G. F. Unger 1952 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 1952 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Auf dem Weg der Rache treibt Lee Cumberland Hester Lombards Herde nach Laramie, wo er seinen ehemaligen Freund und seine treulose Frau zu finden hofft ...

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Seitenzahl: 160

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Inhalt

Cover

Impressum

Nach Laramie, Boys!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6260-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Nach Laramie, Boys!

Die Waffe ist weg! Aber vor wenigen Minuten war sie noch da!

Lee Cumberland lässt das zerschlissene Handtuch fallen und wendet sich langsam zu Nathan Britt um. Er sagt nichts, starrt den Freund nur an und begreift in dieser Sekunde, dass ihre Freundschaft vielleicht schon lange nicht mehr besteht. Sie sehen sich schweigend an.

Nathan Britts Augen sind kalt wie Gletschereis. Sein breites Gesicht, das eine vitale Kraft verrät, verzerrt sich zu einem Grinsen. Sein Colt befindet sich noch im Holster, aber Lees Waffe liegt griffbereit neben ihm im niedergetretenen Gras.

»Yeah«, sagt Nathan Britt schwer, »ich habe deinen Colt genommen. Es wäre einfacher gewesen, dich im Schlaf zu töten, aber das brachte ich nicht fertig.«

Die Blicke der beiden Männer scheinen sich ineinander zu verkrallen.

»Ja, Lee, ich bin ein Hundesohn«, sagt Nathan Britt. »Aber ich will lieber ein Hundesohn sein, als zuzusehen, wie Maureen dich willkommen heißt. Nachdem dieser verdammte Krieg beendet ist und wir wieder in die Heimat zurückkehren, beginnt für dich das große Glück. Und das will ich verhindern. Ich liebe Maureen zu sehr, als dass ich sie einem anderen gönnen würde. Nicht einmal meinem Freund! In mir ist die Hölle! Ich habe mich seit drei Jahren nach Maureen gesehnt und bin nur dein Freund geblieben, weil ich hoffte, dass dich während des Krieges eine Kugel erwischen würde. Dann wäre alles leichter gewesen.« Er zuckt mit den Schultern. »Jetzt muss ich dich töten.«

Er atmet hörbar aus und starrt Lee Cumberland mit flackernden Augen an.

Und Lee sieht mit einem Mal alles in voller Klarheit.

Schon ihre Väter waren Freunde, und sie hinterließen ihren Söhnen große Ranches. Das war einige Jahre vor dem Krieg. Auch die Freundschaft der Söhne war so groß wie die der Väter. Ihre Ranches waren die größten des ganzen Countys. Lee Cumberland und Nathan Britt verkörperten Macht, Rinderreichtum und Einfluss.

Und dann kam eine junge Lehrerin in die Stadt.

Sie verliebten sich beide in Maureen Prent. Das ganze Land beobachtete den Wettbewerb um die schöne Lehrerin, und es blieb lange ungewiss, wer von den beiden Freunden sie erringen würde.

Aber dann wurde Lee Cumberland der glückliche Bräutigam. Es wurde eine Hochzeit, zu der zweihundert geladene Gäste kamen – nur Nathan Britt nicht.

Und als die Feier ihren Höhepunkt erreicht hatte, kam die Nachricht, dass der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten ausgebrochen sei.

Am anderen Tage mussten sich Lee Cumberland und Nathan Britt der Sache des Südens zur Verfügung stellen.

Und dann folgten die Kriegsjahre. Sie waren wieder Freunde und vermieden es, über die junge Frau zu sprechen, die daheim auf Lee Cumberland wartete.

Sie kämpften in den Schlachten bei Bloody Angle, The Wilderness, Yellow Tavern und Appomattox, und ihre Freundschaft schien fest und groß zu sein.

Aber dann legte General Lee bei Appomattox die Waffen nieder.

Lee und Nathan waren plötzlich entlassene Kriegsgefangene.

Und nun sind sie also auf der Heimreise, aber nur Lee wird Maureens Liebe besitzen. Nathan Britt wird zusehen müssen.

Immer noch starren sich die beiden Männer an.

Lee Cumberlands Gesicht ist schmal, aber es ist markant. Er ist ein sehr männlicher Typ, nicht hübsch, sondern eben männlich. Seine Nase ist kurz und gerade. Er wirkt hart und stolz. Es geht jedoch keine böse Härte von ihm aus.

»Nathan, du bist verrückt«, sagt er sanft. »Das ist doch Irrsinn! Wir haben damals beide fair um Maureen geworben. Sie hat sich für mich entschieden. Warum erkennst du ihre Entscheidung nicht an?«

»Ich will sie besitzen! Vom ersten Augenblick an wollte ich sie besitzen. Wenn du nicht gewesen wärst, so hätte ich sie bekommen, bestimmt. Und ich kann nicht mein ganzes Leben als euer Nachbar zusehen, wie sie dich liebt. Ich träume seit drei Jahren jede Nacht, dass du tot bist, Lee, und ich allein heimkehren werde. Ich träume immer wieder, dass sie mir gehören wird. Bis jetzt wollte ich es dem Schicksal überlassen, mir zur Erfüllung meiner Wünsche zu verhelfen. Aber jetzt habe ich lange genug gewartet. Wir sind hier mitten in der Wildnis. Vielleicht sind wir auf hundert Meilen in der Runde die einzigen Menschen in diesem Land. Du wirst nicht heimkehren, Lee.«

Die letzten Worte stößt er heiser hervor.

Lee Cumberland schluckt hart, denn er weiß plötzlich, dass er den einstigen Freund nicht mehr von dieser Idee abbringen kann. Lee Cumberland hat hier wohl das Ende aller Wege erreicht. Er gibt sich keinen Hoffnungen mehr hin, weiß er doch, wie gut Nathan Britt mit dem Colt umgehen kann.

»Du bist trotzdem ein Narr«, stößt er hervor. »Vielleicht kannst du Maureen auf diese Art bekommen, vielleicht! Aber diese Sache hier wird dein ganzes Leben lang an dir fressen. Du wirst die Hölle in dir spüren. Du könntest nie mehr im Leben auf etwas stolz sein. Nathan, du bist dann nur noch äußerlich ein großer und stolzer Mann. Innerlich bist du ein Hundesohn! Eine Frau fühlt und spürt das eines Tages. Irgendwann wirst du dann wieder Dinge tun, die nur ein Hundesohn tun kann. Dann wird Maureen dich richtig sehen. Und sie wird dich verachten. Dann lebst du erst richtig in der Hölle! Überleg es dir!«

»Ich habe es mir lange genug überlegt!«

»Dann schieß doch, du Bastard!«

Lee Cumberland verlegt sein Gewicht nach vorn. Es sieht so aus, als wollte er sich auf Nathan Britt stürzen.

»Halt!«, ruft dieser. »Ich will dir noch eine letzte Gunst erweisen! Ich will herausfinden, ob das Schicksal mir ein Zeichen gibt! Setz dich hin, Lee, so wie ich. Und dann wollen wir sehen, wer die höchste Karte zieht.«

»Was soll das, Nathan?«

Doch der löwenmähnige Riese gibt vorerst keine Antwort. Er holt mit der Linken ein abgegriffenes Kartenspiel hervor und wirft es Lee vor die Füße.

»Du kannst selbst mischen, Lee! Und dann werden wir jeder eine Karte ziehen. Die höchste Karte gewinnt!«

»Und wenn ich die höchste Karte ziehe?«

»Das wirst du nicht! Ich bin sicher, dass das Schicksal mir ein Zeichen gibt. Wenn ich die Karte ziehe, werde ich auf dich schießen. Aber gut: Wenn du mich schlagen kannst, so will ich mich diesem Zeichen beugen. Dann reiten wir getrennt nach Hause. Du hast mir im Krieg zweimal das Leben gerettet, Lee, deshalb muss ich dir diese Chance geben. Deshalb konnte ich dich nicht im Schlaf erschießen. Ich gebe dir noch diese Chance. Wir spielen um dein Leben. Gewinne ich, so wird Maureen bald mir gehören. Verliere ich, so reiten wir als Feinde heim. Das ist die Gunst, die ich dir gewähre! Los, misch die Karten!«

»Du Narr, du hirnverbrannter und verrückter Narr! Du willst mich hier abschießen und suchst nach Zeichen, die deinen Plan gutheißen! Du hast schon selbst erkannt, dass dich die Sache in die Hölle bringt, und willst dich damit betäuben, indem du mit mir um mein Leben spielst. Du bist zu feige, einen Menschen zu töten, der wehrlos ist. Du hast Angst vor der Hölle!«

»Wir spielen um mein Glück mit Maureen und um dein Leben«, knurrt Nathan Britt. »Misch endlich die Karten! Was willst du noch? Ich gebe dir doch eine Chance. Und weil das so ist, werde ich später in den Spiegel sehen können, ohne mich anzuspucken! Ich gebe dir eine Chance und setze Maureen aufs Spiel! Los!«

Lee Cumberland nimmt langsam die Karten, nachdem er sich hingehockt hat. Er beginnt langsam zu mischen und sieht Nathan Britt dabei an.

»Wenn ich gewinne, wirst du mich dennoch töten«, murmelt er heiser, und er macht mit den mischenden Händen eine schnelle Bewegung. Die Karten fliegen wie wirbelnde Blätter in Britts Gesicht.

Lee wirft sich vor.

Aber obwohl Nathan Britts Sicht einen Moment durch die vielen Spielkarten versperrt wird, reißt er den Colt des einstigen Freundes hoch und schießt mehrmals, bis der schwere Körper Lee Cumberlands, noch vom Schwung des Ansturms getragen, auf ihn fällt.

Nathan Britt stößt den leblosen Körper von sich und erhebt sich keuchend. Er lässt die Waffe fallen und krächzt: »Er hat mich angegriffen! Ah, er hat mich angegriffen! Ich musste ja schießen! Er hat seine Chance gar nicht gewollt! Er hat mich angegriffen!«

Er wischt sich über das schwitzende Gesicht und starrt einen Moment auf den Mann zu seinen Füßen. Er sieht das Blut in Lees Haar und sieht den dunklen Fleck in dessen Schulter, wo die andere Kugel ausgetreten ist. Lee Cumberland liegt auf dem Gesicht.

»Er hat mich angegriffen«, krächzt Nathan Britt noch einmal. »Vielleicht hätte ich sonst überhaupt nicht geschossen. Vielleicht hätte ich es sonst gar nicht fertiggebracht, auf ihn zu schießen, obwohl ich es wollte. Jetzt ist alles vorbei!«

Er rafft schnell seine Habseligkeiten zusammen, schnürt sein Bündel und sattelt sein Pferd. Nur noch einmal wirft er einen scheuen Blick auf den leblosen Mann.

Wie von bösen Geistern gejagt, reitet er davon.

Bald verklingen seine Hufschläge.

Und die Sonne steigt langsam empor. Die Vögel zwitschern in den Bäumen, der River plätschert. Das Pferd reißt sich von der Leine los und geht zum Wasser.

Lee Cumberland aber rührt sich nicht.

Das Blockhaus steht in einer tiefen Falte des Canyons. In einem Corral bewegen sich zwei Esel und ein Pferd. Ein Bach kommt aus einer Felsspalte.

Alles ist ruhig und friedlich.

Der Sommer geht zu Ende. Das Laub an den Bäumen färbt sich bereits zu den schönsten Farben des Jahres.

Sam Hunter hat nach vielen Jahren erfolgloser Suche endlich einmal Glück gehabt. Er hat zwar keine Goldader gefunden, aber aus dem Kies des Baches, dort, wo der Kies fast so fein wie Sand ist, hat er für rund zweitausend Dollar Gold herauswaschen können.

Er verlässt seine Hütte und bleibt in der Abendsonne stehen.

Drüben sieht er den Fremden am Bach sitzen und fragt sich jetzt noch, nach vier Monaten, wie es möglich war, dass dieser Mann am Leben blieb.

Er geht hinüber und setzt sich neben den mageren Mann auf einen Stein. Er betrachtet ihn prüfend und nickt dann zufrieden.

»Nun gut, Lee«, murmelt er, »du bist über den Berg. Seit zwei Wochen nimmst du jeden Tag ein Pfund an Gewicht zu. Es wird nicht lange dauern, und du bist wieder der Mann, der du vorher gewesen warst. Du bist schon ein harter Bursche, mein Sohn. Du bist jetzt wieder kräftig genug, um reiten zu können. Ich selbst bin hier fertig. Wir können morgen nach Fort Worth aufbrechen. Ich habe hier genug Gold gefunden, um mir endlich den Mietstall in Fort Worth kaufen zu können. Bald werde ich vor diesem Stall in der Sonne sitzen und nur manchmal meinem Stallburschen helfen, wenn zu viel Betrieb ist. Ich werde jeden Tag drei Zigarren rauchen und sonntags in die Kirche gehen. Ich habe einen ziemlich sicheren Lebensabend vor mir. Und auch du wirst eines Tages wieder …«

Am nächsten Tag brechen sie auf.

Eine volle Woche später, es ist schon Nacht, erreichen sie Fort Worth. Sie mieten sich ein Zimmer und schlafen bis zum Mittag des nächsten Tages.

Dann gehen sie in einen Store und kleiden sich neu ein. Der alte Sam Hunter zwingt Lee mit einigen Flüchen dazu, diese Geschenke anzunehmen. Als sie dann in einem Speisehaus beim Mittagessen sitzen, drängt er ihm noch hundert Dollar auf. Er hat sein Gold gleich eingetauscht.

»Du kannst mir ja eines Tages alles zurückzahlen, Lee«, sagt Sam Hunter barsch. »Du kennst meine Anschrift. Ich werde meinen Lebensabend hier verbringen und will mich jetzt darum kümmern, dass der Mietstall mein Eigentum wird. Hoffentlich hat es sich der verdammte Jack nicht anders überlegt! Vor einem halben Jahr versprach er mir, noch bis zum Herbst zu warten. Nun, er hat es vielleicht nicht ernst gemeint, aber er wird Augen machen, wenn ich ihm die Dollars auf den Tisch lege.«

Er erhebt sich und hält Lee die Hand hin.

Auch Lee erhebt sich.

»Oldtimer«, sagt er, »ich verdanke dir mein Leben. Du wirst immer von mir hören. Ich stehe tief in deiner Schuld.«

»Bezahl sie eines Tages, wenn du einen armen Hund treffen solltest, der Hilfe braucht. Ich war in meinem langen Leben oft in Not, und da habe ich mir manchmal gewünscht, es würde mir jemand helfen. Bezahl deine Schuld – wenn du eine zu haben glaubst –, wenn du einen armen Hund triffst.«

Dann geht er hinaus, um sich den Mietstall zu kaufen.

Lee trinkt noch eine Tasse Kaffee.

Endlich zahlt er und geht hinaus.

Die Sonne hat ihn zwar wieder gebräunt, nachdem er drei Monate in Sam Hunters Blockhütte liegen musste, aber er wirkt immer noch sehr mager und trotz seiner Länge und seines starken Knochenbaus kraftlos. Es ist wahrhaftig ein Wunder, dass er am Leben blieb. Wenn Sam Hunter nicht so ein erfahrener Mann wäre, der sich auf Wunden und Krankheiten wie ein richtiger Arzt versteht, wäre er wahrscheinlich gestorben.

Langsam setzt er sich in Bewegung und geht wie ein Traumwandler. Vor der Schaufensterscheibe eines Stores hält er inne. Die Schaufensterscheibe ist aus acht kleinen Scheiben zusammengesetzt, aber die Belichtung ist so günstig, dass Lee sich wie im Spiegel sehen kann, ganz klar und genau.

Er ist noch hager und hat Untergewicht, ein langer, dunkler, hohlwangiger und verbitterter Mann, in dessen nebelgrauen Augen eine heiße Flamme brennt, ganz im Hintergrund dieser Augen, die weit auseinander stehen und die tief liegen. Da er seinen Hut in den Nacken geschoben hat, sieht er auch die Narbe auf seiner Stirn. Er hebt die Hand und denkt an Nathan Britt.

Dann fällt seine Rechte nieder und legt sich leicht auf den dunklen Griff des Colts.

»Nun«, murmelt er, »ich glaube nicht, dass Maureen ihm bereits gehört, denn ich glaube, sie liebte mich damals sehr. Er wird also noch um sie werben. Ich glaube, ich werde ihn in den Bauch schießen und dann zusehen, wie er stirbt, dieser Bastard. Aber erst muss ich ihn haben. Der Weg zur Heimatweide ist weit. Und ich treffe fast sechs Monate nach Nathan Britt dort ein. Aber das ist gut, denn ich muss körperlich wieder sehr fit sein. Sonst gewinnt Nathan Britt unseren Kampf.«

Er tritt in den Store und ersteht Proviant und Ausrüstung für einen langen Ritt. Mit dem Bündel geht er in den Mietstall und findet dort schon seinen Lebensretter Sam Hunter als neuen Besitzer vor.

Sam Hunter hilft ihm, das Pferd zu satteln und das Bündel festzuschnallen. Vor dem Tor des Mietstalls nehmen sie dann Abschied.

»Viel Glück, Lee«, murmelt Sam Hunter heiser. »Und sei immer ein stolzer Mann, der nie die Selbstachtung verliert.«

»Ich verdanke dir mein Leben, Sam. Ich behalte dich im Herzen.«

Nach diesen Worten reitet Lee davon.

Zehn Tage später durchfurtet Lee Cumberland den Red River, und weitere zehn Tage danach erreicht er seine Heimatweide zwischen dem North Fork des Red River und dem Washita.

Und er kommt in ein Land, das sich sehr verändert hat. Er kommt in eine Wüste.

Lee hält sein müdes Pferd an und starrt zu den nahen Hügeln hinüber. Wenn er durch diese Lücke dort drüben zwischen den Hügeln reitet, bekommt er seine Ranch in Sicht.

Er verspürt plötzlich eine heiße Furcht in sich aufsteigen, denn bisher ist er auf den letzten zehn Meilen seines Rittes außer einigen Coyoten keinem Lebewesen begegnet, und selbst die Coyoten waren dürr und mager.

Es gibt keine Rinder und keine Reiter mehr auf dieser Weide. Nur die kleine Stadt zeigte in der Nacht einige trübe Lichter.

»Verdammt, die Yankees haben im Krieg die Wälder abgebrannt, und obwohl wir davon hörten, habe ich nicht daran geglaubt, dass es so schlimm sein könnte«, murmelt er und reitet weiter.

Eine halbe Stunde später sieht er seine Ranch: eine Ansammlung verlassener Gebäude, mit leeren Corrals und reparaturbedürftigen Ställen und Schuppen.

Schon aus dieser Entfernung kann er erkennen, dass es eine tote Ranch ist. Wieder hält der große Mann an, knetet die Hände über dem Sattelhorn und wischt sich dann einmal hastig über das Gesicht.

Aber das Bild verändert sich nicht.

Vor dem Krieg waren die Corrals dort drüben voller Leben und Bewegung. Im langen Schlafhaus wohnte eine Mannschaft, die meist zwölf Reiter stark war. Und im Küchenhaus rauchte der Kamin, und der Ranchschmied ließ den Hammer erklingen. Rings um die Ranch weideten achttausend bis zehntausend Longhorn-Rinder. Und es gab mehr als dreihundert Pferde.

Jetzt ist alles tot!

Und keine junge Frau wartet auf den Heimkehrer.

Lee Cumberland atmet langsam aus.

Der Wind treibt Staub- und Sandfahnen um ihn herum. Die Hufe seines Pferdes wirbeln Staub auf. Seine Kleidung und das Tier sind mit Staub und Sand bedeckt.

Nur hier und da ist noch etwas braunes Gras.

Am Brunnen sitzt Lee ab. Er sieht sich langsam um. Dann spuckt er bitter aus, und es bleibt nicht nur der Staub- und Sandgeschmack im Mund zurück.

Sein Pferd schnaubt in die dunkle Öffnung des Brunnens hinein. Es wittert wohl Wasser. Lee betätigt die Winde, aber alles, was er in dem hölzernen Eimer aus dem Schacht holt, ist braunes Wasser. Das Pferd säuft nur widerwillig davon.

Lee starrt zu den fernen Bergen, aus denen vor Jahren der Silver River plätscherte. Er begreift, dass auch in den Bergen etwas geschehen ist, was den Fluss trockenlegte.

Langsam geht er in das Ranchhaus hinein, das sein Vater vor vielen Jahren wie für die Ewigkeit errichtete. Es ist alles leer! Er findet nur einiges Gerümpel und erkennt an gewissen Zeichen, dass namenlose und vorüberziehende Reiter hier dann und wann übernachtet haben. Einige Fensterscheiben sind eingeschlagen. Der Sand knirscht unter Lees Sohlen.

Lange sucht er nach Zeichen, die ihm verraten, dass Maureen hier gewohnt hat.

Im einstigen Schlafzimmer steht noch ein kleines Möbelstück.

Lange starrt Lee darauf.

Es ist eine Wiege. Sie wurde nicht gebraucht. Lee erinnert sich genau daran, dass diese Wiege sich unter den Hochzeitsgeschenken der Nachbarn befand.

Langsam setzt er sich in Bewegung und gibt dem Ding einen kräftigen Tritt.

Dann geht er wieder hinaus.

Bei seinem Pferd steht ein alter Mann. Lee erkennt ihn sofort. Joe Cotton kam damals mit Lees Vater in dieses Land. Sie bauten die Ranch auf und kämpften gegen Indianer. Joe Cotton war lange der Vormann dieser Ranch, bis er zu alt wurde, um harte Arbeit verrichten zu können. Und selbst dann machte er sich noch überall nützlich.

»Bei Gott, Lee, du bist es also doch«, sagt der alte Mann mit brüchiger Stimme und kommt näher. »Du bist also nicht tot, Junge. Oder bist du ein Geist, der einen alten Mann wie mich zum Narren halten will?«

Sie reichen sich die Hände. Dann setzen sie sich auf die Verandastufen.

Lee dreht zwei Zigaretten. Als sie dann rauchen, murmelt Lee tonlos: »Was ist hier passiert? Und warum bist du noch hier, wo doch alle anderen Menschen weggegangen sind?«

Das faltige Gesicht des alten Reiters verzerrt sich.

»Ich bin vor vierzig Jahren mit deinem Vater in dieses Land gekommen, Junge. Dein Vater und deine Mutter liegen beide in dieser Erde. Ich habe der Ranch die Treue gehalten. Und ich will nicht mehr weg. Ich bleibe hier. Was soll ich in Wyoming?«