G. F. Unger 2076 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2076 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Al Jennison tastet unter der offenen Felljacke nach dem Colt. Er wartet gespannt, wann Chet Mahoun ihn wohl entdecken wird.
Chet Mahoun reitet langsam auf die Hütten zu und pfeift dreimal. Wahrscheinlich ist das ein vereinbartes Signal, mit dem er sein Kommen ankündigt.
Als Chet Mahoun bis auf Steinwurfweite heran ist, brüllt er: »Baby, ich komme! Ich bin wieder da, Babsy! Hoi, meine Honigbiene, der liebe Chet ist wieder da!«
In der Hütte ertönt ein Fluch. Dann hört Al Jennison die bitteren Worte: »Der Teufel soll dich holen, du Bastard von einem Coyoten und einer Ratte!«
Al Jennison grinst. Denn die Ausdrucksweise des Mädchens sagt ihm, dass es kein reiner Engel sein kann, denn Engel fluchen nicht.
Al Jennison tritt aus seiner Deckung hervor.
Chet Mahoun ist inzwischen abgesessen und bindet gerade die Jagdbeute vom Packpferd. Als er über die Schulter blickt, sieht er Al Jennison. Er erkennt ihn sofort, denn sie sind alte Bekannte. Und er weiß, dass Al Jennison nicht auf seiner Fährte geritten ist, um ihm und dem Mädchen, das er wie eine Gefangene hält, einen guten Tag zu wünschen.
Chet Mahoun weiß, dass er dem Tod ins Auge blickt. Denn Al Jennison ist gekommen, um mit ihm abzurechnen ...


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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Keine Gnade in Montana

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0091-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Keine Gnade in Montana

Al Jennison tastet unter der offenen Felljacke nach dem Colt. Er wartet gespannt, wann Chet Mahoun ihn wohl entdecken wird.

Chet Mahoun reitet langsam auf die Hütten zu und pfeift dreimal. Wahrscheinlich ist das ein vereinbartes Signal, mit dem er sein Kommen ankündigt.

Als Chet Mahoun bis auf Steinwurfweite heran ist, brüllt er: »Baby, ich komme! Ich bin wieder da, Babsy! Hoi, meine Honigbiene, der liebe Chet ist wieder da!«

In der Hütte ertönt ein Fluch. Dann hört Al Jennison die bitteren Worte: »Der Teufel soll dich holen, du Bastard von einem Coyoten und einer Ratte!«

Al Jennison grinst. Denn die Ausdrucksweise des Mädchens sagt ihm, dass es kein reiner Engel sein kann, denn Engel fluchen nicht.

Al Jennison tritt aus seiner Deckung hervor.

Chet Mahoun ist inzwischen abgesessen und bindet gerade die Jagdbeute vom Packpferd. Als er über die Schulter blickt, sieht er Al Jennison. Er erkennt ihn sofort, denn sie sind alte Bekannte. Und er weiß, dass Al Jennison nicht auf seiner Fährte geritten ist, um ihm und dem Mädchen, das er wie eine Gefangene hält, einen guten Tag zu wünschen.

Chet Mahoun weiß, dass er dem Tod ins Auge blickt. Denn Al Jennison ist gekommen, um mit ihm abzurechnen …

Chet Mahoun verharrt einige Atemzüge lang. Unbeweglich steht er da, so als wartete er auf die Kugel.

Dann wendet er sich langsam um.

»Ich hätte dich einfach abgeknallt«, sagt er. »Wenn du mir das angetan hättest, was wir dir angetan haben, dann hätte ich dich abgeknallt, ohne dir eine Chance zu geben. Aber das bringst du wohl nicht fertig? Das geht dir gegen die Ehre, ja? Du Narr, was nützt es dir, ein Gentleman zu sein, wenn du …«

Er spricht nicht weiter.

Denn er hat inzwischen seine Felljacke geöffnet, den Colt zurechtgerückt und im Schnee festen Stand gesucht.

Dass er den begonnenen Satz nicht beendet, ist sein Trick.

Er zieht ganz plötzlich. Und er ist schnell, so schnell, wie ein Revolvermann nur sein kann.

Doch es reicht nicht.

Al Jennison zieht schneller. Er schießt ihm die Kugel ins Herz, bevor Chet Mahoun abdrücken kann.

Mahoun schwankt. Dann drückt er ab. Er schießt vor sich in den Schnee.

Und dann fällt er.

Jennison sieht sich mit dem rauchenden Colt in der Hand nach der Frau um, die Chet Mahoun Babsy genannt hat.

Sie tritt langsam ins Freie, und sie wirkt ungläubig, staunend – und dann auch schon misstrauisch. Nachdem sie einen Blick auf den leblos im Schnee liegenden Mann warf, sieht sie Jennison fest an.

»Ändert sich jetzt für mich was oder …?« Sie spricht nicht weiter, doch er weiß, was sie meint. Bis vor einer Minute gehörte sie hier mitten in der Wildnis Chet Mahoun. Sie muss befürchten, dass sie jetzt einem anderen Trapper den ganzen Winter lang die Zeit vertreiben soll. Denn was bleibt einer Frau in der Wildnis sonst übrig?

Sie braucht Nahrung und Obdach. Dafür muss eine Frau hier zahlen. Sie muss sich zusammentun mit dem Mann, der sie beschützt. Das ist hier ganz natürlich und zählt zu den natürlichsten Lebensbedürfnissen.

Deshalb ist ihre schlichte Frage – obwohl nur halb ausgesprochen – sehr verständlich.

Er steckt langsam den Colt weg. Aber dabei sieht er sie unentwegt an. Sie hat gelbe Haare und braune Augen.

Sie trägt jetzt einen Mantel, darunter Stiefel und Hosen. In fieberhafter Eile muss sie sich angekleidet haben, nachdem sie die Pfiffe des heimkehrenden Mannes hörte.

Denn Al Jennison hat sie vorhin beim Baden gesehen, als er durch das Fenster der Hütte spähte.

Dieses Bild sieht er jetzt noch. Wie eine Göttin kam sie ihm vor, so makellos schien ihm ihr Körper zu sein.

Er muss etwas mühsam schlucken.

Ja, jetzt erst wird er sich darüber klar, dass sie ja nun eigentlich ihm gehört. Ohne ihn würde sie hier in der Wildnis umkommen, ja, sie fände nicht einmal aus den Bergen hinaus.

Er sieht, dass sie sich noch etwas gerader aufrichtet und ihr Kinn noch etwas höher hebt. Gerade und fest sieht sie ihn an.

Jetzt erst erkennt er ihre Lebenskraft.

Er sagt: »Ma'am, ich muss Sie wohl mitnehmen zu den Menschen. Denn wenn Sie hier in den Bergen bleiben, würden Sie bald eingeschneit sein bis zum Frühling. Mein Name ist Jennison, Al Jennison, und ich bin gewiss kein Gentleman. Aber ich hatte mal eine gute Mom. Verstehen Sie, warum ich Ihnen sage, dass ich eine gute Mom hatte?«

Sie nickt, und innerlich entspannt sich etwas in ihr. Das kann er erkennen.

»Ja«, sagt sie, »das verstehe ich. Eine gute Mom bringt einem Sohn schon allein durch ihr Vorhandensein bei, auch andere Frauen zu achten. Richtig?«

»Richtig«, nickt er. »Ich hatte eine gute Mom und zwei Schwestern, die mich liebten. Ich bin kein Strolch wie Chet Mahoun.«

»Aber Sie ritten auf seiner Fährte. Warum? Was hat er Ihnen angetan?«

Sie fragt es ganz ruhig. Aber er spürt, dass ihr viel daran liegt, den Grund seiner Unerbittlichkeit zu erfahren.

Er sieht sich nach Chet Mahoun um.

»Im vergangenen Frühjahr«, spricht er dann, »überfiel er mich mit seinem Bruder Otis in einem Camp. Ich hatte die Fellausbeute eines langen Winters auf meinen drei Packtieren. Sie ließen mich für tot liegen. Doch Indianer fanden mich und pflegten mich gesund. Wissen Sie vielleicht, wohin Otis Mahoun von hier aus ging, als ihn sein Bruder wegschickte?«

Sie schließt einen Moment die Augen, so als müsste sie nachdenken. Ihr Mund beginnt ein wenig zu zucken. Sie beißt sich wieder auf die Unterlippe, hält sie mit prächtig weißen Zähnen fest.

Dann sieht sie Al Jennison wieder ruhig an.

»Nach Crazy City«, sagt sie dann fest. »Ja, er wollte nach Crazy City. Kennen Sie Crazy City, Al Jennison?«

Er schüttelt leicht den Kopf.

»Aber ich hörte schon davon«, beruhigt er sie. »Ein Goldgräbercamp. Es liegt in den Crazy Mountains. Livingston, Bozeman, Gallatin City, Crazy City, Last Chance, dies sind alles Goldgräbercamps. Wollen Sie mit mir nach Crazy City? Wie heißen Sie überhaupt? Chet Mahoun rief Sie Babsy, nicht wahr?«

»Ich bin Babette Lorne«, erwidert sie. »Ja, ich möchte mit nach Crazy City. Wenn Sie mich nach dort mitnehmen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. In Crazy City kann ich allein für mich sorgen.«

Sie spricht besonders den letzten Satz sehr ruhig und selbstbewusst.

Er blickt zum Himmel empor, wittert mit vibrierenden Nasenflügeln.

Als er sie dann wieder ansieht, ist sein Gesichtsausdruck ruhig und ernst.

»Wir werden etwa eine Woche unterwegs sein, Babsy«, sagt er. »Aber wenn wir Pech haben, gibt es einen Blizzard. Dann dauert es länger. Also, pack deine Siebensachen. Nimm auch reichlich Proviant mit. Ich werde inzwischen Chet Mahoun in der Höhle dort bestatten.«

Er bekommt zuletzt einen harten Klang in seine Stimme.

Sie wird sich jetzt noch einmal – und diesmal schärfer und stärker – bewusst, dass er herkam, um mit Chet Mahoun zu kämpfen. Er hat offen mit ihm gekämpft. Er hätte ihn auch aus dem Hinterhalt abknallen können.

Aber Chet Mahoun bekam seine Chance.

Nun wird er ihn sogar bestatten.

Babette Lorne hat eine Menge eigener Probleme, und dass sie so plötzlich befreit wurde, wird ihr erst noch richtig bewusst werden, und sie wird es auch erst noch verarbeiten müssen – tief in ihrem Kern.

Denn es ist ihr, als würde ihr ganzes Leben nun wieder von vorn beginnen.

Ja, sie hatte fast schon keine Hoffnung mehr. Doch jetzt …

Sie muss also mit vielen eigenen Problemen fertig werden.

Dennoch spürt sie, dass es auch für Al Jennison nicht so einfach ist.

Denn er ist kein Killer. Das spürt sie genau.

Deshalb wird es ihn gewiss noch Tage und Nächte beschäftigen. Er wird diesen Kampf noch viele Male erleben – und Chet Mahoun sterben sehen.

Babette Lorne spürt und fühlt das alles mit dem feinen Instinkt einer Frau.

Plötzlich hat sie den Wunsch, diesem Manne helfen zu können – irgendwie.

Denn hat er nicht auch ihr geholfen? Und hat sie nicht immer ihre Schulden bezahlt auf all ihren Wegen?

Sie nickt ihm zu.

»Ich bin schnell fertig«, sagt sie.

Er sieht ihr nach, wie sie zur Hütte geht und in dieser verschwindet.

Er fragt sich, wie Babette Lorne wohl in Chet Mahouns Hände geriet.

Nun, vielleicht wird er es bald erfahren.

Er hält sie nicht für eines der billigen Flittchen aus den Tingeltangelhallen. Aber für eine Abenteurerin und Glücksjägerin hält er sie bestimmt.

Wahrscheinlich wurde sie von Chet Mahoun reingelegt.

Als sie aus der Schlucht reiten, beginnt es leise und sanft zu schneien. Die Sicht wird etwas schlechter.

Al Jennison prüft immer wieder den Himmel, und manchmal wittert er misstrauisch nach Norden. Doch es bleibt ziemlich windstill. Die Temperatur fällt nicht. Es ist nur wenige Grad unter Null. Der Schnee ist leicht. Die Flocken sind klein.

Sie haben Chet Mahouns Reitpferd als zweites Packtier dabei. Es trägt die bisherige Pelzausbeute des toten Banditen.

Als Al Jennison die Pelze einpackte und auflud, hielt er einmal inne, sah Babette Lorne an und fragte sie: »Sie halten mich hoffentlich nicht für einen Dieb? Was die Mahouns mir damals stahlen, waren vier große Packlasten, die gesamte Pelzausbeute eines langen Winters. Ich hätte etwa sechstausend Dollar dafür bekommen, denn es waren erstklassige Pelze.«

»Nein, ich halte Sie nicht für einen Dieb, Al«, erwiderte sie.

Nun führt sie das zweite Packtier an der Leine mit. Sie sitzt recht gut im Sattel.

Als er ihr das sagt, erwidert sie ernst: »Ich lernte schon das Reiten, bevor ich meinen Namen schreiben konnte. Ich bin im Süden auf einer Rinderranch geboren.«

Nun weiß er schon etwas mehr über sie.

Aber sie reiten den ganzen Rest des Tages schweigend. Er kennt sich in diesem Land ganz offensichtlich gut aus. Noch ist der Schnee für sie kein Hindernis. Aber es entgeht Babette nicht, dass Al Jennison es eilig hat.

Will er so schnell wie möglich nach Crazy City, weil er glaubt, dort Otis Mahoun zu finden, um dann auch ihn im Zweikampf zu töten?

Oder gibt es andere Gründe für seine Eile? Das Wetter, zum Beispiel, könnte ein Grund sein. Denn er schnuppert, wittert, prüft immer wieder.

Dies entgeht Babette nicht.

Erst nach Anbruch der Dunkelheit schlagen sie zwischen dichten Tannen ein Camp auf. Sie haben eine kleine Axt dabei. Damit schlägt er genügend Zweige, dass sie eine trockene Unterlage und auch eine Schutzwand bekommen.

Im Feuerschein betrachten sie sich dann, indes sie Pfannkuchen mit Speck essen und den heißen Kaffee schlürfen.

»Wie kamst du zu Chet Mahoun?«, fragt er zögernd und vorsichtig, so als befürchtete er, dass sie gar nicht mit ihm darüber reden will.

Sie zögert auch ein wenig.

Dann sagt sie: »Ich hielt die Bank im Bucket of Blood in Crazy City. Ich hatte den Spieltisch bei Mrs Bulldog, der Besitzerin, gemietet. Der Bucket of Blood ist wahrscheinlich immer noch der größte und nobelste Saloon im Camp. Von einem Goldgräber gewann ich in einer Nacht den Besitztitel einer kleinen Mine. Und als ich einen Führer suchte, der mich dorthin führen konnte, geriet ich an Chet Mahoun. Aber er führte mich nicht zu dieser kleinen Mine, sondern in seine Hütte. Er sagte mir, dass die kleine Mine schon lange nichts mehr wert wäre und es sich gar nicht lohnen wurde, dorthin zu reiten. Ich war in seiner Hand.«

Sie verstummt hart, und sie wirkt jetzt spröde und kalt.

»Wenn ich gewusst hätte, wie ich wieder aus den Bergen kommen würde«, fügt sie hinzu, »hätte ich ihm schon bald ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Doch ich wusste überhaupt nicht, wo wir waren. Wir waren eine ganze Nacht lang geritten.«

Er nickt. »Es gibt Geschichten über die Mahouns«, sagt er dann. »Man erzählt sich, dass sie immer Frauen bei sich hielten – und wenn es nur Indianermädchen waren, die sie sich irgendwo kauften oder raubten. Das war so die Art der Mahouns, einen langen Winter zu verbringen. Und weil sie oft zum Jagen zu faul waren, überfielen sie andere Trapper und raubten ihnen die Beute – so auch mir. Nun, ich bringe dich nach Crazy City zurück, keine Sorge. Was war, ist vorbei. Es wird dir bald nur noch wie ein böser Traum vorkommen.«

»So wie dir«, sagt sie, und er weiß, was sie damit meint, nämlich, dass er getötet hat. Auch er muss etwas vergessen wie einen bösen Traum.

Er nickt. »Ja«, murmelt er, »wir alle haben unsere bösen Träume. Und eines Tages vergessen wir sie. Dann sind sie in weiter Ferne. Leg dich schlafen. Morgen wird es ein harter Tag.«

Sie sieht ihn seltsam an.

»Und ich brauche nicht mit dir unter einer Decke zu schlafen?« Sie fragt es fast angriffslustig. »Ich brauche bei dir nicht zu bezahlen?«

»Sei nicht so bitter«, sagt er. »Ich kann nichts dafür, dass deine Wege so rau und die Männer so schlecht waren. Ich kann nichts dafür.«

Später dann in der Nacht, da hört er sie weinen.

Sie gibt sich Mühe, leise zu sein, doch sie kann es manchmal nicht verhindern, dass ihr das Schluchzen aus der Kehle kommt.

Als sie sich gar nicht mehr beruhigen kann, rutscht er mit seinen Decken und der Zeltplane zu ihr hinüber. Er rollt sich zu ihr und nimmt sie in die Arme.

»Es ist ja vorbei«, flüstert er ihr zu. »Ich sah durch euer kleines Fenster, wie du dich gewaschen hast. Nun, was willst du noch mehr? Du hast alles abgewaschen. Es war nur Dreck, nur Dreck, nichts anderes. Und dass du weinen kannst, ist gut für dich. Frauen, die noch weinen können, die sind noch nicht im Kern verhärtet. Solche Frauen können bald wieder lieben – können Wärme, Zärtlichkeit und alle guten Dinge geben, die eine Frau nur zu geben vermag inmitten einer miesen Welt. Freue dich, dass du weinen kannst. Und mach dir klar, dass du allen Dreck abgewaschen hast.«

Sie weint nun nicht mehr so schluchzend an seiner Schulter – nein, jetzt weint sie ruhig, entspannt, erleichtert.

Denn es ist ihr jetzt erst klar, dass sie der Hölle entkommen kann, nein, schon entkommen ist.

Denn dieser Al Jennison ist ein Mann von jener Sorte, die man als das Salz der Erde bezeichnet. Und wem dieser Ausspruch oder Vergleich nicht gefällt, nun, dem sei gesagt, dass die Welt ohne Männer wie Al Jennison verdammt mieser wäre, als sie es ohnehin schon ist.

Dies also wird Babette Lorne in dieser Nacht klar.

Und so weint sie bald nicht mehr in seinem Arm. Nein, nach einer Weile fühlt sie sich geborgen, sicher.

Sie schläft schließlich ein.

Und einmal – als er sich von ihr löst, um Holz ins Feuer zu legen –‍, da sucht sie im Schlaf nach ihm wie nach einem festen Halt. Als er sie wieder in seinen Arm nimmt, stößt sie einen zufriedenen und erleichterten Laut aus und schläft sofort sehr viel ruhiger und entspannter.

Am anderen Morgen bereitet sie am Feuer das Frühstück, indes er die Tiere fertig macht zum Abritt. Als er an das Feuer tritt und sie ihm den vollen Kaffeebecher reicht, sagt sie ruhig: »Danke, Al.«

Er sieht sie an. »Wofür?«

»Du weißt schon«, murmelt sie. »Für alles. Du weißt schon …«

Da grinst er. »Halte mich nur nicht für einen Heiligen«, sagt er. »Ich bin auch gewiss nicht edel und gut. Weißt du, es war auch gut für mich, in dieser Nacht nicht allein zu sein.«

Sie versteht ihn sofort.

Schließlich beenden sie das Frühstück am wärmenden Feuer. Sie sitzen wenig später schweigsam auf. Jeder nimmt sein Packtier an die Leine. Bevor sie losreiten, wittert und prüft er wieder. Es ist, als erwartete er von Norden her ein Unheil.

Diesmal fragt Babette: »Was ist, Al?«

Er blickt sie an, und sie erkennt sein Zögern. Aber dann entschließt er sich zur Offenheit.

»Ich bin schon sehr lange in diesem Land, sagt er. »Meine Eltern lebten in Laramie, als es noch kein Armeefort, sondern ein Fort der Händler war. Ich kenne dieses Land. Irgendwo dort im Norden lauert ein Blizzard. Ich kann das spüren. Auch die Tiere spüren ihn. Wenn er losbricht, bevor wir in Crazy City sind, machen wir noch eine Menge mit.«

Sie sagt nichts dazu, schluckt nur etwas mühsam.

Aber ihr Vertrauen zu Al Jennison ist sehr groß.

Gestern noch hat sie geglaubt, nie wieder einem Mann vertrauen zu können. Doch nach dieser Nacht denkt sie wieder anders.

Und sie ist froh darüber. Es wäre schlimm gewesen, hätte sie allen Glauben an die Welt verloren. Denn es ist eine Welt, in der nicht alles mies und böse sein kann.

Es ist am Nachmittag. Sie kommen aus dem Hellgate Canyon heraus und reiten in östlicher Richtung. Jenseits der kleinen Ebene vor ihnen sind weitere Höhenzüge, deren zerhackte Silhouetten sich noch klar gegen den östlichen Himmel abheben. Aber ein Stück weiter im Osten lauert gewiss schon die Nacht. Um diese Jahreszeit sind die Tage kurz.

Der Wind kommt von Norden.

Und plötzlich bleibt er aus. Es ist, als hielte ein Riese, der bis jetzt beständig blies, nun jäh seinen Atem an und holte dann tief Luft.

Al Jennison zügelt sein Pferd. Auch die anderen Tiere halten an, und sie tun es ganz freiwillig. Sie alle wittern nach Norden.

»Da ist es«, sagt Al Jennison bitter. »Da kommt der Hundesohn!«

Babette kann nichts sehen. Da kommt kein Reiter – nichts ist dort im Norden.

Doch Al Jennison und die Pferde wittern in diese Richtung.

Der Himmel ist dort graugrün geworden, ganz anders als sonst um diese Tageszeit sieht es dort aus.

Und da begreift es auch Babette endlich.

Der Blizzard kommt. Und Al Jennison nannte ihn einen Hundesohn.

Sie beobachtet nun den Mann. Hat er Furcht? Zeigt er Unsicherheit?

Er nickt ihr zu.

Dann deutet er nach Osten zu den Bergen hinüber.

»Diese Ebene schaffen wir noch«, sagt er. »Dort drüben gibt es ein paar Minen und Camps, die von Tobacco versorgt werden. Aber Tobacco ist kaum eine Siedlung, aber ein böses Nest. Verstehst du?«

Sie nickt.

»Aber ich kann dich beschützen«, spricht er weiter. »Überall! Verstehst du?«

Sie nickt wieder, und sie weiß, dass er mit ihr nur deshalb nach Tobacco reitet, weil das Camp im Vergleich zu einem Blizzard das kleinere Übel ist.

Er fügt nämlich noch hinzu: »Weißt du, Babsy, es ist der Blaueisblizzard, der da kommt. Dieser blaugrüne Himmel dort zeigt es an. Es ist ein verdammter Blaueisblizzard, ein wirklicher Hundesohn, der alles umbringt.«

Dann reiten sie los.

Sie brauchen ihre Pferde nicht anzutreiben. Die Tiere haben längst begriffen, dass es ein Wettrennen ist.