G. F. Unger 1953 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 1953 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Kirby Starbow geht für seinen Bruder ins Gefängnis. Doch als er entlassen wird, muss er erkennen, dass sein Opfer umsonst gewesen ist, denn Jesse ist zum Banditen geworden ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Pass der Verlorenen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6383-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Pass der Verlorenen

Die vergangenen zwölf Monate sind für Kirby Starbow die traurigsten und bittersten seines Lebens gewesen. Als er das Büro des Gefängnisdirektors betritt, ist sein Gesicht ausdruckslos. Nur die Augen verraten etwas von der Ungeduld, mit der er auf den Tag seiner Entlassung gewartet hat. Der Gefängnisdirektor ist nicht allein. Kirby Starbow kennt den zweiten Mann. Es ist US Marshal Sam Morgan.

»Ich wollte sehen, wie Sie es überstanden haben«, sagt Sam Morgan, »und in welcher Verfassung Sie sich befinden. Sie wissen, dass nicht nur ich, sondern auch Richter und Geschworene Verständnis für Ihre Handlungsweise hatten.«

Kirby Starbow nimmt seine Habseligkeiten entgegen. »Ich habe mich nie über meine Strafe beklagt«, murmelt er. »Ich habe bezahlt, nicht wahr?«

»Dem Gesetz nach ja.«

»Auch die andere Schuld bringe ich in Ordnung«, sagt Kirby Starbow. Er denkt an seinen Bruder Jesse, für den er im Gefängnis gesessen hat, und tiefe Bitterkeit erfasst ihn. Denn er hat inzwischen erkennen müssen, dass er ein Jahr nutzlos geopfert hat, indem er die Schuld seines Bruders auf sich nahm.

Er zögert, bevor er den Colt und den Waffengurt vom Tisch des Gefängnisdirektors nimmt. Dann legt er den Gurt um und bindet das Holster am Schenkel fest. Langsam zieht er die Waffe heraus, klinkt die Trommel aus und nimmt Patronen aus den Schlaufen des Waffengurts. Sie sind immer noch gut eingefettet und bestimmt nicht unbrauchbar. Er wird sie mit Sicherheit brauchen. Im Kampf gegen Jesse und dessen Komplizen …

Als er die Waffe geladen hat, sieht er beide Männer nacheinander an, schiebt den Colt ins Holster und fragt dann: »Kann ich jetzt gehen?«

»Ihr Pferd hat im Mietstall gearbeitet und sich dort Futter und Unterkunft verdient. Sie können es dort abholen. Hier ist der Berechtigungsschein«, murmelt der Gefängnisverwalter und schiebt Kirby einen Zettel zu.

Der nimmt ihn und wendet sich zur Tür.

»Moment noch, Kirby Starbow«, murmelt der US Marshal. »Da wäre noch eine Sache zu besprechen.«

Kirby blickt ihn über die Schulter an. Dann wendet er sich zurück.

»Wirklich?«, fragt er.

»Setz dich, mein Junge«, murmelt der alte Kämpfer und deutet auf einen zweiten Sessel. »Setz dich und sei nicht so stolz und verbittert.«

Kirby zögert. Dann zuckt er lässig mit den jetzt so knochig wirkenden Schultern und gehorcht. Er sagt kein Wort, sondern blickt den Mann, der das Bundesgesetz in Wyoming vertritt, ruhig an.

Und Sam Morgan ist ein Mann, der nicht lange um den heißen Brei herumgeht, sondern meistens den Stier genau bei den Hörnern packt.

Er sagt pulvertrocken: »Junge, du wolltest deinem Bruder eine Chance geben und hast dich geopfert. Aber du hast ein Jahr deines Lebens nutzlos verschwendet. Dein Bruder Jesse hätte an deiner Stelle …«

»Genug!«, unterbricht ihn Kirby scharf.

Aber der US Marshal schüttelt den Kopf. »Es konnte nicht bewiesen werden«, sagt er, »aber nicht nur ich war von Anfang an davon überzeugt, dass du die Schuld deines Bruders auf dich genommen hast. Alle wussten wir das, alle! Dein Bruder war es, der die Post überfallen hat und den wir mit drei Aufgeboten jagten. Jesse war es! Aber dann stelltest du dich als Täter. Dein Bruder leugnete. Und die Augenzeugen waren sich nicht sicher, weil ihr euch ähnlich seht. Das Gericht konnte die Wahrheit nicht herausfinden und musste dich schließlich verurteilen. Es war doch so, Kirby?«

Der antwortet nicht, sondern blickt ins Leere. Aber seine Lippen pressen sich immer mehr zusammen. Man hört einmal seine Zähne knirschen.

»Ist das alles, Sam?«, fragt er schließlich.

»Nein, Kirby. Du weißt, ich kannte deinen Vater. Und ich habe auch seine Söhne gerngehabt. Als du noch ein Junge warst, nanntest du mich Onkel Sam. Vergiss das nicht.«

»Das hattest du vergessen, Sam, nicht wir.«

»Ich musste einen Banditen fangen«, knurrte Sam Morgan. »Aber ich bekam den wirklichen Schuldigen nicht, weil sich ein Narr für ihn opferte. Es hat dir nichts genützt, Kirby, gar nichts. Jesse hat seine Chance nicht wahrgenommen. Oh, ich weiß, warum du dich für ihn opfertest! Jesse war jung und leichtsinnig, verwegen und wild. Er befand sich auch in schlechter Gesellschaft und hatte ein junges Mädchen geheiratet, das ein Kind von ihm erwartete. Er wollte dieses Mädchen nicht in einer kümmerlichen Hütte wohnen lassen, sondern ihr etwas bieten. Dieser Narr! Und da ließ er sich von seinen Freunden dazu verleiten, beim Überfall auf eine Postkutsche mitzumachen. Und du kanntest deinen Bruder gut. Du wolltest ihn retten, denn du wusstest genau, dass er nach einer langjährigen Haft als wilder Wolf aus dem Gefängnis kommen würde, verdorben, verloren. Du dachtest, dass dein Opfer ihn verändern würde, dass er nie wieder leichtsinnig handeln und für alle Zukunft auf dem guten Weg bleiben würde. Und du wolltest auch nicht, dass Jesses junge Frau …«

»Schluss damit, Sam!«, unterbricht ihn Kirby klirrend. »Schluss damit! Hörst du?«

»All right, all right! Aber dein Bruder Jesse hat Frau und Kind verlassen und ist inzwischen ein berüchtigter Bandit und Revolvermann geworden. Während dieses Jahres hat er viel Unrecht begangen. Daran bist du mitschuldig, moralisch auf jeden Fall! Ist dir das klar?«

»Ich bringe das in Ordnung, Sam. Aber das geht nur mich und Jesse etwas an.«

»Sooo? Und wie willst du das in Ordnung bringen?«

Kirby gibt keine Antwort, macht aber den Ansatz zu einer Bewegung, als wolle er aufstehen und aus dem Zimmer gehen.

»Warte noch, Junge«, grollt Sam Morgan, greift in die Tasche und holt ein kleines Päckchen heraus.

»Nimm es!«, knurrt er. »Das ist die Chance, die ich dir gebe, damit du innerhalb des Gesetzes bleiben kannst und nachher dein ganzes Leben nicht in der Hölle leben musst.«

Kirby starrt auf das Päckchen.

»Was ist es?«

»Deine Ernennung zum US Deputy Marshal, die Plakette und einige Haftbefehle auf Burschen, die vom Bundesgesetz gesucht werden und die du in Gesellschaft deines Bruders finden wirst. Das ist alles, was du nötig hast, Kirby. Denn es wird dich davon abhalten, Rache zu nehmen und dein Gewissen mit Dingen zu belasten, die ein guter Mann nicht tun darf. Das ist deine Chance, Kirby, wenn du innerhalb des Gesetzes bleiben möchtest und kein Verlorener werden willst, der nach einer blutigen Rache nicht mehr auf den guten Weg zurückfinden kann. Sei kein Narr, Kirby.«

Der blickt eine Weile stumm auf das Päckchen, in dem sich einige Papiere und ein harter Gegenstand befinden.

Dann lacht er bitter auf.

»Ich komme aus einem Gefängnis und soll Gesetzesbeamter werden? Das ist wie ein schlechter Witz. Ist dein Vertrauen so groß, Sam Morgan? Wenn ich dich enttäusche, dann wirst du mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt.«

»Ich bin Colonel Samuel B. Morgan, US Marshal des Wyoming-Territoriums, mein Junge. Ich vertraue dir und übernehme die Verantwortung für alles, was du als mein Deputy Marshal tun wirst. Ich brauche dich, weil ich keinen anderen Mann finden könnte, der diesem Auftrag gewachsen wäre. Ich habe vor Monaten zwei gute Männer über den Wild Horse Pass geschickt. Sie sind beide verschollen. Du aber wirst auf jeden Fall über jenen Pass reiten wollen, über den alle Verlorenen und Geächteten reiten. Aber reite mit dem Gesetz.«

Kirby Starbow senkt den Kopf. Sein dunkles Gesicht ist etwas unregelmäßig, aber auf eine männliche Art fast hübsch. Doch jetzt sind viele dunkle und bittere Linien darin, die vor einem Jahr noch nicht vorhanden waren.

Sein Haar ist rabenschwarz und gekräuselt. Wenn er wieder sein altes Gewicht haben wird, wird er ein stattlicher Mann sein, von knapp dreißig Jahren und im Vollbesitz aller Kräfte und Fähigkeiten, die ein Mann nur wenige Jahre während seines Lebens in diesem Maße besitzt.

Kirby denkt jetzt an seinen verwilderten Bruder und an die schlimmen und hartgesottenen Banditen, in deren Gesellschaft er sich befindet. Er sucht immer noch nach Entschuldigungsgründen für Jesse. Aber er findet keine mehr. Jesse hat seine letzte Chance gehabt. Er hätte endlich zur Vernunft kommen müssen, nachdem er, Kirby, sich geopfert hatte.

Kirby verspürt den kalten Zorn, den er nun schon kennt, weil er ihn während der letzten Zeit Tag für Tag und Nacht für Nacht ertragen musste. Aber der Zorn gilt nicht so sehr dem Bruder.

Kirby denkt an Riley Tenslip, an Jube Head und an Johnny Sego. Gewiss, jeder Mann ist sein eigener Hüter und muss allein für seine Taten einstehen. Aber diesen drei Burschen gibt Kirby die größte Schuld, dass Jesse die Chance nicht nutzte und ein guter Mann, Gatte und Vater wurde. Ja, Kirby spürt einen kalten und bösen Zorn, der in ihm immer wieder den Wunsch nach Gewalttat entstehen lässt.

Plötzlich begreift er auch, was Colonel Sam Morgan ihm anbietet. Oh, er begreift es genau. Der US Marshal will ihn an die Kette legen. Er will ihn verpflichten und ihn davor bewahren, mit rauchendem Revolver Rache zu nehmen.

Aber dann schüttelt er den Kopf und reicht das Päckchen zurück.

»Ich kann es nicht annehmen, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich unparteiisch und nach dem Gesetz handeln kann, Sam …«

»Aber ich bin mir sicher«, unterbricht dieser ihn. »Und du kannst mir den Stern und die Vollmachten zu jeder Zeit zurückschicken. Aber versuch es doch wenigstens mal.«

Sie erheben sich beide. Kirby ist noch unentschlossen. Sam Morgan öffnet Kirbys Jacke, schiebt das Päckchen in die Seitentasche und tritt dann einen Schritt zurück.

»Jetzt schwöre deinen Eid als US Deputy Marshal, Junge«, sagt er hart.

Sechs Tage später hat US Deputy Marshal Kirby Starbow etwas über zweihundert Meilen im Sattel zurückgelegt und fast jeden Tag zwei Pfund an Gewicht zugenommen. Das ständige Reiten in frischer Luft, die einsamen Camps und die Befriedigung seines Hungers haben ihm gutgetan und ihn verändert.

Sein Gesicht ist wieder gebräunt, sein starker Körper ist elastisch. Manchmal hat er unterwegs lange gerastet und auch gejagt oder gefischt. Er nähert sich seinem Ziel fast gemächlich und konnte bisher seine Ungeduld zügeln.

Am späten Nachmittag dieses sechsten Tages kommt er aus der Green-Hill-Kette geritten und blickt eine Weile über das große Tal, zu dem sich das Hügelland in gewaltigen Stufen abwärts senkt.

Es ist ein mächtiges Tal, von Gebirgsketten umgeben und von Hügeln durchzogen, von Canyons durchfurcht und tiefen Senken und Klüften durchschnitten.

Er kennt dieses Land. Es ist unübersichtlich und birgt viele Geheimnisse. Es bildet tausend abgelegene Winkel und Verstecke.

Ganz weit im Norden erkennt Kirby in der gewaltigen Bergmauer den Einschnitt des Wild Horse Pass. Und er weiß, dass das Land dahinter noch wilder, unübersichtlicher und geheimnisvoller ist. Dort hinter dem Pass gibt es kein Gesetz. Dort ist der Zufluchtsort vieler Verfolgter, Verlorener und Geächteter.

Kirby wittert zum Tal nieder, und er spürt nun die starken Düfte der Heimatweide. Es ist ein vertrauter Geruch von Weideland, harzigen Kiefern, Wasser, sonnenwarmer Erde und vielen, vielen anderen Dingen.

Die alten Erinnerungen werden wach. Zugleich verspürt Kirby auch wieder die Bitterkeit und den kalten Zorn. Die Linien in seinem Gesicht verhärten sich, und es ist kein gutes Gefühl mehr in ihm, wie es in der ersten Minute seiner Heimkehr vorhanden war.

Er reitet weiter und folgt den abwärts ins Tal führenden Pfaden.

Als später dann die Nacht anbricht und der bleiche Mond sein Licht durch Wolkenschleier sickern lässt, entdeckt Kirby das einsame Licht in der Nacht.

Langsam reitet er darauf zu.

Dieses Licht leuchtet aus einer Blockhütte, die zwischen einigen verfallenen Corrals steht. Ein Schuppen und eine erst halb fertige und nun schon wieder im Verfall befindliche Scheune stehen daneben.

Dann beginnt ein Hund zu bellen. Er kommt dem Reiter entgegen. Es ist ein großer, wütender Hund.

»Smoky!«, ruft Kirby ruhig.

Der Hund verstummt sofort. Er kommt noch näher heran, springt am Reiter hoch und stößt nun ein Freudengebell aus.

»Schon gut, Smoky, schon gut, alter Junge«, sagt Kirby. »Yeah, ich bin es, Smoky.«

Er hält an und blickt auf die kleine Blockhütte. Smoky sitzt auf den Hinterläufen und winselt glücklich. Er stößt seltsame Laute aus, und es ist sicher, dass er sich freut. Er hat Kirby nicht vergessen, und irgendwo in ihm ist jetzt die Erinnerung an Jagden und viele Abenteuer.

Kirby blickt auf die Tür.

Die wird nun geöffnet. Eine Frau wird sichtbar. Sie hält eine Schrotflinte im Arm. Aber das kann Kirby nur undeutlich erkennen, weil vorher das Licht in der Hütte verlöschte.

»Hester«, sagt er ruhig.

Einige Atemzüge lang ist es still. Aber er hört das scharfe Einatmen der Frau.

»Kirby«, sagt sie dann, »du bist also heimgekommen? Versorg dein Pferd und komm herein! Ich freue mich, dich zu sehen.«

Sie sagt es seltsam zitternd, und als sie wieder in die Blockhütte tritt, sieht es fast wie eine Flucht aus.

Als Kirby dann beim Corral absitzt, springt Smoky an ihm hoch und versucht, sein Gesicht zu lecken.

Es dauert eine Weile, bis Kirby ihn beruhigt hat. Er versorgt sein Pferd, findet im Schuppen etwas Futter und legt dann nachher auch sein Gepäck in den Schuppen. Mit seinem Waschzeug geht er langsam zum nahen Bach hinüber. Als er sich dann der Blockhütte nähert, erwartet ihn Hester Starbow in der Tür.

Er tritt langsam ein und muss unter der Tür seinen Kopf einziehen. Er bleibt vor Hester stehen und blickt auf sie nieder.

Vor einem Jahr war die Frau seines Bruders Jesse noch ein Mädchen. So sieht sie auch jetzt noch aus. Doch ihre großen blauen Augen sind anders geworden.

Kirby erkennt, wie hart, trotzig, stolz, bitter und einsam die junge Frau ist. Und doch kann er sich noch gut daran erinnern, wie mädchenhaft, lustig, froh und glücklich sie bei der Hochzeit war und wie leicht sie sich in seinen Armen drehte beim Tanz.

Aber das ist vorbei.

Er nickt ihr zu, wendet sich dann um und sieht, dass sich hier nicht viel verändert hat – bis auf die Kinderwiege in der Ecke. Er nimmt seinen Hut ab und geht langsam auf den Zehenspitzen hinüber. Hester bringt die Lampe vom Tisch.

»Das ist also Franky?«, flüstert er.

»Ja, Kirby! Das ist mein Sohn Frank Kirby Jesse Starbow.«

Sie wendet sich rasch um und geht zum Tisch zurück.

»Lass das Essen nicht kalt werden, Kirby!«

Er folgt ihr zum Tisch und setzt sich.

Langsam beginnt er zu essen. Sie gießt ihm ein Glas Buttermilch ein.

»Ich habe zwei Milchkühe und zwölf Hühner«, sagt sie.

Er nickt, und er fragt nicht, wie es ihr geht. Er braucht diese Frage nicht zu stellen.

Dies hier sollte einmal eine Ranch werden.

Aber Jesse hatte bald genug davon und wollte sich durch einen Postraub Geld verschaffen.

Und jetzt ist er fort. Kirby hatte schon im Gefängnis davon gehört.

Hester beobachtet ihn und lässt ihm Zeit, bis er mit dem Essen fertig ist und sich seine Pfeife stopft. Sie bringt ihm schnell vom Herd einen brennenden Holzspan und sagt: »Wenn du einige Zündhölzer entbehren kannst, ich habe vergessen, welche aus Wild Horse mitzubringen.«

Er kramt in seinen Taschen und legt alle Zündhölzer auf den Tisch, die er finden kann. Dann betrachten sie sich beide wieder eine Weile schweigend.

Ihr Mund bekommt einen noch herberen Ausdruck. Und mit einer plötzlichen Heftigkeit sagt sie: »Dein Opfer war nutzlos, Kirby! Oh, ich klage nicht darüber, dass Jesse mich verlassen hat. Ich bringe mich und Franky schon durch. Bald werde ich in meinem Gemüsegarten ernten können. Ich habe einen Vertrag mit dem Restaurant und dem Store. Es wird uns bald bessergehen, wenn ich das frische Gemüse in der Stadt verkaufen kann. Auch die Eier verkaufe ich in der Stadt. Bald werde ich noch zwei Milchkühe haben. Mach dir nur keine Sorgen um uns. Wir schaffen es schon.«

Bei den letzten Worten blickt sie zur Wiege hinüber.

»Jesse?«, fragt er.

»Er taugt nichts!«, sagt sie fest. »Er duldete, dass du für ihn ins Gefängnis gingst. Oh, ich weiß, warum du das auf dich genommen hast. Ich weiß das genau, Kirby. Aber es war falsch, grundfalsch! Er schämte sich. Seine Schuld war zu groß. Er konnte das nicht ertragen. Aber ich sagte ihm, dass er dies ändern könne. Er brauchte sich doch nur zu stellen. Er hätte sicherlich wenig Mühe gehabt zu beweisen, dass er und nicht du …«

Sie bricht ab, wischt sich über die Augen und macht dann eine bittere Handbewegung.

»Er tat es nicht«, murmelt sie dann. »Vielleicht hatte er auch eine besondere Angst davor, eingesperrt zu sein. In den ersten Wochen arbeitete er schwer und ehrlich. Er sorgte für uns. Er wusste ganz genau, dass du von ihm erwartetest, er solle sich nun bewähren. Er versuchte es eine Weile. Aber dann kamen immer wieder seine Freunde zu Besuch. Dann kam der Tag, da er mit ihnen ritt und eine Zeit lang fortblieb. Als er wieder zu mir kam, hatte er viel Geld. Da stritten wir uns. Ich sagte ihm, dass er ein Schuft wäre und dass du, Kirby, seine Schuld nicht auf dich genommen hättest, damit er neue Überfälle und Diebereien begehen könne. Wir hatten einen schlimmen Streit. Er rechnete mir vor, wie viele Jahre er brauchen würde, um bei harter Arbeit aus dieser Siedlerstätte eine Ranch zu machen. Und zum Schluss sagte er, dass er nicht zwanzig Jahre seines Lebens für eine Ranch opfern möchte, wenn er auf andere Art in zwanzig Wochen oder Monaten genauso wohlhabend werden könne. Nun, ich spuckte ihm ins Gesicht und sagte ihm meine Meinung. Er ritt dann fort. Einmal, als ich im Gemüsegarten arbeitete, schlich er sich in die Hütte, sah nach Franky und legte ihm tausend Dollar in die Wiege. Aber ich kam hinzu und zwang ihn mit der Schrotflinte dazu, sein gestohlenes Geld zu nehmen und zu verschwinden. Seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen. Ich bin jetzt einsam hier, aber die meisten Leute in der Stadt sind anständig zu mir.«

Nach dieser Rede schwieg sie erschöpft.

»Natürlich wirst du es irgendwie schaffen, Hester«, murmelt Kirby. »Aber du wirst doch nicht zu stolz sein, um dir von mir helfen zu lassen? Du wirst mir doch hoffentlich erlauben …«

»Nein, Kirby«, unterbrach sie ihn fest. »Du hast schon mehr gegeben, als ich dir jemals vergelten könnte. Du hast die Schuld deines Bruders auf dich genommen und ein Jahr deines Lebens nutzlos geopfert.«

»Das tat ich für Jesse.«

»Nicht nur für Jesse! Reden wir offen, Kirby. Du tatest es hauptsächlich für mich und Franky. Ich war schon Jesses Braut, als du mich zum ersten Mal sahst. Du konntest deinem Bruder nicht das Mädchen wegnehmen. Aber ich wusste vom ersten Tag an, dass du dich in mich verliebt hattest. Eine Frau spürt das. Einem anderen Mann hättest du mich weggenommen, und vielleicht wäre es dir sogar geglückt, soweit es an mir gelegen hätte. Aber es war dein Bruder. Und so sahst du zu, wie wir Hochzeit machten. Vielleicht wusstest du sogar, dass Jesse nicht viel taugte. Aber du sahst zu, wie ich seine Frau wurde. Als er dann versagte, spürtest du Schuld. Und im Grunde genommen tatest du alles andere dann nicht für Jesse, sondern für mich. Du wolltest verhindern, was jetzt dennoch geschehen ist. Sei ehrlich, Kirby!«

Er senkt den Kopf und blickt auf seine Hände.

Dann sieht er Hester wieder an und nickt.