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Es war eine verdammte Sache. Dort unten in der Senke befanden sich drei Apachen, und vielleicht lag noch ein vierter irgendwo verborgen und beobachtete mich schon eine Weile. Doch das war noch nicht alles. Sie hatten eine Frau dort unten - und zwar eine weiße Frau.
Nun, was machten damals drei wilde Apachen mit einer weißen Frau im Arizona-Territorium? Sie hatten sie gewiss nicht aus Menschenfreundlichkeit am Leben gelassen, nachdem sie alle anderen Fahrgäste der Postkutsche ermordet und natürlich Kutscher und Begleitmann vom Bock geknallt hatten.
Es waren am Anfang auch mehr Apachen gewesen, fast ein Dutzend. Nun, die drei überlebenden Hombres der Horde hatten also die Frau dort unten und rissen ihr die Kleider vom Leib. Was kommen sollte, war für alle Beteiligten klar - sehr klar.
Aber dann staunten die drei roten Hombres doch etwas. Es war gewiss nicht nur die makellose Schönheit der Frau, die da nackt vor ihnen stand. Es war noch etwas anderes: Mut, Stolz! Ja, dies ging von ihr aus. Das war es ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Hannagans Chance
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0094-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Hannagans Chance
Es war eine verdammte Sache. Dort unten in der Senke befanden sich drei Apachen, und vielleicht lag noch ein vierter irgendwo verborgen und beobachtete mich schon eine Weile. Doch das war noch nicht alles. Sie hatten eine Frau dort unten – und zwar eine weiße Frau.
Nun, was machten damals drei wilde Apachen mit einer weißen Frau im Arizona-Territorium? Sie hatten sie gewiss nicht aus Menschenfreundlichkeit am Leben gelassen, nachdem sie alle anderen Fahrgäste der Postkutsche ermordet und natürlich Kutscher und Begleitmann vom Bock geknallt hatten.
Es waren am Anfang auch mehr Apachen gewesen, fast ein Dutzend. Nun, die drei überlebenden Hombres der Horde hatten also die Frau dort unten und rissen ihr die Kleider vom Leib. Was kommen sollte, war für alle Beteiligten klar – sehr klar.
Aber dann staunten die drei roten Hombres doch etwas. Es war gewiss nicht nur die makellose Schönheit der Frau, die da nackt vor ihnen stand. Es war noch etwas anderes: Mut, Stolz! Ja, dies ging von ihr aus. Das war es …
Auch ich staunte über die Frau dort unten.
Was hatte sie für eine Lebenskraft! Jawohl, so musste man es sehen, nicht anders. Sie war dabei, sich in das unabwendbare Schicksal zu fügen und das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Sie wartete – und sie wartete stolz und mutig.
Einer setzte sich auf die Frau zu in Bewegung.
Und ich war vielleicht ein Narr, dass ich mich einkaufte in dieses verdammte Spiel. Jawohl, ein Narr war ich! Obwohl mir daheim in Texas meine Mom einmal beibrachte, Frauen zu achten und zu beschützen, war ich dennoch ein Narr.
Denn drei Apachen – und vielleicht noch ein vierter irgendwo auf der Lauer –, das war keine Kleinigkeit. Drei oder vier Apachen konnten in diesem Land nicht nur mit einem Weißen, sondern manchmal sogar mit einem halben Dutzend zurechtkommen.
Mit meinem Gewehr konnte ich es nicht versuchen. Denn was nützte es schon, einen der drei Krieger zu erledigen? Die beiden anderen würden mir dann kein Ziel mehr bieten. Und wahrscheinlich würden sie die Frau töten, bevor sie selbst fortrennen oder Deckung finden konnte.
Nein, ich musste hinunter, dichter an sie heran.
Dann bekam ich mit meinem Colt eine Chance.
Ich ritt also hinunter und lockerte noch einmal meinen 44er Remington Army-Revolver.
Als die Apachen mich sahen, war ich schon bis auf zwanzig Yards heran. Sie waren eben doch zu sehr durch das nackte Mädel abgelenkt. Und es war vielleicht kein vierter Hombre ihrer Sorte vorhanden. Denn sonst hätte der längst auf mich geschossen oder sie vor mir gewarnt.
Sie wandten sich mir sofort zu und strebten auseinander.
Es war klar, dass sie mich einkreisen wollten wie drei Wölfe einen fetten Hammel.
Aber war ich kein Hammel. Denn ich, Otis Hannagan, war in diesem Land selbst ein Wolf – und ein narbiger dazu.
Ich hatte sie ein wenig damit geblufft, dass ich den Revolver noch im Holster trug. Vielleicht glaubten sie sogar einen Moment, dass ich kam, um zu verhandeln
Aber als ich dann meine Waffe schnappte, wussten sie Bescheid.
Dennoch überrumpelte meine Schnelligkeit sie. Ich schoss den ersten auf Anhieb von den Beinen.
Dann wurde es schwerer.
Denn nun bewegten sich die beiden anderen wie Wildkatzen. Seit Jahrhunderten lernten Apachen in diesem Land – vor allen Dingen in der Wüste – den deckungslosen Angriff.
Und diese beiden kamen von zwei Seiten.
Ich musste runter vom Pferd. Als ich geduckt am Boden landete, war der Bursche rechts von mir nur noch sechs Schritte entfernt. Er warf das Messer im selben Moment, als ihn meine dritte Kugel traf. Denn die zweite verschoss ich glatt. Das Messer flog mir zwischen Unterarm und Hüfte hindurch. Die Kugel konnte den Angreifer immer noch nicht aufhalten. Der Schwung seines Angriffs riss ihn bis zu mir, und er hatte ein zweites Messer hervorgeholt, das er nicht werfen, sondern aus dichtester Nähe in mich hineinstoßen wollte.
Er schaffte es nicht, denn ich ließ ihn an mir vorbeistolpern. Er fiel und konnte nicht mehr aufstehen. Jetzt endlich wirkte meine Kugel.
Der dritte Hombre kam um mein Pferd herum und schoss sofort mit seiner Schrotflinte. Ja, er hatte eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen und verkürztem Kolben. Es war ein höllisches Ding. Wahrscheinlich hatte er es kurz zuvor bei der Postkutsche erbeutet.
Aber er hatte einen Fehler gemacht, der mir wahrscheinlich das Leben rettete. Er hatte den Rückschlag einer solchen Waffe unterschätzt. Als er abdrückte, riss es den Lauf in die Höhe. Mich ritzten nur zwei oder drei Körnchen, und zwei schlugen richtig in mein Fleisch. Doch sie drangen nicht tief ein.
Ich traf den Burschen mit meiner vierundvierziger Kugel sehr viel gründlicher.
Und damit hatte ich eigentlich gewonnen – sollte man denken. Ich hatte noch zwei Kugeln in meinem Revolver. Und ich sah mich höllisch schnell nach einem vierten Hombre um.
Der Frau schenkte ich keinen Blick. Ich hatte noch eine Menge anderer Sorgen.
Aber es rührte sich nichts, gar nichts. Und dennoch hatte ich kein gutes Gefühl. Verdammt noch mal, wenn es irgendwo noch einen Roten gab, warum tat er nichts?
Ich sah immer noch fortwährend in die Runde. Diese Senke hier war wie eine Arena zwischen Tribünen. Die Apachen hatten hier mit dem Mädel ganz unter sich sein wollen. Aber so närrisch waren sie doch gewiss nicht, dass sie sich nicht vor Überraschungen sicherten.
Ich sagte: »Gehen Sie zu meinem Pferd! Sitzen sie auf! Und nehmen Sie das Gewehr aus dem Sattelschuh! Schnell!«
Sie gehorchte sofort, und sie versuchte nicht, mir klarzumachen, dass sie doch nackt wäre und erst ihre Blößen bedecken müsste. Sie war klug genug zu begreifen, dass es besser für sie war, die nackte Haut zu retten, als bekleidet zu sterben.
Dass ich sie zu meinem Pferd schickte, geschah deshalb, weil mein Wallach sie aufsitzen lassen würde. Und überdies fand sie ein Gewehr im Sattelfutteral.
Ich ging hinüber zu den anderen Tieren. Es waren eine Menge. Denn die Apachen hatten die Tiere ihrer gefallenen Vettern eingesammelt und auch drei von den sechs Postkutschenpferden lebend bekommen.
Ich schwang mich nach Apachenart auf einen zähen Pinto, der einen Armeesattel trug. Das Pferdebiest versuchte natürlich ein paar Tricks, aber ich hatte keinen Sinn für solche Scherze. Es ging zu sehr um meinen Skalp. Ich schlug dem Pinto die Faust zwischen die Ohren, und da kam er mit der Vorderhand schnell wieder auf den Boden und gehorchte meinem Schenkeldruck. Er wusste sofort, was die Glocke geschlagen hatte – und das sprach für seine Pferdeklugheit.
Ich folgte dem Mädchen, und die ganze Zeit hatte ich kein gutes Gefühl.
Und wahrhaftig, da kam auch schon was. Etwas knallte gegen meinen Kopf, und mir wurde schwarz vor Augen. Ich stürzte in völlige Dunkelheit.
☆
Als ich erwachte und gegen die sinkende Sonne blinzelte, glaubte ich zuerst, dass jemand meinen Kopf mit einer Keule zerschmettert hätte. Denn die Schmerzen waren schlimm.
Ich lag im Schatten. Um meinen Kopf hatte jemand ein nasses Tuch gelegt. Und auch meine anderen Wunden waren versorgt worden, leichte Fleischwunden, die höchstens etwas juckten – im Vergleich zu den höllischen Schmerzen in meinem Kopf.
Und dann war die Frau wieder bei mir. Sie beugte sich über mich. Inzwischen war sie auch nicht mehr nackt. Sie hatte sich mein grünes Reservehemd aus meiner Satteltasche geholt. Und da ich größer als sechs Fuß war und sie noch keine fünf Fuß maß, konnte sie mein Hemd wie ein kurzes Kleid tragen. Oh, das begriff ich sehr schnell, mochte mein Kopf auch noch so schlimm schmerzen. Mir fiel sogar auf, dass die Augen des Mädels vom gleichen Grün waren wie mein Hemd. Und sie hatte ihr vorhin noch loses Haar im Nacken zusammengebunden.
»Eh, war doch noch ein vierter Apache da – und wo ist er jetzt?«, fragte ich. Dann sah ich, dass sie den Revolver griffbereit neben mich gelegt hatte. Ich nahm die Waffe und bemerkte, dass sie frisch geladen war.
Dieses Mädel war tüchtig und kannte sich aus.
Indes beantwortete sie meine beiden Fragen mit den ruhigen Worten: »Ich erschoss ihn mit dem Gewehr, und es war gewiss ein Glückstreffer.«
Nun vergaß ich sogar für einige Atemzüge lang meine irrsinnigen Kopfschmerzen. Denn nun war mir klar, dass sie mir das Leben gerettet hatte. Der vierte Apache hatte mit seiner Kugel meinen Kopf nur gestreift. Natürlich war die Kugel wie ein Keulenschlag gewesen. Ich war vom Pferd gestürzt, und dann hatte der Apache sich auf den Weg zu mir gemacht. Er hatte die nackte Frau auf meinem Pferd unterschätzt.
Jedenfalls hatte sie ihn erledigt. Ich sah ihn etwa fünf Schritte neben mir halb hinter einem Busch verborgen bäuchlings am Boden liegen.
Dann blickte ich das Mädel wieder an.
»Gut gemacht, Schwester«, lobte ich. »Bist du in Ordnung?«
Sie nickte. »Vielen Dank«, sagte sie. »Es gibt nicht viele Weiße, die sich eingekauft hätten – ich meine, so allein gegen vier Apachen. Fast alle wären davongesaust. Danke, Mister.«
»Ich bin Hannagan, Otis Hannagan«, stellte ich mich vor. »Schon gehört, den Namen? Ja? Hoffentlich gehören Sie nicht zu den Menschen hier im Südwesten, die meinen Namen wie einen Fluch aussprechen.«
»Nein«, sagte sie. »Ich bin Virginia Highmaster – und ich habe Sie sogar schon einmal in Nogales kämpfen gesehen. Die Valispel-Brüder …«
»Ach ja«, warf ich ein, und sie hörte meiner Stimme an, dass ich mich nicht so gerne an diesen Revolverkampf erinnerte.
Ich setzte mich langsam. Und ich hielt mir mit beiden Händen den Kopf, denn dieser wollte jetzt wahrhaftig platzen wie ein morscher und zu voll gefüllter ausgehöhlter Kürbis.
Wie durch ein Wunder aber platzte er doch nicht, und es ging mir bald etwas besser. Ich konnte sogar wieder gleichmäßig atmen.
Mit Virginias Hilfe kam ich auch bald auf die Beine. Aber sie musste mich noch eine Weile halten. Ich schwankte wie ein Betrunkener. Die ganze Welt drehte sich um mich. Und wieder wollte mein armer Kopf bersten.
Verdammt, wie wollte ich auf mein Pferd kommen? Und wie sollte ich oben bleiben?
Dennoch mussten wir weg, nichts als weg.
Die kleine Apachenhorde, die sich hier an der Post- und Wagenstraße auf die Lauer legte, konnte zu einer größeren Bande gehören, die sich geteilt hatte. Wenn das so war, mussten wir vielleicht noch um unser Leben reiten.
Denn nach Concho waren es fast noch fünfzehn Meilen.
Und erst in Concho waren wir in Sicherheit.
Ich musste also in den Sattel, und wenn ich oben war, musste ich da bleiben, koste es, was es wolle.
Nun, Leute, irgendwie schaffte ich es mit Virginias Hilfe.
Wir sprachen kein Wort dabei – auch unterwegs nicht.
☆
Ein paar Meilen weiter – die Abenddämmerung kam schon – stießen wir auf das Aufgebot aus Concho, das nach der längst überfälligen Postkutsche suchte. Es waren nur ein Dutzend Reiter, die vom Postagenten geführt wurden.
Und dieser Postagent aus Concho fragte sofort: »Was ist mit dem Geldtransport? War keine Geldkiste in der Kutsche? Es müssten doch eine Menge Dollars mitgesandt worden sein.«
Ich schwieg. Denn mir schmerzte der Kopf viel zu sehr. Ich war froh, dass mein Pferd stillstand. Aber ich hörte Virginia Highmaster neben mir mit spröder und heiserer Stimme erklären: »Es war kein Geld in der Kutsche. Die Bank in Santa Cruz wurde gestern von einer Bande ausgeraubt. Man hatte also kein Geld mehr dort, um es nach Concho schicken zu können. Ich weiß das genau, denn ich komme von Santa Cruz. Eine Bande raubte sechzigtausend Dollar aus der Bank und entkam unerkannt. Die Kutsche wurde etwa sieben Meilen von hier von Apachen überfallen. Dieser Gentleman schoss die noch übrig gebliebenen Apachen zusammen, die sich mit mir noch einiges Vergnügen versprachen. Die Kutsche brannte aus. Sie werden jedoch die Leichen der anderen Fahrgäste begraben können. Es waren außer dem Fahrer und dem Begleitmann noch vier Männer und eine Frau. Sie bekam zufällig eine Kugel, denn sie kämpfte nicht und lag eigentlich immer nur am Boden der Kutsche.«
»Und Sie, Ma'am, Sie kämpften?«, fragte einer der Männer.
»Ich kämpfte«, erwiderte Virginia ruhig.
Ein Reiter war näher an mich herangeritten und hatte mich genauer betrachtet. Nun sagte er laut: »Das ist ja Hannagan, Otis Hannagan!«
Sie waren einige Sekunden lang still.
Dann sagte einer: »Aber er hat immerhin die letzten Apachen umgelegt und damit diese Lady gerettet. He, Hannagan, schaffen Sie es bis Concho?«
Ich sagte nichts, sondern ritt weiter.
Virginia folgte mir.
Wir ritten noch einige Meilen. Dann erreichten wir die Bonita-Quelle und hielten an. Ich steckte den Kopf ins Wasser, und das tat mir gut. Virginia wusch sich.
In zwei oder drei Stunden würde die Nacht verdammt kalt sein. Doch dann waren wir längst in Concho.
☆
Ich kannte die Stadt nur flüchtig. Ein- oder zweimal war ich hier durchgeritten, hatte in einem Store etwas gekauft oder in einem Saloon einen Drink genommen. Aber so flüchtig ich Concho auch kannte, ich wusste, es war ein mieses Nest, eine böse Burg, und hier hatten die Townwölfe das Heft in der Hand, nicht die Gemeinschaft der redlichen Bürger.
Als ich mit Virginia vor das Concho Hotel ritt, war sie so fertig, dass sie sich kaum noch im Sattel halten konnte. Sie bot einen jämmerlichen Anblick. Ich hatte ihr meine Decke gegeben, die sie wie einen Umhang trug.
Drinnen in der Halle hielt sich nur ein alter Mexikaner auf. Er sagte: »Mister Walker ritt mit dem Aufgebot. Aber ich vertrete ihn. Wir haben noch ein schönes Zimmer für Sie und die Lady.«
Er gab mir den Schlüssel. Ich sagte schon von der Treppe her zu ihm: »Hol den Doc her. Ihr habt doch einen Doc in Concho?« Ich sprach spanisch zu ihm.
»Sicher, Señor«, erwiderte er höflich, »doch auch der Doc ritt mit dem Aufgebot hinaus. Die Postkutsche ist nämlich schon überfällig. Und es kamen in den letzten Tagen immer wieder Meldungen über wilde Apachen. Eine schlimme Horde zieht wieder mal eine blutige Zickzackfährte durchs Land. Deshalb …«
Ich fluchte. Nun hatte Virginia nicht einmal die Hilfe eines Arztes. Nun musste ich sehen, was ich für sie tun konnte.
Und so sorgte ich dafür, dass sie alles bekam, was notwendig war. Ich ließ lauwarmes Wasser kommen, wusch sie. Inzwischen hatte mir der Mexikaner aus dem Store Puder geholt und einen Tee aufgebrüht. Ich puderte ihre verbrannte Haut. Wahrscheinlich würde sie Blasen bekommen.
Ich machte Virginia zum Schluss kalte Wadenwickel, die hoffentlich ihr Fieber herunterdrücken würden, und legte ihr ein kaltes Tuch auf die Stirn.
Dann war ich erledigt. Dass mein Kopf noch nicht geplatzt war, erschien mir wie ein Wunder. Ich legte mich vorsichtig auf das andere Bett, steckte meine noch gestiefelten und gespornten Füße zwischen die Gitterstäbe hinaus und schlief ein, wie von einem Hammer betäubt.
☆
Als ich erwachte, war es schon Tag, und mir ging es besser.
Die Streifwunde befand sich drei Fingerbreit über dem linken Ohr. Sie hatte nicht mehr geblutet. Als ich mich erhob, lag Virginia still da. Das Fieber war offenbar zurückgegangen. Sie schlief einen Schlaf der Genesung. Vielleicht würde sie nach all dem Schrecklichen noch einmal rund um die Uhr schlafen.
Ich betrachtete mich im Spiegel in der Waschecke – und ich sah einen etwas zu schrägäugigen Burschen, dessen Stoppelbart auf dem besten Weg zu einem richtigen Vollbart war.
Der Mexikaner hatte mein Gepäck heraufgebracht und die Pferde im Mietstall abgegeben.
Mir fiel ein, dass ich kaum noch Geld besaß. In meiner Tasche befanden sich weniger als fünf Dollar. Wenn Virginia auch morgen noch krank sein sollte, würde ich unseren Aufenthalt hier gar nicht mehr bezahlen können. Und sie brauchte ja auch Kleidung und noch ein paar Dinge mehr.
Die Postgesellschaft zahlte ihr nichts. Wer in dieser Zeit eine Überlandpost benutzte, tat es auf eigene Gefahr.
Ich rasierte mich und überlegte dabei, wie ich in dieser Stadt zu Geld kommen konnte. Denn ich fühlte mich für Virginia verantwortlich.
Zwei- oder dreimal seufzte sie im Schlaf, bewegte sich nur wenig und lag eigentlich ganz ruhig.
Es klopfte leise an der Tür. Ich öffnete und trat hinaus, um durch Sprechen die Schlafende nicht zu wecken. Mein Oberkörper war zwar nackt. Aber nackt fühlte ich mich nur ohne Colt. Den aber trug ich. Meine linke Gesichtshälfte war noch mit Schaum bedeckt.
Draußen standen der mexikanische Hotelbursche und drei alte Männer, deren faltige und stoppelbärtige Gesichter ernst und sorgenvoll wirkten.
Es waren offensichtlich Bürger der Stadt, Geschäftsleute oder Handwerker. Obwohl sie sich eigentlich nicht ähnlich sahen, glichen sie sich dennoch. In ihren alten Augen war etwas. Ihre Körper mochten steif und leistungsunfähig geworden sein, aber in ihrem Kern loderte noch das Feuer der alten Pioniere.
»Was soll's denn sein, Gentlemen?« So fragte ich und fügte hinzu: »Alles, was ich weiß, habe ich ihm schon erzählt.« Dabei deutete ich auf den alten Hotelburschen, von dem ich auch schon wusste, dass er Pedro Gonzales hieß.
Sie standen immer noch schweigend da und betrachteten mich prüfend mit ihren Oldtimer-Augen.
Dann begann einer: »Es war noch eine zweite Apachenbande in der Gegend. Sie wollte sich wohl mit jener, die den Überfall auf die Post verübt hatte, vereinigen. Und sie stieß dabei auf das Aufgebot, das die Toten bestattete. Die Apachen hatten wahrscheinlich schon herausgefunden, dass von ihrer anderen Bande niemand überlebt hatte, und deshalb fielen sie das Aufgebot besonders wild und wie ein Rudel Wölfe an.«
Ich nickte. Denn das konnte ich mir gut vorstellen. Ich begriff zugleich auch, dass Virginia und ich wahrhaftig eine Menge Glück gehabt hatten. Es war richtig von mir gewesen, dass wir uns trotz meiner höllischen Kopfschmerzen sofort auf den Weg gemacht hatten. Wir waren dieser zweiten Horde entkommen. Das Aufgebot aber war hineingeritten.
Ich fragte: »Hat das Aufgebot schlimme Verluste?«
Nun wirkten die drei alten Männer noch bekümmerter. Sie bekamen plötzlich faltige Hundegesichter, und jetzt wusste ich endlich, warum sie sich so ähnlich sahen, ohne sich in Wirklichkeit ähnlich zu sein. Es waren die Kummerfalten.
»Es kamen nur vier zurück«, murmelte einer der Alten, »und auch sie haben allerhand abbekommen. Einer hat unterwegs zu viel Blut verloren. Er wird es kaum schaffen. Auch den Doc erwischte es ziemlich übel. Wir stecken verdammt in der Klemme, Mister Hannagan.«
Er verstummte knirschend.
Ein anderer sagte: »Vielleicht können Sie sich ein Hemd überziehen. Mister Hannagan. Denn wir hätten Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
Ich dachte nach. Meine Gedanken eilten tausend Meilen in der Sekunde. Denn ich wusste ziemlich genau, in was für einer Klemme sich die Stadt nun befand.
Ein Aufgebot von einem Dutzend redlicher und entschlossener Männer war hinausgeritten – und zerschlagen worden, vernichtet, erledigt.
Deshalb gab es nun in Concho keine entschlossene Kraft mehr, die die Rechte der Redlichen und Rechtlichen vertrat. Die Gemeinschaft der Friedfertigen war schutzlos geworden.
Und in dieser Stadt lauerten Böse jeder Sorte. Sie lebten hier oder kamen und gingen. Gegen sie gab es von jetzt an keine Gegenkraft mehr. Also würden sie hier das Heft an sich reißen. Concho war ohnehin schon ein mieses Nest gewesen. Und dennoch hatte ein gewisses Maß an Sicherheit und Rechtlichkeit geherrscht. Aber jetzt würde alles anders werden.