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Als Wade Oakland nach Laramie kommt, hat er drei Packtiere bei sich, die mit seinen erbeuteten Fellen schwer beladen sind. Er sieht heruntergekommen, verdreckt, ungepflegt und abgerissen aus in seiner Lederkleidung.
Wade Oakland überlegt noch, ob er essen gehen oder ein Bad nehmen soll, als er die Postkutsche von Cheyenne ankommen sieht.
Zuerst steigt ein Offizier aus und dann eine unwahrscheinlich schöne Frau. Die Frau wirft einen raschen Blick zu Wade Oakland hinüber. Und Wade meint, den Anflug eines flüchtigen Lächelns bei ihr zu erkennen.
Als Wade bald darauf beim Barbier in einem großen Fass mit heißem Wasser sitzt, sieht er die Schöne plötzlich am Eingang des Badeschuppens stehen.
»Ich habe dich sofort erkannt«, sagt sie. »Ich bin auf der Flucht vor dem Gesetz und vor dem Bruder eines Mannes, den ich getötet habe ...«
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Ein Mann kämpft für Nancy
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0595-0
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Ein Mann kämpft für Nancy
Als Wade Oakland nach Laramie kommt, hat er drei Packtiere bei sich, die mit seinen erbeuteten Fellen schwer beladen sind. Er sieht heruntergekommen, verdreckt, ungepflegt und abgerissen aus in seiner Lederkleidung.
Wade Oakland überlegt noch, ob er essen gehen oder ein Bad nehmen soll, als er die Postkutsche von Cheyenne ankommen sieht.
Zuerst steigt ein Offizier aus und dann eine unwahrscheinlich schöne Frau. Die Frau wirft einen raschen Blick zu Wade Oakland hinüber. Und Wade meint, den Anflug eines flüchtigen Lächelns bei ihr zu erkennen.
Als Wade bald darauf beim Barbier in einem großen Fass mit heißem Wasser sitzt, sieht er die Schöne plötzlich am Eingang des Badeschuppens stehen.
»Ich habe dich sofort erkannt«, sagt sie. »Ich bin auf der Flucht vor dem Gesetz und vor dem Bruder eines Mannes, den ich getötet habe ...«
Wade hat ein Gefühl, als hätte er einen Schlag erhalten. Er sitzt bewegungslos im Wasser. Doch dann fängt er sich.
»He, du bist doch nicht das Mädchen«, sagt er, »bei dem ich das Küssen lernte – und noch ein paar andere Dinge mehr? Du bist doch nicht das wundervolle Honeygirl, mit dem ich in einer schönen Sommernacht im Heu lag?«
Sie lächelt nun ein wenig ernst.
»Was ich damals tat«, sagt sie, »tat ich zum ersten Mal mit einem Jungen. Und was es zu lernen gab, lernte ich von dir. Deine Erinnerungen sind wohl nicht so gut.«
»Nancy«, sagt er, »wir waren wohl beide damals ziemlich dumm, nicht wahr?«
»Ich war damals sechzehn«, erwidert sie, aber in ihren Augen ist kein Lächeln, da erkennt er einen bitteren Ernst. »Und du warst am anderen Tag fort«, spricht sie weiter. »Warum bist du damals schon am nächsten Tag fort gewesen?«
Er sitzt nur still da.
»Ach«, sagt er, »ich wollte damals keine Abschiedstränen. Und ich hatte einen Job bei einem Auswanderer-Wagenzug, der nach Oregon wollte. Ich war verantwortlich für die Pferderemuda. Wenn ich dir in jener Nacht gesagt hätte, dass ich am nächsten Tag schon fortreiten würde, dann hättest du ...«
Er verstummt nun, denn er will es nicht so grob heraussagen.
Aber sie sagt hart: »Ja dann hätte ich mich in jener Nacht nicht mit dir eingelassen. Aber so glaubte ich an deine Liebe. Am anderen Tag war ich allein.« Dann sagt sie ruhig – und ihre Worte treffen ihn wie Maulschellen: »Ja, ich hab alles überstanden. Als ich damals merkte, dass ich schwanger von dir war, da war mir klar, dass mein Vater mich halb totschlagen würde. Und so lief ich fort und brachte später mein Kind in Saint Louis zur Welt.«
Sie macht eine Pause und fährt dann langsam fort: »Das Kind war eine Totgeburt. Ich musste fast bis zum letzten Tag meiner Schwangerschaft hart arbeiten. Das Kind kam einen Monat zu früh. Nein, du bist kein Vater, Wade Oakland. Dein Kind liegt in Saint Louis begraben, und es kam tot auf diese Welt. Ich aber will leben. Meinst du nicht, dass du mir etwas schuldig bist?«
Wade schweigt.
»Ich bin auf der Flucht«, sagt sie noch einmal. »Ich weiß nur einen Ausweg, die Flucht durch das Indianer- und Büffelland. Ich will meine Fährte verwischen. Und da ich hier meine Kindheit verbrachte und mich deshalb auskenne, flüchtete ich hierher. Es geht mir wie einer gejagten Wölfin, die in ihr altes Revier flüchtet, weil sie sich dort am besten auskennt.«
Er sieht sie wieder einige Atemzüge lang schweigend an.
Und er fragt nicht, warum sie diesen Mann getötet hat.
Nein, er sieht sie an und sagt dann schlicht: »Ich helfe dir. Du kannst auf mich zählen. Ja, es war sicherlich eine gute Idee, auf die alte Heimatweide zurückzukommen, Nancy. Von hier bis ins Goldland von Montana oder hinauf nach Oregon, da verwischen sich viele Fährten – sehr viele. Auch diese wird sich verwischen. Was soll ich tun?«
Sie tritt nun sehr nahe an ihn heran und beugt sich nieder, um ihn im Halbdunkel des Badeschuppens genau ansehen zu können.
»Diesmal kann ich mich auf dich verlassen? Diesmal läufst du nicht weg?« So fragt sie herb.
»Ich schwöre es dir«, sagt er. »Ich gebe dir mein Wort.«
Sie nickt.
Dann sagt sie: »Die nächste Kutsche kommt erst morgen, und in ihr könnten schon meine Verfolger sitzen. Ich habe im Hotel ein Zimmer genommen – und ich möchte diese Nacht einfach verschwinden. Niemand soll mich mit dir fortreiten sehen. Du musst also zwei Pferde und ein Packtier besorgen, nicht wahr? Du weißt ja selbst, was alles notwendig ist für einen Ritt den Bozeman-Weg oder den Oregon-Weg hinauf. Ich treffe dich an der Furt des Laramie Fork. Um Mitternacht. Und hier ist Geld.«
»Dein Geld brauche ich nicht«, sagt er. »Ich habe selbst genug. Um Mitternacht an der Furt des Laramie Fork.«
Sie nickt langsam. Dann geht sie zum Eingang.
Seine Stimme holt sie ein: »Nancy ...«
Sie wendet sich um. »Ja, Wade?«
»... du bist schön geworden. Wie rau deine Wege auch waren – und wie schlimm es für dich auch gewesen sein mag, nachdem das alles passierte und ich dich verließ – du bist schön geworden. Nancy, du bist die schönste Frau, die ich kenne.«
Da kommt sie noch einmal zurück.
»Pass auf, Mister«, sagt sie. »Zwischen uns wird nie wieder etwas, verstehst du? Ich habe nie wieder einen Mann geliebt. Aber ich habe sie ausgenommen wie die Katzenfische und geschoren wie die Hammel. Ich kann nicht mehr lieben. Gib mir nun auch noch dein Wort, dass ich bei dir sicher sein werde wie eine Schwester.«
Er nickt. »Ich werde nie wieder etwas tun, was dir schaden könnte oder was du nicht möchtest«, sagt er.
Da geht sie – und ihre Bewegungen sind wunderbar harmonisch.
Verdammt, was für eine Frau wurde aus diesem Mädel, denkt er. Und dennoch fehlt ihr im Kern alles, was eine schöne Frau erst wertvoll macht. Sie kann nicht mehr lieben – und ich bin daran schuld.
Ja, er ist ihr eine Menge schuldig, eine ganze Menge.
✰
Als Wade Oakland zum Abendbrot ins Hotel-Restaurant geht, hat er längst erledigt, was zu erledigen ist. Er hat die Pferde bereit, seine Ausrüstung erneuert und ergänzt, Vorräte und viele andere Dinge gekauft – und vor allen Dingen einen Lederanzug für Nancy erworben, der eigentlich sündhaft teuer war, in dem er sich Nancy jedoch wunderhübsch vorstellen kann.
Er wich allen Fragen des Handelsagenten aus, obwohl er Sam Wells, den er Onkel nennt, gewiss hätte vertrauen können.
Seine Ausbeute an Fellen hat ihm diesen Frühling einiges eingebracht.
Er lässt sich von Sam Wells tausend Dollar auszahlen und sagt ihm, dass er das andere Geld auf seinem Konto bei der Bank in Kansas City gutgeschrieben haben möchte. Er zahlt alles, was er zu zahlen hat, und lässt die drei Tiere und das Gepäck in einem Schuppen der Handelsagentur.
Um sich die Zeit bis Mitternacht zu vertreiben, geht er noch einmal zum Saloon hinüber. Fortwährend in diesen Stunden denkt er dabei an Nancy Juleman – und erst jetzt, viel später, wird er sich darüber klar, dass sie einen Mann getötet haben soll, wie sie ja selbst sagte.
Warum mag sie ihn getötet haben? Sie sagte, dass sie auf der Flucht vor dem Gesetz und dem Bruder jenes Mannes sei, den sie getötet habe. Hat sie es in Notwehr getan – oder aus ...
Er wagt es nicht, sich vorzustellen, aus welchen anderen Beweggründen sie getötet hat, doch irgendwie verspürt er eine Ahnung, dass alles damals hier in Laramie angefangen haben könnte – damals, als er sie verließ und sie plötzlich in der Patsche saß und den Glauben nicht nur an die Männer, sondern an die ganze Welt verlor.
Als er dann an der Bar steht und sich einschenken lässt, da denkt er immer wieder: Noch drei Stunden, dann treffe ich sie an der Brücke – und dann bringe ich sie in Sicherheit.
Als er das Bierglas halb geleert hat, will er es nehmen und sich zu den Zuschauern einer Pokerrunde begeben.
Aber dann sieht er den Sergeant Pat O'Rourke hereinkommen. Bei O'Rourke sind noch die Sergeants Dick Welby und Scott Brouther.
Sie alle drei grinsen und stellen sich im Halbkreis vor Oakland.
»Wollt ihr was?« So fragt dieser sofort und ist bereit, O'Rourke das Bierglas ins Gesicht zu stoßen.
Doch O'Rourke hebt seine Hände, zeigt ihm die Handflächen.
»Wir haben uns schon so oft geprügelt«, sagt er, »und ich habe zumeist verloren. Glaubst du nicht, dass wir auch noch auf anderem Gebiet herausfinden müssten, wer von uns eigentlich der beste Mann ist?«
»Oh, du bist viel besser als ich«, grinst Oakland schief. »Du bist doch Sergeant in der glorreichen Armee. Oh, du bist viel besser, mein Junge. Auch ihr seid es, ihr zwei grinsenden Honigkuchenpferdchen.«
Er nickt bei seinen letzten Worten den Sergeants Welby und Brouther zu.
Aber die grinsen friedlich.
Sergeant Pat O'Rourke sagt: »Ich fordere dich heraus, Wade Oakland! Ich will wissen, wer von uns beiden zuerst unter dem Tisch liegen wird, wenn wir jeder eine Flasche an den Hals setzen und sie leer trinken. Also, ich fordere dich heraus zu diesem Zweikampf. Und es soll der letzte zwischen uns sein. Hast du gehört, der letzte Kampf!«
Wade Oakland überlegt. Er betrachtet die drei Sergeants scharf. Doch einige der Gäste hören die Worte. Es bildet sich schnell ein Halbkreis um die Gruppe. Die Neuigkeit wird auch schnell bis in die hinteren Ecken des Raumes weitergegeben.
Und nun ist es still.
Aus dem Hintergrund tönt eine urige Stimme: »Der wird doch nicht kneifen – nein, das wird Wade Oakland nicht tun. Der trinkt diesen irischen Hundesohn von den Beinen. Ich setze fünfzig Dollar darauf und nehme Wetten an.«
Es wird nun laut.
Wade Oakland will kneifen, denn er denkt an Nancy, die in drei Stunden an der Brücke auf ihn warten will. Wenn er sich jetzt betrinkt, wird er in drei Stunden nicht nüchtern sein können, selbst wenn er sich – nachdem er O'Rourke von den Beinen trank – den Finger in den Hals stecken und draußen alles wieder herauswürgen sollte.
Doch kann er kneifen? Nein, er kann es nicht – nicht, wenn es darum geht, Pat O'Rourke zu schlagen. Und wahrscheinlich wird er in drei Stunden wieder nüchtern genug sein, um im Sattel sitzen zu können.
Er nickt Pat O'Rourke zu.
»Dich schlage ich allemal – auf jedem Gebiet«, sagt er. »Bist du hergekommen, um für den Captain Revanche zu nehmen, den sechs Mädels unter den Tisch tranken? Ist es das? Nun, dann mal los, alter Rekrutenschinder.«
Er wendet sich zur Seite und nickt dem Barmann zu.
Dieser stellt wenig später zwei entkorkte Flaschen auf den Schanktisch.
Nun ist der Kreis sehr dicht geworden. Einer der Männer wird zum Schiedsrichter gewählt. Er trinkt beide Flaschen an und sagt schnaufend: »Das ist die gleiche Pumaspucke. Es ist egal, wer welche Flasche nimmt, völlig egal. Also los, Jungs! Nehmt die Flasche! Setzt sie an! Und dann macht sie leer!«
Sie gehorchen – und noch während Wade Oakland die ersten Züge trinkt, wird ihm bewusst, dass er ein Narr ist.
Nancy Juleman wird keinen guten Eindruck von ihm gewinnen, wenn er betrunken zum Treffpunkt kommt. Sie wird sich ihm vielleicht gar nicht mehr anvertrauen wollen. Dann wird er sie zum zweiten Mal böse enttäuscht haben.
Er möchte absetzen – doch er tut es nicht. Nein, er kann nicht mehr kneifen. Er muss dies jetzt durchhalten. Doch er nimmt sich vor, dass er durch die Hintertür verschwinden wird, sobald er mit O'Rourke fertig ist. Er wird sich den Finger in den Hals stecken und versuchen, das Restaurant zu erreichen. Dort wird er sich voll schwarzen Kaffee füllen. Ja, so muss es gehen, so wird es auch gehen. Drei Stunden sind eine lange Zeit. Und er könnte auch einmal in den Creek springen, bei der Brücke.
Er schluckt schneller, denn er sieht, dass O'Rourke schon die halbe Flasche ausgetrunken hat. Die rollenden Augen des Sergeants beobachten ihn.
Es ist still.
Der Fusel, den sie trinken, brennt fürchterlich und würde wahrscheinlich auch kupferne Kehlen zusammenziehen. Er bekommt kaum noch Luft. Der kurze Schock, den man sonst nach einem scharfen Schluck durch den Körper gehen fühlt, ist nun ein Dauerzustand. Er schnauft hörbar, wie er auch O'Rourke schnaufen hört.
Sie stellen ihre leeren Flaschen zu fast gleicher Zeit auf den Schanktisch und sehen sich an.
»Du wirst wohl noch eine zweite leeren müssen, bevor ich umfalle«, sagt Wade Oakland – aber seine Zunge bewegt sich schon mühsam.
Er sieht in das bleich gewordene Gesicht des Sergeants und spürt zugleich, dass auch er selbst jetzt gewiss unter der gebräunten Haut bleich wird.
Dann aber schießt ihm plötzlich eine heiße Welle in den Kopf.
Die Welt scheint sich mit ihm zu drehen, der Boden unter ihm zu schwanken.
Er hört den Sergeant sagen: »Keiner darf sich festhalten – keiner. Und jetzt rauchen wir noch eine Zigarre, ja? Zwei Zigarren!«
Der Barmann gibt ihnen die, denn die letzten Worte galten ihm.
Doch der Sergeant raucht seine nicht mehr. Er dreht sich plötzlich im Kreis und bekommt weiche Knie. Nun will er sich doch am Schanktisch festhalten, doch er vermag es nicht mehr.
Er fällt um – und er würde hinschlagen, würden ihn nicht einige Männer aufhalten. Wade Oakland steht noch. Er sagt mühsam: »Ich – wusste ja, dass ich ihn – immer – schlagen kann!«
Er bewegt sich nun am Schanktisch entlang zur Hintertür. Sie alle machen ihm Platz. Einer sagt: »Der schafft es. Der hat gewonnen. Der schafft es allein bis auf den Hof.«
✰
Wade Oakland steckt sich draußen in einer Ecke den Finger in den Hals und bricht aus, was er sich drinnen im Saloon aus der Flasche in den Hals schüttete.
Danach fühlt er sich ein wenig besser, erleichtert. Vielleicht wird seine Trunkenheit nun nicht lange anhalten. Doch es ist schlimm genug. Sein Blut hat eine große Menge Alkohol aufgenommen. An Feuerwasser ist er nicht mehr gewöhnt, denn die letzten sechs Monate lebte er völlig ohne Alkohol. Nur eine einzige Flasche hatte er sich davon mitgenommen ins Yellowstone-Land – als Medizin.
Er schwankt zum Brunnen, neben dem sich ein großer Wassertrog befindet. Obwohl er schlimm betrunken ist und kaum noch einen Gedanken zustande bringt, ist noch ein Wille in ihm.
Er hat sich alles, was er jetzt mühsam tut, vorher eisern eingeprägt. Und so handelt er fast wie unter Hypnose. Er weiß, dass er seinen Kopf – besser noch, den halben Oberkörper ins Wasser stecken muss. Dann wird ihm vielleicht nach einer Weile etwas besser werden.
Aber noch bevor er den Wassertrog erreicht, sind ein paar Männer bei ihm. Es sind die Sergeants Dick Welby und Scott Brouther.
Aber er erkennt sie noch gar nicht. Er weiß nur, dass jemand ihn rechts und links unterhakt. Dass eine Stimme zu ihm sagt: »Nun komm, mein Bester! Wir bringen dich ins Bettchen. Komm nur, du Prachtbursche! Wir sind wie Vater und Mutter zu dir!«
Er kann sich nicht dagegen wehren.
Und bald weiß er gar nichts mehr.
Das Erwachen ist grausam, und die Trompete, die er schmettern hört, klingt seltsam nahe, nicht so weit entfernt wie sonst, wenn er in Laramie weilt und es bis zum Fort auf der anderen Seite des Laramie Fork weiter als vier Steinwürfe ist.
Er bekommt gar nicht die Augen auf. Sein Kopf scheint doppelt so groß angeschwollen zu sein und bei jedem Pulsschlag platzen zu wollen.
Aber dann hört er eine heisere Stimme brüllen: »Los, raus, ihr haarigen Affen! Ihr seid jetzt bei der Armee, bei der glorreichen US-Kavallerie! Kommt hoch und werdet ordentliche Menschen! Heute ist der Tag, auf den ihr stolz sein dürft! Kommt schon! Hoch, kommt schon!«
Die brüllende Stimme ist nun dicht bei ihm – und zwei schnell und hart zupackende Hände fassen seine Fußgelenke und reißen ihn mit einer geschickten Drehung von der Schlafpritsche. Er landet unsanft auf dem Fußboden und springt mit einem Fluch hoch.
Dann endlich hat er die Augen richtig auf – und erkennt den Sergeant Dick Welby. Er will sich gegen ihn werfen, doch er ist sehr viel langsamer als sonst. Heute ist er nicht so schnell wie ein Wildkater.
Und der Sergeant hat einen Knüppel bei sich, wahrscheinlich ist es ein Axtstiel. Diesen Knüppel stößt er ihm mit dem Ende gegen den Magen. Und als Wade sich verbeugen muss, bekommt er das Ding auf den Kopf. Er fällt auf sein Gesicht und verliert für einen Moment die Besinnung.
Nach einer Weile rappelt er sich auf. Die Schlafpritschen sind doppelstöckig. Er zieht sich an der oberen Pritsche empor, legt sich dann mit den Armen darauf und verharrt so eine Weile.
»Er ist ausgerutscht und hat sich den Kopf gestoßen«, sagt Sergeant Dick Welbys Stimme. »Der hat gestern seinen Eintritt in die Armee so sehr gefeiert und begossen, dass er jetzt immer noch nicht weiß, ob er ein Männchen oder ein Weibchen ist. Aber wir machen ihn schon munter – ganz bestimmt. Komm, mein Bester, komm nur an die frische Luft hinaus.«
Wade Oakland wendet sich ihm zu. Er steht nun in dem schmalen Gang zwischen zwei doppelstöckigen Schlafpritschen. Er begreift, dass er sich in einer Mannschaftsbaracke befindet, in der normalerweise eine ganze Kompanie oder Schwadron untergebracht ist.
Draußen auf dem breiteren Gang, der in Längsrichtung von einem Ende der Baracke bis zum anderen reicht, steht Sergeant Dick Welby. Aber neben ihm ist nun noch ein zweiter Sergeant. Es ist Scott Brouther. Die beiden sind gestern mit Sergeant Pat O'Rourke in den Laramie Prairie Saloon gekommen.
Wade Oaklands Hirn arbeitet noch sehr mühsam – und dennoch begreift er das Spiel.
Er schüttelt den Kopf. »Damit kommt ihr nicht durch«, sagt er. »Das klappt nicht! Nein, nicht mit mir. Also hört auf, denn ihr habt euren Spaß gehabt.«
Aber sie schütteln die Köpfe. Ihre harten Gesichter sind völlig ausdruckslos. Nur in ihren Augen ist ein Funkeln.
»Wir bekommen erst noch den großen Spaß«, sagt Dick Welby.
»Und wie«, nickt Scott Brouther. »Du kannst nicht einfach wieder rückgängig machen, was du unterschrieben und wofür du Handgeld kassiert hast. Junge, du hast einen Vertrag mit der Armee. Wetten, dass du ihn halten wirst?«
Wade Oakland wischt sich schnaufend übers Gesicht.
Dabei hofft er noch, dass er sich täuscht und alles nur ein verrückter Traum ist.