G. F. Unger 2099 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2099 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Lon Woodward sich gründlich genug eingeseift hat, ruft er durch die Tür des Hotelzimmers: »He, Rafa, bring noch heißes Wasser!« Es ist Lon Woodwards Absicht, zumindest noch eine halbe Stunde mit einer Zigarre im Wasser liegen zu bleiben, bis er sicher sein kann, dass auch in seinen tiefsten Poren nichts mehr vom Rauch der Campfeuer, von Pferdeschweiß, Ledergeruch und all den anderen Gerüchen eines langen Reitens vorhanden ist.
Aber als die Tür geöffnet wird, sieht er nicht den emsigen Hausburschen des Hotels. Es kommt eine junge Frau herein.
Und diese Frau beeindruckt ihn vom ersten Augenblick an.
Sie tritt mit zwei vollen, dampfenden Wassereimern ein, setzt sie ab, schließt die Tür hinter sich und nimmt die Eimer wieder auf. Wortlos verhält sie am Fußende der Holzwanne, setzt einen Eimer nochmals ab und gießt den anderen in die Wanne aus. Dabei betrachtet sie Lon Woodward, und dieser blickt in die grünsten Augen, die er je sah.
Als die grünäugige Frau den zweiten Eimer in seine Wanne geleert hat, sagt sie ruhig: »Ich bin Hester Masterton. Und ich möchte geschäftlich mit Ihnen reden. Sie sind doch Lon Woodward, der Anführer einer Mannschaft, die man allgemein hier an der Sonora-Grenze ›Die harten Sieben‹ nennt?«


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Die harten Sieben

Vorschau

Impressum

Die harten Sieben

Als Lon Woodward sich gründlich genug eingeseift hat, ruft er durch die Tür des Hotelzimmers: »He, Rafa, bring noch heißes Wasser!« Es ist Lon Woodwards Absicht, zumindest noch eine halbe Stunde mit einer Zigarre im Wasser liegen zu bleiben, bis er sicher sein kann, dass auch in seinen tiefsten Poren nichts mehr vom Rauch der Campfeuer, von Pferdeschweiß, Ledergeruch und all den anderen Gerüchen eines langen Reitens vorhanden ist.

Aber als die Tür geöffnet wird, sieht er nicht den emsigen Hausburschen des Hotels. Es kommt eine junge Frau herein.

Und diese Frau beeindruckt ihn vom ersten Augenblick an.

Sie tritt mit zwei vollen, dampfenden Wassereimern ein, setzt sie ab, schließt die Tür hinter sich und nimmt die Eimer wieder auf. Wortlos verhält sie am Fußende der Holzwanne, setzt einen Eimer nochmals ab und gießt den anderen in die Wanne aus. Dabei betrachtet sie Lon Woodward, und dieser blickt in die grünsten Augen, die er je sah.

Als die grünäugige Frau den zweiten Eimer in seine Wanne geleert hat, sagt sie ruhig: »Ich bin Hester Masterton. Und ich möchte geschäftlich mit Ihnen reden. Sie sind doch Lon Woodward, der Anführer einer Mannschaft, die man allgemein hier an der Sonora-Grenze ›Die harten Sieben‹ nennt?«

Er betrachtet sie forschend. Er ist ein dunkler, indianerharter Mann. Doch seine Augen sind hell und verraten die angloamerikanische Abstammung.

»Ja, ich bin Lon Woodward«, sagt er nach einer Weile. »Und Sie sind offenbar keine Fee, die einen armen Mann beglücken möchte?«

»Nein«, erwidert sie und schüttelt den Kopf. Ihr rotes Haar hat sie hinten im Nacken mit einem schwarzen Samtband zusammengerafft. Er sieht, dass ihre Nasenflügel vibrieren, so als nähme sie Witterung auf.

Und er spürt auch deutlich den Anprall ihres abwägenden Misstrauens, welches ihn zu erforschen versucht. Sie verlässt sich in diesem Moment sicherlich allein auf ihren Instinkt. Er spürt, wie dieser Instinkt in ihn einzudringen versucht.

Und so erwidert er nur ihren Blick und wartet.

Sie wendet sich dann zur Seite, tritt ans Fenster und blickt auf die Straße. Er aber nimmt jetzt die Zigarre vom Schemel. Sie lag da die ganze Zeit neben seinem Colt. Auch Zündhölzer liegen dort.

Als er die Zigarrenspitze abbeißt und zur Seite spuckt, kommt Hester Masterton und zündet eines der Zündhölzer an. Sie gibt ihm Feuer – und sie sind sich recht nahe dabei. Denn sie muss sich zu ihm niederbeugen. Er kann in den Ausschnitt ihrer hellgrünen Hemdbluse blicken. Zu dieser Hemdbluse trägt sie einen geteilten ledernen Reitrock, welcher ihr knapp bis über die Ränder der Stiefelschäfte reicht. Und in einem Waffengürtel mit Holster steckt ein 36er Colt.

Er glaubt plötzlich, dass sie mit solch einer Waffe ziemlich gut umgehen kann.

Sie ist nicht nur auf rassige Weise schön – nein, er sieht ihr an, dass sie eine entschlossene Abenteurerin ist.

»Sie kamen von einem langen Ritt zurück«, spricht sie.

Auch ihre Stimme mit dem etwas kehligen Timbre gefällt ihm. Er ahnt, dass diese Frau bei aller beherrschten Kühle auch sehr leidenschaftlich sein kann.

Er pafft an seiner Zigarre und nickt.

»Ja, wir holten zwei Dutzend gestohlene Zuchtstuten zurück. Sie waren schon hundert Meilen jenseits der Sonora-Grenze. Ja, es war ein langer Ritt.«

Er sagt nichts von den Kämpfen, die hinter ihm liegen.

Sie senkt einen Moment ihre langen Wimpern. Es sind schwarze Wimpern, obwohl ihre Haare kupferrot sind. Aber dann wieder blickt sie ihn fest mit ihren grünen Augen an.

»Und was hat dieser Ritt den harten Sieben eingebracht?« So fragt sie geradezu.

Jetzt grinst er.

»Für jeden hundert Dollar«, erwidert er, »denn es waren wirklich erstklassige Zuchtstuten, allesamt schon trächtig. Für jeden hundert Dollar. Das sind für jeden Mann fünf Cowboy-Monatslöhne, verdient in zehn Tagen. Sie wollen mit mir geschäftlich reden? Nur deshalb habe ich Ihnen unser Honorarniveau genannt. Und wenn es nach mir ginge, dann würden wir beide nicht geschäftlich, sondern sehr privat miteinander reden. Das würde mir besser gefallen. Soll ich mal aufstehen? Sie sahen bisher nur meinen Oberkörper. Vielleicht gefalle ich Ihnen, Hester Masterton, wenn Sie mich in meiner ganzen Pracht sehen. Soll ich?«

Er fragt es grinsend, und dieses blinkende Grinsen nimmt seinen Worten viel von der Primitivität, wandelt alles um zu einem frivolen Scherz.

Aber sie lächelt nur etwas nachsichtig und mitleidig.

Dann erwidert sie: »Mister Woodward, ich habe schon eine Menge nackter Männer gesehen. Und seit einiger Zeit lebe ich als einzige Frau unter Männern in einem verdammten Minenloch. Sie können mich also weder erschrecken noch in Staunen versetzen. Kommen wir zur Sache. Sie verdienten Mann für Mann hundert Dollar in zehn Tagen. Und gewiss mussten Sie dafür auch kämpfen, nicht wahr?«

Er wird ernst und nickt.

»Ja, wir mussten mit den Pferdedieben um die Pferde kämpfen. Doch wir hatten Glück. Einige von uns bekamen nur leichte Streifschüsse ab. Hester Masterton, was wollen Sie von mir?«

Seine Stimme klingt plötzlich kühl. Und auch der Blick, mit dem er sie betrachtet, ist jetzt kühl und kritisch. Ihre rassige Schönheit beeindruckt ihn offensichtlich nicht mehr.

Sie erkennt es und ärgert sich ein wenig darüber. Denn sie ist es gewöhnt, Männer mit ihrer Schönheit und Ausstrahlung zu beeindrucken.

Wieder tritt sie ans Fenster und blickt auf die Straße.

»Sie können Mann für Mann tausend Dollar verdienen«, sagt sie plötzlich. »Und das wären dann fünfzig Cowboy-Monatslöhne – wahrscheinlich auch nur verdient in zehn Tagen. Sind Sie interessiert, Lon Woodward?«

Er grinst kühl und hart. Und seine Zigarre sitzt nun in seinem Mundwinkel und zeigt schräg nach oben. Aus dem anderen Mundwinkel lässt er hören: »Viel Honorar, viel Gefahr. Aber es muss wohl mit einer Mine zu tun haben. Denn Sie sagten soeben, dass Sie mit Männern in einem Minenloch leben. Na, was ist? Lassen Sie die Katze aus dem Sack!«

Sie nickt, schluckt etwas mühsam und entschließt sich dann.

»Wir haben drüben in Sonora eine alte spanische Goldmine wieder zum Leben erweckt und wurden fündig. Wir haben einige Helfer bei uns. Wenn ich wir sage, dann meine ich meinen Bruder Morg und mich, dazu noch Yacco Manolito. Mit Letzterem kam ich nach Concho, angeblich, um Proviant und Werkzeuge zu kaufen. Wir haben sechs Maultiere bei uns und werden auch mit Proviant und Werkzeugen zu der Mine zurückkehren. Aber ...«

Sie spricht nicht weiter, zögert, überlegt nochmals.

Aber Lon Woodward sagt trocken: »Aber da ist Paco Santiago! Der liebe, gute Paco, der den gleichen Namen trägt wie der Schutzpatron Spaniens. Der lässt euch mit dem Gold nicht raus. Der wartet nur darauf, dass ihr mit dem Gold aus eurer Mine kommt.«

Sie kommt wieder zu ihm an die Wanne.

»Ja, so ist es, Paco Santiago ...«, murmelt sie. »Er hat irgendwie gerochen, dass wir in der Mine fündig wurden. Er kann nicht zu uns rein. Denn der Weg zur Mine führt über eine Zugbrücke wie in eine Burg. Er lässt uns auch raus, wenn wir nach Concho reiten, um Proviant und Werkzeuge zu holen, solange wir kein Gold transportieren. Seine Männer durchsuchen uns stets genau. Und wenn wir mit dem Gold ...«

»Schon gut«, unterbricht er sie ruhig. »Ich weiß jetzt Bescheid. Paco Santiago war schon immer ein listiger und bauernschlauer Bursche. Der sagt sich, dass ihr fleißige Arbeiter seid, die ihm eine Menge Gold herausholen aus der Mine. Und irgendwann müsst ihr damit zum Vorschein kommen. Er braucht nur zu warten. Und warum geht ihr nicht zu den mexikanischen Behörden?«

Sie blickt ihn verwundert an, so als könnte sie seine Frage nicht begreifen. Dann erwidert sie: »Wir haben in dieser alten Spaniermine ohne Erlaubnis gesucht. Wir wissen nicht mal, ob sie noch jemandem gehört. Vielleicht gehört sie sogar der Regierung. Mexiko übernahm ja damals alles, was einst der spanischen Krone gehörte. Überdies liegt die Mine so abgelegen, dass die Behörden gewiss nicht helfen könnten. Sie können ja auch den Banditen Paco Santiago nicht aus seinem Revier vertreiben. Er herrscht über einige Dutzend Dörfer und drei oder vier Städte. Wenn er will, kann er tausend Mann aufbieten und mit ihnen eine Revolutionsarmee bilden. Nein, er ist eine Macht, gegen die man richtig Krieg führen müsste. Die Regierung müsste eine kleine Armee einsetzen. Das kann sie zurzeit nicht. Nein, wir müssen uns selbst helfen. Und da dachten wir an Sie, Lon Woodward, an Sie und Ihre sechs Partner. Wenn Sie uns helfen, bekommt jeder tausend Dollar. Die einzige Bedingung ist, dass wir mit unserem Gold über die Grenze kommen.«

Er sieht zu ihr hin. »Und sonst«, grinst er, »haben Sie nichts zu bieten, schöne Hester?«

Sie sieht ihn an und versteht seine Frage sehr genau.

In ihren Augen erkennt er eine Spur von Verachtung – vielleicht ist es auch Zorn.

Er schüttelt den Kopf: »Halten Sie mich nur nicht für einen Gentleman«, sagt er fast böse. »Ich bin keiner von diesen allerletzten Rittern. Die Welt ist dreckig, hinterhältig und ohne Ehre. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Tausend Dollar sind nicht viel, wenn man sich mit diesem Paco Santiago einlassen muss. Ich kenne ihn nämlich gut genug, um ihn zu fürchten. Ich glaube, dass ...«

»Zweitausend Dollar für jeden«, unterbricht sie ihn. »Und wenn du ein besonderer Mann bist, einer, den man unter tausend nicht noch einmal findet, Lon Woodward – nun, wenn du ein besonderer Bursche bist, was erst noch zu beweisen wäre, dann ...« Sie verstummt.

Aber er sagt: »Sprich es aus! Es gehört zu jedem Vertrag, dass man vorher genau sagt, was man will und was man geben wird. Sprich es aus.«

Sie bewegt sich zum Fußende der Wanne und blickt von dort aus auf ihn nieder.

»Wenn du ein besonderer Bursche bist«, sagt sie langsam, »wirst du mich haben können. Gut so?«

Er sieht sie an und nickt langsam.

Dann erhebt er sich aus der Wanne und lässt sich von ihr das große Badelaken reichen. Er wickelt es sich um die Hüften. Die Zigarre hat er immer noch zwischen den Zähnen.

Dass sie soeben einem nackten Mann das Badelaken reichte, machte ihr offenbar nichts aus. Aber sie sah einige Narben an seinem Körper.

Nun erwidert sie seinen Blick. Und wenn er nach ihr gegriffen hätte, hätte sie ihm gewiss ins Gesicht geschlagen. Er liest in ihren Augen, dass sie ein Preis ist, den er sich erst verdienen muss. Und das gefällt ihm.

»Ich bin sonst gegen schlaue Pläne«, sagt er. »Denn oftmals ist der geradeste und einfachste Weg am besten. Aber diesmal werden wir einen schlauen Plan machen müssen. Wo liegt die Mine?«

Sie beugt sich nieder und hebt ihren Reitrock hoch genug, um aus dem rechten Stiefelschaft ein zusammengefaltetes Papier holen zu können. Damit tritt sie zum Tisch. Sie faltet und rollt das Pergamentpapier auseinander.

»Dies hier ist eine genaue Karte«, spricht sie. »Alles ist sorgfältig eingezeichnet – auch der Weg in die Schlucht unterhalb der Zugbrücke. Wir ...«

Es klopft an der Tür.

»Das wird Yacco sein«, sagt sie. »Der macht sich jetzt vielleicht schon Sorgen um mich. Und wir sollten ihn hereinlassen, weil er klug ist und die Berge kennt wie sonst niemand. Der wird zu dieser Karte noch einige genauere ...«

»Herein!« Lon Woodward ruft es. Doch nun steht er bei dem Schemel neben der Wanne und greift nach dem Colt.

Ein kleiner, untersetzter und arg krummbeiniger Mexikaner tritt ein, an dem allein der mächtige Schnurrbart imposant ist.

Sonst sieht er so aus, als könnte er in einem Mietstall auch der Pferdebursche sein.

»Alles in Ordnung, Señorita?« So fragt er in einem kehligen Grenzenglisch. Dabei schließt er die Tür. Er trägt einen Colt und einen Patronengurt schräg über der Brust.

»Señor Woodward hat einige Fragen, Yacco«, erwidert Hester. »Dies also ist Yacco Manolito. Er kam übrigens auf die Idee, dass wir die sogenannten ›harten Sieben‹ um Hilfe bitten sollten.«

Lon Woodward nickt langsam.

Er und Yacco tauschen einen langen Blick aus.

»Warum haben Sie uns empfohlen, Señor Yacco?« So fragt Lon Woodward höflich, denn er gehört nicht zu den Angloamerikanern, die jeden Mexikaner Verachtung oder Geringschätzung spüren lassen.

Yacco zeigt weiße Zahnreihen zwischen seinem Bart.

»Es gibt viele Geschichten über Sie und Ihre Amigos, Señor«, erwidert er. »Man nennt Sie die letzten Hidalgos. Sie befreiten damals unser Dorf von einer Banditenbande, die sich bei uns festsetzte und sich von uns ernähren ließ, unsere Frauen und Töchter schändete und einige Männer tötete. Und weil wir Sie nicht bezahlen konnten, taten Sie es umsonst. Jede Familie dieses Dorfes hat später Kerzen für euch alle gekauft und angezündet. Sie beten noch heute für euch, die Leute von Santa Barbara. Ich war im Krieg gegen Maximilian. Ich kam erst später heim. Doch man erzählte mir alles. Sie werden auch dieser Señorita und ihrem Bruder helfen. Si, das glaube ich. Denn bei uns in der Mine sind ein Dutzend Männer aus dem Dorf. Sie wurden gut entlohnt und bekommen noch eine gute Prämie. Wenn sie mit ihrem Verdienst ins Dorf heimkehren, wird dort alle Not vorbei sein.«

Lon Woodward seufzt, als er dies hört.

Er blickt auf Hester Masterton.

»Oha, Grünauge«, sagt er, »jetzt haben wir schon drei wichtige Gründe, dass ich mit meinen sechs Freunden mitmache. Drei Gründe, nicht wahr?«

Sie sieht ihn an und nickt. »Ja, drei«, wiederholt sie ruhig.

Schon eine Stunde später reitet Lon Woodward, und er hat alles mit Hester Masterton bis in alle Einzelheiten besprochen. Zunächst wird er seine Männer zusammentrommeln. Ty Stagfire ist der Erste.

Von Concho aus führt ihn sein Weg nach dem nur etwa sieben Meilen entfernten Spanish Crossway. Hier kreuzen sich die Wagenwege, und schon die alten Spanier hatten hier einen kleinen Stützpunkt.

Jetzt ist Spanish Crossway eine große Post-Relais-Station und der Stützpunkt einiger Frachtlinien. Man hält hier allein schon mehr als achtzig Maultiere in Reserve und einige Dutzend Pferde. Es gibt hier einen tüchtigen Schmied und Wagenbauer. Und natürlich gibt es hier auch ein Gasthaus, welches eine Mischung aus Fonda, Bodega, Hotel und Saloon ist und deshalb aus vielen Anbauten besteht, die zusammen einen einstöckigen, doch flächenmäßig großen Bau aus Adobe ergeben.

Lon Woodward findet Ty Stagfire im mexikanischen Teil, also in der Fonda. Als er den Vorhang aus Holzperlenketten zur Seite schiebt, klappern die Dinger fast wie Kastagnetten. Aber niemand achtet darauf.

Sie alle, die hier in diesem Raum sind, achten nur auf die Pokerspieler am runden Tisch, haben für nichts anderes Interesse.

Die Luft ist stickig. Tabakrauch, Weindunst, die Gerüche von Menschen, Pferdeschweiß, Leder – dies alles vermischt sich.

Ty Stagfire sitzt mit dem Rücken zur Wand.

Er spielt mit vier hartgesichtigen Hombres. Aus seinen hundert Dollar hat er eine Menge mehr gemacht, und die Hälfte seines Geldhaufens besteht aus Silberpesos.

Als er seine Karten aufdeckt, ist sein Gesichtsausdruck unbeweglich. Was er auch denken und fühlen mag – es ist alles tief in seinem Kern verborgen und dringt nicht an seine Oberfläche. Auch in seinen Augen ist nichts erkennbar.

Und seine Karten sind nicht zu schlagen.

Das erkennen auch die Zuschauer, und einige stöhnen nun ausatmend, so sehr löst sich ihre Spannung.

»Habt ihr nun genug, Amigos – oder wollt ihr weitermachen?« So fragt Ty Stagfire kühl. Er streckt seine Hände nicht nach dem Geldhaufen in der Tischmitte aus, dem Pokertopf. Nein, diesen Fehler begeht er nicht. Denn er spürt instinktiv, dass sie nur darauf warten. Wenn er sich vorbeugt und seine Hände auf dem Geld in der Tischmitte hat, könnte eine Menge passieren.

Die vier harten Hombres können nicht verlieren – und schon gar nicht an einen hellhaarigen und blauäugigen Gringo. Eigentlich haben sie mit ihm nur zu spielen begonnen, um ihm sein Geld abzunehmen, möglichst auch noch sein Pferd mit dem schönen Sattel.

Diese vier harten Hombres sind auf der Durchreise.

Sie starren ihn an. Und ihr Grinsen ist ohne Freundlichkeit.

Einer sagt: »Gringo, du hast mit gezinkten Karten gespielt und uns betrogen. Und wir sollten dir die Haut abziehen, Amigo. Aber weil wir keine gewalttätigen Señores sind, werden wir dir nur wieder abnehmen, was du uns ...«

»Nein, Amigo«, unterbricht Ty Stagfire sie, »ihr werdet mir nichts abnehmen. Und ich bin auch kein Falschspieler. Ihr könnt nur nicht pokern, das ist es. Halt! Vorsichtig, Amigos! Ihr könntet sonst mehr verlieren als nur ein paar Pesos und Dollars!«

In seiner Stimme ist etwas, was sie warnt. Und überdies brachten sich auch schon alle Zuschauer aus der voraussichtlichen Schusslinie, schoben sich weg aus der Nähe des Tisches.

Die vier Hombres sehen sich um.

Und da endlich entdecken sie Lon Woodward.

Der nickt ihnen zu und sagt: »Ja, so ist es, Amigos. Ich bin auf seiner Seite. Und weil ich ihn gut kenne, weiß ich auch, dass er kein Falschspieler ist. Aber wir werden euch die Beleidigung nicht übel nehmen. Steht auf und geht in Frieden. Und wenn ihr nicht verlieren könnt, dann spielt mit einem Experten keinen Poker.«

Sie erheben sich langsam. Und sie knirschen vor Wut.

Doch sie befinden sich in keiner guten Position. Wenn sie eine Schießerei anfangen sollten, müssen sie nach zwei Seiten kämpfen.

Plötzlich schüttelt einer den Kopf.

»Ay, wir sind friedfertige Hombres«, sagt er mit dem Tonfall tiefster Überzeugung. »Und weil wir jedem Streit aus dem Weg gehen, entfernen wir uns jetzt in Frieden. Ay, gehen wir also, Amigos!«

Seine letzten Worte gelten den drei Compañeros. Diese stehen auf und gehen zum Ausgang.

Lon Woodward und Ty Stagfire tauschen einen schnellen Blick aus.

Sie sind bereit.

Die vier Hombres handeln ganz plötzlich.

Noch bevor sie den offenen Durchgang erreichen, wirbeln sie herum. Ein leises Zischen war ihr Signal. Und sie holen im Herumwirbeln ihre Colts heraus.

O ja, sie sind schnell mit ihren Colts.

Aber es langt nicht. Als sie ihre Läufe hochschwingen wollen, sehen sie schon in einige aufleuchtende Mündungsfeuer. Und es trifft sie heißes Blei.

Die ganze Sache dauert keine zwei Sekunden. Dann ist es vorbei.

Einer der vier Hombres liegt am Boden. Ein Zweiter kniet getroffen. Der Dritte lehnt blutend an der Wand neben der offenen Tür. Und der Vierte ließ seinen Colt fallen, hebt die Hände und sagt heiser: »O Caballeros, lasst mich gehen. Lasst mich einfach gehen. Draußen steht mein Pferd. Ich reite weg, ja?«

Bevor aber Ty Stagfire und Lon Woodward etwas sagen können, hört man Hufschlag. Es sind viele Reiter, die da geritten kommen. Es muss eine ganze Mannschaft sein, vielleicht gar ein Aufgebot?

Letzteres wäre möglich, wenn man an die vier Hombres denkt.

Jemand ruft von draußen herein: »Da kommt ein Aufgebot! Das ist Jake Calhoun, der Deputy aus Tucson!«

Nun drängen sie alle hinaus. Und der Bursche mit den erhobenen Händen will mit. Aber sie lassen ihn nicht gehen.

»Lasst mich doch wenigstens durch die Hintertür«, bettelt er, sich an Woodward wendend.

Doch dieser schüttelt den Kopf.

»Nein«, sagt er. »Wenn ein Aufgebot aus Tucson zweihundert Meilen weit reitet und die Verfolgung auch nach vielen Tagen nicht aufgibt, dann müsst ihr eine Menge auf dem Kerbholz haben. Du bleibst bei deinen angeschossenen Compañeros, Amigo.«

Der vorhin noch so hart und entschlossen wirkende Hombre seufzt bitter.