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General Philip Sheridan war es, der den Satz prägte, der auf sehr unrühmliche Weise in die Geschichte der Besiedlung des amerikanischen Westen und der Indianerkämpfe einging:
»Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.«
General Sheridan wurde 1869 Befehlshaber des Militärbereichs Missouri, und seine Einstellung gegenüber der roten Urbevölkerung übertrug sich natürlich auch auf die ihm unterstellte Armee.
Deshalb fanden immer wieder schreckliche Massaker statt, Massaker von unvorstellbarer Brutalität, die einer gnadenlosen Vernichtung der roten Ureinwohner Amerikas gleichkamen.
So wuchsen der Hass und die Unversöhnlichkeit auf beiden Seiten ins Unermessliche, und viele menschliche Schicksale, rote und weiße, gerieten in den Verderben bringenden Sog dieser lebensverachtenden Diskriminierung einer ganzen Rasse ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Impressum
Kriegerehre
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto / Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0855-5
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Kriegerehre
General Philip Sheridan war es, der den Satz prägte, der auf sehr unrühmliche Weise in die Geschichte der Besiedlung des amerikanischen Westen und der Indianerkämpfe einging:
»Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.«
General Sheridan wurde 1869 Befehlshaber des Militärbereichs Missouri, und seine Einstellung gegenüber der roten Urbevölkerung übertrug sich natürlich auch auf die ihm unterstellte Armee.
Deshalb fanden immer wieder schreckliche Massaker statt, Massaker von unvorstellbarer Brutalität, die einer gnadenlosen Vernichtung der roten Ureinwohner Amerikas gleichkamen.
So wuchsen der Hass und die Unversöhnlichkeit auf beiden Seiten ins Unermessliche, und viele menschliche Schicksale, rote und weiße, gerieten in den Verderben bringenden Sog dieser lebensverachtenden Diskriminierung einer ganzen Rasse ...
Red Falcon, also Roter Falke, ist ein kleiner Häuptling vom Volk der Cheyennes, und sein Dorf besteht nur aus etwa fünfzig Tipis. Aber es ist ein gesundes Dorf mit guten Zelten. Es gab schon seit vielen Jahren keine Krankheiten. Die Sterberate ist unterdurchschnittlich. Dieses Dorf bringt auch die Alten durch die harten Winter. Denn Red Falcon und dessen Krieger hatten stets eine gute Büffeljagd.
Auch die Pferdeherde des Dorfes ist groß. Mehr als fünfhundert Tiere besitzt es.
Da man auf jedes Tipi durchschnittlich fünf Bewohner zählen kann, ist Red Falcon das Oberhaupt von etwa zweihundertfünfzig Leben – angefangen zu zählen von den Alten bis zu den Neugeborenen. Etwa fünfzig Krieger schützen das Dorf und versorgen es mit allen lebenswichtigen Dingen, von denen der Büffel die Hauptsache ist.
Red Falcons ganzer Stolz und seine ganze Liebe aber ist seine Frau und die Mutter seiner drei Söhne. Immer wenn er sie in den Nächten in seinen Armen hält, da dankt er Wakan Tanka, dem Großen Geist, für das große Geschenk und all die Gnade, die ihm dieses Glück möglich machten.
Roter Falke ist also ein glücklicher Häuptling.
Doch wie immer wieder überall auf der Erde unter den Menschen kann solch ein Glück schnell ins Gegenteil umschlagen und das Böse niederstürzen wie ein Raubvogel auf ein argloses Wild.
In Red Falcons Fall heißt dieser Raubvogel Custer, George Armstrong Custer, einst während des Bürgerkrieges Zweisterne-General, nun aber Lieutenant Colonel.
Man hatte ihn schon mal suspendiert und unter Arrest gestellt wegen disziplinloser Vergehen und unmenschlicher Behandlung seiner Soldaten. Doch sein großer Beschützer Sheridan brauchte ihn als Werkzeug zur Vernichtung der Indianer in seinem Militärbereich. Custer war Sheridans Ziehsohn. Und er war jung, schneidig, mutig und besessen von einem selbstzerstörerischen Ehrgeiz.
Ja, Custer war und ist Sheridans williges Werkzeug.
Und so wurde er wieder in den aktiven Dienst übernommen, das Urteil gegen ihn vorzeitig aufgehoben und ihm das Kommando über das erstklassige Siebte Kavallerie-Regiment übergeben.
Sein gnadenloses Wirken beginnt am 27. November 1868 am Washita River in Oklahoma, als er das Dorf von Black Kettle überfällt – und es setzt sich dann in den folgenden Monaten fort. Immer wieder überfällt er mit seiner Truppe friedliche Indianerdörfer.
Und an diesem Tage ist das Dorf von Red Falcon oder Roter Falke an der Reihe.
Es ist im Morgengrauen, als die Hunde des Dorfes anschlagen und wütend zu kläffen beginnen. Roter Falke lauscht nicht lange, dann löst er sich von seiner Squaw, steigt über einen seiner schlafenden Söhne hinweg und gleitet aus dem Zelt.
Einer der noch ganz jungen Krieger, die bei der Pferdeherde wachten, nur eine Viertelmeile vom Dorf entfernt, kommt herangeritten und hält bei seinem Häuptling an.
»Mila Hanska«, flüstert er heiser zu Roter Falke nieder, »viele Mila Hanska. Sie kommen leise und umzingeln unser Dorf im weiten Kreis.«
Roter Falke verharrt einige Sekunden bewegungslos. O ja, er hat von der Vernichtung anderer Dörfer gehört – aber auch von Friedensgesprächen.
Nun wird ihm klar, dass es kaum eine Chance gibt für seine Dorfgemeinschaft.
Wenn die Mila Hanska kamen, um zu töten, dann werden sie alle hier sterben – auch die Alten, die Frauen und Mädchen, die Knaben und die Säuglinge.
Was also kann er als Häuptling tun? Mit seinen vier Dutzend Kriegern angreifen?
Ihre Kriegerehre würde das eigentlich von ihnen fordern. Denn sie sind freie Cheyennes in ihrem von ihren Vorvätern seit grauer Vorzeit beherrschten Land. Es war immer ihr Land. Sie bekamen es von Wakan Tanka zugeteilt. Er ließ sie hier leben.
Und dann kamen die Wasicuns, die Weißen, und ihre Soldaten, die Mila Hanska.
Was kann er tun, um sein Dorf zu retten?
Wenn er kämpft, dann führt er seine Krieger in den Tod.
Und wenn er nicht kämpft, dann lässt er sich mit seiner Dorfgemeinschaft wehrlos abschlachten.
Er verharrt also noch bewegungslos und lauscht. Aber er kann nichts außer dem Gekläffe der Dorfhunde hören.
Doch mit seinem nun wachen Instinkt wittert er die Gefahr.
Ja, da im Morgengrauen lauert etwas rings um sein Dorf.
Er wendet sich ab und kehrt in sein Zelt zurück. Dort findet er schnell die Fahne der USA, die damals nach einem der vielen Friedensverträge jeder Dorfhäuptling geschenkt bekam.
Er nimmt eine der Lanzen, die rechts und links neben dem Zelteingang im Boden stecken, und hängt die Fahne daran.
Der junge Krieger auf dem Mustang verhält immer noch und beobachtet ihn schweigend.
»Gib mir dein Pferd«, verlangt Roter Falke und sitzt wenig später auf dem Tier.
Mit der Fahne, deren Stock die Lanze ist, reitet er in die Dunkelheit der weichenden Nacht hinein, also nach Westen. Denn er glaubt, dass der Häuptling der Mila Hanska gewiss dort zu finden sein wird, wo die Nacht am längsten dauert.
Denn von Osten her kommt nun die erste Helligkeit heraufgezogen.
Er muss nicht weit von seinem Dorf wegreiten.
Dann sieht er die Mila Hanska, die US-Kavallerie. Sie warten auf des Hornsignal zum Angriff. Und so beeilt er sich, reitet schneller und schwenkt die Fahne.
Als er nahe genug ist, erkennt er im Morgengrauen auch den Mann, den die Indianer Gelbhaar nennen. Ja, es ist Custer, den er schon mehrmals bei den Friedensverhandlungen sah.
Er ruft von seinem trabenden Mustang hinüber: »Adlerhäuptling Gelbhaar, ich komme, um über Frieden zu reden!«
Aber als Antwort kommt eine Kugel, die ihn vom Pferd fegt.
Als er am Boden aufschlägt, tönt das Hornsignal zum Angriff.
Aber das hört er nicht mehr.
Im Morgengrauen bricht nun die Hölle los.
Mehr als zweihundert Mila Hanska fallen über das Dorf und dessen Menschen her und beginnen mit dem gnadenlosen und unmenschlichen Gemetzel.
Sie schonen kein Leben – selbst das der Säuglinge nicht.
Inzwischen hatte der junge Krieger, dessen Mustang Roter Falke verlangte, das Dorf einigermaßen geweckt. Und so gibt es einigen Widerstand. Die Krieger kämpfen verzweifelt und versuchen den Frauen, Kindern und Alten Fluchtwege zu schaffen.
Und so wiederholt sich auch hier am Beaver Creek, der in den Little Big Horn fließt und ein schönes Tal durcheilt, was immer wieder geschehen ist.
Denn nur tote Indianer sind gute Indianer.
So sagte es General Sheridan.
Und eines Tages wird sich eine ganze Nation dafür schämen. Doch das wird erst sehr viel später sein.
Vorerst wird Lieutenant Colonel Custer, der einstige Bürgerkriegs-General, in den Zeitungen des Ostens als Kriegsheld gegen die roten Bestien gefeiert werden.
✰
Roter Falke liegt viele Stunden lang wie tot am Boden, halb zugedeckt mit der Fahne der Union, mit der er um Frieden bitten wollte.
Der Tag vergeht. Es wird Nacht.
Und da erwacht er endlich und tastet nach der Kopfwunde, welche so böse schmerzt, dass sein Kopf bei jedem Pulsschlag zu zerspringen droht.
Er liegt dann noch eine Weile unbeweglich und versucht sich zu erinnern. Dies geschieht nur langsam. Seine ganze Kopfhälfte ist mit verkrusteten Blut bedeckt. Aber mit seinen zitternden Fingern kann er die tiefe Schramme ertasten, die ihm die Kugel gerissen hat. Fast hätte sie ihm den Schädel gespalten wie ein Axthieb.
Roter Falke möchte bewegungslos liegen bleiben, denn er weiß, dass er stehend wie ein Betrunkener schwanken und wahrscheinlich wieder umfallen wird.
Doch die Sorge um seine Squaw und die Söhne treibt ihn schließlich doch hoch.
Ja, er kommt auf die Füße, verharrt schwankend und muss wieder in die Hocke. Und als er sich nach einer Weile aufrichtet, da bleibt er aufrecht.
Es wurde eine helle Nacht. Mond und Sterne leuchten.
Er weiß, dass er im abgebrannten Dorf nur Tote finden wird, und dennoch hofft er bis zum letzten Moment.
Aber als er seine Squaw und seine Söhne findet, stößt er einen schrecklichen Schrei gen Himmel aus.
Er kann auch erkennen, dass seine Squaw vergewaltigt wurde. Man hat ihr die Kleidung vom Leib gerissen. Nackt, tot und misshandelt liegt sie im Mondlicht zu seinen Füßen.
Offensichtlich hat sie sich wie eine Wildkatze gewehrt, gekämpft mit all ihren Kräften. Vergeblich. Und er konnte sie nicht beschützen, ihr nicht beistehen.
Er wollte mit der Fahne der Wasicuns um Frieden und Schonung bitten.
Abermals stößt er jenen schrecklichen Schrei aus.
Dann ruft er: »Ihr Mila Hanska habt keine Kriegerehre! Ihr seid der verkommenste und stinkendste Dreck dieser Welt!«
Im Klang seiner Stimme ist bitterste Verachtung.
Er ist ein Mann – ein Krieger und Häuptling, der alles verloren hat, was ein Mann verlieren kann, und der nun ohne jede Hoffnung ist.
»Oh, Gelbhaar Custer, auf was kannst du stolz sein? Eines Tages werden wir dich vernichten!«
Er ruft noch viele andere böse Worte.
Dann aber sieht er, dass er nicht mehr allein ist.
Einige Gestalten näherten sich ihm. Er sieht, dass diese Gestalten ebenfalls verwundet wurden und sich kaum auf den Beinen halten können. Er erkennt Gelbvogel, Bunter Hirsch, Regentöter und Büffelhorn.
Ja, es sind Krieger wie er, die man für tot hielt, weil sie reglos und starr in ihrem Blut lagen.
Sie betrachten sich eine Weile wortlos. Dann aber spricht Regentöter: »Wir sind die letzten Krieger unseres Dorfes. Alle sind tot. Einige unserer Frauen und Kinder haben die Mila Hanska mitgenommen als Gefangene. Sie werden sie irgendwohin bringen.«
»Ja, zu einem Ort, welchen die Wasicuns Reservat nennen«, murmelt Roter Falke.
Er sieht seine vier letzten Krieger an.
»Aber wir werden kämpfen und Rache nehmen, wenn unsere Wunden verheilt sind.«
So spricht er nun ganz ruhig, obwohl in ihm ein wildes Feuer brennt.
Die vier Krieger, deren Wunden wirklich böse und schlimm sind und die allesamt eine Menge Blut verloren haben, nicken wortlos.
Dann spricht Gelbvogel: »Das verlangt unsere Kriegerehre von uns. Ja, wir werden Rache nehmen für alles, was Gelbhaar Custer uns antat. Eines Tages wird er seinen Skalp verlieren.«
✰
Es ist Wochen später, als der Spieler Bac Lonnegan in Laramie am Pokertisch einen Mann erschießen muss, der mit einem Zauberkunststück ein fünftes Ass ins Spiel brachte. Es ist das Ass, das dem Kartenhai zu einem Royal Flush verhalf. Doch dieses Ass hat Bac Lonnegan vorhin abgelegt, um eine vierte Dame bekommen zu können. Er bekam sie auch. Aber was sind schon vier Damen gegen einen Royal Flush?
Als Lonnegan dem Kartenhai sein abgelegtes Ass zeigt, da greift dieser zur Waffe.
Aber Lonnegan ist sehr viel schneller.
Wenig später sagt ihm der Marshal von Laramie, dass er mit der nächsten Postkutsche verschwinden müsste. Denn der Kartenhai hätte Freunde. Und wenn die eingriffen, würde es noch mehr Tote geben.
Und so geht Bac Lonnegan ins Hotel an diesem grauen Morgen und weckt Fee Lorne.
»Wir müssen wieder einmal weiter, Fee«, sagt er. »Heute kann ich nicht zu dir ins Bett kommen und dich lieben. Ich musste einen verdammten Narren erschießen.«
Fee Lorne setzt sich im Bett auf. Sie ist nackt, denn es war eine schwüle Nacht.
Sie hat bis Mitternacht in der großen Amüsierhalle auf der Bühne für mehr als zweihundert männliche Gäste gesungen. Es waren zumeist Arbeiter der nun mit dem Bau beginnenden Union-Pacific-Eisenbahn, auch Frachtfahrer und Büffeljäger.
Und sie musste viele Zugaben folgen lassen, denn sie ließen sie nicht von der Bühne.
Und so kam sie erst nach Mitternacht ins Bett.
Nun soll sie aufstehen.
Sie starrt Bac Lonnegan im Lampenlicht an. Er hat das Flämmchen der Lampe nach seinem Kommen höher gedreht.
»Verdammt, Bac«, spricht sie, »schon wieder müssen wir weiter. Was für ein Leben. Wann endlich haben wir genug?«
»Bald«, erwidert er, »bald, schöne Fee. Aber jetzt steh endlich auf.«
Er beginnt ihre beiden Koffer zu packen.
Sie erhebt sich indes und beginnt sich mit flinken Bewegungen rasch anzukleiden. Dann hilft sie Bac Lonnegan beim Packen.
Sie schaffen es dann noch in der letzten Minute bis zur Postkutsche nach Norden.
Von Osten her zieht der neue Tag herauf und vertreibt die Nacht nach Westen.
Es ist eine neunsitzige Abbot & Downing Stage, und sie ist nun voll besetzt. Die Koffer und die Reisetasche liegen oben auf dem Dach bei dem anderen Gepäck, welches hinter im Gepäckkasten keinen Platz mehr hatte.
Das Sechsergespann schlägt einen zügigen Trab an. Als sie am Fort vorbeifahren, kommt dort die Patrouille herausgeritten, von der die Kutsche bis nach Fort Reno eskortiert werden wird.
Eine heisere Männerstimme sagt nach einer Weile laut genug, sodass sie es alle durch den Hufschlag und all die anderen Geräusche hören können: »Vielleicht haben wir Glück und kommen den verdammten Bozeman-Weg hinauf, ohne unsere Skalpe zu verlieren.«
»Halts Maul«, sagt eine andere Stimme. »Wir haben eine Lady in der Kutsche. Macht ihr nur nicht unnötig Sorgen.«
✰
In Fort Reno bekommen sie das dritte Sechsergespann und eine neue Eskorte. Und dann geht es weiter, immer weiter.
Bac Lonnegan erinnert sich einmal mehr an seinen Weg und wie ihn das Schicksal mit Fee Lorne zusammengeführt hat.
Ja, sein Lebensweg ...
Er wuchs in einer primitiven Hütte am Brazos in Texas auf. Und er war der jüngste von fünf Brüdern.
Und als sie alt genug waren, da nahm ihr Vater sie mit hinüber nach Mexiko. Sie stahlen dort den reichen Hacendados wunderschöne Pferde, ganze Züchtungen.
Doch dann kam der Krieg zwischen Nord- und Südstaaten.
Er meldete sich zur Texas-Brigade und wurde Offizier. Das verdankte er nicht zuletzt der Mutter, denn diese brachte ihren Söhnen – bevor der Vater deren Erziehung übernahm und sie mit ihm reiten mussten – eine ganze Menge an Schulbildung bei. Sie konnte das, denn sie war Lehrerin gewesen, bis sie dem Vater ihrer Söhne ins Brazos-Land folgte.
Nun, Bac Lonnegan tat sich in der Texas-Brigade immer wieder durch besondere Tapferkeit und kluge Entschlossenheit hervor. Zuletzt war er Captain. Und er lernte immerzu an jedem Tag von seinen gebildeten Offiziers-Kameraden.
Seine ganze Lebensart wurde mehr und mehr die eines Gentleman aus dem Süden.
Doch nach dem Krieg war er wie die meisten Gentlemen des Südens nichts anderes als ein Satteltramp, ein Verlierer des Krieges, weil er auf der falschen Seite gekämpft hatte.
Und so wurde er ein Spieler und Revolvermann, ein Glücksjäger und Abenteurer.
Und dann trat die schöne Fee Lorne in sein Leben.
Heiliger Rauch, er liebte sie vom ersten Moment an, da er in ihre dunkelblauen Augen sah. Ja, es ging ein Zauber von ihr aus. Aber ihr ging es ebenso, was ihn betraf.
Und schon bald wurde ihnen klar, dass sie füreinander bestimmt waren. Es konnte gar nicht anders sein.
Und so wurden sie ein Paar auf der Jagd nach Beute.
Sie zogen von Stadt zu Stadt, und weil der Süden arm und ausgebeutet war von den Siegern, strebten sie nach Norden. Er wurde mehr und mehr ein erfolgreicher Spieler, doch er spielte stets ehrlich, wandte keine Tricks an. Dieser Ehrenkodex gehörte zu seiner Selbstachtung. Dennoch musste er immer wieder seinen Colt ziehen und auch benutzen. Denn es gab ständig Männer, welche nicht verlieren konnten.
Fee Lorne trat in den Amüsierhallen als Sängerin auf. Sie hatte große Erfolge. Man nannte sie bald überall Golden Fee.
Er sieht zur Seite auf Fee. Diese hat ihren Kopf auf seine Schulter gelegt und ist eingeschlafen. Das Rütteln und Schütteln der Kutsche stört sie nicht. Daran ist sie gewöhnt.
Ja, sie schläft in den Morgen hinein.
Auch einige andere Passagiere versuchen dies zu tun.
Doch Bac Lonnegan bleibt wach. In ihm sind zu viele Gedanken.
Schon seit einiger Zeit fragt er sich immer wieder, wann, wie und wo sie eines Tages zur Ruhe kommen können. Wo gibt es einen festen Platz für sie, und wo können sie ihr kleines Vermögen investieren, damit es Gewinn bringt und er nicht mehr an den Spieltischen die Nächte verbringen und Fee nicht mehr in verräucherten Hallen singen muss.
Sie hörten von den Goldfunden im Nordwesten Montanas und in den Bitterroots. Sie hörten auch Wunderdinge von Oregon.
Und weil Oregon so weit ist, würden ihnen die Schatten von Bac Lonnegans rauchiger Vergangenheit gewiss nicht folgen.
Denn es gibt im Süden einen mächtigen Mann, der fünftausend Dollar auf Bac Lonnegans Kopf ausgesetzt hat – eine gewaltige Summe also.
Denn Bac Lonnegan hatte einen wilden Jungen erschießen müssen. Dieser wilde Junge, der nicht verlieren konnte, hatte einen mächtigen Vater, und immer dann, wenn Bac Lonnegan an diesen Mann denkt, da macht er sich Sorgen.
Blinky Jim Bronson war der einzige Sohn eines mächtigen Cattle Kings, nämlich der Kronprinz von Big Jim Bronson, den sie in Texas auch Duke Bronson nennen. Und Duke, dies bedeutet ja so viel wie Herzog.
Nun, Bac Lonnegan bleibt also wach in der rüttelnden Kutsche, indes Fee an seiner Schulter schläft, denkt an seine Vergangenheit und an Big Jim Bronson und fragt sich dann, was die Zukunft für Fee und ihn bringen wird.
Er kann all das Böse und Schreckliche nicht mal ahnen, was auf Fee und ihn da weiter im Norden wartet.
✰
Es geschieht dann kurz vor Sonnenuntergang, als die Sonne hinter den Rattlesnakes verschwindet, die Eskorte angegriffen wird und die Kutsche zum Stehen kommt, weil plötzlich überall Indianer sind.
Die sechs Kavalleristen vor der Kutsche werden binnen weniger Sekunden aus den Sätteln geschossen. Die Indianer liegen in guter Deckung und sind kaum zu sehen. Man sieht vorerst nur die Mündungsfeuer ihrer Gewehre und dann die aufsteigenden Rauchwölkchen über ihren Deckungen.
Die Führungspferde der Kutsche werden ebenfalls von Kugeln getroffen. Und so steht die Kutsche jäh und kippt fast um.
Die sechs Kavalleristen hinter der Kutsche aber ergreifen die Flucht. Denn der Sergeant, der mit diesen Soldaten die Nachhut bildet, ist kein Narr, der einen Heldentod sterben will, nachdem die Kutsche im Hinterhalt festsitzt und sich der Lieutenant vorne mit seinen Reitern verabschieden musste von dieser Welt.
Dennoch schaffen es nur noch drei der flüchtenden Kavalleristen.
Roter Falke hat seine Krieger gut postiert. Er schickt einige seiner Krieger den drei flüchtigen Soldaten nach.
Dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Kutsche.
In dieser regt sich nichts, und so ruft er hinter seiner Deckung hervor in der Sprache der Weißen. »Hoiii, Wasicuns, kommt heraus und sterbt wie Krieger! Oder müssen wir erst diesen Räderkasten in Fetzen schießen? Kommt heraus zum Sterben!«