdruckskraft begeistert. Es ist ein Kinderbuch, das sehr gut auch von Erwachsenen gelesen werden kann, so viel steht zwischen den Zeilen, und dabei hat er eine so einfache Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Dinge, die das junge Mädchen in dem Manuskript falsch macht, oder richtig macht, sind herrlich erzieherisch gebracht, spielend gebracht. Das Buch wird viele junge Menschen zum Nachdenken anregen.«

»Ich muß es lesen. Hat es dir auch gefallen, Papa?«

Seine Antwort verstand man nicht. Peter Hammerle nahm das Manuskript und klemmte es sich unter den Arm.

»Ihr seid nicht einer Meinung«, stellte er friedlich fest. »Das soll in den besten Familien vorkommen, aber ich muß sagen, Papa, Fräulein von Lovenberg hat ein feines Näs-chen für lesbare Dinge. Erinnere dich an das letzte Manuskript, das du nicht kaufen wolltest. Inzwischen ist sogar ein Film davon gedreht worden.«

»Du kannst sehr unverschämt sein, Peter«, bellte die Stimme des Chefs. Und zu Daniela sagte er mißmutig:

»Sie können jetzt gehen. Sie werden noch Arbeit haben.«

Peters Lächeln gab ihr Mut.

»Arbeit haben wir genug, Herr Hammerle. Und sie macht uns Spaß. Aber ich habe eine Bitte. Ich wurde gerade von Rechtsanwalt Dr. Mark angerufen. Ich muß um drei Uhr heute nachmittag in seinem Büro sein.«

Seine wässrigen Augen waren ausgesprochen mißtrauisch.

»Haben Sie sich auf irgend etwas Zwielichtiges eingelassen? Hören Sie, ich lege bei meinen Angestellten den größten Wert…«

Sie hatte ihn noch nie unterbrochen. Aber jetzt tat sie es, sogar recht heftig:

»Es ist nicht zwielichtig. Es geht um das Erbe meines verstorbenen Großonkels.«

»Da kann man Ihnen nur die Daumen halten«, freute sich der junge Mann und hob die linke Hand, kniff den Daumen ein. »Hoffentlich eine Erbschaft, mit der Sie etwas anfangen können. Aber hoffentlich nicht so viel, daß Sie bei uns kündigen. Der Kinderwelt-Verlag mag auf Sie nicht verzichten, Fräulein von Lovenberg.«

Der Seniorchef rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl.

»Da schließe ich mich den Worten meines Sohnes an«, brummelte er mit versöhnlicher Stimme, »Sie sind wirklich eine gute Lektorin, wenn man Sie auch hin und wieder zurechtstupsen muß.«

Daniela lachte. Wenn sie lachte, erschien ein Grübchen in ihrer linken Wange, und die Augen blitzten. Kein Wunder, daß Peter keinen Blick von ihr ließ.

»Dann darf ich also gehen, Herr Hammerle? Selbstverständlich hole ich die Zeit nach.«

»Nichts da, nachholen«, rief Peter energisch. »Die Überstunden feiern Sie ja auch nicht ab. Ich bin gespannt wie ein Flitzbogen. Kommen Sie noch ins Büro zurück? Wenn nicht, rufe ich Sie heute abend zu Hause an, einverstanden? Oder sollte ich zufällig in Ihrer Nähe sein, komme ich bei Ihnen herauf, aber wissen muß ich es, sonst kann ich heute nacht nicht schlafen.«

*

Danni hätte die tiefverschleierte Dame beinahe nicht erkannt.

Sie betraten gemeinsam den Hausflur.

»Du? Daniela? Wieso hat man denn dich geladen?«

Danni war noch immer außer Atem. Sie besaß kein Auto, war mit dem Fahrrad in die Stadtmitte gefahren. Natürlich war ihr braunes Haar zerzaust und ihre Wangen viel zu rot. Immerhin regnete und stürmte es draußen.

»Guten Tag, Tante Adele«, grüßte sie artig. Danni legte ihre Hand auf das hölzerne Treppengeländer, sie sah auf den Schleier, hinter dem man die Augen nur vermuten konnte.

»Ich war auch überrascht. Der Rechtsanwalt rief mit heute morgen an. Ich möchte dir mein herzliches Beileid ausprechen, Tante Adele.«

Der Kopf ruckte zurück. Danni atmete tief. Seltsam, wie gut sie sich an das süßliche, aufdringliche Parfüm erinnern konnte.

»Ich muß sagen, ich war schockiert, dich nicht auf der Beerdigung zu sehen. Immerhin war Onkel John ein Bruder deines Großvaters. Aber ihr habt euch ja nie um uns gekümmert. Wenn ich noch daran denke, wie unmöglich sich dein Vater benommen hat.«

Danni schoß das Blut in die Wangen, ihre Augen sprühten.

»Da ich vom Tode deines Bruders nichts wußte, konnte ich auch nicht kommen! Und bitte, sprich nicht in diesem Ton von meinem Vater.«

Damit drehte sie sich um, rannte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Sie tat es absichtlich, wußte sie doch, wie sehr die Gräfin das undamenhafte Benehmen verabscheute.

Sie betrat nach kurzem Klopfen das Büro des Rechtsanwaltes. Ein junger Mann erhob sich, Danni staunte mit offenen Augen. So hatte sie sich den Rechtsanwalt Dr. Mark nicht vorgestellt.

Mit ausgestreckter Hand kam er auf sie zu.

»Fräulein von Lovenberg, nicht wahr? Sie sehen wirklich genau wie auf den Bildern aus, die Ihr Herr Onkel mir zeigte. Und wissen Sie auch, daß Sie eine unglaubliche Ähnlichkeit mit der jungen Baronin Charlotte haben? Was war doch noch mit ihr?«

Seine braunen Augen lachten, er besaß prachtvolle weiße Zähne und sah aus wie einem Modejournal entstiegen.

»Sie heiratete während der Befreiungskriege einen Lovenberg, und da ihr Gemahl im Krieg war, nahm sie sich einen Liebhaber. Aber leider nicht nur einen, und leider blieb es auch dem sittenstrengen Lovenberg nicht verborgen.«

Er lachte amüsiert, nahm ihre Hand, und seine Augen machten sie auf lächerliche Weise verlegen.

Und nur darum entzog sie ihm schnell ihre Finger und antwortete viel schnippischer, als es ihr Art war:

»Es ist also kein Kompliment, mit Charlotte von Lovenberg verglichen zu werden.«

Seine braunen Augen zwinkerten amüsiert.

»So genau kenne ich ihre Geschichte natürlich nicht. Mir war nur das zauberhafte Gesicht auf dem Bild aufgefallen. Ließ der Gemahl sie nicht in einen Turm sperren?«

»Sie sind wirklich gut informiert. Ja, das Zimmer soll noch genauso erhalten sein, sie war neunundzwanzig Jahre alt, als er zurückkam, und soll einundsechzig Jahre alt geworden sein.«

Sie schauderte, und er nickte mitfühlend und lachte noch immer.

»Er muß sie sehr liebgehabt haben«, behauptete er. »Sehen Sie mich nicht so fassungslos an, natürlich muß er sie geliebt haben. Denn sonst hätte er sie ja verstoßen, nicht wahr? So aber hat er sie täglich besucht, und nur die anderen durften sie nicht mehr sehen.«

»Sie müssen verrückt sein«, behauptete Danni empört. »Es war barbarisch, und diese Sache ist ein Makel in unserer Geschichte.«

Danni roch das Parfüm früher, als sie die Schritte ihrer Tante hörte.

»Guten Tag.«

Sie rauschte ins Zimmer.

»Gräfin«, das Gesicht des jungen Rechtsanwaltes veränderte sich, das Lachen war daraus verschwunden und machte freundicher Distanz Platz. »Darf ich Sie ins Nebenzimmer führen? Ihr Herr Sohn wartet schon.«

Sie rauschte an Danni vorüber, ohne dem Mädchen noch einen Blick zu schenken. Danni zögerte, während Dr. Mark der Gräfin die Tür öffnete.

»Dietrich! Da bist du ja. O du Schlimmer. Ich habe im Hotel auf dich gewartet und mir dann ein Taxi genommen. Ich wollte den Rechtsanwalt nicht warten lassen. Schließlich muß er mit seiner Zeit Geld verdienen.«

»Sehr richtig. Und darum hoffe ich, daß wir schnell zur Sache kommen. Ich hab’ mich um vier Uhr verabredet. Es sind ja nur Formalitäten zu erfüllen, das sollte schnell gehen.«