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Sie sind schon ein seltsames Quartett, die vier Männer - der junge, verwegene Johnny Warlok, der Mexikaner Paco Hernandez, der Texaner Jim Fletcher und - Cass Longdale, der Yankee-Captain mit Sonderauftrag. Yeah, Cass soll tausend Pferde stehlen, um damit den Rebs eine entscheidende Schlappe beizubringen.
Doch das kann er nur mithilfe von Johnny Warlok, den er vor dem Galgen bewahrt hat, und mit der Unterstützung von Paco Hernandez und Jim Fletcher, die er mit dem Versprechen auf lohnende Beute von den heimischen Fleischtöpfen weglockte.
Als sie am späten Nachmittag in Richtung Nogales reiten, stellen sie schon bald fest, dass ihnen ein Reiter folgt. Der Reiter ist ein froschgesichtiger Bursche, noch jung, mit fast farblos wirkenden Haaren, die ihm bis auf die Schultern fallen, und trotzig blickenden Augen.
»He, Jube«, fragt Johnny Warlok, »warum reitest du hinter uns her? Du bist doch Jube Perrit, mit dessen großem Bruder ich manchmal ritt? Der hatte auch so ein Froschgesicht und bekam dennoch fast jedes Girl. Wo ist er denn jetzt?«
»In der Hölle«, erwidert Jube Perrit, und seine Stimme klingt belegt und heiser. »Ein Ehemann erwischte ihn beim Hinausklettern aus dem Fenster. Er stieß die Leiter um, und so brach sich mein großer Bruder den Hals. Er kam bestimmt nicht in den Himmel. Darf ich mit euch reiten?«
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Pferdediebe
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0509-7
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Pferdediebe
Sie sind schon ein seltsames Quartett, die vier Männer – der junge, verwegene Johnny Warlok, der Mexikaner Paco Hernandez, der Texaner Jim Fletcher und – Cass Longdale, der Yankee-Captain mit Sonderauftrag. Yeah, Cass soll tausend Pferde stehlen, um damit den Rebs eine entscheidende Schlappe beizubringen.
Doch das kann er nur mithilfe von Johnny Warlok, den er vor dem Galgen bewahrt hat, und mit der Unterstützung von Paco Hernandez und Jim Fletcher, die er mit dem Versprechen auf lohnende Beute von den heimischen Fleischtöpfen weglockte.
Als sie am späten Nachmittag in Richtung Nogales reiten, stellen sie schon bald fest, dass ihnen ein Reiter folgt. Der Reiter ist ein froschgesichtiger Bursche, noch jung, mit fast farblos wirkenden Haaren, die ihm bis auf die Schultern fallen, und trotzig blickenden Augen.
»He, Jube«, fragt Johnny Warlok, »warum reitest du hinter uns her? Du bist doch Jube Perrit, mit dessen großem Bruder ich manchmal ritt? Der hatte auch so ein Froschgesicht und bekam dennoch fast jedes Girl. Wo ist er denn jetzt?«
»In der Hölle«, erwidert Jube Perrit, und seine Stimme klingt belegt und heiser. »Ein Ehemann erwischte ihn beim Hinausklettern aus dem Fenster. Er stieß die Leiter um, und so brach sich mein großer Bruder den Hals. Er kam bestimmt nicht in den Himmel. Darf ich mit euch reiten?«
Er stellt die Frage ganz wie ein Junge, der schon zu groß und zu stolz ist, um zu betteln.
Johnny Warlok lacht leise, und auch Jim Fletcher und Paco Hernandez grinsen.
»Junge, du willst schon mit Männern reiten?«, fragt Johnny Warlok mit einer Spur von Nachsicht in der Stimme.
Da wird der froschgesichtige Junge richtig wild und giftig. Er richtet sich vor Stolz noch gerader auf im Sattel.
»Ich kann besser …«, beginnt er, beißt sich dann auf die Lippen und fügt sehr viel ruhiger und zugleich auch beherrschter hinzu: »Ich bin besser mit dem Colt, mit dem Lasso und auf einer Fährte als mein Bruder. Ich weiß, dass ein Johnny Warlok keine kleine Sache vorhat, wenn er mit Männern wie Mister Fletcher und Señor Hernandez reitet. Und dieser Mister sieht auch nicht unbedeutend aus. Nehmt mich mit!«
Er fordert es stolz.
Die Männer zögern. Sie betrachten ihn kritisch.
Dann schüttelt Johnny Warlok den Kopf. Er verständigt sich mit Cass Longdale durch einen kurzen Blick.
Dann grinst er Hernandez und Fletcher an.
Aber dann geschieht es.
Johnny Warlok stößt einen Pumaschrei aus. Es ist ein gemeiner Schrei, ein Kreischen, welches jedes Lebewesen sofort erschreckt. Dieser Schrei eines angreifenden Pumas ist wahrhaftig markerschütternd.
Und so explodieren die Pferde auch sofort. Man kann es nur mit »explodieren« bezeichnen, so sehr gehen sie hoch, krümmen den Rücken und keilen dann nach allen Seiten aus, als kämen mehrere Pumas angesprungen.
Doch vier der Reiter bleiben dennoch in den Sätteln – nur Jubal Perrit fliegt zu Boden. Sein Pferd rast davon – es wird viele Meilen laufen.
Die vier Reiter aber haben noch eine ganze Weile zu tun, bis sie ihre Pferde unter Kontrolle haben. Der ganze Platz, auf dem dies geschieht, wird im Staubwirbel unsichtbar.
Erst nach einer Weile hat sich alles beruhigt, lichtet sich auch der Staub.
Der Junge steht mit gesenktem Kopf da. Wahrhaftig, er schämt sich.
Die vier Reiter betrachten ihn ernst.
Johnny Warlok sagt fast sanft: »Siehst du, Jube, das ist der Unterschied. Muss ich ihn dir noch erklären?«
»Nein, Sir«, erwidert Jube Perrit.
Dann wendet er sich ab und folgt der Fährte seines Pferdes.
Er wird ihr viele Meilen weit folgen müssen.
Sie sehen ihm nach.
»Diese Jungs …«, murmelt Johnny Warlok. »Ich war auch mal so. Die können es nicht erwarten, sich einen Kriegsnamen zu schaffen.«
Niemand erwidert etwas.
Sie reiten schweigend weiter.
Erst nach einer Weile sagt Jim Fletcher: »Es war ja auch ziemlich gemein von dir, Johnny. Auch ich wäre fast vom Pferd gefallen, obwohl ich die meisten deiner Tricks kenne.«
☆
Natürlich halten sie sich fern vom Wagenweg. Immerhin wird Johnny Warlok ja gesucht. Er möchte verhindern, dass man ihn zu oft erkennt auf dem Weg nach Süden. Es sind ja immer noch tausend Dollar Kopfpreis auf ihn ausgesetzt.
Sie folgen also verborgenen Pfaden und halten sich in Deckung der Hügel und Canyons.
Dieses Land hier ist einsam und gefährlich.
Seitdem die Truppen abgezogen wurden, um auf den Kriegsschauplätzen des Bürgerkrieges zu kämpfen, ist die Zivilbevölkerung auf sich selbst angewiesen. Aber die wahren Herren des weiten Landes sind die Apachen.
Die Städte und Ortschaften wurden zu Inseln. So manche Straße wird von den Apachen gesperrt. Man hat Prämien auf Apachenskalpe ausgesetzt. Die Stadt Tucson zum Beispiel zahlt gute Preise dafür.
Die vier Männer beziehen nach Anbruch der Nacht ein geschütztes Camp.
Nach Mitternacht beginnt für Johnny Warlok die Wache.
Etwa zwei Stunden nach Mitternacht hören sie ihn fluchen, und er schießt mehrmals in die Nacht hinein. Der Hufschlag von Pferden entfernt sich.
Es sind Pferde, die gestohlen wurden – jawohl, ihre eigenen Tiere.
Sie fluchen nicht mehr, aber sie ersticken fast an ihrem Grimm. Und Jim Fletcher knirscht heiser, so, als spürte er Bauchschmerzen: »Das gibt es doch nicht. Wir sind doch erfahrene Pferdediebe, die einem großen Banditen tausend Pferde stehlen wollten. Ich sagte wollten! Denn daraus wird wohl nichts mehr. Pferdediebe, die sich ihre eigenen Tiere stehlen lassen, können einpacken. Oder etwa nicht?«
Sie knirschen nur als Antwort.
Ja, sie schämen sich. Johnny Warlok aber, der ja Wache hatte, sagt gar nichts. Er bringt kein Wort heraus.
Doch er lädt seinen Colt nach, mit dem er in die Nacht feuerte. Da er aber gewiss nicht auf ihre Pferde schoss, muss er die Pferdediebe gesehen haben.
Deshalb fragt Paco Hernandez: »Apachen?«
»Nein«, knirscht Johnny Warlok, »keine Apachen. Ich sah nur einen einzigen Burschen im Mondlicht, als er die Pferde vor sich her aus dem Canyon auf die Ebene jagte und deshalb den Schatten verlassen musste. Ich war ihm ja ein Stück hinterhergelaufen, diesem Hundesohn. Aaah, ich glaube, es war dieses Froschgesicht, dieser Jube Perrit.«
Er heult fast, so sehr ist er zerknirscht. Aber bevor sie noch etwas sagen können, tönt eine Stimme durch die Nacht.
»Hoiii! Hört ihr mich?«
»Das ist er«, sagt Cass Longdale feierlich. »Und er ist wahrhaftig der beste Pferdedieb von uns allen.«
Nach diesen leise gesprochenen Worten lässt er seine Stimme tönen: »Ja, mein Junge, wir hören dich!«
»Ich bin nicht Ihr Junge, Mister! Ihr habt mich vier Meilen laufen lassen, bis ich endlich wieder mein Pferd fand. Ihr habt mich mit einem miesen Trick reingelegt und vier Meilen laufen lassen. Ihr müsst fünf Meilen laufen. Denn so weit ist es bis zur nächsten Relaisstation der Postlinie. Dorthin bringe ich eure Pferde. Und hoffentlich habt ihr begriffen, dass ich kein schlechter Partner gewesen wäre für euch!«
Als er die letzten Worte ruft, hört man deutlich den verletzten Stolz in seiner Stimme.
Die vier Männer aber sagen nichts mehr.
Es gibt nichts mehr zu sagen für sie. Und auch Flüche würden nichts ändern. Sie müssen laufen.
☆
Als sie drei Meilen gelaufen sind, hören sie Schüsse. Es ist inzwischen schon grauer Morgen.
Sie halten inne, lauschen, und sie haben längst schon den Wagenweg nach Nogales erreicht, an dem ja die Relaisstation liegt.
Nach einer Weile sagt Paco Hernandez knapp: »Apachen.«
Johnny Warlok und Jim Fletcher nicken sofort.
Aber auch Cass Longdale ist der gleichen Meinung, obwohl er sich in diesem Land nicht so gut auskennt wie die drei anderen Männer.
»Sie haben die Station angegriffen«, sagt Johnny Warlok. »Und wenn der Junge vorher unsere Pferde dort abgegeben hat …«
Er spricht nicht weiter. Denn das wäre nur unnütze Wortverschwendung.
Jeder der anderen Männer weiß, dass sie verdammt viele Meilen werden laufen müssen, wenn es ihnen nicht gelingt, die Apachen zu vertreiben, bevor diese die Station klein gemacht haben. Sie sehen sich an. Und es ist bezeichnend für sie, dass sie jetzt gar keine Worte mehr reden müssen, um sich über ihr Tun zu verständigen.
Für sie ist alles selbstverständlich.
Sie verlassen sofort wieder die Wagenstraße und laufen zu den Hügeln hinüber. Das kostet sie zwar eine Viertelmeile, doch sie bewegen sich nun in guter Deckung vorwärts.
Nun erst zeigt es sich, was in ihnen steckt. Obwohl sie schon mehr als drei Meilen liefen und dies als Reiter wahrhaftig nicht gewöhnt sind, traben sie jetzt wie die Apachen. Wer diese vier Männer so trotten sieht, der muss unwillkürlich an vier Wölfe denken, die sich auf einer heißen Fährte befinden.
Immer wieder hören sie Schüsse.
Es sind drei Waffen, welche immer wieder krachen, nämlich ein Colt, eine Schrotflinte und ein Büffelgewehr.
Es müssen die Waffen der Verteidiger sein.
Sie bekommen dann endlich von halber Hügelhöhe aus Sicht auf die Station.
Diese liegt am Rand des Wagenweges. Es gibt außer dem Haupthaus nur noch einen Schuppen, einen Stall, eine halb offene Schmiede und ein paar Corrals. In der Nähe gibt es noch ein Maisfeld.
Beim Brunnen liegt ein Mann. Er ist tot. Man kann den Pfeil sehen, der aus seinem Rücken ragt.
Zwischen dem Brunnen und dem Haus steht die Postkutsche. Ihr Gespann war schon ausgespannt worden. Es befindet sich mit anderen Pferden in den Corrals. Dort bei den Corrals liegen auch weitere Tote.
Die Apachen müssen lautlos angegriffen haben zwischen Nacht und Tag, nachdem die Postkutsche angekommen war und das Gespann wechseln wollte.
Sie konnten die meisten Leute dort auf der Station, bei der Kutsche und den Corrals mit ihren Pfeilen erledigen.
Nun zünden sie die Kutsche an, in deren Deckung sie sich hielten, sodass die Kugeln, die aus dem Haus auf sie abgefeuert werden, wenig Schaden unter ihnen anrichteten.
Es sind kaum mehr als zehn Apachen.
Die vier Männer auf dem Hügel sehen sich an.
»Auf was warten wir noch?«, fragt Johnny Warlok trocken. Niemand erwidert etwas.
Aber sie machen sich auf den Weg.
Und sie gehen nun ganz offen den Hügel hinunter und auf die Station zu.
Der Rauch gibt ihnen vorerst Deckung.
Dann aber dreht sich der leichte Wind etwas.
Sie werden für die Apachen sichtbar.
Ein schriller, wilder, böser Schrei tönt. Es ist mehr als nur ein Warnschrei. Nein, dies ist die Aufforderung zum Angriff.
Die Apachen wollen sich die Beute nicht mehr entreißen lassen. Sie haben die Postkutsche und das Haus in Brand gesetzt. Die meisten der Weißen sind bereits tot.
Reiche Beute war ihnen schon sicher – Waffen, Munition, Pferde und Proviant.
Und dass die vier Weißen da so offen und furchtlos den Hügel herunterkommen, dies verstehen die Apachen sofort als Herausforderung.
Die vier Weißen dort wollen den offenen Kampf.
Nun, den können sie haben.
Und so ist dieser wilde und böse Schrei für sie alle ein Signal. Sie nehmen ihn auf, erwidern ihn.
Dann stürmen sie den vier Weißen entgegen. Aber als sie endlich erkennen, in was sie hineinrennen, ist es zu spät. Denn sie rennen in das Feuer von vier Revolvermännern. Und es handelt sich nicht um zweit- oder gar drittklassige Revolverschwinger, nein, um Große dieser Gilde.
Sie rennen hinein in den Kugelhagel aus vier Colts. Und fast jede Kugel trifft, obwohl laufende und springende Apachen fast so schwer wie Wölfe oder Wildkatzen zu treffen sind.
Sie haben keine Chance.
Dann ist es vorbei.
Von den Weißen ist keiner ernsthaft verletzt.
Sie gehen weiter den Hang abwärts.
Der Rauch wird vom leichten Wind überallhin getrieben. Die Flammen schießen hoch. Kutsche, Haus und Schuppen brennen lichterloh.
Nur die Scheune wurde verschont, um die Pferde in den Corrals nicht zu sehr zu beunruhigen. Dennoch sind die Tiere dort nervös.
Beim Brunnen bemühen sich zwei Gestalten um eine dritte, die an der Brunnenmauer lehnt.
Die vier Revolvermänner treten hinzu.
Denn sie sehen Jube Perrit.
Aber sie staunen nicht so sehr über ihn, sondern über die Frau an seiner Seite. Jube und diese Frau bemühen sich um einen alten Mann, den es ziemlich schlimm erwischt hat. Sie lassen ihn trinken, waschen ihm das bärtige Gesicht.
Er öffnet noch einmal die Augen und murmelt: »Es ist gleich vorbei. Nur noch ein paar Atemzüge. Habt Dank.« Sein Blick richtet sich nun auf die vier Revolvermänner. »Um das Girl und den Jungen wäre es schade gewesen«, sagt er noch. Dann schließt er die Augen und erschlafft. Er ist tot. Ein Pfeil ragt aus seinem Bauch.
»Der war gut«, sagt Jube Perrit. »Der hat bis zuletzt mit der Büffelflinte geschossen, und der Rückstoß der Waffe war schlimm für ihn, weil er doch den Pfeil im Bauch hatte. He, was werdet ihr denn mit mir machen?«
Sie betrachten ihn und erkennen, dass er nicht betteln wird. Wahrscheinlich hat er Furcht. Jeder Mann an seiner Stelle hätte Furcht. Doch er zeigt sie nicht.
»Mein Colt ist leer«, grinst er. »Ich habe meine letzte Kugel verschossen. Doch wenn ich noch eine hätte, würde ich mich mit dem besten Schützen von euch messen. Das könnt ihr mir glauben.«
Sie starren ihn immer noch an. Dann murmelt Jim Fletcher: »In dem haben wir uns wohl ein wenig getäuscht, nicht wahr?«
Und Paco Hernandez grinst sogar, wenn auch etwas grimmig und bitter.
»Schließlich hat er unserem guten Johnny die Pferde stehlen können«, spricht er dann. »Und dazu gehört schon was. Der muss in seinem früheren Leben ein Pferd gewesen sein. Dabei sieht er aus wie ein Frosch.«
Sie blicken nun alle auf Johnny Warlok.
Dieser starrt Jubal Perrit eine Weile an.
Aber Jubal hält seinem Blick stand, wartet ruhig, ja fast stolz.
Endlich grinst Johnny Warlok. Er deutet mit dem Daumen auf Cass Longdale.
»Er ist der Boss«, sagt er. »Aber ich hätte nichts mehr dagegen, mein Junge, dass du mit uns reitest. Du hast uns dein Zeichen eingebrannt. Das war notwendig, weil wir dich unterschätzten und du uns dies klarmachen musstest. Doch von nun an sei vorsichtig. Verstehst du?«
»Genau«, nickt der Junge. »Ich wollte euch nur zeigen, dass ich nicht schlechter bin als ihr. Dass ich bei euch nur der fünfte Mann sein werde, ist mir völlig klar. Mehr steht mir auch nicht zu.«
»Er redet ganz vernünftig«, wendet sich Johnny Warlok an Cass Longdale.
»Und er reitet mit uns!« Longdale nickt Jubal Perrit zu.
Weil sie nun endlich fertig sind mit ihren eigenen Problemen, wenden sie sich anderen zu. Und sie begreifen sofort, dass da einiges auf sie zukommt. Denn da ist dieses Mädchen.
Sie sitzt halb auf dem Brunnenrand, wahrscheinlich deshalb, weil ihr die Beine noch zu sehr zittern.
Sie sieht sie unbeweglich an. Nur einmal leckt sie sich über die Lippen, so, als wollte sie etwas sagen. Doch sie lässt es sein und wartet.
Ja, sie ist mehr als hübsch. Auf eine rassige und eigenwillige Art ist sie fast schön, auf jeden Fall jedoch mehr als nur reizvoll.
Sie hat gewiss mit der Schrotflinte gekämpft. Ihr Gesicht ist vom Pulverrauch geschwärzt. Aber ihre grünen Augen blitzen, verraten Energie, Lebenskraft, Selbstvertrauen.
Cass Longdale ist es, der schließlich fragt: »Sind Sie in Ordnung, Schwester?«
Sie nickt. Dann wendet sie den Kopf, weil nun die brennende Postkutsche zusammenbricht. Eine Eisenkiste fällt dabei aus dem hinteren Gepäckfach.
»Vielleicht können Sie diese Kiste etwas aus dem Feuer ziehen«, spricht sie. »Da ist nämlich meine große Aussteuer drin – Geschirr, Glaszeug und dergleichen Dinge. Es ist zwar alles sorgfältig verpackt und verträgt gewiss auch einen Sturz. Doch wenn die Eisenkiste zu heiß wird …«
Sie staunen über ihre sachlichen Worte.
Dann nickt Johnny Warlok. Er geht hin, hält einen Arm schützend vor das Gesicht wegen der Flammen. Mit der anderen Hand, an der er noch seinen Reithandschuh trägt, ergreift er die Kiste an einem der eisernen Tragegriffe und zieht sie einige Schritte weit aus der Gefahrenzone.
»Na, die ist aber schwer«, sagt er dann, wieder näher tretend.
»Porzellan, Glas, Zinn und dergleichen sind schwer«, erwidert die junge Frau. »Ich muss mich sehr bei Ihnen bedanken, Gentlemen – und bei diesem jungen Mann. Der sprang plötzlich herein und warnte uns, die wir vorerst als Einzige im Haus waren. Ich bedanke mich sehr. Und ich hoffe, dass Sie mich mit nach Nogales nehmen werden.«
☆
Sie können erst gegen Mittag weiter nach Nogales. Sie mussten die Toten begraben und eine Menge anderer Dinge erledigen.
Nun treiben sie alle Pferde der Station mit. Denn wahrscheinlich werden sie jetzt schon von den Apachen beobachtet. Ein solches Rudel wie dieses hier streift selten allein durch das Land. Es hält stets Verbindung zu anderen Rudeln.
Sie lassen nichts zurück, was den Apachen nützlich sein könnte. Auf einem der Pferde transportieren sie die Kiste mit der Aussteuer der jungen Frau.
Ginger Lane heißt sie – und sie sagt ihnen, dass sie unterwegs ist, um zu heiraten. Deshalb ist ihr auch die Kiste mit der Aussteuer so wichtig, denn es handelt sich vor allen Dingen um Erbstücke ihrer Vorfahren.
Es sind gut zwanzig Meilen bis Nogales.
☆
Als es dunkel wird, sind die Lichter der Stadt vor ihnen.
Es stellt sich heraus, dass auch Ginger Lane auf die andere Seite will, also in den mexikanischen Teil der Stadt jenseits der Grenze.
Sie geben die Pferde der Postlinie beim Wagenhof ab. Dort stellt man gerade ein Aufgebot zusammen, welches nach der überfälligen Postkutsche sehen soll.
Paco Hernandez und Jim Fletcher schildern den Leuten alles. Cass Longdale und vor allen Dingen Johnny Warlok halten sich zurück.
Jubal Perrit aber ist mit Ginger Lane schon weitergeritten. Denn Ginger Lane ist am Ende ihrer Kraft und verlangt, so schnell wie möglich in ein Hotel gebracht zu werden.