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Diese Mary Pulaski hatte ich zuerst für ein ganz harmloses und unschuldiges Ding gehalten. Doch als ich sie in Abwesenheit ihrer vier Brüder besuchte, da ließ sie mich schnell begreifen, wie sehr ich mich getäuscht hatte.
Denn sie bekam mich ziemlich schnell herum, mich, Jonas Oatland, der nicht besonders viel taugte, der ein Satteltramp war - und der auch schon Pferde gestohlen hatte.
Es gab also kaum etwas, auf das ich stolz sein konnte. Nur bei den Frauen hatte ich stets Glück. Und so auch bei Mary Pulaski.
Sie ließ mich nicht mal in Ruhe den Kuchen essen, den sie mir in der Stadt versprochen hatte, wenn ich sie mal besuchen sollte. Na, es war also recht angenehm und erregend für einen Burschen wie mich. Und ich will auch gar nicht genauer beschreiben, was wir so alles trieben. Denn das gehört sich nicht für einen halbwegs fairen Burschen.
Aber ich muss ja irgendwie mit meiner Geschichte beginnen. Und zum Anfang gehört nun mal, dass die vier Brüder von Mary früher als erwartet von der Weide heimkehrten.
Ja, damit begann alles, was zu erzählen wäre ...
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Man Killer
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0511-0
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Man Killer
Diese Mary Pulaski hatte ich zuerst für ein ganz harmloses und unschuldiges Ding gehalten. Doch als ich sie in Abwesenheit ihrer vier Brüder besuchte, da ließ sie mich schnell begreifen, wie sehr ich mich getäuscht hatte.
Denn sie bekam mich ziemlich schnell herum, mich, Jonas Oatland, der nicht besonders viel taugte, der ein Satteltramp war – und der auch schon Pferde gestohlen hatte.
Es gab also kaum etwas, auf das ich stolz sein konnte. Nur bei den Frauen hatte ich stets Glück. Und so auch bei Mary Pulaski.
Sie ließ mich nicht mal in Ruhe den Kuchen essen, den sie mir in der Stadt versprochen hatte, wenn ich sie mal besuchen sollte. Na, es war also recht angenehm und erregend für einen Burschen wie mich. Und ich will auch gar nicht genauer beschreiben, was wir so alles trieben. Denn das gehört sich nicht für einen halbwegs fairen Burschen.
Aber ich muss ja irgendwie mit meiner Geschichte beginnen. Und zum Anfang gehört nun mal, dass die vier Brüder von Mary früher als erwartet von der Weide heimkehrten.
Ja, damit begann alles, was zu erzählen wäre ...
Ich sprang aus dem Hinterfenster. In der linken Hand hielt ich meine Stiefel, an denen ein paar prächtige silberne Sporen befestigt waren. Meinen Waffengurt mit dem Colt hatte ich mir um den Hals gehängt. Und die rechte Hand brauchte ich, um das Fenster zu öffnen und mich draußen aus dem oberen Stockwerk zu zwängen. Denn das Fenster war nicht sehr groß für einen Burschen wie mich, der immerhin im Unterzeug hundertachtzig Pfund auf die Waage brachte.
Die feurige Mary warf mir meine Hosen nach – also Unterhose und die seriöse obere Hose mit den abgewetzten Chaps darüber.
Sie warf diese für mich so notwendigen Dinge eilig hinaus. Wahrscheinlich wollte sie sich selbst in Ordnung bringen und dann ihren vier Brüdern die Treppe hinunter entgegeneilen.
Meine Hosen fielen leider nicht zu mir nieder, obwohl ich unten sehnsüchtig darauf wartete und verlangend die langen Arme und Hände nach ihnen ausstreckte.
Die Hosen – also Unterhose, Oberhose und Chaps – blieben an einer der heraushängenden Holzschindeln des schrägen Daches hängen. Ich sah sofort, dass da nichts mehr zu machen war. Ich hätte mir eine Leiter holen und hinaufklettern müssen. Aber das ging nicht mehr, denn oben schaute jetzt Bill Pulaski zum Fenster heraus und auf mich nieder.
»Komm wieder rein«, sagte er grollend. »Das ist nicht schön von dir – erst unsere kleine Schwester entehren und dann sich wegschleichen wollen. Das geht so nicht. Denn wir sind eine ehrenwerte Familie. Also komm unten wieder herein, damit wir alles besprechen können.«
Ich nickte und sagte: »Dann wirf mal meine Hosen herunter. Du willst doch wohl nicht, dass ich mich euch im Hemd zeige?«
»Doch«, sagte er, »das will ich. Komm herein, damit wir alles genau besprechen und regeln können.«
Für mich war die Sache völlig klar. Die vier Pulaski-Brüder wollten ihre kleine Schwester unbedingt unter die Haube bringen. Sie wollten nicht länger in der Angst leben, dass sie ein Kind bekam und keinen Vater dafür vorweisen konnte.
Denn nach all den Erfahrungen, die ich in den letzten Stunden mit der lieben Mary gemacht hatte, war ich nur einer in einer langen Reihe. Und das hatten ihre Brüder wohl endlich auch gemerkt.
Bill Pulaski wollte mir meine Hose also nicht niederwerfen. Er wollte, dass ich im Hemd vor ihn und seine Brüder trat.
Nun, ich war ein stolzer Bursche.
Es fiel mir schwer, so im Hemd die Flucht zu ergreifen.
Doch es war immer noch besser, als im Hemd vor die vier Pulaskis zu treten und kleine Brötchen zu backen. Sie hätten mich irgendwie schon dazu gebracht, um die Hand ihrer Schwester anzuhalten. Und wenn sie mich vorher grün und blau und krumm und schief geschlagen hätten.
Ich brachte die Scheunenecke als Deckung zwischen mich und Bill. Denn ich wusste, dass er versuchen würde, mir ins Bein zu schießen.
Hinter der Scheune stand mein Pferd.
Ich saß bald mit dem nackten Hintern im Sattel und fluchte so bitter und böse über mein Pech, dass mein guter Red sofort losstob wie eine erschrockene Katze.
Bis zur nächsten Stadt war es ziemlich weit. Es gab auch noch eine Station der Postlinie in der Nähe, zu der ein kleiner Store und ein Gasthaus gehörten.
Doch weder zur Station noch in die nächste Stadt konnte ich mich wagen. Denn die Pulaski-Brüder konnten sich natürlich ausrechnen, dass ich eine neue Hose brauchte – zumindest eine. Und sie würden dorthin reiten, wohin ich einer solchen Hose wegen ebenfalls hinreiten könnte.
Ich ritt schnurgerade auf die Pferdewechselstation der Postlinie zu. Die Pulaski-Brüder mussten denken, dass ich zu dem kleinen Store dort wollte. Es waren etwa sieben Meilen bis dorthin.
Nachdem ich drei Meilen geritten war, wurde es Nacht. Als ich sicher war, dass sie meine Fährte nicht mehr erkennen konnten und nur noch dorthin reiten würden, wo ich ihrer Meinung nach eine Hose haben wollte, schlug ich einen Bogen und verhielt dann im Schatten einiger Felsen und hohen Büsche.
Ich brauchte nicht lange zu warten, dann hörte ich ihren Hufschlag. Mit meinem geübten Ohr konnte ich auch hören, dass es tatsächlich vier Reiter waren, die da drüben in der Nacht ihre Pferde antrieben.
Ich pfiff zufrieden vor mich hin.
Und dann machte ich mich auf den Rückweg zu Mary – oder ehrlicher gesagt, ich machte mich auf den Weg zu meinen Beinkleidern.
Für Mary fühlte ich gar nichts mehr. Das war kein Wunder, hatte ich doch ständig ihre vier Brüder im Sinn und auch die Gefahren, die von ihnen gegen mich ausgingen. Das konnte auch den hitzigsten Burschen abkühlen.
Als ich vor dem Ranchhaus der Pulaskis ankam, war die Tür verschlossen. Doch oben brannte Licht.
Ich rief nach Mary. Sie öffnete oben das Fenster und sah herunter.
»Ich bin’s nur«, sagte ich. »Nur dein lieber Jones Oatland ist hier unten. Liebes, wirf mir doch meine Hosen herunter, ja?«
»Die hat Bill mitgenommen«, sagte sie, und ihre Stimme klang gar nicht besonders lieb, eher schnippisch und böse. »Du hättest ja nicht wegzulaufen brauchen, nachdem nun schon mal alles entdeckt war und Bill dich erkannt hatte. Du hättest mich nicht allein lassen dürfen, sondern zu mir halten müssen.«
Ihre Stimme wurde anklagend und schrill.
»Gib mir eine Hose deiner Brüder«, verlangte ich. »Gib mir die von Bac. Der ist fast von meiner Statur. Die wird mir passen. Weißt du, Mary, ein Mann ohne Hosen fühlt sich verdammt jämmerlich und elend. Hilf mir also barmherzig aus der Not, mein Augenstern.«
»Komm herein«, sagte sie. »Ich werde Kaffee kochen. Es ist noch eine Menge Kuchen da, den ich eigentlich nur für dich gebacken habe. Meine Brüder werden dich überall suchen, nur nicht hier.«
Sie kicherte. Ihre Stimme klang plötzlich nicht mehr böse und schnippisch, sondern hatte wieder jenen samtenen und betörenden Klang, der selbst eine harte Eiche weich machen konnte.
Aber ich war keine Eiche, ich war ein Mann im Hemd, der mit dem nackten Hintern im Sattel saß. Wenigstens besaß ich meine Stiefel, meine Sporen und den Waffengurt mit dem Revolver – und auch meinen alten Hut.
Ich wollte nicht mehr hinein zu ihr. Und so sagte ich: »Honey, es geht nicht mehr. Ich habe es verdammt eilig. Mir ist jetzt nicht nach Zweisamkeit und Liebe, nach Kaffee und Kuchen und so. Ich muss eine Hose haben.«
»Nicht hier«, sagte sie schnippisch. »Hau ab, du Niete! Lass dich nie wieder hier blicken. Hol dir bei meinem Bruder Bill deine Hosen – oder reite mit dem nackten Hintern, bis dir ein Fell wächst!«
Sie machte das Fenster zu.
Ich überlegte noch, und ich war schon dabei, mich vom Pferd zu schwingen und hineinzugehen.
Aber da machte sie mir unten die Tür auf. Sie war inzwischen heruntergekommen.
Sie lachte und sagte: »Na, dann komm schon!« Sie stand im Lichtschein.
In ihrer Stimme war etwas, das so lockte wie Honig. Aber ich sah ihre Augen funkeln und auch das Lachen in ihrem Gesicht.
Sie war ein Biest, das sich über mich lustig machte und die Sache genoss als Unterbrechung ihres eintönigen Lebens.
Ich erkannte die Gefahr.
Und so ritt ich davon. Ich wollte meine Hosen nicht mehr. Ich wollte den Preis dafür nicht mehr zahlen.
✰
Ich ritt die ganze Nacht und danach noch den halben Tag. Als ich dann anhielt, hatte ich immer noch keine Hose. Ich trug immer noch nur mein Hemd, hatte den Waffengurt darüber geschnallt und hatte auch meine gespornten Stiefel an den Füßen.
Ich musste wahrhaftig einen erlesenen Anblick bieten, das war mir klar. Ich brauchte dazu in keinen Spiegel zu sehen.
Manchmal fluchte ich in Gedanken über mein Pech. Denn in meinen Hosen hatten sich auch noch ein paar Dollars befunden.
Als ich an diesem Mittag anhielt, brannte kräftig die Sonne. Ich spürte sie besonders auf meinen behaarten Beinen.
Aber ich achtete nicht darauf. Denn unter mir lag an einem hübschen Creek eine kleine Ranch.
Und auf solch einer Ranch müsste es doch wohl eine Hose für mich geben. Ein Mann im Hemd hat keine Gewissensbisse. Er denkt nur daran, eine Hose zu bekommen. Er befindet sich gewissermaßen in Notwehr, und er begeht so etwas wie Mundraub, wenn er sich eine Hose beschafft.
Ich spähte lange hinunter. Denn ich musste wissen, wie viele Menschen dort unten waren, die mich beim Hosenstehlen erwischen konnten. Doch ich konnte keine einzige Menschenseele bemerken. Es schien niemand auf der Ranch zu sein. Nur in den vielen Corrals waren reichlich Tiere. Es schien eine Pferderanch zu sein. Es gab auch große Weidekoppeln, in denen sich Wildpferde bewegten, die man erst vor kurzer Zeit eingefangen hatte. Nun mussten sie zugeritten werden. Und nicht wenige würde man an einen Wagen gewöhnen.
Langsam ritt ich den Hang hinunter und hielt mich in Deckung der Scheune und der Stallungen. Ich ließ mein Pferd hinter der Scheune und schnallte meine Sporen ab, hing sie ans Sattelhorn. Dann machte ich mich auf den Weg. Es gab außer dem Ranchhaus, der Scheune und den Stallungen auch noch ein Mannschaftsschlafhaus. Es war nicht sehr groß, doch es hatte Platz für sechs bis acht Reiter.
Dort musste sich doch wohl eine Hose finden lassen!
Ich ging von hinten an das Bunkhouse heran, denn erfahrungsgemäß gab es in diesen Schlafhäusern auch Hintertüren.
Aber zuvor musste ich an der Küche vorbei. Und auch die hatte eine Hintertür. Sie stand offen – und ich roch eine Menge kalte Düfte.
Seit dem Kuchen von Mary Pulaski am vergangenen Mittag hatte ich genau vierundzwanzig Stunden nichts mehr gegessen. Und so wird man wohl verstehen, dass mein Magen zu knurren begann wie ein hungriger Wolf.
Mir erschien plötzlich ein kräftiger Happen, den ich zwischen die Zähne nehmen und herunterschlucken konnte, noch wichtiger zu sein als eine neue Hose.
Ich trat ein und fand eine ganze Menge. Ich aß kalte Bohnen, Rauchfleisch, Biskuits, Käse, Brot und kalten Braten. Ich stopfte mich so richtig voll, denn ich wollte nicht nur satt werden, sondern auch noch ein wenig auf Vorrat futtern. Es konnte sein, dass ich wiederum vierundzwanzig Stunden nichts mehr zu beißen bekam.
Indes ich meinen Magen füllte, sah ich kauend durch das Vorderfenster und über den Ranchhof hinweg zum Ranchhaus hinüber. Es war nicht groß und konnte kaum mehr als drei Räume enthalten, höchstens vier.
Ich hatte die Hintertür – die wahrscheinlich aus irgendeinem Grund von selbst aufgesprungen war – offen gelassen.
Als ich hinter mir ein leichtes Geräusch hörte, war ich noch arglos. Denn ich glaubte, dass der leichte Wind die Tür bewegt hätte.
Aber als ich den Kopf wandte, blickte ich in die Doppelmündung einer Schrotflinte. Es war ein böses Ding, dem man ansah, dass es mit Indianerschrot geladen war. Mit solch einem Ding konnte man einen Burschen wie mich sehr schnell ins Jenseits befördern.
Dicht hinter der Schrotflinte, mit der sie auf mich zielte, stand das schönste Weib, das ich bisher in meinem Leben sah.
Ja, sie war ein Weib, so wie ich ein Mann war. Sie wirkte von Anfang an sehr selbstständig auf mich. Und all die Regeln, die zu dieser Zeit für Mädchen und Frauen galten, die brauchte sie gewiss nicht zu beachten. Sie wirkte so frei, so selbstbewusst und ruhig. Ihr Blick war gerade und fest.
»Eine Schönheit sind Sie gerade nicht«, sagte sie. »Schämen Sie sich denn nicht, so unanständig gekleidet herumzuschleichen? Und wenn meine Mannschaft zurück ist, wird man Ihnen das Fell gerben. Sie sind ja ein fressendes Ungetüm!«
Einen Moment überlegte sie, und ich sah ihr an, dass sie beide Läufe abdrücken würde, wollte ich versuchen, sie anzugreifen und ihr das Knallding wegzunehmen. Ja, sie hätte abgedrückt.
»Ich bin ein Mensch in Not«, sagte ich. »Und die paar Happen brauchte ich, um am Leben zu bleiben. Ich wäre fast gestorben. Und wenn Sie mir eine Hose beschaffen könnten, wäre ich Ihnen bis an mein Lebensende dankbar. Ma’am, ich bin schon ein Pechvogel, dass ich in einem solch unwürdigen Zustand der schönsten Frau meines Lebens begegne. Bitte, nehmen Sie das Gewehr herunter. Es könnte losgehen. Ich bin doch ganz harmlos.«
Sie lächelte und zeigte zwei prächtige Zahnreihen. Sie hatte rote Haare und grüne Augen.
»Reden können Sie wie ein Marktschreier vom Markt der tausend Diebe in Mexico City«, sagte sie. Und dann gab sie mir den Befehl: »Heben Sie die Bodenklappe da zu Ihren Füßen auf! Los! Vorwärts! Die Luke hoch!«
Ich sah auf die Luke nieder. Sie war nur einen Schritt von mir entfernt. Ich wusste, dass sie nur in einen Kühlkeller führen konnte. In diesen Gegenden hatte man oft unter den Küchen solche Keller. Die Tage hier im Südwesten waren heiß. Es war gut, solch einen Keller zu haben.
Und nun wollte sie mich darin einsperren. Ich sah ihr an, dass sie es ernst meinte. Sie bluffte nicht.
Herrgott, was war sie für ein prächtiges Weib! Und ich war in meinem roten Armee-Unterhemd eine verdammt lächerliche Figur.
Ich hob die Bodenklappe auf. Eine ziemlich steile Treppe führte acht oder zehn Stufen hinunter. Unten waren Fässer, große Krüge, hing und stand alles herum. Es war ein reichlich gefüllter Proviant- und Vorratskeller.
»Hinunter mit Ihnen!«, sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Das können Sie mir nicht antun, Lady«, sagte ich. »Helfen Sie doch lieber einem armen Mann mit einer Hose aus. Es gab schon mal einen Reiter, der teilte seinen Mantel mit einem Bettler. Wollen Sie denn nicht auch so barmherzig sein und mir eine Hose spenden? Sie kann ruhig ein paar Löcher haben und ...«
Wieder lachte sie – aber sie kannte trotzdem keine Gnade.
»Solch einen Vogel wie Sie«, sagte sie, »muss man sich vom Leib halten. Sie werden dort unten warten, bis meine Reiter wieder hier sind. Das dauert nicht lange. Wir haben in der Nähe eine Wildpferdeherde gefangen. Die soll hier in die Corrals und Weidekoppeln. Da wird jeder Mann gebraucht, sogar der Koch. Also hinunter mit Ihnen.«
Mir blieb nichts anderes übrig. Mit ihrer Schrotflinte hätte sie auch ein ganzes Dutzend Männer unter Kontrolle halten können.
Und so stieg ich hinunter.
Sie schloss über mir die Klappe, dass es mir nur so in den Ohren dröhnte. Ich hörte, wie sie den Riegel vorschob. Man konnte diesen Riegel auch mit einem Vorhängeschloss sichern, sodass man auch von oben nicht zu den vielen Schätzen hinunter konnte.
Ich setzte mich auf die Treppenstufe und spürte unter dem Hemd meinen nackten Hintern.
Verdammt noch mal, wann endlich würde ich eine Hose bekommen?
✰
Ich hörte sie kommen. Im Keller hörte man das Hufgetrampel einer Wildpferdeherde und der Reitpferde recht deutlich. Ich hörte Rufe und schrilles Pfeifen.
Erst nach einer Weile wurde es still, und ich wusste, dass sie die Wildpferde in den Corrals oder Weidekoppeln hatten.
Und nun würden sie hungrig zum Mittagessen kommen – zu einem Essen, das schon fertig in den Töpfen und Pfannen war und das wieder kalt wurde, weil man alle bis auf den letzten Mann weggeholt hatte. Vielleicht würden sie nicht so satt werden wie sonst. Denn ich hatte ganz gut reingehauen.
Über mir begann jemand zu hantieren. Es musste der Koch sein, der mit der Mannschaft hinausgeritten war.
Ich wusste, dass sie mich nun bald herausholen würden.
Ich knirschte mit den Zähnen und zerbiss Flüche. Dabei dachte ich an das schöne Weib, an dieses rothaarige Grünauge, das mich mit der Schrotflinte so glatt beherrscht hatte, als wäre ich nur ein drittklassiger Pinscher und nicht der haarige Jones Oatland.
Vielleicht – wenn sie ein Mann gewesen wäre – hätte ich etwas riskiert und unternommen. Aber sie hätte dabei verletzt werden können.
Ich hob den Kopf, als sie über mir die Luke öffneten.
Eine trockene Stimme sagte: »Komm herauf, du Hemdenmatz! Und wirf uns zuerst deinen Colt herauf! Vorwärts!«
Ich musste mich gewaltig beherrschen. Meinen Colt wollten sie haben. Und wenn ich ihn nicht hergab? Hatte ich eine Chance gegen sie? Ich starrte hinauf, und es waren drei oder vier Männer dort oben. Sie hatten die Revolver schussbereit, und sie hätten den Kellerraum mit Blei gefüllt. Nein, ich musste mich gütlich mit ihnen einigen.
Und so warf ich ihnen meine Waffe hinauf.
Einer fing sie, und dann musste ich hinauf zu ihnen. Sie drängten mich gleich aus der Küche ins Freie, denn der Koch murrte, dass er in der Enge nicht arbeiten könne und sie dann noch länger warten müssten, bis sie was zu beißen bekämen.
Sie drängten mich durch die Vordertür hinaus und umgaben mich dann im Halbkreis. Ich lehnte mit den Schultern an der Hauswand und sah sie mir an.
Der Koch war ein Schwarzer. Das hatte ich im Vorbeigehen gesehen. Ich sah in vier grinsende Gesichter, und eines war zumindest zur Hälfte indianisch. Es waren harte Hombres – eben Wildpferdejäger und Zureiter.
Ich sagte: »Warum grinst ihr wie Honigkuchenpferde? Könnt ihr denn nicht verstehen, dass ein Mann manchmal Pech haben kann ohne eigene Schuld? Und haltet ihr solch ein Grinsen für nobel? Wollt ihr mir nicht aushelfen mit einer Hose, so wie ich es täte, ginge es einem von euch so wie mir?«
Sie wurden nachdenklich.
Da steckte der Koch den Kopf aus der Tür. »Lasst ihn nur nicht laufen. Der hat gefressen wie ein Ungetüm. Der muss mir erst noch für ein paar Tage Holz hacken. Wer so viel frisst, muss auch viel arbeiten.« Er verschwand wieder in der Küche.
»Natürlich werde ich Holz hacken«, sagte ich, »sobald ich eine Hose habe.«
Da begannen sie wieder laut zu wiehern.
Und der große, löwenhafte Blonde, der am lautesten lachte, trat plötzlich einen halben Schritt vor, ergriff mein Hemd am Saum und hob es hoch, sodass man alles von mir sehen konnte bis hinauf zum Bauchnabel.
Und dabei brüllten sie alle wieder los vor Lachen.
Da knallte ich dem Blonden was vor den Latz.
Und das konnte ich gut. In meinen Schlag konnte ich eine Menge Gewicht legen. Der Blonde bekam das Ding genau unters Kinn.
Er ging rückwärts, ruderte mit den Armen, stand schräg nach hinten geneigt auf den Absätzen und musste dann doch auf den Hosenboden hinunter.
Ich hatte einige Sorgen, dass sie es mir nun gemeinsam besorgen würden. Doch sie gehörten zu der noblen und gerechten Sorte. Sie waren Gentlemen.