G. F. Unger 2087 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2087 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Immer wenn ich in Best Place am Morgen in den Spiegel sah und mir über die Bartstoppeln rieb, war ich mir nicht so recht klar, ob ich jubeln oder fluchen sollte.
Denn Best Place war eine sterbende Stadt, ein mieser und mieser werdendes Nest ohne Zukunft. Dort gab es gewiss keine Chance für einen Burschen wie mich. Hier musste jeder ehrgeizige Mann seine besten Jahre ganz zwangsläufig verschwenden.
Wenn man also die Sache so sah, dann musste ich fluchen.
Doch es gab auch einige Fakten, die mich zwar nicht jubeln, doch zumindest dankbar sein lassen mussten. Denn ich hatte in Best Place einen Job, der mir vierzig Dollar im Monat einbrachte. Das war eine Menge Geld damals so kurz nach dem Krieg. Cowboys bekamen zwanzig Dollar Lohn bei freier Station. Da war ich mit vierzig Dollar fein heraus.
Außerdem war ich in Best Place und im weiten Umland eine Respektsperson.
Ja, ich war Deputy.
An diesem Tag dachte ich wieder einmal daran, dass es mir besser ging als vielen Tausenden entlassener Soldaten, die überall im Süden umherritten und einen Job suchten. Nicht wenige wurden zu Viehdieben und Banditen und fanden nicht mehr auf den rechten Weg zurück.
Ja, an diesem Tag war ich mal wieder recht zufrieden mit meinem Los. Und ich ahnte noch nicht, dass bald in Best Place die Hölle los sein würde und für mich die Stunde der Bewährung nah war ...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Sterbende Stadt

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Salvador Faba / Norma

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0593-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Sterbende Stadt

Immer wenn ich in Best Place am Morgen in den Spiegel sah und mir über die Bartstoppeln rieb, war ich mir nicht so recht klar, ob ich jubeln oder fluchen sollte.

Denn Best Place war eine sterbende Stadt, ein mieser und mieser werdendes Nest ohne Zukunft. Dort gab es gewiss keine Chance für einen Burschen wie mich. Hier musste jeder ehrgeizige Mann seine besten Jahre ganz zwangsläufig verschwenden.

Wenn man also die Sache so sah, dann musste ich fluchen.

Doch es gab auch einige Fakten, die mich zwar nicht jubeln, doch zumindest dankbar sein lassen mussten. Denn ich hatte in Best Place einen Job, der mir vierzig Dollar im Monat einbrachte. Das war eine Menge Geld damals so kurz nach dem Krieg. Cowboys bekamen zwanzig Dollar Lohn bei freier Station. Da war ich mit vierzig Dollar fein heraus.

Außerdem war ich in Best Place und im weiten Umland eine Respektsperson.

Ja, ich war Deputy.

An diesem Tag dachte ich wieder einmal daran, dass es mir besser ging als vielen Tausenden entlassener Soldaten, die überall im Süden umherritten und einen Job suchten. Nicht wenige wurden zu Viehdieben und Banditen und fanden nicht mehr auf den rechten Weg zurück.

Ja, an diesem Tag war ich mal wieder recht zufrieden mit meinem Los. Und ich ahnte noch nicht, dass bald in Best Place die Hölle los sein würde und für mich die Stunde der Bewährung nah war ...

Der Morgen war schön. Aber sonst gab es in Best Place nichts mehr, was einem Freude bereiten konnte. Fast jedes zweite Haus war leer. Die Bewohner hatten aufgegeben und waren weggezogen. Käufer für ihre Häuser hatten sie keine finden können.

In Best Place ließ sich niemand mehr nieder. Hier gab es für Handwerker und Geschäftsleute nichts mehr zu verdienen.

Als ich an diesem Morgen an der Sattlerei vorbeikam, lud man dort gerade die letzten Siebensachen auf einen der beiden Wagen. Auf dem ersten Wagen saßen schon die Frau und die beiden kleinen Söhne des Sattlers.

Der Sattler und sein größerer Sohn nickten mir zu.

»Hallo, Butch Mallone«, sagte der Sattler zu mir, denn Butch Mallone, das ist mein Name.

Ich nickte, grüßte und blieb stehen.

»Viel Glück«, sagte ich. »Wohin sollen wir denn die Post nachschicken?«

»Das wissen wir selbst noch nicht«, erwiderte er. »Wir müssen uns erst eine aufstrebende Stadt suchen, in der es noch keine Sattlerei gibt – solch eine Stadt, wie Best Place es einmal war, bevor der große Bergrutsch stattfand, der dort oben in den verdammten Bergen unseren Creek umleitete. Wenn ich könnte, würde ich diese verdammten Berge in die Luft sprengen.«

»Das wird Frank O’Mullegan gewiss einmal tun«, erwiderte ich. »Und wenn er für zehntausend Dollar Pulver kaufen müsste – er wird es tun. Dann fließt der Creek wieder wie früher durch das Land und macht es grün und fruchtbar, so, wie es einmal war. Und auch die Minen in den Bergen haben dann wieder reichlich Wasser für ihre Waschanlagen, in denen sie den Goldstaub aus dem Erdreich waschen. Ohne Wasser wurden sie unrentabel – aber ...«

»Butch, Sie beten jetzt herunter, was uns Frank O’Mullegan und Sheriff Jed Stonewood schon zwei Jahre lang sagten. Aber das haben wir schon bis zum Überdruss gehört. So viel Sprengpulver, dass man diese verdammten Berge da wegsprengen und den Creek wieder in sein altes Bett lenken könnte, kann man gar nicht kaufen. Frank O’Mullegan ist hier ein armer Mann geworden – und er wird mit jedem neuen Tag ärmer. Auch ich wurde es. Und deshalb ziehen wir jetzt fort wie all die anderen Bürger vor uns. Alles Gute, Butch.«

Ich nickte nur und ging weiter.

Denn es gab nichts mehr zu sagen. Es war schon alles gesagt worden, was nur gesagt werden konnte. Wir alle hatten unsere Ohren voll davon und konnten es nicht mehr hören.

Ich schrieb es soeben hier nur noch einmal auf, damit der Leser meiner Geschichte allmählich zu begreifen beginnt, was für Probleme wir hier hatten.

Aber es gab auch noch einige andere. Auf diese komme ich noch zu sprechen.

Als ich ins Office trat, war der Sheriff schon aus seinem kleinen Haus herübergekommen. Es gab von dort einen direkten Durchgang ins Office.

Er saß hinter dem Schreibtisch und sah gerade auf die Uhr. Es war eine riesige Nickel-Taschenuhr, die er immer in der Westentasche trug. Aber das Nach-der-Uhr-Sehen galt nicht meinem Kommen. Ich war pünktlich.

Er sagte: »Die Postkutsche nach Santa Fe muss jetzt durchkommen. Wahrscheinlich hat sie wieder eine Menge Geld mit. Die Pallada-Brüder sind drüben in Golden Mesa gesehen worden. Sie hatten einige Freunde bei sich. Wenn die Pallada-Brüder noch einmal einen Geldtransport schnappen, stellt die Post- und Frachtlinie diese Route ein. Ich habe das schriftlich bekommen. Sie schrieben Frank O’Mullegan, unserem Stadtgründer und Bürgermeister, dass dann wohl sicher wäre, dass von Best Place keine Sicherheit mehr ausginge, was ja auch bei der zunehmenden Bedeutungslosigkeit unserer Stadt kein Wunder sei.«

Der Sheriff Jed Stonewood machte nach diesen Worten eine Pause.

Er sah mich an. Dann fragte er: »Butch, weißt du eigentlich, warum wir zwei hier den Stern tragen und immer noch unser Gehalt bekommen, welches Frank O’Mullegan fast ganz aus seiner eigenen Tasche bezahlt, was ihm immer schwerer fällt? Weißt du das, mein Junge?«

Ich nickte. Denn ich wusste es, weil sich das sogar ein dümmerer Hombre hätte ausrechnen können. Ich nickte also und sagte schlicht: »Das ist ganz einfach, Boss. Dadurch, dass die Postkutschen und Frachtwagenzüge noch über Best Place fahren, haben wir noch Anschluss an die Außenwelt und sind noch nicht ganz tot. Aber wenn die Post- und Frachtgesellschaft ihre Route ändern sollte, dann ist Best Place endgültig tot, mausetot.«

»Richtig, mein Junge«, erwiderte er. »Und weil Frank O’Mullegan sein ganzes Vermögen in die Gründung dieser Stadt investierte, kann er sie nicht sterben lassen. Er kämpft und hofft, wartet und macht Pläne. Er bezahlt uns, damit es hier und im Umland von Best Place Sicherheit gibt. Denn wenn diese auch verloren gehen sollte ...«

Er verstummte. Denn es gab nichts mehr zu sagen.

Ich wusste ja so wie er, dass wir nur deshalb noch den Stern trugen und bezahlt wurden, um die Post- und Frachtlinie auf dieser Route zu halten.

Denn dies hielt die Stadt noch ein wenig am Leben.

Nun, wir warteten also an diesem Morgen auf die Postkutsche, die wahrscheinlich wieder Geld transportierte. Das war am Monatsende immer so.

Ich hockte mich an meinen Schreibtisch in der anderen Ecke und begann, das Einwohnerregister zu berichtigen. Ja, ich trug den Wegzug der Sattlerfamilie ein, und ich konnte nicht mal vermerken, wohin sie gingen.

Dann zählte ich noch einmal, wie viele Einwohner nun noch hier in Best Place lebten.

Es waren heute fünf weniger geworden.

Nun lebten noch siebenunddreißig Menschen in Best Place – aber ein Drittel davon waren Kinder, angefangen vom Säugling.

Und dann gab es ein paar Alte, die nicht mehr weg wollten, weil sie nicht mehr die Kraft und den Mut zu einem neuen Anfang hatten.

Ja, wir waren eine sterbende Stadt, wenn nicht bald etwas geschah.

Aber was sollte schon geschehen? Vielleicht ein neuer Bergrutsch, der den so wichtigen Creek wieder ins alte Bett lenkte und auch die vielen Nebencreeks, die aus den Bergen kamen, wieder plätschern ließ?

Aber das würde dann ein Wunder sein.

Geschahen denn bei uns hier Wunder?

Wir warteten und warteten an diesem Morgen im Office.

Und alle zehn Minuten etwa sah der Sheriff auf seine Nickeluhr.

Ich beobachtete ihn.

Er konnte altersmäßig gewiss mein Vater sein, denn ich war achtundzwanzig.

Vielleicht war er doppelt so alt wie ich. Dies schien mir ein schon fast biblisches Alter zu sein. Er wirkte auf mich wie ein alter Falke, der auf Beute wartete. Ich verdankte ihm viel. Denn er hatte mir diesen Job gegeben. Er hätte sich auch einen anderen Mann als Deputy aussuchen können. Von meiner Sorte ritten viele Burschen durch das Land.

Ja, ich musste ihm dankbar sein.

Und vielleicht rechnete er auch damit, dass ich ihm etwas schuldig war. Auf dieser Erde gab es nichts geschenkt. Also würde ich auch bei diesem alten Falken eines Tages meine Schulden begleichen müssen. Dessen war ich sicher.

Aber sonst war er mir recht. Ich mochte ihn, und ich wusste wenig über ihn, nur, dass er früher einmal eine besonders harte Nummer an der Sonora-Grenze gewesen war.

Nun, wir warteten damals an diesem Morgen genau zwei Stunden.

Und zwei Stunden hatte die Postkutsche noch niemals Verspätung aus harmlosen Gründen. Wenn sie so viel Verspätung hatte, war immer etwas passiert.

Wir erhoben uns wortlos und machten uns fertig.

Wir brauchten volle Wasserflaschen, Proviant und reichlich Munition für Gewehre und Revolver.

Dann ritten wir los.

Als wir aus dem Mietstallhof ritten, stand Frank O’Mullegan an der Straßenecke vor dem Eingang seines Stores. Ja, er war der Gründer und Vater dieser Stadt und unser Brotgeber.

Er nickte uns zu und sagte zum Sheriff empor: »Vielleicht hättet ihr schon etwas früher losreiten sollen.«

Er sagte es mit einem vorwurfsvollen Grollen in der Stimme, die gut zu seinem Äußeren passte. Sein Äußeres war imposant. Denn bei seinem Anblick dachte man unwillkürlich an einen Löwen – und den nennt man doch König der Tiere, nicht wahr? Nun sah Frank O’Mullegan natürlich nicht wie ein tierischer Löwe aus, aber wie ein menschlicher – eben so, wie der Sheriff an einen menschlichen Falken erinnerte oder denken ließ.

Es war halt damals in jener wilden Zeit üblich, Menschen so zu vergleichen. Und manchmal sehen ja Menschen so aus, dass man bei ihrem Anblick an einen Esel, einen Frosch oder andere Tiere denken muss.

Der Leser möge mir verzeihen, wenn dies in dieser Geschichte mehrmals vorkommt, doch man muss bedenken, dass ich ein ziemlich primitiver Bursche war und meine Geschichte nicht so erzählen kann wie ein Schöngeist, ein Dichter und Lyriker oder sonst welche Genies, die sich mit Worten oft so gewaltig klug ausdrücken können, dass einem der Schädel brummt und man nachher immer noch nicht so ganz sicher weiß, was sie eigentlich meinten.

Bei mir ist das anders. Ich bin nur ein primitiver Bursche und schreibe zumeist alles in kurzen Hauptsätzen nieder.

Nun, er sah also löwenhaft aus, dieser Frank O’Mullegan.

Aber der Sheriff nickte nur stumm zu seinen Worten.

Dann waren wir vorbei.

Eine halbe Stunde später stießen wir auf den Begleitmann der Kutsche, der zu Fuß unterwegs war und überdies seinen angeschossenen Arm in einer Schlinge trug.

Er sagte uns: »Dass ihr auch schon kommt – na ja, das letzte Stück schaffe ich auch noch zu Fuß. Reitet lieber, damit ihr die Kerle noch vor Nachtanbruch erwischen könnt. Sie haben Windy vom Bock geschossen und sind mit siebenundzwanzigtausend Dollar losgeritten. Es waren vier. Die Passagiere sitzen in der Kutsche. Die werden sich freuen, einen Sheriff zu sehen, ha!«

Der Mann ging weiter, und er war ein hagerer Bursche mit langen Beinen. Er kannte den Weg und konnte zu Fuß einige Abkürzungen über zwei Hügelkämme nehmen.

Der Sheriff und ich, wir ließen unsere Pferde nun schneller laufen. Denn es war sicherlich so, dass uns die Banditen entkommen würden, wenn wir sie vor Anbruch der Nacht nicht einholen konnten.

Doch der Tag war noch lang. Unsere Chancen waren gar nicht so schlecht.

Dass sie zumindest vier waren, störte uns nicht sehr.

Denn Sheriff Jed Stonewood hatte es schon oft mit einer Übermacht zu tun gehabt und lebte immer noch.

Ich selbst hatte bisher mit jedem harten Burschen zurechtkommen können, manchmal auch mit zwei oder drei Hombres.

Nun, wir erreichten bald darauf die Kutsche und hielten nur so lange, bis wir alles noch einmal gehört hatten.

Dann nahmen wir die Fährte auf. Sie war zuerst leicht zu verfolgen. Denn die Banditen hatten am Anfang erst mal nur weg gewollt. Nach zwei Meilen aber wurde die Sache anders. Und das hatten wir erwartet.

Wir erreichten einen Platz, an dem sich die Fährten trennten.

»Mach’s gut, Butch«, sagte der Sheriff und ritt nach links zu weiter.

»Sie auch, Boss«, erwiderte ich und schlug die halbrechte Richtung ein.

Meine Fährte war immer noch gut zu verfolgen.

Und das war gefährlich. Denn solch eine schöne und klare Fährte war wie geschaffen dafür, einen blöden Hammel von Verfolger in einen Hinterhalt zu locken.

Kurz vor Anbruch der Dämmerung kam ich zum Loon Creek.

Es war ein Creek, der eigentlich zu nichts taugte. Denn er hatte sich zu tief in den felsigen Boden gefressen. Er bewässerte kein fruchtbares Land, und die meiste Zeit des Jahres führte er nur wenig mehr Wasser als das Pinkelergebnis eines Hundes an einem Baum.

Deshalb hieß er wohl auch Loon Creek.

Als ich zwischen den Felsen hinunterritt, da sah ich einen Reiter, der mitten im Creek hielt, wo das Wasser noch in einigen Löchern stand, und sein Pferd saufen ließ.

Er sah mir entgegen, und als ich nahe genug war, grinste er blitzend.

Ich wusste sofort, dass ich mein Wild eingeholt hatte.

Doch vielleicht war er kein Hase und konnte man mich mit einem dummen Hund vergleichen, der einem Berglöwen folgte, der jetzt auf ihn wartete, um ihn gleich als Abendbrot zu verputzen.

Ich hielt mein Pferd an. Nun trennten uns nur noch sieben oder acht Schritte.

Im letzten Licht des Tages betrachteten wir uns.

Und wir waren uns nicht unbekannt. Wir hatten uns schon einige Male gesehen.

Denn der Bursche war einer der Pallada-Brüder. Ich wusste nicht, welcher, denn sie sahen sich alle sehr ähnlich, und ich kannte sie nicht gut genug, um sie auseinanderhalten zu können.

Aber es war einer der Pallada-Brüder, dies war klar. Während meiner Zeit als Deputy in Best Place kamen sie manchmal durch die Stadt, hielten für einen Drink an oder machten im Store notwendige Einkäufe. Zumeist brauchten sie Munition und Tabak.

Sheriff Jed Stonewood war dann immer sehr wachsam und knirschte manchmal mit den Zähnen. Wir alle wussten, dass die Pallada-Brüder Banditen waren. Doch es war unmöglich, ihnen das zu beweisen oder gar Zeugen gegen sie zu finden.

Ich grinste zurück und sagte dann: »Nun, du bist doch einer von den Pallada-Brüdern, nicht wahr? Welcher denn?«

Er hatte Froschaugen und helles Haar, und er grinste blitzend.

»Ich bin Tage«, sagte er. »Unser Alter hatte es mit den skandinavischen Namen. Von dorther kam er nämlich als Kind herüber. Ich bin Tage. Die anderen heißen Trige und Ty. Bist du mir nachgeritten, um mich nach meinem Namen zu fragen?«

Er fragte dies mit einem Glucksen in der Kehle.

Und weil ich nichts erwiderte, ihn nur ansah, fügte er hinzu: »Ich sah dich manchmal in Best Place herumstolzieren, Deputy – und dann fragte ich mich immer, wie gut, wie schnell und wie hart du wohl bist. Na, was willst du also von mir?«

Ich sagte: »Du gehörst zu den Banditen, deren Fährte wir von der Postkutsche aus verfolgten. Ich sehe keine andere Fährte weit und breit. Gibst du zu, dass du zu den Banditen gehörst?«

Er grinste wieder. Dann nickte er. »Ja, das gebe ich zu. Und was nun, Rotkopf?«

Er meinte mich, denn ich hatte tatsächlich rote Haare. Deshalb war ich auch seit meiner Jugend für viele Mitmenschen schon vom Anblick her eine Herausforderung. Bereits in der Schule hatte ich eine Menge Prügel austeilen müssen, um nicht fortwährend gehänselt zu werden. Denn manchmal musste ich schlimme Dinge hören, zum Beispiel, dass meine Mom mich immer als Abortbürste benutzte. Ja, ich war unter primitiven Leuten aufgewachsen, und ich kann auch verstehen, wenn einige Leser jetzt die Nase rümpfen. Doch solche Leser sollten meine Geschichte nicht weiter lesen. Die sind jetzt hier so falsch am Platze, wie edle Schöngeister es nur sein können. Denn das verdammte Leben ist ...

Aber ich will nicht abschweifen, sondern bei diesem Tage Pallada bleiben.

»Hast du die Beute in deinen Satteltaschen – oder einen Teil davon?« So fragte ich.

Da schüttelte er den Kopf.

»Nein«, sagte er. »Das war alles so schön praktisch in einem wasserdichten Beutel der Postgesellschaft verpackt. Warum sollten wir das vorzeitig öffnen und den Inhalt teilen? Mein Bruder Ty bringt es ganz gewiss dorthin, wo wir uns alle treffen werden. Dann teilen wir in aller Ruhe. Es war ja auch ein kleines Schloss an der Schließe des Postsackes. Wir hatten keinen Schlüssel.«

Seine Worte waren eine einzige Verhöhnung. Das klang in seiner Stimme, und es funkelte in seinen wasserhellen Froschaugen.

Die Sache war klar.

Er wollte hier nicht nur den Kampf, sondern war auch völlig sicher, mich zu erledigen. Deshalb sprach er so sorglos über alles.

Nun wartete er lauernd. Und sein Grinsen war wie eingefroren.

Er stand in den Steigbügeln, saß nicht im Sattel. Er würde ziehen können wie stehend am Boden.

Auch ich stand in den Steigbügeln.

»Du bist verhaftet«, sagte ich. »Wenn du nach dem Colt greifst, werde ich auf dich schießen müssen. Hast du verstanden?«

»Sicher«, sagte er ruhig.

Dann zog er ohne jede Warnung. Er war wie ein Wolf, der plötzlich zuschnappte.

Aber auch ich zog.

Nun, ich hatte keinen Kriegsnamen als Revolverkämpfer. Ich war auch nie ein ruhmsüchtiger Revolverheld gewesen, sondern gehörte zu jener Sorte, die zumeist still ihres Weges ritt und möglichst keinen Streit haben wollte.

Aber wenn es darauf ankam, da konnte ich es gewiss mit diesen zweibeinigen Tigern aufnehmen, da war ich selbst einer.

Meinen Colt zog ich damals am Loon Creek nicht bewusst. Denn es war ja eine Reflexbewegung – etwa so, als wenn man den Kopf wegzieht, wenn ein Stein geflogen kommt, oder sich auf die Wange schlägt, wenn einen dort eine Mücke sticht.

Ich zog also, und ich musste mich beeilen.

Dann spürte ich den Rückstoß der Waffe in meiner Hand, sah vor mir das Mündungsfeuer und den Pulverrauch. Ich sah fast zu gleicher Zeit auch das Mündungsfeuer meines Gegners – und ich erkannte daran instinktiv, dass ich um jenen Sekundenbruchteil früher abgedrückt hatte, auf den es so sehr ankam.

Tage Pallada bekam meine Kugel im Moment seines Abdrückens. Sie stieß ihn zurück, und deshalb verfehlte er mich.

Er schwankte im Sattel und richtete seinen Colt nochmals auf mich.

Das fiel ihm schwer. Die Waffe schien für ihn jetzt hundert Pfund zu wiegen.

Ich wartete, war bereit für den zweiten Schuss – doch ich brauchte nicht mehr zu schießen. Meine erste Kugel hatte die Sache entschieden.

Tage Pallada fiel vom Pferd in eine Pfütze des fast trockenen Creek-Bettes.

Ich seufzte und stieg aus dem Sattel.

Und ich dachte bei mir: Heute musste ich mir meinen Lohn also mit dem Colt verdienen. Heute ist der Tag, an dem ich den Gegenwert liefern musste für vierzig Dollar und einen Blechstern am Hemd.

Als ich bei Tage Pallada kniete, lebte dieser noch.