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Unsere Fahrer hatten ihre Gespanne noch nicht richtig ausgespannt, als wir auch schon den ersten Besuch aus der Stadt erhielten. Es war der Town Marshal Ed Madden. Dass er Town Marshal war, hatte nichts mit seiner Redlichkeit zu tun - nicht hier, westlich des Pecos. Ich wusste, dass Ed Madden steckbrieflich in drei oder vier Staaten und Territorien gesucht wurde. Aber hier in Standing Toro war er sicher. Hier trug er sogar einen Blechstern.
Madden nickte mir zu, sah sich um und grinste dann.
»Was soll das, Adam Sheyboygan?«, fragte er übertrieben nachsichtig. »Willst du uns ärgern, Adam?«
»Bisher habt ihr mich stets geärgert«, sagte ich. »Als ich im vergangenen Jahr in eure lausige Stadt kam, musste ich tausend Dollar Verkaufssteuer hinlegen. Dabei wollte ich mit dem größten Teil meiner Waren weiter nach Green Creek.«
»Dieses mistige Nest soll verdorren«, sagte er. »Wir nehmen auch dieses Jahr wieder eine Steuer von dir. Tausend Dollar! Vor einiger Zeit haben wir die Stadtgrenze etwas ausgedehnt. Das alte Schild dort gilt nicht mehr. Du befindest dich im Stadtgebiet.«
Da grinste ich kalt.
»Hau ab, Hombre!«, sagte ich ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Ich gab mein Wort
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Impressum
Ich gab mein Wort
Unsere Fahrer hatten ihre Gespanne noch nicht richtig ausgespannt, als wir auch schon den ersten Besuch aus der Stadt erhielten. Es war der Town Marshal Ed Madden. Dass er Town Marshal war, hatte nichts mit seiner Redlichkeit zu tun – nicht hier, westlich des Pecos. Ich wusste, dass Ed Madden steckbrieflich in drei oder vier Staaten und Territorien gesucht wurde. Aber hier in Standing Toro war er sicher. Hier trug er sogar einen Blechstern.
Madden nickte mir zu, sah sich um und grinste dann.
»Was soll das, Adam Sheyboygan?«, fragte er übertrieben nachsichtig. »Willst du uns ärgern, Adam?«
»Bisher habt ihr mich stets geärgert«, sagte ich. »Als ich im vergangenen Jahr in eure lausige Stadt kam, musste ich tausend Dollar Verkaufssteuer hinlegen. Dabei wollte ich mit dem größten Teil meiner Waren weiter nach Green Creek.«
»Dieses mistige Nest soll verdorren«, sagte er. »Wir nehmen auch dieses Jahr wieder eine Steuer von dir. Tausend Dollar! Vor einiger Zeit haben wir die Stadtgrenze etwas ausgedehnt. Das alte Schild dort gilt nicht mehr. Du befindest dich im Stadtgebiet.«
Da grinste ich kalt.
»Hau ab, Hombre!«, sagte ich ...
Ed Madden sah mich schlitzäugig an und grinste ebenso kalt und hart zurück. Er war ein Revolverheld, den sich die maßgebenden Bosse der Stadt als willigen Handlanger angeworben hatten. Nun sollte er für sie bei mir eine Art Umsatzbeteiligung kassieren, die sie Verkaufssteuer nannten.
»Wenn ich abhaue«, sagte er, »komme ich bestimmt bald wieder – und nicht mehr allein. Du kannst eben nicht einfach herkommen und den ehrenwerten und redlichen Geschäftsleuten dieser Stadt Konkurrenz machen. Das geht nicht. Dafür musst du einen Ausgleich zahlen. Warum siehst du das nicht ein, Amigo?«
»Hau ab!«, sagte ich.
Da blickte er sich noch einmal um, sah auf meine schwer beladenen Wagen, auf meine Maultiergespanne, auf meine Fahrer – und zuletzt sah er auf meinen Bruder. Johnny erwiderte seinen Blick und fragte mich: »Adam, soll ich ihm Beine machen?«
Das war eine Herausforderung. Aber Johnny war nun mal so.
Bevor ich etwas erwidern konnte, zog Ed Madden sein Pferd herum und ritt zur Stadt zurück.
Ich sah Johnny an, der erst zwanzig Jahre alt war. »Lass dich nicht mit ihm ein«, sagte ich. »Der ist dir wahrscheinlich gewachsen. Lass dich nicht immer wieder herausfordern. Wenn einer auf dich losgeht, ist es immer noch Zeit, sich herausgefordert zu fühlen. Dann bekämpfe ihn wie ein Mann. Aber fordere niemals einen Kampf unnötig heraus.«
»Yes, Sir!«, sagte er trotzig und salutierte wie ein lässiger Soldat.
Ich zog mein Pferd herum und wandte mich an die Fahrer.
»Schlagt das Camp auf und versorgt die Gespanne. Wir bleiben wahrscheinlich zwei Tage hier. Öffnet den Verkaufswagen, stellt die Regale heraus und füllt sie mit Waren.«
Es waren die üblichen Befehle, die ich immer gab, wenn wir irgendwo anhielten. Wir waren nicht einfach nur ein Frachtwagenzug. Wir waren ein fahrender General Store, der dorthin fuhr, wo die Leute nur schlecht mit den notwendigen Dingen versorgt wurden.
Ich begann mein Pferd abzusatteln. Wir waren neun Männer, und jeder von uns hatte seine Aufgaben. Außer den vier Fahrern hatte ich noch zwei junge Mexikanerburschen und einen Koch dabei. Mit meinem Bruder waren wir also neun.
Unser Koch hatte das Abendessen noch längst nicht fertig. Der schwarze Felsen, der die Form eines stehenden spanischen Kampfstieres hatte und von dem die Stadt ihren Namen Standing Toro hatte, warf noch einen langen Schatten, als Ed Madden uns seinen zweiten Besuch machte.
Diesmal waren zwei Reiter bei ihm.
Ich kannte nur einen, und der war schon schlimm genug. Ringo Kid Laredo. Ringo Kid war bekannt als Revolverheld, und er war einer von der Sorte, die sich Kerben in den Kolben macht.
Aber ich wusste, dass der andere gewiss nicht weniger gefährlich war. Sonst hätte ihn Ed Madden nicht mitgebracht.
Unsere Fahrer stellten die Arbeit ein und suchten sich Positionen, die ihnen gestatten würden, notfalls einzugreifen. Aber ich winkte ihnen zu und sagte: »Haltet euch raus, sonst kommt die ganze Bande. Wir machen das schon.«
Wir, damit meinte ich meinen Bruder Johnny und mich.
Wir traten nebeneinander den drei Reitern entgegen, die zehn Schritte vor uns anhielten.
»Bleibt nur in den Sätteln!«, sagte ich scharf.
Ed Madden grinste. »Ich wollte schon immer mal herausfinden, wie schnell du wirklich bist, Sheyboygan«, sagte er. »Sieh mal, wen ich da mitgebracht habe. Kennst du Ringo Kid Laredo schon? Wie gefällt er dir? Ist er nicht prächtig? Und dann haben wir noch einen Gentleman der Edelsorte. Schon was von Chaco Ernestine gehört? Sheyboygan, möchtest du nicht lieber zahlen?«
Ich hatte die Wahl.
Und ich überdachte die Sache noch einmal.
Ich konnte jetzt kneifen oder musste kämpfen.
Aber wenn ich kniff, würde in diesem Land westlich des Pecos fast jede Stadt oder Siedlung von mir eine Verkaufssteuer verlangen. Dann konnte ich bald nichts mehr verdienen. Wenn ich auch viele Dinge mitbrachte, die rar oder gar nicht zu haben waren, so hatte doch alles seine Grenzen, was die Preise betraf.
Ich durfte mir keine Verkaufssteuer aufzwingen lassen. Man würde mich überall für feige halten. In diesem Land gab es kein Mitleid mit Feiglingen.
Ich sagte: »Wir haben schon einige Male mit Banditen und Comanchen gekämpft. Haut ab! Wir lassen uns nicht ausplündern. Und wir befinden uns außerhalb der Stadtgrenzen.«
Ich hatte schon von Chaco Ernestine gehört. Er war ein Revolverheld wie Ed Madden und Ringo Kid. Das war nicht verwunderlich, denn solche Burschen fanden in dieser Stadt Aufnahme.
Da schwangen sie sich von den Pferden und scheuchten sie mit einer Handbewegung zur Seite. Ed Maddens Stimme klang ein wenig schrill, als er rief: »Ihr befindet euch innerhalb der Stadtgrenzen! Ich verhafte euch und beschlagnahme eure Wagen mit der Ladung. Hände hoch!«
Während der beiden letzten Worte griff er zur Waffe. Seine beiden Partner taten es ihm nach.
Neben mir zog Johnny, und er zog schnell.
Ich schlug sie alle und schoss Ed Madden von den Beinen, bevor dieser überhaupt abdrücken konnte. Er war längst nicht so schnell, wie ich geglaubt hatte.
Aber dann schoss Ringo Kid. Er schoss auf meinen Bruder Johnny und traf ihn. Er traf ihn nochmals, während auch Johnny feuerte und ich mit Chaco Ernestine Kugeln wechselte.
Chaco Ernestine hatte natürlich seine Chance gehabt, als ich mit Ed Madden beschäftigt war. Ernestines Kugel riss mir Fleisch von der Rippe, bevor ihn meine Kugel traf.
Um Ringo Kid brauchte ich mich nicht zu kümmern.
Den hatte mein Bruder Johnny erledigt.
Doch auch Johnny lag am Boden und stöhnte vor Schmerz. Es musste ihn schlimm getroffen haben. Als ich ihn herumdrehte, um nach dem Ausschussloch zu sehen, fand ich keines.
Die Kugel saß noch in seinem Körper.
Johnny kämpfte verzweifelt, nicht bewusstlos zu werden.
»Ich habe kein Gefühl«, murmelte er mühsam. »Adam, ich kann mich nicht mehr bewegen. Was ist das?«
Erst dann schwanden ihm die Sinne.
Zuerst dachte ich, Johnny wäre tot. Aber dann stellte ich fest, dass er noch flach atmete.
Ich brauchte einen Doc für Johnny, und wahrscheinlich musste es sogar ein besonders guter Doc sein, ein Chirurg. Ich ahnte schon, dass es nicht leicht sein würde, die Kugel herauszubekommen. Sie war Johnny durch den Leib gefahren und irgendwo an der Wirbelsäule stecken geblieben.
Die Revolvermänner, mit denen wir gekämpft hatten, lagen am Boden. Und mir selbst lief das Blut aus der Fleischwunde über die Rippe. Erst jetzt spürte ich den Schmerz bewusst.
»Ein Doc muss her«, sagte ich und wandte mich an den Vormann meiner Leute. »Hol einen Doc, Charly. Und wenn ...«
»Ich glaube, da kommt er schon«, unterbrach mich Charly. »Der hat mir im vergangenen Jahr einen Backenzahn herausgerissen, als wäre ich ein Pferd. Und dann war es auch noch der falsche Zahn, nicht jener, der so höllisch hämmerte und hackte.«
Ich sah mich um. Von der Stadt her kam ein zweirädriger Wagen, der von einem grauen Pferd gezogen wurde. Ein dicker Mann mit einem Walrossbart saß in dem Wagen und wischte sich mit einem roten Taschentuch über die Glatze, obwohl es nicht mehr heiß war. Die Abenddämmerung kam schon. Die Sonne hatte Feierabend gemacht.
Der Doc hielt bei unserem Camp an und sah sich um.
»Wer braucht mich denn am nötigsten?«, fragte er trocken.
Ich sah ihm an, dass er ein Säufer war. Er war auch nicht richtig nüchtern und schwitzte den Whisky aus allen Poren aus. Er war gekommen, um hier ein paar Dollars zu verdienen.
Er kletterte schnaufend aus dem kleinen Wagen und kniete bei meinem Bruder nieder.
Er untersuchte ihn kundig, und ich musste ihm helfen, Johnny auf den Rücken zu drehen.
Dann holte der Doc eine Flasche aus seinem Köfferchen und goss etwas von einer hellen Flüssigkeit in das Einschussloch.
»Vielleicht wird sich die Wunde nun nicht so leicht entzünden«, sagte er dann. »Aber mehr kann ich nicht tun. Die Kugel steckt irgendwo im Rückgrat oder dicht daneben. Sie hat entweder die Nervenstränge zerrissen oder quetscht sie. Es wäre an sich einfach, dicht bei der Kugel einen Schnitt zu machen. Aber ein winziges Stückchen zu viel kann den Jungen für immer lähmen. Ich kann es nicht machen. Das ist eine Arbeit für einen richtigen Chirurgen, nicht für einen Wald-und-Wiesen-Doc wie mich. Es tut mir leid, Sheyboygan.«
Ich sah ihm im letzten Licht des sterbenden Tages an. In seinen Augen war ein ernstes Bedauern. Sie waren von jener Klugheit, die ein Mann besitzt, der sich nichts vormacht.
Langsam nickte ich.
»Vielleicht sollten Sie es dennoch versuchen, wenn es sonst keine Chance gibt«, murmelte ich. »Oder gibt es in erreichbarer Nähe einen Doc, der es besser machen könnte?«
Er stand auf und überlegte. Es lag ihm etwas auf der Zunge, doch er getraute sich nicht, es auszusprechen.
»Sagen Sie schon, Doc«, knurrte ich kehlig, und er spürte den Anprall meiner Ungeduld. Er wusste, dass ich gleich rau werden würde, weil es um das Leben meines Bruders ging.
»Drüben in Green Creek«, sagte er zögernd, »lebt ein Mann, der einst im Osten ein berühmter Arzt war, einer von diesen gottbegnadeten Burschen. Man sagt, dass eine Frau ihn im Osten ruiniert hätte. Sie haben ihm sein Diplom genommen und für alle Zeit die Ausübung des Arztberufes verboten. Aber wer fragt hier westlich des Pecos schon danach, ob ein Knochenflicker ein Diplom hat oder nicht. Dieser John Garylord praktiziert in Green Creek jedoch nicht. Man sagt, er wäre nach Green Creek gekommen, um sich dort totzusaufen, und ihm wäre jeder andere Ort dazu nicht weniger recht gewesen. Es ist nur Zufall, dass er in Green Creek blieb. Wenn Sie Ihren Bruder zu ihm bringen und ihn dazu bewegen könnten, seine Kunst einmal ...«
»Hält er den Transport wohl aus?«, fragte ich.
»Wenn es mein Bruder wäre«, sagte der Doc, »würde ich es mit einem gut gefederten Wagen, der mit Stroh ausgelegt ist, versuchen.«
Ich nickte.
Dann sah ich auf die anderen Teilnehmer des Kampfes. Der Doc kümmerte sich nicht um sie.
Ringo Kid Laredo war tot.
Ed Madden lag stöhnend am Boden.
Wahrscheinlich würde Chaco Ernestine auch sterben.
Ich sattelte mein Pferd, um in die Stadt zu reiten und dort einen gefederten Vierräder zu besorgen, in dem mein Bruder ausgestreckt auf dem Stroh liegen konnte.
Und ich war bereit, in dieser lausigen Stadt da drüben eine Hölle loszulassen, sollte man mir Schwierigkeiten machen.
✰✰✰
Wir schafften es bis Green Creek und es war nicht schwer, John Garylord in einem Saloon aufzutreiben. Zum Glück hatte er erst angefangen zu trinken und war noch einigermaßen nüchtern.
Es kostete mich eine Menge Überredungskunst, aber jetzt glaubte ich, ihn so weit zu haben.
Er machte sich daran, Johnny zu untersuchen, und ich sah, dass dieser Mann in seinem Beruf ein Künstler war. Doch nach der eingehenden Untersuchung richtete er sich schnaufend auf und sah mich seltsam an. Seine von Fettpolstern fast geschlossenen Augen funkelten.
Er ging zu einem Sessel und setzte sich, wobei er erleichtert schnaufte. Er streckte die Beine aus, faltete seine Hände über dem Bauch und drehte die Daumen.
»Wir müssen unter vier Augen reden, Sheyboygan«, sagte er dann.
Ich sah nach dem Mexikanerjungen und dem Hotelbesitzer Hazel Evans, der an der Tür stand, um uns behilflich zu sein.
»Ich habe jede Menge heißes Wasser in der Küche«, sagte Evans, als ich ihn ansah.
Aber ich murmelte: »Lasst uns eine Minute allein.«
Sie gingen hinaus.
Ich sah Garylord an.
»Machen wir ein Geschäft«, sagte er trocken. Bevor ich etwas erwidern konnte, hob er die Hand. »Ich bin kein Arzt mehr«, sagte er. »Es ist mir vom Gesetz verboten, Kranken zu helfen. Wenn dieser Junge da unter meinen Händen stirbt – und die Chancen stehen fünf zu eins gegen ihn – kann man mich des Mordes anklagen. Sheyboygan, ich war zwar im Osten ein berühmter Arzt. Doch eines Tages habe ich mich in betrunkenem Zustand an einen Operationstisch gestellt. Sheyboygan, Sie verlangen von mir eine Gesetzesübertretung, die mir den Strick einbringen könnte. Außerdem bin ich ein Versager als Chirurg. Ich könnte Ihrem Bruder vielleicht gar nicht helfen, sondern würde ihn umbringen, so wie jenen Patienten damals ...«
»Aber mein Bruder hätte dann nicht einmal mehr diese Fünf-zu-eins-Chance«, unterbrach ich ihn. »Wer könnte Johnny denn sonst helfen? Auf fünfhundert Meilen in der Runde vielleicht niemand. Also müssen wir es versuchen. Und es ist mir egal, ob Sie noch Ihr Diplom besitzen oder nicht, ob Sie das Gesetz übertreten oder nicht. Ich muss einfach alles wagen. Oder könnte mein Bruder auch so gesund werden?«
»Nein«, sagte er. »Die Kugel bringt ihn um. Selbst wenn ich sie herausbekomme, ohne den Jungen für immer zu lähmen oder gar zu töten, wird er viele Monate im Bett verbringen müssen. Er wird meine Hilfe eine sehr lange Zeit nötig haben. Und wenn er aus dem Bett kann, wird er erst im Rollstuhl fahren müssen. Im besten Fall kann er in einem Jahr wieder gehen. So ist das, Mister.«
»Also los«, sagte ich, »fangen Sie an. Ich gebe Ihnen alles, was ich besitze. Es sind vier Doppelwagen voller Fracht. Es ist ein ganzer fahrender Store. Und ein paar Tausend Dollar in bar ...«
Ich verstummte, denn er schüttelte auf eine Art den Kopf, die mir sagte, dass er etwas anderes wollte.
»Machen wir ein Geschäft«, sagte er und gebrauchte nochmals die gleichen Worte.
»Was schlagen Sie vor?«, fragte ich ungeduldig.
»Gehen wir immer davon aus«, sagte er, »dass Sie von mir eine Ungesetzlichkeit verlangen, die man im Osten zumindest als versuchten Totschlag ahnden würde. Ich kann doch wohl verlangen, dass Sie hier im tiefsten Südwesten für mich ähnliche Delikte zu begehen bereit sind?«
Nun begriff ich endlich.
»Sie wollen meinen Revolver?«, fragte ich trocken.
Er nickte.
»Ich will den schnellsten Revolver auf tausend Meilen in der Runde auf meiner Seite haben. Ich will, dass Sie mich nicht nur beschützen, sondern mir ganz und gar mit Haut und Haaren ergeben sind. Dafür übertrete ich das Gesetz und stelle meine ärztliche Kunst zur Verfügung. Sie ist groß. Dass ich damals in betrunkenem Zustand einen Bauch aufschnitt – nun, dieser Bauch gehörte einem Mann, mit dem mich meine Frau betrog. Ja, ich brach meinen Eid. Deshalb bin ich jetzt in der Lage, mit meiner Kunst Geschäfte zu machen. Sheyboygan, geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie mit Ihrem Revolver hinter mir stehen. Schaffe ich es nicht mit Ihrem Bruder, so sind Sie nach Ablauf eines Jahres wieder frei. Ihr Wort, Sheyboygan! Dann fange ich gleich mit der Operation an.«
Ich sah ihn an und ahnte, dass er nicht einfach nur jemanden von mir umgebracht haben wollte. Dieser fette Bursche hatte andere Pläne. Er war in dieses Nest gekommen, um als Säufer zu enden. Es gab Dinge in seinem Leben, die er nur betrunken vergessen konnte.
Aber dann hatte sich etwas in ihm geändert.
Vielleicht war er auf etwas gestoßen, was ihm das Leben wieder lebenswert machen konnte, was ihm mehr Erleichterung bringen konnte als Schnaps. Vielleicht wollte er Macht.
Ich ahnte schon eine Menge.
Einen Moment war ich versucht, ihm meinen Revolver unter die Nase zu halten und ihn zu zwingen, Johnny zu helfen.
Aber dann fiel mir ein, dass er für Johnny wirklich alles tun würde, solange er mich brauchte. Das aber war Johnnys beste Lebensversicherung. Seine Chancen waren dann vielleicht etwas besser – nicht mehr fünf zu eins.
Ich nickte.
Er sagte: »Ich will Ihr Wort! Ich will Adam Sheyboygans Wort! Ich hörte schon von Ihnen, Sheyboygan. Sie brachen noch nie Ihr Wort. Schwören Sie mir, dass Sie mich gegen jeden Feind beschützen und jeden meiner Befehle ausführen werden. Das gilt für ein Jahr – oder bis Johnny laufen kann oder tot ist.«
Ich überlegte noch einmal.
Ich wusste, dass ich mich dem Teufel verschrieb, wenn dieser zufällig die Gestalt von John Garylord angenommen haben sollte.
Aber dann hörte ich Johnny stöhnen.
Die Kugel bringt ihn um, dachte ich.
Ich sah Garylord an und nickte. »Sie haben mein Wort. Ich werde Sie beschützen und jeden Ihrer Befehle ausführen. Mein Wort gilt ein Jahr – oder bis mein Bruder wieder gehen kann. Sie haben mein Wort, Garylord. Aber ich mache Sie auf eines aufmerksam. Wenn Sie mir meine Ehre nehmen, macht es mir gewiss nicht viel aus, das gegebene Wort zu brechen. Nur Ehrenmänner halten ihr Wort. Für Schufte ist ein Wortbruch bedeutungslos.«
»Ich weiß«, sagte er. »Ich bin kein Narr. Aber in diesem Land macht nur der Starke die Gesetze. Sein Wille wird Gesetz. Sheyboygan, ich habe Großes vor. Das könnte mein Leben verändern und wieder lebenswert machen. Aber zuerst will ich für Ihren Bruder tun, was ich kann.«
Er sprang mit unvermuteter Elastizität aus dem Sessel und klatschte in die Hände. Ich rief meinen Mexikanerjungen und den Hotelbesitzer herein.
John Garylord gab uns seine Befehle.
»Zuerst schrubbt ihr einen großen Küchentisch mit Schmierseife ab. Dann ...«
✰✰✰