G. F. Unger 1958 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 1958 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Im Red Sage Valley fand Sim Oakland die Weide und das Mädchen seiner Träume. Doch als Reitboss der Fork Ranch stand er bereits mit einem Bein im Grab ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 154

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Der Reitboss

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6443-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Reitboss

Auf der Wasserscheide des Passes hält der Fahrer die Postkutsche an, zieht die Bremse fest und ruft heiser: »All right, Leute! Zehn Minuten Pause! Die Ladys nach links und die Gents nach rechts!«

Dann klettern er und sein Begleitmann vom hohen Bock hinab und kümmern sich um das keuchende Gespann.

Sim Oakland bewegt sich nicht, als die anderen Fahrgäste aussteigen. Er bleibt ruhig in der Ecke sitzen und lächelt auf eine seltsam gespannte Art.

Er beobachtet, wie sich der dicke Whiskyreisende durch die Tür hinausquetscht, und nickt nur, als der stiernackige Viehaufkäufer ihm versehentlich auf den Fuß tritt und sich sofort dafür entschuldigt. Auf der anderen Seite klettern die Farmerfrau und ihre beiden halb erwachsenen Töchter aus der Kutsche.

Als Sim Oakland nun allein ist, streckt er die langen Beine aus und seufzt tief, denn schon bevor die Kutsche hielt, hat er die drei Reiter bei den Felsen an der Quelle bemerkt.

Es ist das Seufzen eines Mannes, der einen Verdruss erwartet und der nun wahrscheinlich bald wird kämpfen müssen, weil der Verdruss sonst noch schlimmer werden könnte …

Aber an wilde und mitleidlose Kämpfe ist Sim Oakland seit fast zehn Jahren gewöhnt. Er verdient sich als Kämpfer seinen Lebensunterhalt.

Ja, Sim Oakland ist ein Revolvermann.

Früher, da hat ihm dieses wilde und kampferfüllte Leben Freude bereitet. Aber das ist schon sehr lange her. Jetzt verspürt er zuweilen Bitterkeit in sich und er weiß, dass dieser Auftrag hier seine letzte Arbeit als Revolvermann sein wird.

Ihm fehlen noch knapp dreitausend Dollar für die Ranch seiner Träume. Hier, in Red Sage Valley, hofft er, dieses Geld verdienen zu können.

Er späht wieder aus dem Fenster zur Quelle hinüber, und er sieht, wie die drei Männer dort ihre Hüte fester auf die Köpfe drücken, an ihren Waffengürteln rücken und sich der Kutsche nähern.

Der erste Mann ist mittelgroß, aber von der Art eines geschmeidigen Panthers. Er geht mit seinen zierlichen Füßen federleicht über den steinigen Boden, hält dabei den Kopf schief und die Arme bewegungslos an den Seiten seines Körpers.

Der Mann trägt einen piekfeinen perlgrauen Stetson, ein hellblaues Seidenhemd, Maßhosen und Maßstiefel. Sein rotes Halstuch flattert im Wind, und sein dunkles Gesicht ist kugelrund, mit kleiner Nase, einem schmalen Mund, dessen Winkel nach unten gezogen sind, und zwei schrägen Schlitzaugen.

Das Band seines Hutes ist aus Goldlitze geflochten, und sein patronengespickter Kreuzgurt ist reich mit Verzierungen versehen und hat eine goldene Schnalle.

Nur die beiden Colts, deren Holster auf den Oberschenkeln festgebunden sind, wirken alt und abgenutzt.

Sim Oakland kennt diesen Mann, und weil das so ist, schluckt er schwer, nimmt den Hut ab und einen kleinen Derringer aus der Hosentasche. Er hält die kleine Waffe schräg in der Hand und schiebt seinen Daumen über den Hutrand. So sieht man von seiner Hand nur den Daumen, und es sieht aus, als hätte er wegen der Hitze nur seinen Hut abgenommen und hielte ihn lässig in der verdeckten Hand.

Dann lehnt er sich zurück und wartet auf Hay Fox.

Die beiden anderen Männer bei Hay Fox hat er auch blitzschnell betrachten können. Er kennt sie nicht, aber er hat sie richtig abgeschätzt. Die beiden Ungetüme sind nichts anderes als mitleidlose Schläger.

Sim Oakland schließt die Augen. Nach wenigen Sekunden hört er die stampfenden Schritte der beiden Riesen.

Als diese Geräusche verklingen, öffnet er wieder die Augen und sieht in Hay Fox’ überraschtes Gesicht.

Fox steht in der offenen Tür und sieht Sim Oakland einige Sekunden schweigend an. Und er hält ganz lässig einen seiner beiden alten Colts in der Hand. Die Mündung ist nicht auf Oakland gerichtet, aber das ist nun einmal Hay Fox’ Stil.

Sim Oakland lächelt ein wenig und sagt: »Hallo, Dandy Fox! Auch hier im Land? Dass man doch die alten Bekannten immer wieder trifft! Was hast du für den prächtigen Hut bezahlt?«

»Du sollst also der neue Reitboss der Fork Ranch sein, Sim?«

Hay Fox’ Stimme ist sanft, aber doch irgendwie heiser und kalt. Der Eindruck von Sanftheit wird nur durch die leise Sprechweise erzeugt, und bald merkt man, dass es eine mitleidlose und gefühllose Stimme ist.

Nun, Sim Oakland ist ein Revolvermann, aber er würde sich mit Hay Fox niemals verglichen sehen wollen. Sim Oakland ist ein Kämpfer, aber Hay Fox ist eine Art Mörder. Und das ist ein großer Unterschied, denn ein Kämpfer wie Oakland wird nie seine Grundsätze verraten – und ein Mietkiller wie Fox hat überhaupt keine Grundsätze, weil er die Grenze zwischen Gut und Böse innerlich längst überschritten hat.

»Du sollst also der neue Reitboss der Fork Ranch sein, Sim?«, wiederholt Hay Fox seine Frage.

Sim Oakland hebt leicht die breiten Schultern.

»Wahrscheinlich. Aber du weißt ja, dass ich nicht für jeden Boss, der einen guten Lohn zahlt, arbeite – nicht für jeden Piraten. Und ich habe Orson Drake von der Fork Ranch bisher nur brieflich kennengelernt. Wenn er mir gefällt, werde ich für ihn reiten. Vielleicht fragst du in den nächsten Tagen noch mal nach, Hay? Dann kann ich es dir genau sagen.«

Er grinst ihn an, und es ist ein scharfes Grinsen. Es gibt viele Männer, die sich für sehr hart hielten, die aber dann still zur Seite traten und ihre Absichten aufgaben, wenn Sim Oakland sie auf diese Art angrinste.

Aber Hay Fox weicht vor diesem Grinsen nicht zurück. Er hebt nur nachdenklich seinen Colt und kratzt sich mit dem Lauf sein rundes Kinn. Dann schüttelt er sanft den Kopf und sagt: »Ich habe immer gewusst, dass wir miteinander noch einmal Kummer bekommen würden, Sim. Nun, ich reite für Thor Robinson, und dieser ehrenwerte Gentleman hat herausbekommen, dass Orson Drake auf einen scharfen Tiger wartet, der seine Mannschaft führen soll. Wir bewachten aus diesem Grunde die beiden Pässe, die in das Red Sage Valley führen. Und nun sehe ich dich, Sim. Du wirst jetzt aussteigen, Freund!«

Die letzten Worte kommen scharf. Auch Hay Fox’ tintenschwarze Augen werden noch schärfer.

Sim Oakland hebt den langen Zeigefinger seiner linken Hand.

»Bedränge mich nicht, Hay. Halte mich nicht auf! Ich habe etwas gegen Wegelagerer, die mit blankem Colt friedliche Reisende aus einer Postkutsche holen wollen. Lass es sein, Hay, und warte ab, ob ich mich überhaupt auf Orson Drakes Lohnliste setzen lasse. Warte ab! Und dann komm zu mir, und wir werden es austragen.«

»Das kommt alles noch«, sagt Hay Fox, »ich meine, es kommt schon noch der Tag, wo wir es Mann gegen Mann austragen, Sim. Aber für heute habe ich leider andere Befehle.«

Er grinst wieder, und seine schwarzen Augen glänzen wie Perlen. Langsam hebt er die Linke und deutet mit dem Daumen über die Schulter hinweg auf die beiden Muskelmänner.

»Ich habe für heute andere Befehle. Mein Boss will es erst mit gütlichem Zureden versuchen. Deshalb hat er mir diese beiden netten Jungen mitgegeben. Ich soll dich nur aus der Kutsche holen und dir den Colt wegnehmen. Die beiden Sonnyboys werden sich dann mit dir beschäftigen. Nun, ich gebe zu, dass diese Art für viele harte Männer die richtige Lektion wäre, aber bei dir habe ich wenig Hoffnung. Wenn du deine Beschädigungen überstanden hast, wirst du wohl zurückkommen. Ich würde es lieber jetzt gleich mit dir mit den Colts austragen, aber ich habe meine Befehle. Du weißt ja, dass ich mich immer sehr genau an die Befehle meines jeweiligen Bosses halte. Nun komm schon raus, Sim! Nimm es wie ein Mann hin! Steig rückwärts aus, damit ich gut an deinen Colt herankommen kann. Los!«

Er richtet nun seinen Colt genau auf Sim Oaklands Bauch.

In seinen schwarzen Perlenaugen erscheint ein böses Licht, als Sim Oakland sich überhaupt nicht bewegt, sondern ihn seltsam anlächelt.

Die beiden Schläger hinter Fox bewegen sich erwartungsvoll.

»Pass auf, Dandy Fox«, sagt Sim Oakland plötzlich kalt, »pass mal gut auf. Du denkst, dass ich tot bin, wenn du jetzt abdrückst, was?«

»Nicht gleich, aber bestimmt noch vor Sonnenuntergang.« Hay Fox grinst, und eine böse Lust glimmt in seinen Augen auf.

»Dann werden wir zu gleicher Zeit auf derselben Rutschbahn ins Jenseits sausen, Freund. Bleib nur stehen. Du musst dich jetzt entscheiden, Hay. Wenn du deinen Finger bewegst, drücke ich ebenfalls ab. Dann bist auch du tot! Das ist ein hoher Preis für meine Wenigkeit, was?«

Er verstummt und grinst wieder.

Hay Fox’ Augen werden mit einem Mal unruhig. Sie prüfen in Oaklands Augen, wandern dann über dessen Körper und bleiben endlich auf dem Hut ruhen.

Dann atmet er schwer ein und bläst die Luft mit vorgeschobener Unterlippe gegen die Nase.

»Das ist es also«, sagt er heiser. »Du hast einen Derringer unter dem Hut?«

»Und beide Hähne sind gespannt«, verkündet Sim sanft.

Hay Fox’ Gesicht wird ausdruckslos.

»Du hast gewonnen, Sim. Wir würden uns jetzt wirklich beide totschießen. Keiner von uns hätte eine Chance. Und wenn man schon kämpft, so muss doch wenigstens die Nasenspitze einer Chance zu sehen sein. Yeah, du hast gewonnen. Und wenn wir jetzt weggehen, werden die Fahrgäste wieder in die Kutsche kommen. Dann können wir es nicht einmal mit Gewehren versuchen, weil wir dann auch die anderen verletzen könnten und dies wirklich Wegelagerei wäre.«

»Es wäre ein Überfall auf die Postkutsche«, nickte Sim. »Und da würde niemand – mag er noch so sehr mit euch an einem Lasso ziehen – seine Augen zudrücken können. Hast du genug für heute, Dandy Fox?«

»In einem scharfen Spiel verliert jede Partei dann und wann eine Runde.« Fox nickt, schiebt seine Waffe ins Holster und wendet sich den beiden Ungetümen zu.

»Die Vorstellung fällt heute aus«, sagt er zu ihnen und geht davon.

Sim nickt ihnen freundlich zu und sagt verheißend: »Nehmt es nicht so schwer, Jungs! Wir bekommen sicher schon recht bald eine Menge Spaß miteinander. Lasst euch nur immer recht kräftig Essen geben, damit ihr eure Muskelkraft behaltet. Bis zum nächsten Mal, Freunde!«

Er winkt ihnen lässig zu, nimmt den Hut von seinem Derringer und steigt langsam aus der Kutsche. Er ist groß, schlank, sehr hager und sehnig, mit schmalen Hüften, breiten Schultern, kräftigem Hals und langen, vom vielen Reiten fast unmerklich gekrümmten Beinen. Er wiegt bei aller Hagerkeit bestimmt hundertachtzig Pfund, und seine Handgelenke sind breit.

Die beiden Muskelmänner sehen ihn an, fluchen noch einmal und gehen davon.

Sim Oakland setzt langsam seinen flachen Stetsonhut auf und schiebt ihn zurück. Er steckt den kleinen Derringer weg und schielt einen Moment auf seinen Colt hinunter, der tief an seiner linken Seite hängt. Auch diese Waffe wirkt alt und abgenutzt. Sim Oakland ist Linkshänder, und er hat oft während einer Zeit als Kämpfer bewiesen, dass er es mit den wirklich großen und berüchtigten Revolverhelden aufnehmen kann.

Dieser Hay Fox ist ein mitleidloser Wolf und eine Schlange zugleich. Sim denkt auch an die Ranch seiner Träume und fragt sich düster, ob es nicht doch für ihn gesünder wäre, wenn er auf Orson Drakes Angebot nicht eingehen würde. Dann brauchte er es eines Tages nicht mit Hay Fox auszutragen.

Aber sofort nach diesem Gedanken strafft sich Sim merklich.

»Nein«, murmelt er, »wenn mir Orson Drake gefällt, werde ich den Job annehmen und Hay Fox, diesem Bastard, noch weitere Tricks zeigen.«

Er sieht zur Quelle hinüber. Dort steigen die drei Reiter jetzt in die Sättel, und die Gruppe der Fahrer und Fahrgäste kommt schnell zur Kutsche herüber.

Sim dreht sich eine Zigarette. Die Frau mit ihren Töchtern und die beiden anderen Fahrgäste drücken sich scheu an ihm vorbei in die Kutsche hinein. Der Fahrer und sein Wachmann bleiben einen Moment vor Sim stehen. Sie betrachten ihn vorsichtig und mit sichtlicher Achtung. Dann nickt der alte Kutscher und spuckt seinen Priem aus.

»Sie sind also Orson Drakes neuer Reitboss – und dieser Revolverbandit wollte Sie aufhalten?«, fragt er.

»Er hat es sich überlegt.« Sim lächelt. »Wie viele Meilen sind es noch bis Sage?«

»Von der nächsten Passkehre aus haben wir einen guten Überblick über das Red Sage Valley«, erklärt der Fahrer. »Und dann werden Sie auch bald das Kuhdorf unter sich liegen sehen.«

»Hay Fox ist erst einige Wochen in diesem County, aber er hat bereits allen Männern heilige Mannesfurcht beigebracht«, murmelt der Begleitmann. »Die Sache hier wird sich im ganzen Valley schnell herumsprechen. Fox weiß das, und er wird nicht ruhig schlafen können, bis …«

»Oh, ich kenne seine Sorte gut genug«, unterbricht ihn Sim sanft, wirft die Zigarette weg und klettert in die Kutsche.

Sim Oakland späht durch das Fenster und sieht bald darauf das weite Red Sage Valley mit seinen Hügeln, Flüssen und weiten Weiden unter sich in der Spätnachmittagssonne liegen.

Nach Osten zu steigen mächtige Canyons an. Die Sicht ist außergewöhnlich gut. Sims Blick schweift wohl an die fünfzig Meilen in die Runde, und selbst dort noch heben sich die gewaltigen Bergrücken klar und deutlich gegen den Himmel ab.

Und überall leuchtet der Sage in unwirklicher Purpurfarbe.

Red Sage Valley!

Sim Oakland atmet tief ein.

Dieses mächtige Tal gefällt ihm.

Sim Oakland war fast drei Tage mit Postkutschen unterwegs. Er verspürt eine steife Müdigkeit und sieht verlangend zu dem Hotel hinüber.

Aber als er sein Gepäck aufgenommen hat, lenkt er seine langen Schritte erst dem Mietstall zu. Er hat stets gern ein Pferd in Bereitschaft.

»Ich wollte ein Pferd mieten, aber ich brauche es erst morgen und möchte es nur schon jetzt zur Verfügung haben«, sagt Sim ruhig.

»Ich weiß«, nickt der Stallmann. »Sie sind Orson Drakes neuer Reitboss, und Sie haben oben auf der Wasserscheide diesem Hay Fox eine Lektion erteilt.«

Sim nickt und wundert sich überhaupt nicht darüber, dass sich die Nachricht binnen weniger Minuten bereits in der ganzen Stadt verbreitet hat. Er kennt diese Städte viel zu gut und weiß von ihren geheimnisvollen Strömungen und seltsamen Telegrafenlinien.

Der Stallmann studiert ihn mit vorsichtiger Zurückhaltung.

»Diese Stadt ist vorerst noch ziemlich neutral, und dieser Mietstall ist es auch«, murmelt er und wischt sich seine Hände an der Schürze ab. »Die Fork Ranch und auch die Stirrup Ranch haben stets einige Pferde bei mir untergestellt. Da Sie Orson Drakes neuer Vormann sind, können Sie eines von seinen Pferden haben und brauchen keines meiner Tiere zu mieten.«

Sim schüttelt leicht den Kopf.

»Vielleicht werde ich die Mannschaft der Fork Ranch führen, vielleicht aber auch nicht, Mister. Erst muss ich mir meinen Boss ansehen. Und das tue ich lieber auf einem neutralen Pferd. Das ist nun mal mein Tick, Mister.«

Nun glimmt in den hellen Augen des Stallmannes starke Neugierde auf.

Oha, denkt der Stallmann, oha, dieser Tiger ist stolz und hat eiserne Grundsätze. Er will nicht auf dem Pferd eines Mannes reiten, solange es für ihn noch nicht feststeht, ob er für diesen Mann überhaupt arbeiten will.

Nun, vielleicht ist es gut für Sibyll, wenn dieser Mann ihres Vaters Vormann wird. Ein harter Mann mit eisernen Grundsätzen wäre gut für einen Weidekrieg, der meist alle Beteiligten zu Mördern und Banditen macht.

So denkt der alte Stallmann, wendet sich ab und führt Sim zu einer Box, in der ein schwarzer Wallach seinen Kopf wendet.

»Das wäre ein gutes Pferd für Sie, Mister, und ich weiß genau – ganz genau –, wem ich das sage. Es ist ein gutes Pferd!«

Sim Oakland nickt, legt den Sattel über die Stange und sagt dann: »All right! Wenn ich es brauche, werde ich es holen.«

»Fünf Dollar pro Tag, Mister.«

Sim zahlt, nimmt sein restliches Gepäck, verlässt den Stall und geht durch den tiefen Staub der Fahrbahn zum Hotel hinüber.

Dort steht ein kleiner Mann im Eingang. Er trägt einen großen Hut, Stiefel, Reithosen und einen schwarzen Gehrock. Der Rock steht offen und gibt den Blick auf einen Colt in einem Schulterholster und einen Stern auf der Weste frei.

Aber Sim bleibt stehen und sieht auf den kleinen drahtigen und sicher sehr harten Mann nieder.

»Mein Name ist Sim Oakland, Marshal. Haben Sie etwas auf dem Herzen?«

Der Marshal lächelt schmal.

»Diese Stadt ist neutral«, sagt er sanft. »Ich sorge dafür, dass der Weidekrieg außerhalb der Stadt bleibt. Ich habe Ihren Namen gehört, Oakland. Mein Name ist Lester. Curly Lester. Und diese Stadt ist neutral. Denken Sie immer daran. Natürlich dürfen Sie sich verteidigen, wenn jemand Sie angreifen sollte. Mich kümmern die Gründe eines Kampfes nicht. Ich stehe immer auf der Seite des Angegriffenen. Ich trete jedem auf die Zehen, der den Stadtfrieden bricht. Das wollte ich Ihnen sagen. Guten Abend, Mister.«

Sim Oakland sieht ihm nach, und er sieht auch, dass im Westen die Sonne hinter den Bergen versinkt, er kann es durch eine Hauslücke gut sehen.

Dann geht er hinein, trägt sich ins Gästebuch ein, bekommt ein Zimmer und steht wenig später mit entblößtem Oberkörper vor dem Waschtisch.

Als er sich die linke Gesichtshälfte rasiert hat, klopft es an der Tür.

Sim tritt schnell zum Bett und nimmt dort den Colt aus dem abgelegten Waffengurt. Er schiebt die Waffe in den Hosenbund, wendet sich wieder dem Spiegel zu, rasiert sich ruhig weiter und ruft, als es zum zweiten Mal klopft: »Come in!«

Die Tür öffnet sich ganz langsam. Sim beobachtet es im Spiegel. Und dann erscheint ein mächtiger Mann, der die Tür fast vollkommen ausfüllt. Der Mann ist ziemlich schäbig gekleidet, aber eine goldene Uhrkette hängt über seiner Weste.

Einen Moment bleibt der Riese in der Tür stehen und starrt auf Sims Rücken.

»Wenn Sie mit mir sprechen wollen, so machen Sie bitte die Tür zu«, sagt Sim ruhig und schabt sich dann die rechte Wange glatt.

»Sicher, ich will mit Ihnen reden«, sagt der Riese schwer, schließt die Tür und lehnt sich dagegen.

Sim wischt sich den restlichen Seifenschaum ab, wendet sich um und sieht den Mann an. Dessen Blick heftet sich auf den Colt in Sims Hosenbund.

»Ich habe einen Moment geglaubt, Sie wären sehr unvorsichtig«, murmelt er dann, fischt eine Zigarre aus der Tasche, beißt die Spitze ab und spuckt sie ins Zimmer.

»Ich bin Hay Fox’ Boss, ich bin Thor Robinson. Mir gehört die Stirrup Ranch, und ich wollte mir den Mann ansehen, der Drakes Mannschaft führen soll. Sie haben Fox einen feinen Trick gezeigt, Mister.«

»Ich werde ihm noch mehr Tricks zeigen – und Ihnen auch, Robinson, wenn …«