G. F. Unger 1956 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 1956 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Nancy zahlte mir hundert Dollar im Monat, damit ich zu ihrem Schutz mein Leben riskierte. Ich war ein Narr, denn ich liebte das eiskalte Biest ...


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Seitenzahl: 153

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Gilde der Schmutzigen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6403-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Gilde der Schmutzigen

Ich trug noch die Hosen und die Stiefel der einstigen Rebellenarmee. Einen Hut besaß ich nicht. Mein kostbarster Besitz war ein Colt. Ein berühmter Waffenschmied hatte ihn gefertigt. Auch Geld besaß ich keins. Für die letzten Dollars hatte ich mir in Kansas City eine Fahrkarte nach Denver gekauft. Denver in Colorado war damals noch ein wildes Goldgräbercamp, eine Campstadt inmitten zahlreicher Goldfundgebiete. Im Goldland, so hoffte ich, würde es eine Chance für mich geben. Aber so wie ich dachten viele entlassene Kriegsteilnehmer, die in ihrer Heimat nichts anderes vorgefunden hatten als Armut und Trümmer.

Oft fragte ich mich in diesen Tagen und Nächten, die ich in der ruhelos rollenden Kutsche saß, was sein würde, wenn ich im Goldland ankam. Würde ich Glück haben – oder würde ich bald ein Bandit sein, weil sich mir keine Chance bot, auf redliche Weise ein Auskommen zu finden?

Nun, eines Morgens rollten wir mit der Kutsche nach Colorado hinein und wechselten kurze Zeit später in einer kleinen Stadt das Sechsergespann. Jemand stieg zu und setzte sich mir gegenüber. Es war eine Frau. Als ich den Kopf hob, sah ich in ihre grünen Augen. Ich war auf der Stelle hellwach. Noch nie im Leben war ich einer solchen Frau begegnet! Ich war hingerissen von ihr, und irgendwie hatte ich das untrügliche Gefühl, dass sie einmal mein Schicksal werden würde …

Sie hatte eine Ausstrahlung, die ich sofort spürte, und obwohl ich sie nur sitzen sah, wäre ich jede Wette eingegangen, dass sie makellos gewachsen war.

Weil sie die staunende Bewunderung in meinen Augen erkennen konnte, verzog sie ihren Mund und zeigte mir damit unmissverständlich, dass sie auf die Bewunderung aller Männer verzichten konnte, ja, dass sie darauf pfiff, weil sie längst herausgefunden hatte, wie wenig Männer etwas taugten.

Da lehnte ich mich wieder in meine Ecke zurück, schloss die Augen und wollte meinen Schlaf fortsetzen. Doch das Knurren meines leeren Magens konnte ich nicht verhindern. Und überdies hatte ich auch bei geschlossenen Augen ihr Bild deutlich vor mir.

Heiliger Rauch, was für ein Weib! Dies war fortwährend der Gedanke in mir.

Dann aber hielt die Kutsche plötzlich.

Eine Stimme tönte draußen. »Bleibt nur ruhig und friedlich! Sonst bekommt ihr mehr Blei, als ihr vertragen könnt!«

Die Stimme des Fahrers erwiderte mürrisch und bitter vom hohen Bock aus: »Aaah, ihr Schlauköpfe, wir haben keine Geldkisten mit. In dieser Kutsche gibt es nichts zu holen. Da habt ihr diesmal aber Pech, ihr verdammten Witwenmacher.«

Einige der Reiter, die unsere Kutsche umgaben, lachten nun.

»Das werden wir ja sehen«, sagte einer. »Steigt ab! Kommt heraus aus der Kutsche. Und werft vor allen Dingen die Waffen runter!«

Der letzte Befehl galt dem Fahrer und dessen Begleitmann. Denn diese hatten oben zwei Gewehre bei sich. Das wusste ich.

Wir kletterten aus der Kutsche. Wir waren sieben Passagiere. Ich half der Schönen heraus. Sie nahm tatsächlich meine Hand, so als wäre das selbstverständlich.

Einer der Reiter sagte: »Da ist sie ja«, und er meinte die Schöne. Ich begriff, dass die Kerle es allein auf sie abgesehen hatten.

Ein anderer Reiter sagte: »Also, wir können es ganz kurz machen, schöne Lady. Wir sollen nur das Geld zurückholen, das Sie in der Stadt den Burschen abgeknöpft haben, die sich für erstklassige Pokerspieler hielten. Es müssten so an die dreitausend Dollar sein. Vielleicht haben Sie dieses Geld im Gepäck, vielleicht aber auch unter Ihren Röcken. Sollen wir es erst suchen? Oder wollen wir die Angelegenheit gütlich erledigen?«

Sie stand neben mir. Und ich hörte sie heftig atmen. Dann sagte sie: »Ich gebe euch freiwillig die Hälfte.«

Da lachten die drei Reiter amüsiert. Und einer sagte: »Lass es gut sein, Honey. Heraus mit dem Geld! Oder müssen wir rau werden?«

»Schon gut«, murmelte sie. »Ich weiß immer, wann ich verloren habe.«

Sie stand neben mir. Nun wandte sie sich ab, um den Reitern den Rücken zuzukehren. Sie hob vorn ihre Röcke hoch. Es waren mehrere Röcke, wie man sie zurzeit als Lady trug. Am untersten Rock waren Taschen aufgenäht. In diesen Taschen war das Geld verteilt. Es musste Papiergeld sein, denn es klimperte nicht, war auch leicht.

Aber sie holte nicht Geld, sondern einen kleinen Derringer aus einer der Taschen. Es war ein doppelläufiges, kleines Ding, und sie würde damit gegen die drei Straßenräuber nicht die geringste Chance haben. Dennoch versuchte sie es.

Und ich konnte nicht tatenlos daneben stehen und zusehen. Ich trug meinen Colt nicht in einem Gürtelholster, sondern unter der Jacke hinter Gürtel und Hosenbund geschoben.

Als sie mit dem Derringer herumwirbelte, um den Kampf mit den Banditen aufzunehmen, da hatte ich meinen Colt schon in der Hand und wurde mir dieser Tatsache erst bewusst, als die Waffe zu krachen begann.

Auch ihr Derringer krachte.

Und dann war auch schon alles vorbei.

Zwei der Reiter jagten angeschossen davon. Sie konnten sich nur mühsam in den Sätteln halten. Der dritte Bandit lag am Boden.

Wir kletterten eilig in die Kutsche, denn der Fahrer und dessen Begleitmann trieben uns mit schnellen Worten dazu an.

Die Schöne saß mir wieder gegenüber.

Die anderen fünf Passagiere redeten noch erregt durcheinander. Wir aber schwiegen. Nur manchmal sahen wir uns an.

Ich dachte: Sie könnte sich wenigstens bedanken für meine Hilfe.

Aber das tat sie nicht. Noch nicht.

Erst als wir dreißig Meilen weiter eine Relaisstation erreichten und unser Gespann wechselten, wobei wir uns alle die Beine vertraten, etwas Kaffee und belegte Brote bekamen in der Station, trat sie zu mir und sagte: »Danke, Texas, danke. Und was muss ich dafür zahlen?«

Ich grinste und sah auf sie nieder. Dann sagte ich: »Schwester, es waren meine letzten drei Kugeln im Colt. Jetzt ist er leer. Wenn Sie mir einen Dollar leihen könnten, damit ich mir Zündhütchen, Pulver und Blei kaufen kann – es könnte ja sein, dass wir unterwegs noch mal …«

»Sicher«, sagte sie. »Dort im Anbau ist der kleine Stationsstore. Gehen wir hinein. Ich denke mir, dass Sie auch eine neue Hose, ein frisches Hemd und ein paar andere Dinge gebrauchen könnten. Vielleicht haben die dort im Store etwas für Sie, mal sehen. Wie ist denn Ihr Name, Texas?«

»Ach«, erwiderte ich, »was ist schon ein Name in dieser Zeit? Aber warum nicht, ich meine, warum sollte ich mich nicht vorstellen? Ich bin Joshua Taggert. Und wie heißen Sie, schöne Schwester?«

»Nancy Dollar«, sagte sie.

Dann betraten wir den Store. Als wir wieder herauskamen, wartete schon die abfahrbereite Kutsche auf uns. Ich trug wahrhaftig eine neue Hose, neue Stiefel, ein neues Hemd und auch neues Unterzeug. Ich sah nun nicht mehr wie ein entlassener Soldat der Konföderierten, sondern wie ein Cowboy aus.

Bevor wir in die Kutsche kletterten hielten wir auf halbem Weg noch einmal an. Nancy Dollar sah zu mir empor und sagte: »Wollen Sie einen Job, der Ihnen hundert Dollar im Monat und freie Unterkunft und Verpflegung in den besten Hotels am jeweiligen Ort einbringt?«

Es war eine knappe Frage.

Und ich wusste sofort, dass sie meinen Colt mieten wollte. Sie brauchte einen Beschützer, eine Art Leibwächter. Denn sie war eine Spielerin, die mit viel Bargeld unterwegs war und wahrscheinlich zumeist gewann. Wäre ich nicht gewesen, würde sie bettelarm geworden sein. Und ein Spieler – oder eine Spielerin – ohne Spielkapital hatte keine Chance.

Ja, sie brauchte Schutz in dieser miesen Welt. Ich aber brauchte die hundert Dollar. Solch eine Summe schien mir ein riesiger Berg Geld zu sein. Es war der fünffache Monatslohn eines Cowboys. Dazu kam noch, dass ich alles sonst frei haben würde.

Sie musste eine sehr erfolgreiche Spielerin sein.

Und so nickte ich. »Versuchen wir es mal miteinander, Nancy Dollar«, sagte ich.

Ihr Blick wurde fester, funkelnder, härter. »Aber eines schreib dir hinter die Ohren, Joshua Taggert«, hörte ich sie dann sagen. Sie holte Luft, um es mir zu sagen. Vielleicht musste sie auch noch nach den richtigen Worten suchen.

Doch ich kam ihr zuvor. Ich sagte: »Ich weiß schon Bescheid. Du mietest nur meinen Colt, nur meinen Schutz. Sonst darf ich mir nichts herausnehmen. Denn du hast genug von den Männern. Für dich sind Männer der letzte Dreck. Du nimmst ihnen zwar an den Spieltischen das Geld ab – und du lässt dich von einem Mann beschützen. Doch sonst …«

»Richtig«, unterbrach sie mich herb, »sonst habe ich nicht die Absicht, mich noch einmal mit einem Manne einzulassen. Verstanden?«

»Genau«, sagte ich.

Dann gingen wir zur Kutsche, stiegen ein – und schon ging die Reise weiter.

Aber als ich dann in meiner Ecke saß, die Augen schloss und mein hagerer Körper sich entspannt dem Schaukeln und Stoßen der Kutsche anpasste, da dachte ich über diese Nancy Dollar nach.

Sie verachtete die Männer. Und dennoch lebte sie als Spielerin von ihnen und ließ sich jetzt von einem Mann – nämlich von mir – gegen Revolverlohn beschützen. Das war ziemlich widersprüchlich.

Aber was wusste ich von ihr? Nichts! Deshalb sollte ich mir sicherlich kein Urteil über sie anmaßen. Vielleicht war sie einmal einem Mistkerl in die Hände gefallen – oder mehreren. Ich wusste, es gab Frauen, die hatten fortwährend Pech mit Männern, obwohl sie schön und begehrenswert waren. Das gab es. Vielleicht gehörte sie zu dieser Sorte.

Wir fuhren den ganzen Tag, wechselten alle dreißig Meilen unser Sechsergespann und überholten Wagenzüge, die nach dem Goldland oder hinüber nach Santa Fe wollten.

Als die Nacht anbrach, waren wir immer noch unterwegs. Der Wagenweg stieg stetig an, wand sich in die Berge hinauf. Stunde um Stunde und Meile um Meile fuhren wir schon. Die Postkutsche war nun überfüllt. Alle neun Plätze waren belegt, und sogar oben auf dem Dach hockten zwei Passagiere zwischen dem Gepäck.

Es war zwischen Mitternacht und Morgen, als wir vor einem Hotel in Gushole hielten. Die Campstadt lärmte, tobte, war voll in Betrieb. Denn Gushole lag mitten im Canyon. Und überall im Canyon und auch in den Querschluchten wurde Gold gefunden.

Die rauen Kerle, die tagsüber schufteten auf Claims und in Minen, waren gierig nach allen Sünden und Lastern der Erde. Sie wollten Spaß in den Nächten bei Feuerwasser, Kartenspiel, Tanz und bei den käuflichen Mädchen. Und so kamen sie alle Nacht nach Gushole wie eine Herde zur Schlachtbank oder zumindest zum Wollescheren.

Wir stiegen aus.

Der Nachtportier des Hotels kam heraus, blieb vor der Eingangstür stehen und sagte laut genug, sodass wir es alle hören konnten: »Hier ist nichts mehr frei, beim besten Willen nicht. Hier platzt alles aus den Nähten!« Nach diesen Worten ging er wieder hinein und knallte die Tür hinter sich zu.

Die Passagiere standen da und fluchten.

Ich fluchte nicht, und auch Nancy Dollar wartete schweigend.

Für mich war klar, dass ich ihr jetzt zeigen musste, ob ich meinen Lohn wert war. Und so nahm ich ihr Gepäck und nickte ihr zu.

Nein, ich versuchte es erst gar nicht durch die Vordertür.

Auch die anderen Fahrgäste zerstreuten sich.

Nancy Dollar folgte mir und sagte plötzlich verächtlich: »He, du willst doch wohl nicht mit mir alle Häuser abklappern, um vielleicht ein verlaustes Bett zu bekommen?«

Ich hielt inne. In jeder Hand trug ich einen Koffer, und unter dem Arm hielt ich noch eine Reisetasche festgeklemmt. Auch Nancy Dollar trug eine Reisetasche.

»Nein«, erwiderte ich, »da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.« Nach diesen Worten ging ich weiter und bog in die Hofeinfahrt ein. Nancy folgte mir, und ich konnte irgendwie spüren, dass sie nun sehr neugierig war.

Wir gelangten hinter das Hotel, und hier führte eine Außentreppe zu den oberen Stockwerken. Als ich die Treppe hinaufging, folgte mir Nancy sofort.

Die Außentür war verschlossen.

Ich stellte das Gepäck ab und kletterte vom Treppenabsatz an die Hauswand, wo es eine Art Sims und auch einige Vorsprünge gab. Das ganze Hotel war aus Holz gebaut und hastig und grob zusammengenagelt worden.

Als ich ein Fenster erreichte, konnte ich es öffnen und in das Zimmer hinein klettern. Ich lauschte auf die Atemzüge und Schnarchtöne, aber es war nichts zu hören. Und so zündete ich eine Lampe an, die auf dem Tisch stand.

Dann sah ich mich um.

Es war ein großes Zimmer, wahrscheinlich das beste im ganzen Hotel. Das Bett war unberührt, aber ich sah die Sachen eines männlichen Bewohners.

Ich öffnete die Tür zum Gang, erreichte bald schon die verschlossene Hintertür, öffnete diese – denn von innen konnte man das – und stand Nancy gegenüber. Als ich das Gepäck aufnahm, sagte sie: »Und du meinst, dass das gut gehen wird?«

»Sicher«, sagte ich.

Dann waren wir im Zimmer. Sie sah mich im Lampenschein an.

»Und wenn hier ein Mann wohnt, der dich zum Mond feuern wird?«, fragte sie ein wenig spöttisch.

Ich grinste.

»Wenn er dich sieht, Partner«, sagte ich, »dann erkennt er vielleicht nicht sofort, dass du – was Männer betrifft – kalt wie Eis bist. Dann bietet er dir vielleicht sein Bett an. Wir werden ja sehen, nicht wahr?«

»Ja, wir werden sehen«, sagte sie.

Ohne sich im Geringsten zu zieren, begann sie sich ihres Reisekostüms zu entledigen. Auch schleuderte sie ihre winzigen Stiefeletten von den Füßen. Dann schlug sie die Bettdecke zurück und prüfte offensichtlich die Sauberkeit des Bettes.

»Ich hockte vier Tage und vier Nächte fast ohne Pause an einem Spieltisch«, sagte sie müde. »Und dann fuhr ich lange in dieser verdammten Kutsche. Ich glaube, dass ich erst nach zwanzig Stunden aufwachen werde. Nicht mal Hunger verspüre ich, nur Müdigkeit.«

In ihrem Unterkleid streckte sie sich aus und zog die Bettdecke bis unter das Kinn. Durch das offene Fenster kam die kühle Nachtluft, drang aber auch das lärmende Summen der wilden Goldgräberstadt.

Nancy Dollar schlief von einem Atemzug zum anderen ein. So glaubte ich.

Ich staunte nun doch nicht wenig. Sie vertraute mir so sehr, dass sie sich meinem Schutz anvertraute – und das, obwohl sie von den Männern die Nase voll hatte. Oder war sie so erschöpft, dass ihr alles egal war? Sie sagte soeben, dass sie vier Tage und Nächte Poker spielte. Das hätte auch einen zähen Mann erschöpft. Ja sie war erledigt …

Ich hätte jetzt mit ihrem Geld abhauen können. Was die Banditen nicht geschafft hatten – nämlich ihr das Spielkapital abzunehmen –, hätte ich jetzt leicht gekonnt. Einige Atemzüge lang verharrte ich, dachte nach und lauschte in meinen innersten Kern hinein.

Verdammt, sie war ein Biest und mochte uns Männer nicht. Für sie war ich nur eine Art Wachhund. Wenn ich ihr ein paar Dollar ließ, würde sie sich schon wieder berappeln. Bei ihrer Schönheit war das gewiss nicht schwer für sie. Ich wusste, dass sie mehr als dreitausend Dollar bei sich hatte. Die Banditen nannten diese Summe. Und dreitausend Dollar – ha, das war ein riesiger Berg von Geld für mich.

Ich kämpfte also mit dem schwarzen Ich in mir. Wahrscheinlich war ich noch nie edel und gut gewesen, im besten Falle nur fair, um mir meinen Stolz erhalten zu können. Hier in dieser wilden Stadt gab es einige Reine und Gute, aber mit Sicherheit mehr Sünder und Böse. In solchen Städten wie Gushole herrschte zumeist die Gilde der Schmutzigen. Und wenn ich dieser Nancy Dollar das Geld wegnahm, dann würde ich zu dieser Gilde gehören.

Oder machte mich schon mein Job bei Nancy zu einem Angehörigen dieser Gilde? Wenn sie eine Falschspielerin war, die mit schmutzigen Kartentricks arbeitete und wenn ich sie dann mit meinem Colt gegen die Betrogenen schützte, dann war auch ich ein Schmutziger. Das war mir klar.

Und so war plötzlich eine Neugierde in mir.

Ich bewegte mich wieder, sammelte die Siebensachen des mir noch fremden Mannes ein, der dieses Zimmer bewohnte. Als ich die beiden Reisetaschen zu füllen begann, fand ich in der einen Tasche einige Dutzend Spielkartenpäckchen. Ich öffnete einige und obwohl sie versiegelt waren, fand ich dicht unter der Lampe heraus, dass die Karten gezinkt waren.

Der Mann war also ein Spieler, und er hatte für alle Fälle sorgfältig präparierte Kartenspiele in seinem Gepäck. Auch einen zweiten Taschencolt fand ich. Und drei sorgfältig ausgewogene Wurfmesser in einer Nackenscheide. Der Bursche war also auch ein Messerheld, der seine Wurfmesser hinter dem Nacken hervorholte und mit einer einzigen Schleuderbewegung zu werfen verstand.

Nun war ich gewarnt.

Ich packte alle Sachen ein und stellte die beiden Reisetaschen neben die Tür. Dann setzte ich mich in einen Sessel und legte meine langen Beine auf einen anderen Sessel.

Nancy Dollar atmete nun nicht mehr wie eine Schlafende. Sie sagte vom Bett her: »Du willst mich also doch nicht bestehlen, Partner?«

Nun wusste ich erst richtig, wie erfahren und gefährlich sie war. Sie hatte gar nicht geschlafen, sondern mich auf die Probe gestellt. Unter der Decke hielt sie gewiss ihren doppelläufigen Derringer schussbereit. Sie hätte geschossen, wäre ich mit ihrem Geld durch die Tür aus dem Zimmer gegangen.

Ich trat an das Fußende des Bettes, packte die beiden Messingkugeln des Gestells und sagte: »Ich hätte Lust, dich mitsamt dem Bett umzukippen. Dein Misstrauen gegen die Welt ganz allgemein und gegen die Männer besonders ist wie eine böse Krankheit. Ich frage mich schon eine Weile, ob du mir leidtun solltest, Partner.«

»Ja, das sind wir – Partner. Und jeder macht seinen Job. Jetzt werde ich wirklich schlafen.«

Das tat sie wahrscheinlich wirklich.

Auch ich fiel in einen kurzen Schlaf. Mein Magen knurrte zwar, doch es war noch zu ertragen. Ich konnte mich etwa eine Stunde lang ausruhen. Mehrmals fiel ich sozusagen in bodenlose Tiefen. Doch immer wieder machte mich mein Unterbewusstsein wach. Denn ich wusste, irgendwann würde der Besitzer dieses Zimmers kommen. Und er war ein gefährlicher Mann. Schon allein, dass er hier in dieser überfüllten Campstadt im Hotel das beste Zimmer bewohnte, ließ darauf schließen, dass er ein beachtlicher Bursche sein musste.

Nach einer Stunde etwa kam er. Mein Instinkt hatte mich schon wach werden lassen. Man konnte die Tür von innen mithilfe eines Drehknopfes öffnen. Von außen brauchte man dazu einen Schlüssel, dessen Bart die Schlossfalle zurückschob.

Als er den Schlüssel ins Schloss schob, erhob ich mich aus dem Sessel. Und als er die Tür öffnete, stand ich vor ihm.

»He«, sagte er, »dies ist doch mein Zimmer – oder?«