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Ich war auf dem besten Weg, endgültig einer jener Strolche zu werden, die in den Jahren nach dem Krieg den Südwesten unsicher machten.
Es war Abend, als ich nach Tucson kam. Die Stadt war so kurz nach dem Krieg sozusagen eine Insel in einer von Haien verseuchten See. Well, und die Haie waren in diesem Fall die Apachen.
Die Leute in Tucson hassten die Indianer so sehr, dass es für jeden Apachenskalp Prämien gab. Die Skalpjäger lieferten ganze Bündel von Skalpen ab - und es waren auch Skalpe von Frauen und Kindern darunter, ja sogar von Mexikanern.
Mein Pferd taugte nicht viel. Es war ein Zehn-Dollar-Gaul. Wenn es mal kurz getrabt war, begann es zu pfeifen. Ich wusste, dass ich mit diesem Pferd keine größeren Chancen hatte als zu Fuß.
Und so bot ich es im Mietstall zum Verkauf an. Das musste ich tun, denn ich hatte keinen Cent mehr, um dem armen Tier Futter kaufen zu können.
Eigentlich hoffte ich gar nicht, dass der Stallmann mir das Tier abkaufen würde. Doch zu meinem Erstaunen nickte er und bot mir genau zehn Dollar ...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Verlorene Beute
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Salvador Faba / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0092-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Verlorene Beute
Ich war auf dem besten Weg, endgültig einer jener Strolche zu werden, die in den Jahren nach dem Krieg den Südwesten unsicher machten.
Es war Abend, als ich nach Tucson kam. Die Stadt war so kurz nach dem Krieg sozusagen eine Insel in einer von Haien verseuchten See. Well, und die Haie waren in diesem Fall die Apachen.
Die Leute in Tucson hassten die Indianer so sehr, dass es für jeden Apachenskalp Prämien gab. Die Skalpjäger lieferten ganze Bündel von Skalpen ab – und es waren auch Skalpe von Frauen und Kindern darunter, ja sogar von Mexikanern.
Mein Pferd taugte nicht viel. Es war ein Zehn-Dollar-Gaul. Wenn es mal kurz getrabt war, begann es zu pfeifen. Ich wusste, dass ich mit diesem Pferd keine größeren Chancen hatte als zu Fuß.
Und so bot ich es im Mietstall zum Verkauf an. Das musste ich tun, denn ich hatte keinen Cent mehr, um dem armen Tier Futter kaufen zu können.
Eigentlich hoffte ich gar nicht, dass der Stallmann mir das Tier abkaufen würde. Doch zu meinem Erstaunen nickte er und bot mir genau zehn Dollar …
»Sie haben Glück«, sagte er. »Ich brauche zufällig genau solch ein Tier. Ich würde es sonst nicht geschenkt nehmen. Doch Sie haben Glück, Freund.«
Nun, ich nahm die zehn Dollar und dachte bei mir, dass es schön wäre, würde mein Glück jetzt noch eine Weile anhalten. Denn ich konnte endlich etwas Glück gebrauchen.
Ja, was macht ein Bursche wie ich mit zehn Dollar?
Eines war klar: Wenn ich aus diesen zehn Dollar nicht bald dreißig oder fünfzig machte, würde ich ein Pferd stehlen müssen. Denn wie sollte ich sonst wieder aus Tucson wegkommen?
Ich ging mit meinen zehn Dollar zuerst in einen Store und kaufte mir alles, was ich brauchte, um meinen Revolver wieder laden zu können. Ich lud ihn gleich im Store.
Mein nächstes Ziel war eine Speisewirtschaft, in der ich mir für einen halben Dollar den Bauch voll schlagen konnte wie ein Wolf inmitten einer Schafherde.
Als ich wieder auf die Straße trat, hatte ich noch achteinhalb Dollar. Und die einzige Möglichkeit, sie zu vermehren, lag drüben im Saloon an einem Pokertisch.
Nun, ich konnte mich recht gut an einem Pokertisch behaupten, wenn ich nicht gerade an einen Kartenhai geriet.
Ich ging hinein, kaufte mir ein Bier und sah mich dann um.
Es wurde an verschiedenen Tischen gespielt. An einem war noch ein Stuhl frei. Ich sah mir die Burschen dort an. Es waren normale Leute bis auf einen. Der sah so hart aus wie ich, und er war auch ein Reiter wie ich. Aber die anderen waren Bürger, Handwerker, Geschäftsleute – alles normale Leute. Denen konnte ich vielleicht ein paar Dollar abnehmen.
Ich ging hinüber und fragte.
Sie nickten alle – auch jener, der so hart aussah. Ich erkannte nun auch, dass er einen Colt trug wie ich – nämlich links.
Ich blätterte meine acht Dollar hin und wartete auf die Karten.
Es war schon nach Mitternacht, als ich aus meinen acht Dollar genau siebenundfünfzig gemacht hatte. Ich wollte aufhören.
Doch der hartbeinig aussehende Bursche, der bei jedem Dollar, den er verlor, immer wütender wurde, sagte grob: »So geht das nicht. Bruder, du kannst hier nicht einfach abkassieren und dich dann davonmachen. Ich möchte gern noch hinter deine verdammten Kartentricks kommen. Also bleib sitzen und spiel weiter, bis wir alle Schluss machen.«
Das waren klare Worte. Und normalerweise hätte ich jetzt den Tisch zur Seite fegen müssen, um an ihn herankommen zu können. Oder ich hätte aufspringen und den Colt ziehen müssen. Denn er hatte mich des Falschspiels bezichtigt. Und darauf gab es hier in diesem Land nur eine Antwort, besonders dann, wenn man es von solch einem Burschen gesagt bekam, der genau wusste, was er sagte.
Oh, es war mir klar, dass er entweder einen Kampf wollte – oder es seine Absicht war, mich einzuschüchtern, sodass ich bereit war, meinen Spielgewinn wieder zu verlieren, nur um friedlich wegzukommen.
Aber ich strich das Geld ein und sagte dabei: »Wir hatten nicht ausgemacht, wie lange gespielt werden soll. Also kann jeder aussteigen, wann er will. Auch du, Bruder.«
Ich war nun so weit, aufzustehen und mit den Kniekehlen den Stuhl hinter mir zurückzuschieben.
Doch da sagte der Hombre kalt: »Pass auf, mein Bester. Du weißt es vielleicht noch nicht. Du bist fremd hier. Deshalb will ich es dir sagen. Ich bin einer der McDodson-Brüder. Verstehst du? Ich bin Bill McDodson.«
Er verstummte, als hätte er mir etwas gesagt, was mich ehrfürchtig erstarren lassen müsste. Aber ich hatte von den McDodson-Brüdern noch nie gehört.
»Na schön«, sagte ich. »Du bist also Bill McDodson. Wie gut für dich, dass du ein paar Brüder hast.« Dann stand ich auf und schob mit den Kniekehlen den Stuhl zurück.
Auch die anderen Männer erhoben sich. Nur dieser Bill McDodson blieb mir gegenüber am Tisch sitzen. Die anderen wichen zurück.
McDodson sagte: »Wenn du gehst, werde ich dich umlegen. Ich lasse mich nicht von einem Tramp mit Kartentricks reinlegen. Setz dich! Und dann werden wir mal ehrlich um deinen ganzen Gewinn spielen. Na los!« Die letzten Worte stieß er scharf aus.
Ich seufzte leise.
Das war es also wieder. Ich war an einen harten und wilden Burschen geraten, der nicht verlieren konnte. Das war Pech.
Ich sagte: »Junge, versuch nur nicht, auf mich zu schießen. Dann können dir auch deine Brüder nicht mehr helfen. Versuch es nicht!«
Damit wandte ich mich ab, machte den ersten Schritt vom Tisch weg.
Er zählte sofort: »Eins!« Ich hielt nicht an. Und dann zählte er: »Zwei!«
In seine Stimme kam der wilde und schon etwas schrille Ton, der mir sagte, dass er nicht bluffte.
Als ich meinen dritten Schritt machte, wirbelte ich herum und zog dabei.
Denn der Hundesohn hatte mich reinlegen wollen. Er war selbst schon dabei zu ziehen und hatte nicht gewartet, bis ich den dritten Schritt auf den Boden setzte. Er zog sogar früher als ich. Und er war schnell. Ich konnte ihn gar nicht mehr einholen, so früh begann er mit dem Ziehen.
Aber ich entging seiner Kugel, weil ich herumwirbelte. Oha, ich konnte so schnell wie ein Wildkater sein. Seine Kugel brannte mir heiß über die Hüfte.
Und mein Colt krachte in meiner Faust. Der Pulverrauch umhüllte mich, denn ich schoss zweimal, weil er seinen Revolver nicht senkte und weiter auf mich gerichtet hielt. Doch er konnte nicht mehr abdrücken.
Und dann taumelte er rückwärts gegen die Wand, rutschte daran herunter und starb seufzend, als er in der Hocke war.
Ich sah mich um, weil ich alle Blicke auf mir spürte. Viele Blicke waren direkt mitleidig – einige prüfend – und es gab welche, die mir schadenfroh und sensationsgierig vorkamen.
Ein Mann kam herein. Er trug einen Stern an der Weste und hatte eine schussbereite Schrotflinte im Hüftanschlag. Er blickte sich schweigend um, betrachtete mich und sah dann zum Barmann hinüber.
Der Barmann zuckte mit den Schultern. »Bill McDodson schoss zuerst, Marshal. Daran gibt es nichts zu deuteln. Der konnte noch nie verlieren.«
Da nickte der Marshal und sah mich an.
»Um elf Uhr ist die Leichenschau«, sagte er. »Sie werden Ihre Aussage machen. Wie ist Ihr Name?«
»Hathaway«, sagte ich heiser, »Philldarlik Hathaway.«
»Und woher?«
»Texas«, murmelte ich nur.
Der Marshal nickte, dann ging er, wobei er über die Schulter sagte: »Bringt Bill McDodson zum Leichenbestatter hinüber.«
Ich folgte dem Marshal. Draußen wartete er auf mich jenseits der Lichtbahnen, die aus dem Saloon über die Straße fielen.
Er sagte: »Er hat drei Brüder und einen Vetter. Der Vetter ist aus Texas wie Sie, Hathaway. Vielleicht haben Sie schon mal von ihm gehört. San Saba Kellog heißt er. Hier in Tucson sind Sie ja einigermaßen sicher, wenn Sie sich jeden Abend von mir in eine Zelle einschließen lassen. Wahrscheinlich werden die McDodsons vor der Stadt auf Sie warten. Sie haben viele Freunde und Helfer. Bill war nur ihr kleiner Bruder. Gegen sie ist er wie …« Er verstummte und suchte nach einem Vergleich. Offensichtlich fiel ihm keiner ein, denn er murmelte nur: »Gegen ihn sind sie wie narbige Lobos gegen einen Jungwolf. Also, um elf Uhr ist die Leichenschau.«
Nach diesen Worten ging er.
Ich aber lehnte mich in der Dunkelheit an die Hauswand.
Verdammt, ich hatte zu meinen acht Dollar zwar neunundvierzig hinzugewonnen, mir dafür aber gewissermaßen für eine ganze Million Ärger verschafft.
Was sollte ich tun?
Und wann konnten Bill McDodsons Brüder und dessen Vetter aus Texas hier in Tucson sein? Hatte ich nur Stunden oder gar Tage Zeit?
Von einer Kellog-Sippe in Texas hatte ich schon gehört. Sie lebten im San-Saba-Riverland, und da man diesen Vetter hier San Saba Kellog nannte, musste er wohl ein Bursche von ihnen sein.
Heiliger Rauch, ich hatte mir wirklich eine Menge Verdruss eingehandelt. Ich musste jetzt so schnell wie möglich ein Pferd haben.
☆
Ich fing im Mietstall beim Nachtmann an, und obwohl ich jetzt für mein Zehn-Dollar-Pferd zwanzig Dollar gezahlt hätte, konnte ich weder im Mietstall noch sonst irgendwo in Tucson ein Pferd kaufen.
Zuerst wollte ich das nicht glauben. Aber als dann die Sonne schien, da kapierte ich endlich.
In Tucson konnte jeder andere Mann ein Pferd bekommen – nur ich nicht.
Jetzt erst wusste ich die McDodson-Brüder und ihren texanischen Vetter San Saba Kellog richtig einzuschätzen. Denn wenn die Leute von Tucson wegen eines Fremden keine Feindschaft mit den McDodson-Brüdern haben wollten, mussten die McDodsons schon eine ziemlich harte Sippe sein.
Ich war auf meiner Suche nach einem Pferd auch bis zum Stadtrand gegangen und sah, dass bei einem großen Schuppen eine Kavallerieabteilung ihr Camp aufgeschlagen hatte. Die Soldaten waren dabei, ihre Pferde zu striegeln und ihr Zeug zu putzen. Ein rotnasiger Sergeant führte die Aufsicht, und er hatte immer wieder eine Menge auszusetzen.
Der Sergeant sah zu mir herüber und kam mit schnellen Schritten auf seinen krummen Reiterbeinen heran.
»Na, Cowboy«, sagte er, »willst du in die Armee eintreten? Es gibt zwölf Dollar Handgeld – zwölf Dollar! Und dann sorgt die Armee für dich wie eine Mutter. Na, willst du? Schau, da drüben sitzen schon ein Dutzend Rekruten. Die waren schlau genug, sich in dieser miesen Zeit einen Job zu suchen. Na?«
Er grinste breit und wippte auf den Fußsohlen.
Ich grinste zurück.
»Mann, Blaubauch«, sagte ich. »Sehe ich so aus, als ob ich das Glück bei Hammeln finden könnte, die immer nur das tun dürfen, was der Leithammel will?«
Er wippte nicht mehr auf den Sohlen. In seinen hellen Augen war nun ein Funkeln – und ich machte mich schon bereit, seiner Faust entgehen zu können, aber dann hatte er seinen Zorn schon wieder unter Kontrolle.
»Aha«, sagte er, »das ist ja einer von diesen texanischen Pferdedieben, die wir fast ins Meer jagten gegen Ende des Krieges. Na gut, Hombre, dann eben nicht.«
Er wandte sich ab und ging zu seinen Soldaten zurück.
Ich ging zurück in den Ort.
Es war Zeit, mich beim Marshal zu melden, der eine Leichenschau vornehmen wollte, bei der meine Aussage und die der Zeugen zu Protokoll gegeben werden mussten.
In mir war eine grimmige Bitterkeit. Denn ich wusste, dass ich hier in Tucson kein Pferd bekommen würde.
Ich ging in das Gasthaus, das zur Post-Station und der Haltestelle der Postkutschen gehörte. Ich hockte mich in die Ecke und ließ mir einen Topf Kaffee und drei Pfannkuchen bringen. Als ich noch aß und trank, kam draußen die Postkutsche herangefahren.
Ich bekam plötzlich wieder Hoffnung.
Doch dann hörte ich eine Stimme rufen: »Hoii, warum kommt ihr denn wieder zurück? Warum seid ihr umgekehrt auf dem Weg nach Socorro?«
Ich spitzte die Ohren, um die Antwort zu hören. Ich hörte sogar mit dem Kauen auf.
Eine müde und resigniert klingende Stimme erwiderte: »Überall Rauch! Rauchsignale jenseits des Gila und noch mehr hinter dem Salt River bis hin zu den Poker Mountains. Nein, da fahr ich nicht hin. Dort warten zu viele Apachen. Ohne Eskorte fahre ich nicht.«
Nun wusste ich es also genau. Die Postkutsche von Tucson nach Socorro in New Mexico war umgekehrt, weil die Apachen wahrscheinlich wieder einmal die Straße sperrten.
Also war mir auch der Weg nach Norden verlegt. Nach Osten oder Westen fuhren zurzeit keine Kutschen. Und von Süden her mussten die McDodson-Brüder kommen.
Ich sah eine junge Frau, die mit den anderen Passagieren hereinkam. Es war nur noch an meinem Tisch ein Platz frei.
Sie kam und betrachtete mich kritisch. Ich erwiderte ihren Blick. Und sie gefiel mir auf Anhieb. Sie war kein Mädchen mehr, sie war gewiss schon erfahren. Das sah ich in ihren Augen.
Ich erhob mich halb.
Da lächelte sie ein wenig und setzte sich mir gegenüber an den kleinen Tisch, an dem nur zwei Leute sitzen konnten, weil er in der Fensternische stand. Sie hatte rotblonde Haare und braune Augen, und sie strömte eine Menge Weiblichkeit aus.
»Schmecken die Pfannkuchen?«
Ich nickte. »Ja, die sind gut. Auch der Ahornsirup ist zu empfehlen.«
»Dann lassen Sie mich mal kosten«, lächelte sie. »Oder machen Sie mir mal einen Ihrer Pfannkuchen fertig. Ich gebe Ihnen dann einen von meinen wieder zurück. Mir hängt der Magen bis zu den Knien. Es wäre ziemlich grausam, mich zusehen zu lassen, wie Sie essen. Denn bis ich bedient werde, bin ich vielleicht schon verhungert. Na?«
Ich bestrich einen meiner Pfannkuchen mit Sirup und rollte ihn zusammen. Sie nahm ihn vom Teller und begann mit Appetit zu essen.
»Danke«, murmelte sie zwischendurch. »Es schmeckt wirklich. Warten Sie auch auf eine Postkutsche? Diese hier wird vielleicht heute Abend noch mal losfahren, diesmal aber eskortiert.«
Ich grinste ziemlich bitter. »Ja, vielleicht fahre ich mit«, murmelte ich. »Doch Sie sollten nur mitfahren, Ma’am, wenn die Eskorte stark genug ist. Bleiben Sie lieber eine Weile in Tucson.«
Aber da schüttelte sie heftig den Kopf.
Wir schwiegen nun. Es gab nichts mehr zu sagen. Denn ich hatte eine Menge anderer Sorgen. So sehr mir diese Frau auch gefiel, ich dachte fortwährend an den Mann, den ich am Tag zuvor getötet hatte – an seine Brüder und den texanischen Vetter – und daran, dass in ganz Tucson niemand mir ein Pferd zu verkaufen wagte. Wahrscheinlich bekam ich auch keine Fahrkarte für die Postkutsche. Ja, da war ich fast sicher.
Ich wartete nicht, bis sie selbst ihren Kaffee und die Pfannkuchen bekam, sondern erhob mich.
»Viel Glück«, sagte ich.
»He, Mister, ich bin Ihnen noch einen Pfannkuchen schuldig.«
»Vielleicht treffen wir uns noch mal«, sagte ich, grinste und ging.
Als ich auf die Straße trat, fiel mir sofort ein Mann auf, der mich mit scharfem Blick betrachtete. Der Mann hatte gewiss vor kurzer Zeit noch im Sattel gesessen, denn er war staubig, verschwitzt und hatte Pferdeschweiß an seinen ledernen Chaps.
Aber da war noch etwas an diesem Mann. Er kam mir bekannt vor. Plötzlich wusste ich, dass dieser Bursche jenem Bill McDodson sehr ähnlich sah, den ich am Tag zuvor von den Beinen schießen musste – nur war er älter, wirkte noch härter und erfahrener.
Ich verhielt und sah den Mann an, erwiderte seinen Blick. Er trat langsam näher – und ich wusste, dass wir jetzt von allen Seiten beobachtet wurden. Einen halben Schritt vor mir hielt der Mann an, wippte leicht auf den Sohlen und hatte seine Daumen in den Gürtel gehakt.
»Bist du dieser Hathaway?«
Ich starrte in seine schrägen Comanchen-Augen und erkannte, wie sehr er innerlich brannte. Er hasste mich und wollte meinen Tod. Dies alles konnte ich in seinem Blick erkennen. Aber ich erkannte auch, dass er ein Mann war, der sich unter Kontrolle zu halten vermochte.
»Ja, ich bin Hathaway«, erwiderte ich. »Und du bist einer von den McDodsons, nicht wahr?«
»Pice McDodson«, erwiderte er. »Und du bist schon so gut wie tot, Texas. Du atmest zwar noch, doch du bist schon tot – noch toter als unser kleiner Bill.«
»Er hatte den ersten Schuss«, murmelte ich. »Doch das zählt wohl für euch nicht?«
»Nein«, erwiderte er. »Wer einen McDodson umlegt, der ist tot. Wo kämen wir denn hin, wenn wir das durchgehen ließen?«
Er schätzte mich noch einmal ab.
»Meine Brüder sind auch bald da«, sprach er. »Nach der Leichenschau knallen wir dich ab, wo wir dich treffen. Und wer dir helfen sollte, dem ergeht es wie dir.«
Damit hatte er alles gesagt.
Ich begriff, dass die Rache für ihren Bruder so etwas wie eine rituelle Handlung für die McDodsons werden sollte. Und wahrscheinlich würde mir niemand helfen.
Für die Bürger von Tucson war ich nur einer der vielen Satteltramps und Strolche, die jetzt nach dem Krieg überall herumstreunten. Für mich würde sich niemand mit den McDodsons anlegen – nicht mal der Marshal.
Und das wussten die McDodsons genau. Wahrscheinlich konnten sie mich auf offener Straße töten – und es würde keine Augenzeugen geben.
Pice McDodson wandte sich ab und ging davon. Er hatte mir gesagt, was mir bevorstand.
Ich ging zum Marshal's Office.
Der Marshal, ein anderer Mann, der Barmann und zwei weitere Zeugen warteten. Es ging alles sehr schnell. Dann war ich mit dem Marshal allein.
Er trocknete umständlich die Tintenschrift des Protokolls, und es kam mir so vor, als könnte er mich nicht ansehen. Die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn wurden vielleicht gar nicht von der Hitze verursacht. Denn hier in diesem Raum war es angenehm kühl.
Endlich sah er zu mir auf, lehnte sich langsam im Schreibtischsessel zurück.