G. F. Unger 2103 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2103 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war im Jahr 1850, als meine Mutter mir ein besonders gutes Frühstück machte. Ich hatte nämlich an diesem Tag - es war der 24. August - Geburtstag. Vierzehn Jahre war ich an diesem Tag geworden. Ich staunte über das Frühstück, denn wir hatten sonst nie viel zu beißen. Meine Mutter nähte für die Leute in dem kleinen Dorf am Mississippi, in dem wir wohnten und das eigentlich nur von der Fähre lebte.
Meine Mutter war eine stets ernste und herb wirkende Frau. In all den Jahren hatte ich sie nie lachen hören. Und jetzt an diesem Morgen wirkte sie noch ernster als sonst.
Ich sah ihr an, dass sie mir etwas sagen wollte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, was sie endlich loswerden musste. Deshalb beeilte ich mich mit dem Essen, als ahnte ich schon, dass ich bald keinen Appetit mehr haben würde, weil das, was meine Mutter mir sagen wollte, mich wie ein Huftritt in den Magen treffen würde.
Schließlich, als ich Speck, Eier und Kaffee vertilgt hatte, blickte ich meine Mutter fragend an und sagte: »Jetzt kannst du es mir sagen, Mom. Du willst mir doch etwas sagen, nicht wahr?«


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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Verlorener Bruder

Vorschau

Impressum

Verlorener Bruder

Es war im Jahr 1850, als meine Mutter mir ein besonders gutes Frühstück machte. Ich hatte nämlich an diesem Tag – es war der 24. August – Geburtstag. Vierzehn Jahre war ich an diesem Tag geworden. Ich staunte über das Frühstück, denn wir hatten sonst nie viel zu beißen. Meine Mutter nähte für die Leute in dem kleinen Dorf am Mississippi, in dem wir wohnten und das eigentlich nur von der Fähre lebte.

Meine Mutter war eine stets ernste und herb wirkende Frau. In all den Jahren hatte ich sie nie lachen hören. Und jetzt an diesem Morgen wirkte sie noch ernster als sonst.

Ich sah ihr an, dass sie mir etwas sagen wollte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, was sie endlich loswerden musste. Deshalb beeilte ich mich mit dem Essen, als ahnte ich schon, dass ich bald keinen Appetit mehr haben würde, weil das, was meine Mutter mir sagen wollte, mich wie ein Huftritt in den Magen treffen würde.

Schließlich, als ich Speck, Eier und Kaffee vertilgt hatte, blickte ich meine Mutter fragend an und sagte: »Jetzt kannst du es mir sagen, Mom. Du willst mir doch etwas sagen, nicht wahr?«

Sie schwieg einen Moment. Dann aber sprach sie langsam: »Du musst heute fort, Joshua. Ich gebe dich Mister Irish Taggert mit. Er hat mir versprochen, einen richtigen Mann aus dir zu machen. Ich selbst vermag das nicht in diesem armseligen Dorf hier. Ich habe dich nur das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren können. Doch jetzt hätte ein Vater deine weitere Erziehung übernehmen müssen. Ich gebe dich also Irish Taggert mit. Du wirst weit herumkommen, und weil du ein Junge bist, der die Augen weit offen hält, wirst du überall lernen und deine Erfahrungen sammeln. Taggert wird dir ein guter Lehrmeister sein. Joshua, vielleicht werden wir uns nie wiedersehen. Doch ich werde stets an dich denken.«

Als sie dies gesagt hatte, musste sie schlucken. Und ich sah ihr an, dass sie noch nicht fertig war und gewissermaßen ihre Kräfte sammeln musste, um weiterzusprechen.

Ich begann zu ahnen, dass ich jetzt erfahren würde, was schuld war an ihrer ernsten und herben Art und weshalb ich sie niemals lachen hörte oder fröhlich sah.

Sie sagte dann kalt und verächtlich: »Josh, dein Vater war ein feiger Mistkerl. Wir siedelten damals in irgendwelchen Hügeln, hatten dort ein geschütztes Tal gefunden. Ich hatte unterwegs euch Zwillinge geboren, also dich und deinen Bruder Jake. Wir lebten armselig in einer Erdhütte. Euer Vater ließ mich mit euch immer wieder für viele Tage und Nächte allein. Es waren am großen Fluss einige Siedlungen entstanden. Es gab Holzplätze für die Dampfboote, auch Sägemühlen. Dort herrschte Leben und Treiben, gab es Saloons und ...« Sie brach ab, aber ich ahnte, was sie hatte sagen wollen, nämlich: »... leichte Mädchen, Schnaps und Kartenspiel.«

Aber sie sprach es nicht aus.

Nach einer Pause fuhr sie fort: »Sie hängten ihn auf, weil er wieder einmal Pferde gestohlen hatte, um Geld zu bekommen für all diese käuflichen Sünden. Sie erwischten ihn und hängten ihn auf am großen Fluss. Aber ich erfuhr es erst später. Ich wartete Tage und Nächte auf ihn, wie so oft, diesmal jedoch vergeblich. Und dann kamen die Indianer.«

Wieder machte sie eine Pause und starrte ins Leere, so als könnte sie vor ihrem geistigen Auge irgendwelche Bilder der Vergangenheit sehen.

Sie war trotz ihrer Herbheit eigentlich noch eine hübsche Frau. Oh, wäre sie doch nicht immer so ernst und herb gewesen. Hätte sie doch auch mal fröhlich sein können wie andere Frauen.

Ich fragte: »Was war mit den Indianern, Mom?«

Sie fuhr sich übers Gesicht. Dann sprach sie weiter: »Damals wurden viele Stämme von den Weißen über die großen Ströme nach Westen vertrieben. Auch diese Indianer – es waren Kiowas – suchten neue Weidegründe jenseits des Mississippi. Sie waren verjagt worden und zogen sich kämpfend zurück, versuchten ihre Pferdeherden zu retten. Sie kamen an unserer kümmerlichen Erdhütte vorbei. Auf ihren Schleppschlitten transportierten sie ihre Habe. Bisher hatten wir mit den Indianern in Frieden gelebt. Sie taten uns nichts, denn sie sahen ja, wie erbärmlich wir lebten. Aber diesmal waren sie böse und gereizt. Ich sah es gleich, als sie vorbeizogen. Sie nahmen auch das einzige Pferd mit, das mir dein Vater dagelassen hatte. Und dann kam dieser Rothorn. Er war der Häuptling des nach Westen ziehenden Dorfes. Ich stand vor unserer Erdhütte, denn ich wusste, es hatte keinen Sinn, mich mit euch darin zu verstecken. Ich hielt euch beide rechts und links von mir an den Händen. So verharrte ich und wartete ab. Ich glaubte nicht, dass die Indianer uns etwas tun würden. Denn ich war ja nur eine weiße Squaw mit zwei kleinen Söhnen. Drei Jahre wart ihr damals alt. Kannst du dich noch daran erinnern, Josh?«

Ich dachte nach und schüttelte schließlich den Kopf.

»Kaum, Mom«, erwiderte ich schließlich. »Ich weiß zwar, da war etwas. Und ich erinnere mich auch an einen kleinen Burschen, der manchmal furchtbar brüllte. Aber alles ist undeutlich, wie in Nebel oder Dunkelheit gehüllt. Ich weiß nichts, was ich genau beschreiben könnte. Aber ich beginne zu begreifen, dass ich einen Bruder hatte. Was ist mit ihm? Starb er? Was geschah damals, als der Häuptling Rothorn vor unsere Erdhütte geritten kam?«

Ich konnte die Frage nur noch flüstern. Denn tief in meinem Kern war nun die Ahnung eines Unheils, das damals über meine Mutter kam.

In ihren grauen Augen erkannte ich wieder jene bittere Herbheit und Härte. Sie sagte dann langsam: »Rothorn nahm deinen Bruder Jake mit. Er sagte mir dabei, dass eine verirrte Kugel der Weißen seinen kleinen Sohn getötet hätte, der etwa so alt gewesen wäre wie meine beiden Söhne. Und er sagte mir, dass seine Squaw sterben würde vor Schmerz über den Tod ihres Sohnes. Denn sie könnte ihm – Rothorn – keine weiteren Kinder mehr schenken. Die Medizinfrau hätte es gesagt. Also müsste er – Rothorn – ihr einen Ersatz für den verlorenen Sohn bringen. Ich aber hätte zwei Söhne, und es wäre nur gerecht, wenn ich einen davon hergäbe, da die Weißen seinen Sohn töteten. Er könnte mir auch beide Söhne nehmen und zu Indianern machen und erziehen. Aber er würde sich für seine Squaw mit einem begnügen, wenn ich ihn freiwillig hergeben würde. Und dann drängte er sein Pferd näher an uns heran und beugte sich zur Seite nieder. Er nahm Jake zu sich aufs Pferd. Ich aber stand wie gelähmt da und fürchtete, auch noch dich zu verlieren, Josh. Denn ich wusste, er würde mich töten und auch dich mitnehmen, wenn ich ihm auch nur die geringsten Schwierigkeiten machte. Er war voller Zorn, Trauer und Rachsucht. Sie hatten seinen Sohn getötet. Die verirrte Kugel eines Weißen hatte auch für uns Schicksal gespielt. Er ritt dann mit Jake davon. Und erst als alle vorbeigezogen waren, begann ich zu kreischen wie eine Verrückte. Vielleicht war ich damals auch einige Zeit verrückt. Aber dann endlich begriff ich wieder, dass ich noch dich hatte und du mich brauchtest. Denn wie sonst hättest du überleben sollen? Ich schaffte es damals zu Fuß mit dir zu einer der Siedlungen am Großen Strom. Und dort sah ich meinen Mann, deinen Vater, an einem Galgenbaum hängen.«

Nach diesen Worten schwieg meine Mutter lange, verharrte mit gesenktem Kopf. Aber sie weinte nicht. Wahrscheinlich hatte sie schon vor vielen Jahren alle Tränen geweint, die eine Frau weinen konnte.

Ich aber musste immerzu schlucken. Und meine Gefühle und Gedanken jagten sich in mir. O Vater im Himmel, so dachte ich immer wieder, warum hast du meiner Mom das angetan?

Meine Mutter hob wieder den Kopf und zeigte mir ihr Gesicht. Dann stieß sie mir den steifen Zeigefinger von der Seite gegen den rechten Oberarm, genau dorthin, wo die Narbe war, die ich von jeher dort hatte. Es war die Narbe von einem Kreuzschnitt.

Meine Mutter sagte: »Die Narbe – Rothorn schnitt das Kreuz in deinen Oberarm. Er machte es blitzschnell. Und dann tat er es auch bei Jake vor meinen Augen. Er sagte dann, bevor er mit ihm davonritt: ›Es wird einen großen Krieg geben zwischen uns Indianern und euch Weißen. An diesem Zeichen werden sich die Brüder erkennen können, sollten sie sich irgendwann einmal in diesem weiten Land als Männer begegnen. Ich möchte nicht, dass sie sich gegenseitig töten, weil der eine Indianer wurde und der andere ein Weißer blieb.‹«

Meine Mutter schwieg eine Weile nach diesen Worten.

Dann erhob sie sich und verließ die kleine Küche unserer Hütte.

Als sie wieder eintrat, hielt sie mein Bündel in den Händen und reichte es mir. Ich hatte mich erhoben.

»Mister Taggert hat mir versprochen, dass er einen Mann aus dir machen wird«, murmelte sie. »Hier in unserem kümmerlichen Dorf hättest du keine Chancen, etwas zu werden, aber draußen in der weiten Welt. Ich habe Mister Taggerts Wort. Also geh zu ihm. Sein Wagenzug setzt gewiss schon über den Strom. Geh zu ihm!«

Sie sagte die letzten Worte scharf und hart.

Ich wollte sie umarmen, sie trösten, sie auf die Wangen küssen. Ich war ja noch ein Junge von vierzehn, obwohl schon fast einen ganzen Kopf größer als sie.

Aber dann begriff ich, dass sie kurz davor war, zu zerbrechen. Sie wollte mich nicht in die Arme nehmen, weil sie mich dann wahrscheinlich nicht mehr hätte gehen lassen. Aber sie wollte mich gehen lassen, ja, sie schickte mich fort, weil dies das Beste für mich war. Aber sie glaubte, dass sie nun auch den zweiten Sohn verlor.

O verdammt, was sollte ich tun? Ich war ja noch so dumm.

Dennoch begriff ich, dass ich ihr nur helfen konnte, wenn ich einfach ging und mich nicht mehr umsah. Und das tat ich.

Erst als ich schon ein Stück von unserer Hütte am Dorfrand weg war, begann ich zu weinen.

Unten am Fluss, der hier gewiss fast eine Viertelmeile breit war, wartete der Wagenzug von Mr Irish Taggert.

Es waren prächtige, starke Murphy-Frachtwagen mit Anhängern. Jeder wurde von einem Dutzend Maultieren gezogen. Und jeder Fahrer hatte einen Gehilfen, der auch für das Bremsen der Anhänger verantwortlich war.

Reiter gehörten zu diesem Wagenzug, auch ein Mannschaftskoch mit einem Küchenwagen. Ich sah vom oberen Rand des Flussuferhanges, dass die Fähre schon einige der schweren Frachtwagen hinüber auf die Westseite des mächtigen Mississippi gebracht hatte.

Als ich unten an der langen, wartenden Wagenschlange vorbeitrottete, kam Irish Taggert auf seinem grauen, narbigen Wallach herangeritten.

Taggert war ein rothaariger und rotbärtiger Riese mit leuchtend blauen Augen und geschmeidigen Bewegungen.

Er war der Besitzer und Führer dieses Wagenzuges.

Er mochte mich. Meine Mutter hatte stets ein Dutzend Hemden für ihn zu nähen, bis er wieder bei uns vorbeikam. Denn sein Wagenzug war ständig zwischen Saint Louis und Santa Fe oder umgekehrt unterwegs, mitten durch das Indianer- und Büffelland.

Er sah von seinem großen Pferd auf mich nieder.

»Pass auf, Josh«, sprach er dann. »Du weißt ja, dass ich dich mag. Aber dennoch wird es keine Bevorzugung für dich geben. Du wirst dich von ganz unten heraufarbeiten müssen. Das musste auch ich mal, denn auch ich begann wie du in deinem Alter auf ähnliche Weise. Sieh mich an, dann weißt du, was aus einem Jungen werden kann, wenn er hart genug ist und hochkommen will. Vorerst wirst du dem Koch zur Hand gehen. Und ich werde dich immer beobachten. Deine Mutter hat mein Wort, dass ich etwas aus dir machen werde. Und ich habe mein Wort noch niemals gebrochen. Jetzt geh und melde dich bei unserem Koch.«

Er zog sein Pferd herum und ritt wieder zum Flussufer hinunter, wo die Fähre soeben wieder festmachte, um zwei weitere Frachtwagen und deren Anhänger aufzunehmen.

Ich sah ihm nach und fragte mich in diesem Moment, warum er sich meiner Mutter irgendwie verpflichtet fühlte, sodass er sich meiner annahm wie ein Onkel.

Manchmal in den nächsten Tagen und Nächten, da dachte ich an meinen Bruder Jake, den damals der Kiowa-Häuptling Rothorn mit sich nahm.

Ob ich ihn einmal wiedersehen würde? Er war gewiss nicht schwer als mein Zwillingsbruder zu erkennen. Und dann war ja auch noch die gekreuzte Narbe auf unseren rechten Oberarmen.

Wenn er jetzt bei diesem Rothorn war, so wie ich bei Irish Taggert, konnte es durchaus sein, dass aus uns beiden einmal besondere Männer werden würden.

Ich wusste eine Menge über die Kiowas. Sie waren eigentlich die am edelsten aussehenden Indianer, groß und schlank und mit einem geradezu klassisch-römischen Profil. Sie waren ein Reitervolk und lebten von der Büffeljagd, vom Pferdefang und Pferdehandel. Bis etwa 1840 hatten die Kiowas ihre glanzvolle Zeit.

Dann aber kamen die großen Völkerwanderungen nach den Goldfeldern in Kalifornien und den Silberfundgebieten in Colorado in Gang.

All diese Trecks bewegten sich durch Kiowa-Gebiet.

Und als man ihre Büffel abzuknallen begann, brach der Krieg aus.

Mein Bruder Jake würde nun auch bald ein vollwertiger Kiowa-Krieger sein und Weiße töten. Man würde ihn sogar für einen Kiowa halten, denn Jake und ich, wir waren dunkelhaarig, grauäugig und hatten Falkennasen. Mit langen Haaren und sonnengebräunter Haut konnte man uns in deren Kleidung für hellhäutige Kiowas halten.

Ja, ich machte mir in diesen Tagen und Nächten viele Gedanken.

Und immer wieder dachte ich auch an meine Mutter, die mich fortgeschickt hatte, damit ich unter Irish Taggerts Einfluss ein besonderer Mann werden sollte.

Ich würde sie sicherlich wiedersehen, wenn Taggerts Wagenzug von Santa Fe her auf dem Rückweg nach Kansas City bei unserem Dorf an der Fähre des Mississippi rastete, so wie dies immer geschah. Ja, dann würde ich meine Mom wiedersehen.

Sie fehlte mir in diesen ersten Tagen des Trecks sehr. Es war alles anders geworden. Und es war hart geworden für mich, verdammt hart. Denn Frachtfahrer waren raue Gesellen, die nicht geschont wurden und auch selbst keine Schonung oder Rücksicht kannten.

Sie hatten es mit störrischen Maultieren zu tun, den Unbilden der Witterung und all den tausend Hindernissen eines rauen Wagenweges.

Es war ein ständiger Kampf, schwer beladene Frachtwagen durch wildes Land vorwärts zu bringen. Diese Frachtfahrer fluchten fortwährend, schrien und spuckten, ließen die Maultierpeitschen knallen, an deren Ende Metallstückchen befestigt waren, mit denen sie selbst Büffelhäute hätten aufschlitzen können.

Diese Frachtfahrer trieben ihre Gehilfen mit rauen Befehlen an.

Es war eine mitleidlose Welt, in die ich hineingeraten war und in der ich mich behaupten musste – ich, der ich ja noch ein Junge von vierzehn Jahren war.

Die Gehilfen der Frachtfahrer waren alle zwei bis vier Jahre älter als ich, starke und zähe Burschen, die selbst mal Frachtfahrer werden wollten und dann verantwortlich sein würden für ein Zwölfergespann und einen schweren Murphy-Frachtwagen mit Anhänger, in denen sich zumeist kostbare Fracht befand.

Und das Rangabzeichen solcher Frachtfahrer war die Maultierpeitsche, mit der man einen Mann töten konnte, wenn man an seinem Hals die Schlagader traf.

Eines Tages würde auch ich ein solcher Gehilfe sein.

Doch vorerst half ich dem Koch.

Er war ein hagerer Bursche mit einer Melone auf dem kahlen Kopf. Er bewegte sich würdig wie ein Prediger während des Gottesdienstes.

Er hieß Slade. Ich musste ihn Mr Slade nennen. Er war von Anfang an barsch und unfreundlich zu mir, zischte immer nur knappe Befehle. Aber ich sprang, war stets hellwach, stellte keine dummen Fragen und ließ ihn nie etwas zweimal zu mir sagen – oder besser gesagt: zischen.

Nach dem dritten Tag und der dritten Nacht wurde sein Verhalten mir gegenüber etwas freundlicher und duldsamer. Wahrscheinlich hatte er erkannt, dass ich mein Bestes gab.

Am vierten Tag – als wir die Wagenburg gebildet hatten und ich mich auf der anderen Seite des Küchenwagens befand –, da hörte ich Taggert fragen: »He, Koch, wie macht sich der Junge?«

Und ich hörte Slade zu meiner Überraschung erwidern: »Der ist in Ordnung, Boss. Der gehört zu der richtigen Sorte. Und ich verstehe mich auf solche Jungen. Ich habe sie zu vielen Dutzenden studieren können. Aus dem wird was.«

Ich hörte es also. Und es machte mich stolz.

Und eines begriff ich in diesem Moment endgültig: Diese rauen Burschen waren im Grunde fair. Wenn jemand sein Bestes gab, dann erkannten sie das an.

Unser Wagenzug bestand aus zwei Dutzend Murphy-Doppelwagen, dazu dem Küchenwagen und dem Wagen der Reiter, der deren Deckenrollen und wenigen Habseligkeiten transportierte.

Denn es waren außer den Frachtfahrern und deren Gehilfen noch ein gutes Dutzend schwer bewaffneter Reiter bei uns, die unseren Wagenzug ständig im weiten Umkreis umgaben und ihn nach allen Seiten sicherten. Und auf einem flachen Wagen transportierten wir eine Kanone, jawohl, eine Kanone.

Ich fragte mich manchmal, wann wir auf der Prärie wohl auf die ersten Kiowas treffen würden. Wir führten auch einige Dutzend Ersatzmaultiere und Pferde mit. Diese Remuda war zumeist das erste Angriffsziel eines Kiowa-Überfalls.

Ich dachte an jenen Rothorn, der meiner Mutter einen ihrer Söhne wegnahm, meinen Zwillingsbruder Jake.

Gab es Rothorn noch?

Und würde ich vielleicht sogar meinen Bruder Jake zu sehen bekommen auf dem Weg vom Mississippi über Kansas City nach Santa Fe?

Ich war in diesen ersten Tagen ein ziemlich einsamer Junge am Rand dieser Mannschaft unter Irish Taggerts Führung. Und ich machte auch gar nicht den Versuch, mich irgendwie vorzudrängen oder bemerkbar zu machen. Doch ich hatte meine Augen und Ohren überall. Ich lernte fortwährend durch Beobachten und Zuhören.

Eine Woche später hatten wir die Vorberge der Rockys erreicht. Der Wagenweg würde nun ständig ansteigen und bald über Pässe führen. Wir mussten vom Colorado Trail abbiegen und auf dem Santa Fe Trail weiterziehen.

Und an diesem Tag sah ich endlich die ersten Kiowas. Ich hockte auf dem Fahrersitz unseres Küchenwagens. Mr Slade hatte sich im Wagen für eine Weile zur Ruhe gelegt.

Ein Stück vor mir ritt Mr Irish Taggert.

Ich sah die Kiowas auf einem Hügelkamm rechts voraus auftauchen. Gewiss waren sie von unseren Begleitreitern schon längst gesichtet worden. Auch Mr Taggert waren sie gewiss schon gemeldet worden. Denn dieser Wagenzug bewegte sich mit offenen Augen durchs Land.

Ich aber sah die roten Reiter jetzt erst.

Und von Anfang an war ich beeindruckt von dem heidnischen Bild, das sie boten. Da wehten Mähnen und Schwänze ihrer bunten Mustangs im Winde. Da wippten Federn in langen Haaren, flatterten bunte Decken und allerlei Zierrat, blinkten Lanzenspitzen in der Sonne, glänzten Gewehrläufe und irgendwelcher Metallschmuck. Und es kam ein Atem von stolzer Wildheit zu uns herüber.