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Sein richtiger Name war natürlich nicht Beaver, sondern Wade Kelly. Aber er bekam von den Männern der sogenannten »Hirschleder-Brigade«, also all den Trappern und Jägern, den Spitznamen Beaver, also Biber.
Das kam daher, dass er sich mal zwei Tage und zwei Nächte in einem Biberbau verstecken musste, also im Wasser stand und mit der in diesem Bau lebenden Biberfamilie lebte. Denn draußen in weiter Runde suchten Thunder Bull und dessen Bande nach ihm.
Denn er hatte Thunder Bull die Frau entführt auf deren Wunsch. Die konnte ihm Thunder Bull zwar wieder abnehmen, doch Wade Kellys Skalp bekam er nicht.
Die ganze Sache sprach sich im nördlichen Wyoming und Montana herum, weil jemand ihn nach zwei Tagen aus dem Biberbau herauskriechen sah.
Nun, sie nannten ihn also, wenn man sich seine Geschichte in den Camps und an den Feuern erzählte, immer nur Beaver Kelly.
Er war nicht so berühmt und wurde auch nicht der Nachwelt so überliefert wie der wohl berühmteste aller Trapper und Scouts Jim Bridger.
Aber er brauchte sich hinter keinem zu verstecken.
Dies ist seine Geschichte ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Beaver Kelly
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0594-3
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Beaver Kelly
Sein richtiger Name war natürlich nicht Beaver, sondern Wade Kelly. Aber er bekam von den Männern der sogenannten »Hirschleder-Brigade«, also all den Trappern und Jägern, den Spitznamen Beaver, also Biber.
Das kam daher, dass er sich mal zwei Tage und zwei Nächte in einem Biberbau verstecken musste, also im Wasser stand und mit der in diesem Bau hausenden Biberfamilie lebte, während draußen in weiter Runde Thunder Bull und dessen Bande nach ihm suchten.
Denn er hatte Thunder Bull die Frau entführt auf deren Wunsch. Die konnte ihm Thunder Bull zwar wieder abnehmen, doch Wade Kellys Skalp bekam er nicht.
Die ganze Sache sprach sich im nördlichen Wyoming und Montana herum, weil jemand ihn nach zwei Tagen aus dem Biberbau herauskriechen sah.
Nun, sie nannten ihn also, wenn man sich seine Geschichte in den Camps und an den Feuern erzählte, immer nur Beaver Kelly.
Er war nicht so berühmt und wurde auch nicht der Nachwelt so überliefert wie der wohl berühmteste aller Trapper und Scouts Jim Bridger.
Aber er brauchte sich hinter keinem zu verstecken.
Dies ist seine Geschichte ...
Der Winter ist schon fast vorbei, und bald wird hier oben in den Bergen die Schneeschmelze beginnen. Wade Kelly fand auch heute wieder in seinen Fallen reiche Beute und befindet sich auf dem Rückweg zu seiner verborgenen Hütte.
Bald wird sein Jagdwinter beendet sein. Er wird in den nächsten Tagen seine Fallen einsammeln und für den nächsten Winter vorbereiten, also einfetten mit dem Fett der Tiere, deren Pelze ihm in Fort Laramie einen guten Gewinn einbringen werden.
Er erreicht das verborgene Tal in der Abenddämmerung. Die Tage sind zwar schon etwas länger geworden, doch sie sind längst noch nicht lang genug.
Und das ist in diesem Fall jetzt, als er seine Hütte erreicht, besonders bitter für ihn. Denn er hatte Besuch bekommen, der gewiss schon längst weg ist mit der ganzen Ausbeute eines langen Jagdwinters.
Er stellt das schnell fest.
Und im letzten Licht des fast schon gestorbenen Tages betrachtet er die Spuren im Schnee. Es sind Spuren, die sich nicht verwischen ließen, und er kann sie als erfahrener Bergläufer und Trapper so gut lesen wie eine Geschichte in einem schlauen Buch. Es waren drei Pelzräuber.
Sie kamen von Osten her in das Tal und verließen es auch wieder in dieser Richtung. Er aber kam durch die Schlucht von Westen her. Er konnte ihnen also nicht begegnen und sieht auch jetzt erst ihre Fährten.
In seiner Hütte ist nichts mehr vorhanden. Selbst den Proviant nahmen sie mit, auch seine letzte Flasche Brandy. Alles konnten sie gebrauchen, sogar seine zweite Unterhose, die er gestern gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte.
Er hat ein halbes Jahr umsonst hier oben gelebt, gejagt, mit Wölfen und einem verärgerten Berglöwen gekämpft und sich in den Nächten nach einer Frau gesehnt, die ihn gewärmt und auch geliebt hätte.
Es war alles umsonst.
Wade Kelly ist kein Mann von jener Sorte, die bei Missgeschicken wild zu fluchen beginnt und zu einem tobenden Teufel wird.
Auch jetzt bleibt er beherrscht. Doch in ihm entsteht nun ein Gefühl der Gnadenlosigkeit. Und mit diesem Gefühl macht er sich etwa eine Stunde später auf den Weg.
Er ist auf seinem alten, erfahrenen Wallach den ganzen Tag geritten.
Sein Tal ist etwa zehn Quadratmeilen groß. Er ritt sie in der Runde ab und drang auch immer wieder in die Schluchten ein.
Sein Pferd hat also einige Meilen durch den Schnee hinter sich. Es ist beladen mit Beute. Und allein die Biberfallen am See brachten an diesem Tage drei Biber.
Sein Wallach ist also müde, er überdies auch.
Die Pelzräuber nahmen sein Maultier und auch sein zweites Pferd mit, beluden die Tiere mit seiner Pelzausbeute.
Wade Kelly gleicht jetzt, da er im sterbenden Tage die Verfolgung aufnimmt, einem grimmigen Wolf, dem drei Coyoten die Beute stahlen.
Meile um Meile bleibt er in Bewegung. Sein Wallach schnaubt manchmal vorwurfsvoll, denn er ist am Ende seiner Kraft und Zähigkeit.
Immer wieder versucht Wade Kelly aus den Spuren zu lesen im Licht der Gestirne, wie groß der Vorsprung der Pelzräuber wohl sein könnte und ob er aufholen konnte.
Doch der Vorsprung hatte schon am Anfang etwa sechs Stunden betragen. Und daran hat sich auch jetzt gegen Ende der Nacht nichts geändert.
Er konnte nicht aufholen.
Es gehen ihm viele Fragen und Gedanken durch den Kopf.
Wohin wollen die Kerle mit seiner Pelzausbeute? Und wer sind sie?
Er kennt sich aus im Lande, weiß auch über alle Guten und Bösen einigermaßen Bescheid. Und natürlich hat er sich in den vergangenen Jahren auch einige Feinde gemacht, von denen mehr als einer schon allein aus Feindschaft seine ganze Jagdausbeute stehlen würde. Aber es kommen immer wieder böse Banden in das Land.
Dies alles hier ist noch Indianerland. Hier herrschen noch die Stämme der Dakotas, also vor allen Dingen der Sioux – aber auch der Cheyennes und Arapahoes.
Doch auch hier in diesem Lande verändert sich alles. Die Zeiten der Pelzjäger sind bald vorbei. Im nordwestlichen Montana wird Gold gefunden. Die Büffelherden werden vernichtet. Und bald wird man eine Eisenbahn von Atlantik bis zum Pazifik bauen.
Deshalb werden die roten Völker bald um ihr Überleben kämpfen.
Die ganze Kraft der Weißen wird sich nun nach dem Bürgerkrieg vereinen und mit der Eroberung des Westen beginnen.
So wird es kommen. Wade Kelly weiß es.
Es wird endlich Tag, als er das verlassene Camp der Pelzräuber erreicht. Ja, auch sie mussten mal anhalten und ausruhen.
Als er nun bei Tage die Spuren noch einmal genauer betrachtet, da macht er eine überraschende Feststellung.
Einer der drei Pelzräuber ist kein Mann, sondern eine Frau. Denn solch kleine Füße hat kein Mann. Es muss eine Frau sein, die ihre kleinen Füße in Winter-Mokassins stecken hat. Und so ist in Kelly nun die Frage: Ist diese Frau – wahrscheinlich handelt es sich um eine Squaw – freiwillig bei den beiden Kerlen – oder ...
Er denkt, während er ebenfalls rastet und sich ein Stück Fleisch brät, immer wieder darüber nach. Fast verspürt er so etwas wie Neid. Denn die Kerle haben seine ganze Ausbeute und überdies auch noch eine Frau.
Verdammt- eine Frau ...
Die letzte Frau, die er sah und die er sich in Laramie für eine Nacht kaufte, war die rassige Katharina Polomsky, die von sich behauptete, eine russische Gräfin zu sein, die vor den Häschern des Großfürsten aus Alaska flüchten musste.
Ja, ein halbes Jahr hatte er keine Frau. Und die Kerle da vor ihm haben seine Pelze und überdies auch noch ein Weib.
Er fragt sich, ob die Frau oder Squaw freiwillig bei diesen Kerlen ist. Doch die konnten sie irgendwo gekauft haben. Auch entführt – also geraubt – konnte sie sein.
Dann fragt er sich, ob diese Katharina Polomsky noch in Fort Laramie sein könnte. Sie hatte ihm damals gesagt, dass sie sich nur das Reisegeld nach Saint Louis verdienen wollte. Denn erst Saint Louis wäre für sie eine angemessene Stadt mit gewiss noblen Verehrern.
Aber dann denkt er plötzlich an Blue Eye, die er Thunder Bull entführte. Doch das hatte sie so gewollt. Sie wollte damals mit ihm in der Hütte im einsamen Bergtal leben. Einen langen Winter liebten und wärmten sie sich unter dem Bärenfell, wenn draußen die Blizzards tobten.
Im Frühling waren sie dann mit der Pelzausbeute unterwegs nach Laramie.
Doch Thunder Bull wartete schon unterwegs auf sie. Er nahm ihm Blue Eye wieder ab, doch Wade Kellys Skalp bekam er nicht.
Ja, dies alles fällt ihm wieder ein.
Blue Eye war die schönste Arapahoe-Squaw, eine blauäugige Indianerin. Das war wie ein Wunder. Er fragt sich, indes er am Feuer hockt und das Fleisch isst, ob sie jetzt immer noch bei Thunder Bull in dessen Tipi lebt.
Oder lebt sie gar nicht mehr, weil Thunder Bull sie bestrafte, einfach in einem Wutanfall erschlug? Denn für solche Wutanfälle ist Thunder Bull bekannt.
Kelly blickt zu seinem Wallach hinüber. Dieser scharrt mit seinen Vorderhufen den Schnee weg und findet darunter braunes Gras.
Kelly spricht zu ihm: »Wenn wir in Fort Laramie sind, bekommst du Mais, so viel du fressen kannst.«
Der Wallach wittert zu ihm herüber und schnaubt dann irgendwie verächtlich wirkend.
»Doch, du bekommst einen ganzen Futtersack voller goldenen Mais«, verspricht Kelly nochmals.
Dann erhebt er sich und knurrt: »Aber erst müssen wir noch was erledigen, damit ich den Mais bezahlen kann. Es geht weiter, mein Junge.«
✰
Es ist am späten Nachmittag, als er die Kerle vor sich auf einer Ebene sieht. Weiter im Osten sind wieder Berge. Es sind die Medicine Bows, hinter denen sich dann die Laramie-Prärie öffnet mit meilenweiter Sicht.
Die Entfernung zu den Pelzräubern beträgt etwa eine Meile.
Sie sehen ihn nun auf ihrer Fährte. Wahrscheinlich hatten sie damit gerechnet, weil die vergangene Nacht so hell war, dass er ihrer Spur auch in der Nacht folgen konnte. Sie kamen ja mit den Packtieren nicht so schnell vorwärts.
Er kann sehen, dass sie anhalten.
Und dann löst sich ein Reiter von ihnen und kommt ihm entgegen.
Er kann erkennen, dass es die Frau oder Squaw ist. Sie treibt ihr Tier so sehr an, wie es nur jemand tut, der flüchten will.
Und so ist für ihn eigentlich alles schon klar.
Diese Frau – er kann immer noch nicht erkennen, ob es eine Weiße oder eine Rote ist – sucht Schutz bei ihm.
Sie schießen nicht hinter ihr her und folgen ihr auch nicht.
Das müssen sie auch nicht, denn die ganze Sache wird sich dort drüben bei den Kerlen und den Packtieren klären. Sie warten auf ihn, wollen es also mit ihm austragen. Er muss sich gar nicht mehr beeilen. Und so reitet er wieder langsamer.
Doch die Frau kommt ihm im Galopp entgegen. Als sie nahe genug ist, da erkennt er, saß es eine Squaw ist, keine Weiße. Doch sie ist fast wie eine Weiße gekleidet. Als sie fast bei ihm ist, hält er an. Auch sie kommt nun langsamer herangeritten. Einige Male sieht sie zurück.
Doch die beiden Kerle warten immer noch.
Dann – als sie bei Kelly ist – sieht sie diesen an.
Ihr Englisch ist einwandfrei. Sie muss einige Jahre in die Missionsschule gegangen sein.
Sie sagt etwas heiser über den Kopf ihres Pferdes hinweg: »Ich weiß, du bist Beaver Kelly, und ich kenne deine Geschichte, auch die von dir und Blue Eye. Deshalb vertraue ich dir. Sie werden dich zu töten versuchen.«
»Ja, das glaube ich auch«, erwidert Kelly. »Und wer bist du? Und warum bist du bei ihnen?«
»Jetzt bin ich bei dir«, antwortet sie. »Denn sie sind verdammte Mistkerle. Und warum ich bei ihnen bin, dies ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir, wenn du am Leben bleibst. Oder willst du nicht kämpfen, Beaver Kelly?«
Ihre Frage klingt wie eine Herausforderung.
Und Kelly grinst. Seine weißen Zahnreihen blinken scharf unter seinem Bart.
Er betrachtet die Frau noch einmal. Ja, sie ist eine Indianerin, aber wahrscheinlich eine, die schon lange mit einem Weißen lebte und vielleicht gebildeter ist als so manche Weiße.
Sie trägt einen langen geteilten Lederrock und Winter-Mokassins, dazu eine Felljacke und eine Pelzmütze, unter der sie ihre gewiss langen schwarzen Haare verborgen hat.
Sie hat grüne, etwas schräge Katzenaugen und einen vollen Mund.
Ja, sie ist mehr als nur hübsch. Arapahoe-Frauen und -Mädchen sind die schönsten der Hochprärie-Stämme.
Kelly nickt ihr zu.
Dann reitet er wieder an.
Als er einmal über seine Schulter blickt, da sieht er, dass sie ihm in einigem Abstand folgt.
Er lässt seinen Wallach ruhig traben. Und als er dann nahe genug ist, da erkennt er die beiden Kerle endlich, obwohl sie vollbärtig sind. Aber das da sind French Pierre und Charly Skinner. Er kennt sie besonders gut, weil sie schon lange seine Feinde sind und viele Zusammenstöße hatten.
Sie gehören zu den Hartgesottenen und Bösen dieses Landes.
Sie erwarten ihn grinsend.
French Pierre spricht dann heiser, als er vor ihnen hält: »Nun, Beaver, du hättest uns nicht folgen sollen. Denn diesmal hast du es nicht einzeln mit uns zu tun, diesmal sind wir zu zweit. Willst du wirklich mit uns um deine Pelze kämpfen?«
Er fragt es höhnend.
Wade Kelly nickt. Dann erwidert er: »Ich habe immer vermutet, dass ihr mehr als nur Pferdediebe, Banditen und Frauenräuber seid, Falschspieler und Goldwölfe, die den aus dem Goldland im Nordwesten heimkehrenden Goldgräbern auflauern. Aber jetzt habt ihr euch auch noch als Pelzräuber mit uns Trappern angelegt. Ihr habt nie gejagt, doch in Laramie immer wieder Pelze verkauft. Warum war diese Frau bei euch?«
»Aaah, das ist doch nur eine Squaw, die man für Whisky, Decken, Gewehre oder Pferde überall bei den Roten kaufen kann«, grinst Charly Skinner.
Dann aber greift er nach dem Revolver.
Und auch French Pierre folgt seinem Beispiel, so als hätten sie das gleichmäßige Ziehen geübt.
Auch Wade Kelly schnappt seinen Revolver heraus.
Er trifft Charly Skinner mit dem ersten Schuss. Doch als er auf Pierre feuert, hat er Pech. Denn dessen Pferd steigt mit der Vorderhand hoch und fängt die Kugel auf, die sonst Pierre getroffen hätte.
French Pierre wirft sich aus dem Sattel, rollt durch den Schnee und schießt dann auf dem Rücken liegend schräg nach oben, indes er von Kellys dritter Kugel getroffen wird.
Er ist sofort tot wie sein Partner Skinner.
Aber Wade Kelly schwankt im Sattel, denn er ist ebenfalls getroffen.
Sein Wallach steht still, denn er ist an Gewehr- und Revolverfeuer gewöhnt. Es ist ein echtes Jagd- und Kriegspferd.
Kelly kann sich nur mühsam im Sattel halten. Dann aber wird ihm schwarz vor Augen.
Langsam kippt er zur Seite und fällt in den knöcheltiefen Schnee, der seinen Fall nur wenig abmildert.
Und dann weiß er eine Weile nichts mehr.
✰
Das Erwachen irgendwann ist schlimm, denn er kann nur ganz flach atmen. Sonst sind die Schmerzen böse und gnadenlos.
Als er seine Augen öffnet, da glaubt er zuerst, in einer Höhle zu liegen. Doch neben ihm ist ein Feuer. Und über ihm ist kein Himmel mit Gestirnen. Dafür erkennt er dichtes Gezweig über sich.
Und dann erkennt er das Gesicht. Es ist das Gesicht der schönen Squaw, die sich über ihn beugt und offenbar dicht neben ihm am Feuer in der Zweighütte hockt.
»He«, murmelt er heiser, »wie steht die Sache für mich?«
Er sieht ihr Lächeln. Ihre Zahnreihen sind makellos weiß zwischen den vollen Lippen.
»Es steht gar nicht schlecht«, erwidert sie. »Aber du wirst einige Tage hier liegen müssen. Deshalb habe ich aus dem Wald genügend Stangen und Zweige geholt und dieses kleine Tipi über dir errichtet. Auch deine Wunde habe ich versorgt. Ich fand in deiner Satteltasche Verbandszeug, auch Nadel und Zwirn. Die Kugel ist an deiner linken, mittelsten Rippe abgeglitten, hat sie gebrochen und eine Wunde gerissen wie von einem Säbelhieb. Dir muss die Luft weggeblieben sein – und dann bist du hart auf den Rücken gefallen. Vielleicht wirst du Wundfieber bekommen, aber du wirst es überstehen. Ich bin ja bei dir und versorge dich.«
»Wie ist dein Name?« So fragt er sie.
Abermals lächelt sie auf ihn nieder, dann erwidert sie: »Als ich damals in die Mission kam und getauft wurde, da bekam ich den Namen Eva. Bei den Arapahoes hieß ich Rainbow, denn ich wurde von meiner Mutter unter einem Regenbogen geboren. Jetzt nenne ich mich Eva Rainbow, wenn Weiße mich nach meinem Namen fragen.«
»Das ist ein schöner Name«, murmelt er.
Sie schweigen eine Weile. Das Atmen fällt ihm immer noch schwer. Er kann nur ganz flach tun, sodass sich sein Brustkorb möglichst wenig hebt und senkt.
Doch dann fragt er: »Und wie kamst du in die Gesellschaft dieser beiden Mistkerle?«
Im Feuerschein betrachtet er ihr Gesicht. Ihre langen Wimpern senken sich. Für einen Moment wird ihr sonst so schöner Mund schmal und hart.
Dann murmelt sie: »Ich war die Frau von Pete Wannagan. Wir lernten uns in Cheyenne bei einem Händler kennen, weil ich dort arbeitete. Ich bediente dort und war zugleich Dolmetscherin. Es herrschte ja noch Frieden. Der Handel mit den roten Stämmen blühte. Doch dann kaufte mich Pete Wannagan dem Händler ab und nahm mich mit. Wir zogen ins Goldland im nordwestlichen Montana. Nach zwei Jahren endlich fanden wir eine Menge Gold auf unserem Claim. Wir waren dann auf dem Rückweg nach Fort Laramie, als uns diese beiden Kerle zu verfolgen begannen. Pete versteckte unser Gold. Als sie ihn töteten, konnten sie keine Beute machen. Und sie glaubten mir, dass wir keine zurück nach Laramie kehrenden Goldgräber waren, sondern nur ein Trapper mit seiner Squaw. Sie nahmen mich mit, um mich irgendwo zu verkaufen. Das ist alles. Ich bekam nur eine Gnadenfrist, weil sie erst deine Felle rauben wollten.«
Sie verstummt wie jemand, der alles gesagt hat.
Er stellt auch keine Fragen mehr. Denn die Müdigkeit lässt ihn einschlafen.
✰
Als er erwacht und die Schmerzen wieder bewusster spürt, da ist es draußen Tag.
Es geht ihm besser, als zu befürchten war.
Denn die Wunde »hackt« nicht, hat sich also nicht entzündet oder ist dabei, dies zu tun. Er kann zufrieden sein. Und dies hat er dieser Eva Rainbow zu verdanken.
Was für ein Name, Eva Rainbow, denkt er.
Er hört sie nun draußen. Sie schleift etwas herbei, wahrscheinlich ist es trockenes Holz aus dem nahen Wald. Das Feuer in der kleinen Zweighütte brennt nicht mehr. Aber ihm ist nicht kalt. Er ist zugedeckt und liegt auf weichen Pelzen. Wenn diese Eva Rainbow nicht gewesen wäre, würde es ihm sehr viel schlechter gehen. Vielleicht wäre er während seiner Bewusstlosigkeit verblutet.
Er verspürt Dankbarkeit gegenüber dieser schönen Arapahoe.
Er hört sie draußen leise singen.
Dann kommt sie auf Händen und Knien in die Zweighütte gekrochen und kann sehen, dass er wach ist.
»Hokahe, Wasicun«, lächelt sie im Halbdunkel, und ihre indianischen Worte bedeuten so viel wie Willkommen, Weißer, und das kann sich nur darauf beziehen, dass er wieder bei Besinnung und am Leben ist.
Er versucht zu grinsen und fragt dann: »Warum bist du immer noch hier und kümmerst dich um mich?«
Sie schweigt einige Atemzüge lang und sieht auf ihn nieder, fühlt dann nach seiner Stirn. »Dein Fieber ist nicht stark«, murmelt sie. Dann erst gibt sie eine Antwort auf seine Frage: »Du hast sie getötet und mich befreit. Ich bin dir etwas schuldig.«
Nach dieser schlichten Erklärung geht sie wieder hinaus.
»Ich werde dir etwas zu essen machen«, spricht sie draußen. »Oder hast du keinen Hunger? Proviant haben wir genug.«
Er erwidert: »Ja, Eva, ich habe Hunger wie ein Wolf nach einem langen Blizzard.«
Er hört Eva draußen hantieren.