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Sie waren wie Wolf und Wölfin, immer auf der Jagd nach dem großen Geld. Mit seinem schnellen Colt glaubte Starreter, sich selbst gegen den mächtigen Trust behaupten zu können ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Das Wolfspärchen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9616-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Wolfspärchen
Es war verdammt schwer genug gewesen, in der alten Mine das Gold zu finden. Aber einmal im Leben muss wohl jeder Mensch Glück haben.
Bei mir hatte es offenbar endlich geklappt.
Für die Unze Gold wurden zwischen achtzehn und zwanzig Dollar bezahlt.
Ich war also ziemlich reich geworden in diesen Wochen in der alten Mine, hatte für etwa zwanzigtausend Dollar Gold gefunden. Es war eine kleine Ader, die ich zufällig freilegte, als ich einige Steine von der Stollenwand schlug.
Die Mine war schon von den Spaniern angelegt worden. Danach hatten es viele andere Leute immer wieder versucht. Sicherlich hatten auch sie Gold herausgeholt und dann geglaubt, die Goldvorkommen endgültig ausgebeutet zu haben. Aber sogar ich hatte noch Glück gehabt, obwohl ich gar kein Goldsucher war. Nun, ich hatte dann mit meinen primitiven Werkzeugen einige Wochen hart arbeiten müssen, um das Adergold freizulegen. Ich hatte dabei gehungert und gedarbt, denn der Proviant war mir ausgegangen.
Aber jetzt sollte bald das neue Leben beginnen …
Ich stellte mir schon ganz genau vor, wie die Ranch aussehen musste, die ich mir anschaffen wollte für das Geld, das ich für das Gold bekommen würde.
Doch es geht im Leben niemals etwas ohne Schwierigkeiten und Hindernisse ab. Diese Erfahrung hatte ich längst gemacht.
Und so begriff ich bald, dass ich mich nicht so einfach mit fast sechzig Pfund Gold davonmachen konnte. Nein, so leicht ging das nicht in diesem hungrigen Land, o nein!
So verschwiegen die Pfade auch waren, auf denen ich ritt – es musste bestimmt jemand beobachtet haben, dass ich aus dem Canyon kam, in dem die alten Spanier-Minen lagen. Es gab gewiss Leute in diesem Land, die nahmen jeden unter die Lupe, der in den alten Minen herumgestochert hatte.
Jedenfalls waren nun Reiter auf meiner Fährte. Ich sah vorerst nur dann und wann ihre Staubfahnen. Diese Reiter kannten das Land besser als ich.
Oh, ich wusste Bescheid. Mein Instinkt sandte mir immerzu Warnsignale in alle Fasern des Hirns. Ich war wachsam wie ein Tiger, der durch den Dschungel streicht.
In der dritten Nacht erreichte ich endlich den Rio Grande.
Es gab nur diese eine Fähre weit und breit, und ich konnte mir ausrechnen, dass sich die Burschen, die mir schon seit einigen Tagen und Nächten folgten, darüber ebenfalls klar waren.
Als ich dann auch noch das Rauchzeichen hinter mir sah, da wusste ich, dass man mich gewissermaßen »anmeldete«, weil man erkannt hatte, dass man mich vor Anbruch der Nacht nicht mehr einholen konnte.
An der Furt lag ein kleines Dorf. Es hieß Maja, was so viel wie hübsches Mädchen bedeutete. Ich ritt zur Fähre hinunter. Denn man kam zu dieser Jahreszeit nur mit der Fähre ans andere Ufer.
Ich hätte sonst an ihm entlang bis nach El Paso reiten müssen. Doch das wollte ich nicht. Ich wollte hinüber nach Texas und durch den Texas-Zipfel weiter nach New Mexico. Dort konnte ich meine Fährte dann hoffentlich verwischen und irgendwo eine schnelle Expresskutsche nach Santa Fe nehmen. Denn in Santa Fe zahlte man die besten Preise für Gold.
Ich musste also über den Rio Grande.
Bei der Fähre war niemand. Die kleine Schutzhütte war leer.
Ich überlegte, ob ich es schaffen konnte, die Fähre allein hinüber nach Texas zu bringen. Doch ich gab den Gedanken schnell auf. Denn es war eine große und schwerfällige Fähre, auf der auch zwei schwere Frachtwagen samt den Gespannen Platz hatten. Dieses Ding hing an einem Seil. Es war ein Endlosseil, das über eine Winde ging, die wie ein Ankerspill zu bedienen war. Das Drehen besorgten zwei Maultiere, die man an lange Stangen gespannt hatte wie vor einen Wagen. Sie liefen im Kreis und bewegten das Seil wie einen Transmissionsriemen.
Nein, ich konnte dieses System nicht bedienen.
Wo waren die Fährleute? Ich ritt wieder vom Fluss hinauf zum Dorf, das ja wegen der Hochwassergefahr sehr viel höher lag.
Es war die Zeit des Abendessens. Auf der Veranda der einzigen Fonda waren fast alle Tische besetzt.
Als ich anhielt, kamen zwei Jungen herbeigesprungen. Einer sagte: »Señor, wir könnten Ihr müdes Pferd versorgen, indes Sie zu Abend essen. Für ein kleines Trinkgeld tun wir das.«
Ich grinste.
»Ihr müsst es hier tun«, sagte ich. »Denn ich will das Tier von meinem Platz aus immer sehen können. Ihr müsst Wasser und Futter herbeischleppen. Und nachher müsst ihr das Tier abreiben. Dann will ich euch einen halben Dollar geben. Wo sind die Fährleute?«
Sie deuteten zu einem Tisch hin, an dem zwei Männer saßen, die kauend zu mir hersahen, so als wüssten sie schon, dass ich zu ihnen kommen würde. Gewiss hatten sie mich zur Fähre reiten sehen. Es waren Vater und Sohn, dies sah man ihnen sofort an.
Ich ging zu ihnen, nahm dabei meine beiden schweren Satteltaschen mit, die ich mir über die rechte Schulter legte.
Ich sah gleich, dass die beiden Fährleute stur sein würden. Dies aber konnte nichts damit zu tun haben, dass sie beim Abendbrot saßen. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie hier nicht jeden Abend saßen und aßen. Das wäre ihnen gewiss zu teuer gekommen. Wahrscheinlich hatte ihnen jemand das Abendessen spendiert.
Ich sah mich ruhig um, und ich war ein großer Bursche, den man nicht übersehen konnte und den fast alle Leute zweimal ansahen, wenn sie ihm begegneten.
Ich nickte den beiden Fährleuten zu. Und ich sprach das Grenzspanisch dieser Leute, als wäre ich mexikanischer Abstammung.
Ich sagte: »Bringt mich hinüber nach Texas. Ich habe es eilig.«
Sie sahen mich an. Ihr Blick richtete sich auch auf meinen Colt, den ich links trug, und sie erkannten gewiss, dass ich mit dem Ding umgehen konnte. Sie sahen auch auf meine Satteltasche vor der Brust, und sie konnten leicht erkennen, wie straff sie an dem Verbindungsriemen hing, der die andere Satteltasche hinter meinem Rücken hielt.
Und so schüttelte der ältere Fährmann den Kopf und sagte: »Heute nicht mehr, Señor. Es ist dunkel. Der Fluss ist gefährlich. Unsere Maultiere haben den ganzen Tag immer wieder die Fähre gezogen. Nun sind sie erschöpft. Es geht nicht. Morgen erst wieder. Ja, bei Sonnenaufgang fahren wir wieder.«
Nun wusste ich Bescheid. Ich sollte hier nicht mehr wegkommen. Das Rauchzeichen hatte nur eine einzige Bedeutung gehabt.
Was sollte ich tun?
Einen Moment lang war ich entschlossen, ihnen Beine zu machen.
Aber dann bekam ich den köstlichen Duft aus der Küche in die Nase. Die Bedienung brachte soeben ein Tablett voller Teller und Schüsseln heraus und begann die wartenden Gäste zu bedienen.
Ich roch Spanferkelbraten und allerlei köstliche Gewürze. Solch ein Spanferkel nach mexikanischer Art war eine Köstlichkeit. Und dazu gab es noch eine Menge anderer Dinge.
Ich aber hatte nun schon wochenlang gehungert. Man wird also verstehen, dass ich plötzlich schwach wurde und erst mal richtig essen wollte.
Und so wandte ich mich ab und setzte mich an den einzigen noch freien Tisch. Es war ein besonders günstig an der Hauswand in einer kleinen Nische stehender Tisch. Dass er frei war, war gewiss kein Zufall. Sicherlich war er für jemanden reserviert worden.
Doch ich setzte mich.
Und als die Bedienung an mir vorbei wollte, hielt ich sie an der Schürze fest.
»Rapido«, sagte ich nur. »Sonst komm ich selbst in die Küche.«
Sie sah mich an, und sie war mehr als hübsch. Ihr Bein drückte gegen meine Knie. In meinen Augen erkannte sie, dass ich nicht nur wie ein zweibeiniger Sonora-Wolf aussah, sondern auch einer war.
»Si, Señor.« Sie nickte. »Es geht ganz schnell. Aber dieser Tisch ist für die Señorita reserviert. Sie will keine Hombres am Tisch und …«
»Dann soll sie warten, bis ich fertig bin«, unterbrach ich sie, denn meine Geduld war zu Ende. Ich war müde, staubig, hungrig, durstig und wusste, dass ich hier Verdruss bekommen würde.
Nein, ich war kein Gentleman.
Die Bedienung ging.
Ich wartete, hatte meine beiden schweren Satteltaschen neben meinem Bein am Boden liegen und beobachtete die Umgebung. Ich passte auch auf mein Pferd auf, das von den beiden Jungen versorgt wurde.
Das Essen kam schnell. Ich wurde bevorzugt bedient. Aber warum, war ja wohl völlig klar: Man wollte, dass ich möglichst schnell wieder ging und der Verdruss, den ich bekommen würde, nicht hier losbrach.
Ich zwang mich zu langsamem Essen und sorgfältigem Kauen, obwohl ich voller Unruhe und lauernder Wachsamkeit war.
Als ich fertig war und das Maisbier trank, da trat endlich das ein, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte.
Der Bursche, der da auf mich zukam, sah wahrhaftig sehr beachtlich aus. Er war mexikanischer Abstammung und wie ein reicher Hidalgo gekleidet. Und zwei Revolver trug er, deren Griffe aus Elfenbein und imposant anzusehen waren.
Er deutete mit der Rechten auf mich und sagte laut genug: »Wo hast du das Pferd gestohlen, Hombre?«
Und fast zu gleicher Zeit zog er schon, um mich zu erschießen.
Doch ich ließ mich auch von solch einem Burschen nicht überrumpeln. Ich zog ebenfalls, und ich wusste, worauf es ankam.
Meine Kugel stieß ihn ein wenig zur Seite, bevor er selbst abdrücken konnte. Deshalb verfehlte er mich. Und er staunte einen Sekundenbruchteil, bevor er den bösen Schmerz der Wunde zu spüren begann und begriff, dass er verloren hatte.
»O mein Gott«, stöhnte er.
Es war still in der Runde. Jeder hörte sein flehendes Stöhnen, mit dem er seinen Gott darum bat, nicht sterben zu müssen.
Niemand konnte ihm helfen – auch ich nicht.
Wir alle sahen, wie er starb.
Einige Zuschauer stöhnten, so sehr löste sich in ihnen endlich die Spannung.
Ich sah mich um.
»Hat er vielleicht einige Amigos unter euch?«, fragte ich, und meine Stimme klang rauer, als ich es wollte.
Niemand sagte etwas. Alle verharrten.
»Ich bin kein Pferdedieb«, hörte ich mich sagen. »Dieses Pferd dort drüben fing ich mir einst selbst mit einem Lasso aus einer Wildpferdherde und ritt es zu. Dieser Hombre da wollte einen Kampf und brauchte einen Grund dafür. Wie ist sein Name?«
Eine Weile schwiegen sie. Dann sagte eine Stimme aus dem Hintergrund: »Das war Lopez Juarez, Señor. Und er hat mächtige Freunde.«
»Das glaube ich«, murmelte ich, denn ich dachte an das Rauchzeichen am späten Nachmittag. Für mich war klar, dass dieses Land hier von einer mächtigen Bande beherrscht wurde, die in jedem Ort einen Statthalter besaß.
Ich musste höllisch schnell hinüber auf die andere Seite des Rio Grande. Und so warf ich einen halben Dollar auf die Tischplatte als Bezahlung für mein gutes Abendessen und wandte mich an die beiden Fährmänner, die jetzt an ihrem Tisch so unruhig wirkten, als spürten sie starkes Bauchweh.
»Jetzt mach ich euch Beine«, sagte ich hart zu ihnen. »Oder muss ich euch erst die Ohren abschießen, bis ihr begreift, dass ihr mich so oder so auf die andere Seite bringen werdet?«
Sie waren jetzt sehr froh über meinen drohenden Tonfall und meine harten Worte. Nun konnten sie sagen, dass sie von dem gefährlichen Gringo-Pistolero, den sogar Lopez Juarez nicht schlagen konnte, gezwungen worden waren.
Sie bewegten sich sogar recht willig.
Wir gingen von der Veranda, und ich musste jetzt höllisch aufpassen, denn es war schon fast Nacht.
Ich musste auch aufpassen, dass mir die beiden Fährmänner nicht entkamen. Denn wenn sie mir fortliefen und sich versteckten, kam ich an diesem Tag nicht mehr über den Strom.
Und schließlich musste ich auch mein Pferd übernehmen von den beiden Jungen, die starr neben dem Tier standen.
Ich gab ihnen einen Dollar, warf meine beiden schweren Satteltaschen wieder über das Pferd und führte es hinter den Fährmännern her. Ich ging dicht neben dem Kopf des Tieres, denn es gab mir so wenigstens Deckung nach einer Seite.
☆
Ich führte mein Pferd auf die Fähre. Einer der beiden Fährmänner – es war der ältere Mann – kam mit mir auf die Fähre. Sein Sohn holte die beiden Maultiere aus einem halb offenen Schuppen und spannte sie an die Seilwinde, die eine senkrecht stehende Trommel hatte, also ein sogenanntes Gangspill war.
Bevor die Fähre ablegte, lief jemand vom Dorf aus zum Fluss herunter. Ich konnte die schlanke Gestalt deutlich erkennen, denn das Licht der Sterne war stärker geworden.
Plötzlich erkannte ich, dass da eine Frau angerannt kam.
Und dann hörten wir auch schon ihre Stimme: »Halt! Nicht abfahren! Wartet noch auf mich!«
Wir warteten, dann war auch sie auf der Fähre. Sie hatte sich beim Laufen völlig verausgabt und konnte vorerst nichts sagen.
Ich wandte mich an den Fährmann. »Na los, Amigo!«
Er rief seinem Sohn eine Anweisung zu. Die beiden Maultiere begannen im Kreis zu wandern und das Gangspill zu drehen.
Die Fähre legte ab und wurde langsam hinüber zum anderen Ufer gezogen.
Ich beobachtete die Frau.
Warum war sie gelaufen, als wäre es um ihr Leben gegangen?
Und was wollte sie auf der texanischen Seite? Dort gab es kein Haus, nicht einmal ein Schutzdach. Ohne Pferd war man dort drüben fast verloren. Denn zum nächsten Dorf war es weit.
Das fragte ich mich, indes ich neben sie ans Geländer trat.
Ich sah gleich, dass sie noch jung war. Doch sie war kein Mädchen mehr. Sie war keine Mexikanerin. Ihr Reisekostüm war gewiss sehr modern und vielleicht sogar der letzte Schrei östlich des Mississippi.
Sie wandte mir ihr Gesicht zu.
Sie war mehr als hübsch, ja, sie war auf eine rassige und eigenwillige Weise schön. Sie besaß eine Ausstrahlung, die mich sofort traf und in mich eindrang. Es war von Anfang an etwas zwischen uns. So als wenn von ihr ein Funke ausgegangen wäre, der tief in meinem Kern ein Feuer entfachte.
Im Sternenschein leuchteten ihre Augen grün, und es waren leicht schräg gestellte Augen, katzenhaft und zwingend, ausdrucksvoll und rätselhaft zugleich. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen lebendigen Mund, der halb geöffnet war, weil sie immer noch schwer atmete.
Aber ihre weißen Zahnreihen blitzten. Ihr Haar war dunkel. Es schimmerte im Sternenlicht. Sie war mittelgroß und wog gewiss nicht mehr als hundertzehn Pfund. Es war also alles richtig an ihr.
Sie betrachtete mich ernst und fest – zugleich aber auch kritisch und hoffnungsvoll. Ja, das spürte ich deutlich.
Inzwischen war sie einigermaßen zu Atem gekommen.
Sie sah mich immer noch fest an, als sie sagte: »Bruder, nehmen Sie mich mit. Ich brauche Hilfe. Nehmen Sie mich mit!«
Sie hatte mich mit Bruder angeredet und sich damit gewissermaßen zu meiner Schwester gemacht. Dies schuf von Anfang an etwas Gemeinsames zwischen uns.
Ich fragte ruhig: »Wo brennt’s denn, Schwester?«
»Ach«, sagte sie, »das ist eine lange Geschichte. Die lässt sich nicht auf die Schnelle erzählen. Aber eines ist sicher: Ich will den gleichen Leuten entkommen wie Sie. Ich konnte mir nur nicht den Weg freischießen wie Sie, Bruder. Aber als der Weg frei war, da sprang ich aus dem Fenster und lief zur Fähre. Der Mann, den Sie im Zweikampf töten mussten, konnte mir das nicht mehr verbieten. Ich will nach Texas wie Sie, Bruder. Werden Sie mich mitnehmen? Zu Fuß komme ich drüben wohl nicht weiter.«
Da wusste ich es nun.
Eine reizvolle Frau legte ihr Entkommen in meine Hand. Eine Schöne in Not bat mich um Hilfe. Und ein Texaner ließ niemals eine Frau vergebens um Hilfe bitten.
Es gab gar keinen Zweifel und kein Überlegen für mich, dass ich ihr helfen musste. Und so nickte ich und sagte: »Sicher, Schwester, ich nehme Sie mit. Aber wir haben nur ein Pferd. Ich kann Ihnen keine große Bequemlichkeit bieten.«
Da sah ich sie zum ersten Male lächeln.
»O Bruder«, sprach sie, »wenn Sie wüssten, wie wenig Bequemlichkeit ich manchmal schon auf meinem Weg hatte …« Sie brach ab, schloss ihren so lebendigen Mund auf eine herbe Art. Und dann blickte sie nach Mexiko hinüber.
Die Fähre war nun mitten im Strom. Sie schien sich unsagbar langsam zu bewegen. Ich hatte plötzlich Sorge, dass jemand den Sohn des Fährmannes daran hindern könnte, weiterhin mithilfe der Maultiere das Gangspill zu drehen. Dann würden wir hier mitten im Strom auf der Fähre gefangen sein.
Gewiss, ich würde mich schwimmend retten können. Das traute ich mir zu. Doch mein Pferd, die Ausrüstung und vor allen Dingen das Gold wären verloren. Auch mein Pferd hätte nur ohne jede Last in diesem Schlamm eine Chance.
Und die Frau …
Ich fragte mich plötzlich, wie sie wohl heißen mochte.
Und so sagte ich: »Mein Name ist Starretter, Schwester, Rufus Starretter.«
Sie sah mich wieder an. »Ich bin Liz – Liz Longdale«, sprach sie. »Und ich bin Ihnen sehr dankbar, Rufus.«
Wir schwiegen dann, und ich war dankbar für jeden Yard, den uns die Fähre näher zum Nordufer brachte.
Und endlich stieß die Fähre an Land.
Ich gab dem alten Fährmann zwei Dollar. Und dann fragte ich: »Werden Sie Schwierigkeiten bekommen, Señor?«
Er schüttelte den verwitterten Kopf. »Jetzt nicht mehr«, erwiderte er. »Gegen einen Pistolero, gegen den sogar Lopez Juarez keine Chance hatte, hätten mein Sohn und ich nichts ausrichten können. Das weiß jeder. Nein, man wird uns nicht bestrafen.«
»Und wer hätte euch sonst bestraft?« Ich fragte es scheinbar lässig. Doch ich war neugierig. Ja, ich wollte wissen, wem ich mit meinem vielen Gold entkommen war.
Der Fährmann schwieg, aber ich erhielt dennoch eine Antwort. Liz Longdale gab sie mir. Sie sagte ruhig: »Es ist eine Bande, die über das ganze Land verbreitet ist und ein riesiges Netz gespannt hat. Diese Organisation wird von mehreren Männern geleitet. Es hat wenig Sinn für uns, jetzt noch Überlegungen anzustellen. Wir sind entkommen, denke ich. Diesseits des Rio Grande werden Sie auf andere Banditen achten müssen, Rufus, die Ihnen das Gold abnehmen wollen.«
Ich staunte, wie selbstverständlich sie annahm, dass ich Gold bei mir hatte. Aber sie war eine Frau, die offensichtlich über viele Dinge Bescheid wusste und sich auch ausgerechnet hatte, warum man mich in dem Mexikanernest festhalten und sogar erschießen wollte.
Ich führte mein Pferd ans Ufer und saß auf.
Liz Longdale stand ruhig neben meinem Steigbügel und sah zu mir hoch.
Ich hätte jetzt fortreiten können. Doch ich hatte ihr versprochen, sie mitzunehmen. Und überdies war da noch etwas.
Als ich sah, wie sie abwartend zu mir hoch blickte, da spürte ich, wie furchtlos und einsam sie war. Ich spürte mit einem Mal noch stärker, dass wir artverwandt waren, eine Menge Gemeinsames hatten. Sie war eine Abenteurerin, wie ich ein Abenteurer war.
Sollten wir ein Paar werden, dann würden wir einem Wolfspärchen sehr ähnlich sein. Denn wir würden von der Jagd leben. Wir würden immerzu das Glück jagen und zu erbeuten versuchen.