G. F. Unger 1961 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 1961 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Fee Prince brauchte mich, denn ich war ein Revolvermann und sie hatte sonst niemanden, der sie vor den Bösen in der Stadt Hat Rock beschützen konnte ...


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Seitenzahl: 152

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Inhalt

Cover

Impressum

Radigan

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6595-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Radigan

Es war schon Nacht, als ich auf meinem leicht hinkenden Wallach die Fähre gegenüber von Hat Rock erreichte. Drüben auf der anderen Seite leuchteten die Lichter der Stadt am Fuß des riesigen Felsenberges, der die Form eines Hutes hatte.

Das Licht von Mond und Sternen gab dem schlammigen Strom eine Messingfarbe, färbte den Big Muddy – den »Großen Schlammfluss« – fast goldig.

Aber wie so viele Dinge auf dieser Welt war auch dies nur Schein, Illusion, Bluff – oder wie man es sonst nennen mochte. Denn was ist schon echt auf den ersten Blick auf unserer Erde? Zumeist muss man genauer hinsehen. Erst dann kommt man dahinter, was sich hinter der Fassade verbirgt.

Ich sah auf die Lichter der Stadt und fragte mich, was dort wohl alles verborgen sein mochte.

Die gelben und geradezu freundlich wirkenden Lichter verbargen gewiss manche Geheimnisse. Es konnte gar nicht anders sein. Denn sonst hätte mich Fee Prince nicht um Hilfe gebeten. Überhaupt Fee Prince …

Nun, dies ist eine längere Geschichte.

Ich ritt auf die Fähre, deren Dampfhorn nun tutete und somit das Losmachen und Ablegen ankündigte. Vor mir war ein Wagen auf die Fähre gefahren, dessen Fahrer mit einem der Fährmänner wütend über den Passagepreis diskutierte. Ich hörte den Mann bitter rufen: »Ihr seid Halsabschneider, ihr alle von Hat Rock!«

Aber der Mann, welcher Geld kassierte, erwiderte trocken: »Man nimmt immer, was man bekommen kann. Das ist so. Und wenn dir der Preis zu hoch ist, dann kannst du ja mit deinem Wagen und den vier Maultieren auf die andere Seite schwimmen.«

Der Mann kam nun zu mir. Ich war abgesessen. Er war ein bulliger Bursche mit einem Stiernacken und einem Sichelbart. Und er trug einen Colt.

Vor dem Bauch hatte er eine Geldtasche hängen, deren Schnappbügel geöffnet waren.

»Ein Dollar für Sie und ein Dollar für das Pferd«, sagte er. »Hoffentlich lässt der Gaul keine Äpfel fallen und scheißt mir das Deck voll.«

Ich grinste scheinbar freundlich, gab ihm die zwei Dollar und sagte dann: »Ich habe meinem Wallach schon eine Menge beigebracht, doch er scheißt immer noch, wann er will. Haben Sie schon mal daran gedacht, die Pferde- und Maultieräpfel zu sammeln und als Dünger zu verkaufen? Das gibt schönes Gemüse.«

Er starrte mich böse an. Aber in meiner Stimme war ein Klang von Freundlichkeit. Und so fühlte er sich doch nicht verarscht, sondern erwiderte nun: »Ich sammle keinen Pferdemist, verdammt!«

Er verließ mich, um die Klappe hochzuziehen, über die man von der Landebrücke an Bord gelangte.

Die Dampffähre legte nun ab und ließ das Heckschaufelrad rauschen, steuerte schräg gegen die Strömung zur Stadt hinüber.

Der Missouri war hier eine Viertelmeile breit. Er hatte um diese Jahreszeit normalen Wasserstand, sodass auch die schwer beladenen Dampfboote einigermaßen gut über alle Sandbänke und sonstigen Untiefen hinwegkamen.

Der Wind über dem Strom war erfrischend. Mein Wallach und ich, wir waren lange unterwegs gewesen, viele Meilen.

Der Kassierer kam wieder zu mir. Er sagte böse: »Ich glaube, Sie haben mich vorhin verarschen wollen. Ich hätte Lust, Sie über Bord zu werfen, verdammt! Mir können Sie nicht so kommen.«

Er war nun tatsächlich böse auf mich, nachdem er lange genug nachdenken konnte.

Vielleicht wäre das alles noch gut gegangen und hätte ich ihn versöhnlich stimmen können. Aber mein Wallach fing in diesem Moment tatsächlich an zu äpfeln. Ja, er ließ eine ganze Menge fallen an gutem Pferdemist.

Und da brüllte der ohnehin schon aufgebrachte Mann: »Das ist es, was ich hasse! All die verdammten Gäule jeder Sorte scheißen sich hier auf der Fähre aus. Und ich muss es wegräumen. Aber diesmal nicht! Diesmal werfen Sie das Zeug selbst über Bord! Vorwärts! Machen Sie das Deck sauber. Oder ich werfe Sie über Bord und jage auch den Gaul von der Fähre!«

»Das werden Sie nicht«, erwiderte ich. »Bleiben Sie friedlich, Mann. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie den Pferdemist sammeln und als Gartendünger verkaufen sollten.«

Er hörte den Spott in meiner Stimme. Ja, ich verspottete ihn, denn ich mochte Choleriker nun einmal nicht. Und natürlich war ich nicht dazu bereit, Pferdeäpfel mit meinen Händen vom Deck aufzusammeln und über Bord zu werfen.

Er war ein Narr, denn er versuchte mir nun mit einem Schwinger den Kopf von den Schultern zu schlagen.

Natürlich war er für mich nicht schnell genug.

Und so taumelte er durch die Wucht seines Fehlschlages zur Seite, prallte gegen die Reling, und weil ich nicht auf seinen nächsten Angriff warten wollte, folgte ich ihm, bückte mich ein wenig, sodass ich seine Beine ein Stück über den Knien fassen konnte.

Und dann warf ich ihn über Bord.

Im Licht der Gestirne sah ich kurze Zeit später, wie er auftauchte. Neben mir stand nun der Fahrer des Wagens, mit dem er vorhin den Disput hatte. Der Mann lachte meckernd wie ein Ziegenbock und sagte glucksend: »O weia, ist das schön! Jetzt hat dieser Bulle endlich mal …«

Er hielt inne und betrachtete mich im Mond- und Sternenschein traurig. »Freund«, sprach er dann, »Sie sollten jedoch nicht in der Stadt da drüben bleiben, sondern sofort weiterreiten. Denn das nimmt die Bande nicht hin.«

Er verstummte leise. Denn nun kam der zweite Decksmann heran und fragte: »Was ist passiert? Wo ist Bull Frank abgeblieben? Ist der über Bord gegangen?«

Er hatte es kaum gefragt, da tönte aus dem Fluss und schon ziemlich weit abwärts der wilde Schrei: »Hoiii, Charly …«

Aber die weiteren Worte waren nicht verständlich. Wahrscheinlich verschluckte der wütende Schwimmer nun eine Menge Big-Muddy-Wasser und musste das erst mühsam heraushusten, weil ihm auch was davon in die Luftröhre geriet.

Ich sagte zu dem Decksmann: »Er kann offensichtlich schwimmen. Also wird er nicht ertrinken. Wollen Sie vielleicht auch ein Bad im Big Muddy nehmen?«

Meine Stimme klang nun hart. Denn ich war es leid. Mein Empfang hier in Hat Rock hätte nicht unerfreulicher sein können. Und wenn das nun mal schon so war, dann sollten sie mich hier auch gleich richtig kennen lernen.

Der Fahrer des Wagens zog sich wie flüchtend zurück und zeigte damit, dass er gewiss nicht auf meiner Seite war.

Der Decksmann aber betrachtete mich vorsichtig, denn sein Verstand sagte ihm, dass ich auch mit ihm zurechtkommen würde.

Von oben aber tönte nun aus dem kleinen Ruderhaus die scharfe Frage: »Was ist los da unten? Warum ging Bull Frank über Bord?«

Aber der Decksmann fluchte nur als Antwort. Er zog sich von mir zurück. Denn die Fähre drehte jetzt noch mehr gegen die Strömung bei und ließ sich bei immer langsamer drehendem Schaufelrad mit der Backbordseite gegen die Landebrücke treiben.

Der Mann musste die Leinen vorn und achtern über die Poller werfen. Er hatte keine Zeit mehr für mich.

Ich saß auf und ritt an Land.

Der Mann brüllte hinter mir her: »Dir ziehen wir die Haut ab! Darauf kannst du wetten!«

Ich hörte es und ritt weiter den Uferweg hinauf. Denn die Stadt lag etwas höher wegen der jährlichen Hochwasser nach dem Eisbruch und der vielen Unwetter in den Bergen weiter oben in Montana.

Ich ritt also das Ufer hinauf und auf die scheinbar so freundlichen Lichter zu.

Und dabei roch ich etwas. Oh, ich wusste sofort, was es war.

Da stanken Tausende von Büffelhäuten längs des Ufers bei den Landebrücken.

Hat Rock war der Verladeplatz für diese Schande. Denn es war ja wohl eine Schande, all die großen Büffelherden nur wegen ihrer Häute zu vernichten. Aber die Geschichte der Menschheit ist ja voller Schanden. Daran wird sich gewiss niemals etwas ändern.

Ich ritt also hinauf in die Stadt und fand bald schon den Mietstall, der zur Schmiede gehörte.

Dem Stallmann sagte ich: »Der Wallach lahmt, weil ihm das linke Vordereisen fehlt. Der Schmied soll sich morgen früh darum kümmern.«

Der Stallmann war ein schon alter Bursche, gewiss ein Ex-Cowboy, der nicht mehr reiten konnte.

Indes ich meine Siebensachen vom Pferd nahm, betrachtete er meinen Wallach und sagte anerkennend: »Ein prächtiger Wallach ist das. Ich werde gut für ihn sorgen. Sie sind lange geritten, Mister. Der hat jetzt gute Pflege nötig.«

Ich gab ihm einen Dollar.

Dann ging ich. Meine Sattelrolle trug ich unter dem Arm, die Satteltaschen hingen über meiner Schulter, eine vorne und eine hinten. In der Linken trug ich das Gewehr.

So machte ich mich auf die Suche nach Fee Prince.

In der kleinen Stadt war eine Menge Betrieb.

Rechts der Straße reihten sich die Saloons, Gasthäuser und Geschäfte aneinander. Links, also längs der Flussseite, da gab es Reedereien, Handelskontore und auch Lagerhäuser. Und alles war gewiss binnen weniger Monate sozusagen aus dem Boden geschossen.

Ich fragte einen Mann, der an einem Pfosten lehnte: »Mein lieber Freund, wo finde ich hier die Prince-Handelsagentur?«

»Hundert Yards weiter auf dieser Seite«, erwiderte der Mann. »Und was wollen Sie dort, Mister?«

»Ach, mein Freund, wen geht das etwas an?«, erwiderte ich und wollte weiter.

Aber da trat er mir in den Weg und öffnete seine Weste, sodass ich den Stern auf seiner Hemdtasche sehen konnte.

»Es geht mich etwas an«, sagte er grinsend. »Denn wir fragen jeden Fremden, was er hier will. Also?«

»Ich will eine alte Freundin besuchen«, erwiderte ich und ging um ihn herum. Er sah mir nach. Ich konnte seine Blicke fast wie Berührungen spüren. Aber er ließ mich gehen. Doch ich wusste, dass ich noch jede Menge Verdruss mit ihm bekommen würde, wenn ihm dieser Bull Frank von seinem Badevergnügen berichtet hatte.

Der kleine Ort war wirklich noch sehr jung. Man konnte sogar das noch frische Holz riechen, aus dem die Häuser, Magazine und Hütten errichtet worden waren, Holz, welches noch nicht richtig trocken war, weil die Sägemühle am Fluss gar nicht so schnell zu liefern vermochte, obwohl sie Tag und Nacht arbeitete. Man konnte es jetzt auch hören. Denn da war ein Stück flussabwärts eine Gattersäge an der Arbeit. Hinzu kam das Fauchen der Dampfwinden der Lademasten. Zwei Dampfboote lagen an den Landebrücken und wurden mit stinkenden Büffelhäuten beladen, die zu je hundert Stück zu riesigen Paketen zusammengepresst wurden und steif wie Bretter waren.

Ich erreichte endlich die Prince-Handelsagentur.

Sie bestand aus einem gewiss nur vierräumigen Holzhaus und einem ziemlich großen Lagerschuppen. Lichtschein fiel durch die Fenster.

Als ich klopfte, öffnete ein älterer Mann. Da der Lichtschein ihn von hinten beleuchtete, konnte ich sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Doch seine Stimme klang wie die eines harten Mannes, als er fragte: »Was soll’s denn sein?«

»Ich will zu Fee Prince«, erwiderte ich. »Mein Name ist Radigan, Blake Radigan.«

Er trat sofort zur Seite, um mich eintreten zu lassen. Dabei rief er in das Haus hinein: »Fee, er ist da! Ja, er ist endlich da!«

Und zu mir sagte er, indes ich an ihm vorbei eintrat: »Wir haben verdammt lange auf Sie gewartet, Radigan. Ich bin Sam Jenkins. Fees Mann hat mich ihr gewissermaßen vererbt.«

Er verstummte ruhig, aber ich wusste Bescheid.

Ich hielt mitten im Raum an und ließ mein Gepäck einfach fallen, lehnte mein Gewehr jedoch vorsichtig an einen Armsessel.

Fee trat aus einem anderen Zimmer. Ja, sie war es, und sie war seit damals, als sie noch Fee Madison hieß und wir ein Paar waren, welches nach dem Glück jagte, noch schöner geworden.

»Hallo, Blake.« Sie lächelte ernst. »Du bist also doch gekommen. Ich habe ein Dutzend Briefe an ein Dutzend Orte gesandt. Wo hast du meinen bekommen?«

»In Fort Bismarck«, erwiderte ich.

Dann kam sie in meine Arme. Ja, wir hielten uns eine Weile fest, aber wir küssten uns nicht. Den letzten Kuss hatte ich vor fast vier Jahren von ihr bekommen. Es war ihr Abschiedskuss gewesen – unten in Saint Louis.

Sam Jenkins stand noch an der Tür, die er hinter mir schloss, und sah uns zu.

Als sich Fee von mir löste und zurücktrat, sagte sie: »Siehst du, Sam, er ist gekommen. Jetzt sieht alles anders aus.«

Ich sah diesen Sam Jenkins nun besser im Lampenlicht. Unter der offenen Weste trug er einen kurzläufigen Colt im Schulterholster. Ja, er war ein alt gewordener Revolvermann. Seine schrägen Augen betrachteten mich aus Schlitzen.

Doch offenbar war er Fee treu ergeben, weil er seine Treue, die ihrem Mann galt, nun auf sie überging.

Sie sagte: »Ich wollte gerade in der Küche Abendbrot machen. Wir können gleich gemeinsam essen und über alles reden. Du kannst dich auf der Flussseite dieses Hauses waschen, Blake. Du bist lange geritten, nicht wahr? Ich rieche den Pferdeschweiß an dir. Warum bist du nicht mit einem Dampfboot gekommen?«

Ich grinste. »Ach, ich hatte unterwegs noch etwas zu erledigen. Und ich lasse meinen Wallach ungern bei fremden Menschen zurück.«

Sie nickte. »Ja, so bist du. Selbst einem Pferd musst du die Treue halten.«

Ich wusch mich mit dem Wasser aus einer Regentonne. Der Fluss lag etwa zehn Yards abwärts. Dort war auch eine Landebrücke.

Sam Jenkins saß auf der Bank an der Hauswand und sah mir zu. Im Mond- und Sternenschein betrachtete ich ihn, indes ich den Oberkörper abtrocknete.

»Was geschah mit ihrem Mann?« So fragte ich. »Sie wurde doch seine Frau, weil sie sich nach einem festen Platz und Sicherheit sehnte, nicht mehr herumziehen wollte auf der Jagd nach dem Glück. Hat sie es bei ihm gefunden?«

»Das hat sie«, erwiderte er. »Doch dann hat ihm jemand hier den Schädel eingeschlagen und in den Fluss geworfen. Man fand ihn einige Meilen stromabwärts auf einer Sandbank. Und so hatte Hat Rock plötzlich keinen Bürgermeister mehr. Die Bürger von Hat Rock waren ohne Anführer. Sie bekamen einen neuen Boss. Sein Name ist Louis Pickford. Mithilfe von Marshal Thorne Kelly und dessen harten Jungs regiert er unsere kleine und noch so junge Stadt. Sie wollen vor allen Dingen das Grundstück der Prince-Handelsagentur, ja, ganz besonders dieses. Ich hätte die Bande bald nicht mehr aufhalten können. Ich bin alt geworden. Und eigentlich brauche ich eine Brille. Fee wird Ihnen alles genauer erzählen.«

Er erhob sich, um mir das Handtuch abzunehmen. Damit verschwand er im Haus.

Ich kleidete mich wieder vollständig an und trat dann ein.

Die Küche war groß genug, um Platz für einen Tisch zu haben, an dem man die Mahlzeiten einnehmen konnte.

Es gab Steaks und Bratkartoffeln.

Wir aßen zuerst eine Weile schweigend.

Doch dann begann Fee zu sprechen.

»Hat Rock war vor nicht langer Zeit nur ein Holzplatz. Hier ergänzten die Dampfboote ihre Holzvorräte, besonders die, welche stromauf mussten. Es war im vergangenen Sommer, und der Big Muddy führte Niedrigwasser wie noch nie in den zehn Jahren zuvor. Eines Tages kam die ›Montana Sun‹ stromabwärts. Zwischen den Twin-Sister-Inseln wurde sie von den Indianern fast gekapert, entkam jedoch mit letzter Kraft von der Sandbank in tieferes Wasser. Aber sie hatten eine Menge Verluste an Bord. Die Indianer hatten ihr auch einen Baumstamm zwischen die Radschaufeln schieben und Feuer legen können. Das Dampfboot war manövrierunfähig und trieb hier vor dem Holzplatz ans Ufer.«

Fee machte eine Pause und goss uns Kaffee in die Tassen.

Dann sprach sie weiter: »Die wenigen Überlebenden retteten sich in die Hütten des Holzplatzes. An Bord war ein Goldtransport der Kansas-Bank. Die Filiale der Bank hatte überall in den Camps und Städten der Goldfundgebiete das Gold der Goldgräber und Minen aufgekauft. Es war für mehr als eine Million Dollar Gold an Bord. Die wenigen Überlebenden der ›Montana Sun‹ brachten das Gold an Land und vergruben es irgendwo. Dann kämpften sie einige Tage und Nächte gegen die Sioux, bis auch der letzte Mann tot war. Das Dampfboot ›Montana Sun‹ verbrannte. Seine Reste trug das nächste Hochwasser stromabwärts. Und das Gold blieb unauffindbar. Von Anfang an war sicher, dass die Indianer es nicht haben konnten. Es muss immer noch irgendwo hier verborgen sein. Es kamen dann Glücksjäger, die danach suchten und sich auch vor den Indianern nicht fürchteten. Aber sie fanden nichts. Viele zogen wieder ab. Einige blieben. Sie bauten aus dem einstigen und niedergebrannten Holzplatz diese kleine Stadt. Hat Rock wurde ein wichtiger Platz für die Büffeljäger. Sie mussten ihre Häute nicht mehr bis nach Kansas City schaffen, konnten sie hier verladen. Eine Sägemühle und eine Schindelfabrik entstanden.«

Als sie verstummte, fragte ich: »Und warum kamst du mit deinem Mann hierher?«

Sie betrachtete mich ernst.

»Wir kamen her, um Büffelhäute zu kaufen und sie mit unseren beiden Dampfbooten zu verschiffen. Wir wollten den Aufkäufern in Kansas City zuvorkommen. Und dann hörten wir von dem verborgenen Goldschatz. Sie haben schon überall gegraben und den Boden umgewühlt – nur noch nicht auf unserem Gelände. Deshalb wollen sie mich vertreiben. Und sie glaubten, dass dies mit einer Witwe leicht zu machen wäre. Doch jetzt bist du hier. Und du bist mir etwas schuldig, Blake – oder?«

Sie fragte es ernst.

Und ich konnte nur nicken. Denn ich war ihr wirklich eine Menge schuldig.

Weil ich noch schwieg, nur kaute, sahen sie mich abwartend an.

»Wir werden sehen«, sprach ich schließlich. »Wo werde ich wohnen?«

»Hier«, sprach sie. »Oben sind zwei Mansardenzimmer. In einem wohnt Sam. Für dich ist das andere bereit.«

Ich hatte kein gutes Gefühl. Ja, ich fühlte mich in der Klemme. Ich war in ein böses Nest gekommen.

Und so fragte ich: »Was ist mit den Bürgern hier, für die dein Mann der Anführer war? Wie kommen die mit den neuen Bossen der Stadt zurecht, mit diesem Louis Pickford und mit Marshal Thorne Kelly?«

»Wie kommt man mit den Mächtigen zurecht?«, fragte sie zurück und beantwortete dann die Frage mit dem nächsten Satz: »Indem man sich unterwirft.«

Ich wusste nun Bescheid. Ich sollte an die Stelle ihres Mannes treten, dem sie den Schädel eingeschlagen und in den Strom geworfen hatten. Niemand hatte ihm helfen können. Er war hier Bürgermeister gewesen, doch offenbar hatte er ganz allein dagestanden.

Ich sah Sam Jenkins an und fragte: »Und wo waren Sie, Sam?«

Seine gelben und schrägen Wolfsaugen wurden nun noch mehr zu Schlitzen. Doch dann sagte er: »Fragen Sie Fee.«