G. F. Unger 2106 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2106 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

In leichtem Trab reitet John Johnstone um die scharfe Krümmung der Schlucht - und als er dicht vor sich den Reiter sieht, hält er seinen grauen Wallach mit einem Ruck an.
Er hat den Reiter sofort erkannt. Und weil er ihn so gut zu kennen glaubt, staunt er und hält die ganze Sache für einen harmlosen Scherz.
Als er jedoch den sonderbaren Ausdruck im Gesicht des Mannes erkennt, die tanzenden Lichter in dessen Augen sieht, da weiß er plötzlich, dass es sich nicht um einen Scherz, sondern um eine jener großen Enttäuschungen handelt, die hin und wieder das Leben für einen Mann bereithält.
Und er starrt einige Sekunden in die drohende Coltmündung, die genau auf seine Brust gerichtet ist, bevor er in die flackernden Augen des Mannes sieht - in denen die Mordabsicht klar zu erkennen ist.
»Was soll das? He, das ist kein guter Scherz!«
John Johnstone stößt es hart hervor. Sein scharfes und kantiges Gesicht wird dunkel vor Zorn.
»Du hast recht, es ist kein Scherz«, sagt der andere heiser, »nein, John, ich muss dich wahrhaftig töten, um meinen eigenen Kopf zu retten. Tut mir mächtig leid, John - aber ...«


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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Bis in die Hölle

Vorschau

Impressum

Bis in die Hölle

In leichtem Trab reitet John Johnstone um die scharfe Krümmung der Schlucht – und als er dicht vor sich den Reiter sieht, hält er seinen grauen Wallach mit einem Ruck an.

Er hat den Reiter sofort erkannt. Und weil er ihn so gut zu kennen glaubt, staunt er und hält die ganze Sache für einen harmlosen Scherz.

Als er jedoch den sonderbaren Ausdruck im Gesicht des Mannes erkennt, die tanzenden Lichter in dessen Augen sieht, da weiß er plötzlich, dass es sich nicht um einen Scherz, sondern um eine jener großen Enttäuschungen handelt, die hin und wieder das Leben für einen Mann bereithält.

Und er starrt einige Sekunden in die drohende Coltmündung, die genau auf seine Brust gerichtet ist, bevor er in die flackernden Augen des Mannes sieht – in denen die Mordabsicht klar zu erkennen ist.

»Was soll das? He, das ist kein guter Scherz!«

John Johnstone stößt es hart hervor. Sein scharfes und kantiges Gesicht wird dunkel vor Zorn.

»Du hast recht, es ist kein Scherz«, sagt der andere heiser, »nein, John, ich muss dich wahrhaftig töten, um meinen eigenen Kopf zu retten. Tut mir mächtig leid, John – aber ...«

John Johnstone riskiert es jetzt. Er hat inzwischen erkannt, dass es keinen anderen Ausweg gibt. Er bohrt seinem Wallach die Sporen in die Weichen, lässt das prächtige Tier steigen und reißt dabei die Waffe aus dem Holster.

Und zwischen den Ohren seines Pferdes hindurch sieht er das Mündungsfeuer aufblitzen, verspürt den heftigen Schlag über dem Herzen und hört dann noch wie aus weiter Ferne den Knall.

Mit letzter Kraft feuert er seinen Colt ab, dann fällt er aus dem Sattel, überschlägt sich am Boden und rollt auf den Rücken.

Sein Mörder reitet dicht an ihn heran, beugt sich aus dem Sattel, mustert ihn scharf und richtet sich dann wieder auf. Das regelmäßig und scharf geschnittene Gesicht des Mannes ist bleich – und es zuckt und arbeitet in ihm.

»Verdammt«, keucht der Mann. »Was bin ich für ein Hundesohn! Und das hier wird mich zusammen mit anderen Dingen, die ich schon fast vergessen zu haben glaubte, bis in die Hölle verfolgen. Aber für einen Schuft wie mich gab es keine andere Wahl! Ich möchte nicht wieder auf endlosen Wegen reiten und irgendwo neu beginnen. Ich musste es tun!«

Die letzten Worte stößt er zischend hervor. Dann reißt er sein Pferd herum und treibt es hart an. Die Hufschläge verklingen schnell in der Schlucht und hinter ihrer nächsten Biegung.

Star Spillane drängt sich aus dem Halbkreis und tritt dicht vor Jesse Mervin hin.

»Pass auf, Kleiner«, sagt er kehlig. »Was jetzt kommt, hat nichts mit dem Tod deines Bosses zu tun. Wir fangen heute ganz einfach damit an, die Silvertip-Mannschaft zu zerbrechen. Aber wir wollen dir eine Chance geben. Gib uns das Versprechen, dass du binnen zwölf Stunden aus dem Land verschwindest. Dann bleibst du an Leib und Seele gesund. Wir werden jedem deiner Kameraden den gleichen Vorschlag machen. Wie gefällt dir das, Jesse, he?«

»Du wirst es nicht erleben, Spillane! Du wirst es nicht erleben, dass einer von uns die Silvertip im Stich lässt!«

Jesse Mervin keucht es. Seine Augen glänzen wie im Fieber. Er weiß nun ganz genau, wie es vonstattengehen soll. Einen Augenblick verwünscht er sich, weil er in den Saloon gegangen ist. Aber dann steigt der wilde Trotz in ihm auf.

Er spuckt Star Spillane vor die Füße.

»Hundefloh!«, zischt er.

Im nächsten Moment sieht er Star Spillanes mächtige Faust kommen, zerrt an seinem Colt, bekommt ihn noch halb heraus und dann trifft ihn die Faust in die Magengrube, stößt ihn hart und schmerzhaft gegen den Schanktisch.

Er krümmt sich, fühlt die Schwäche in seinen Gliedern. Er möchte sich stöhnend am Boden zusammenkrümmen, aber die große Hand des Vormannes greift in seinen Haarschopf, reißt ihn daran hoch. Und dann schlägt ihm Spillane mehrmals die harte Hand ins Gesicht.

Jesse Mervins magerer Körper ist vom ersten Schlag noch wie gelähmt. Er fühlt die harten Schläge kaum. Wie aus weiter Ferne dröhnt Spillanes Stimme in seinen Ohren.

»Hoi, du stolzer Zwerghahn! Dann sollst du gleich hier die Hölle erleben! Und nachher wollen wir sehen, ob du noch für die Silvertip reiten willst – und kannst. Ah, ich bin nicht zu stolz, um einen frechen Köter zu verprügeln!«

Star Spillanes Worte fallen in eine tiefe Stille, die nur von Jesse Mervins Stöhnen durchbrochen wird. Der Halbkreis der Männer hat sich etwas zurückgezogen. Einige machen missmutige und ärgerliche Gesichter. Es gefällt nicht allen, was sie da sehen.

Plötzlich hören sie eine kühle und spöttische Stimme.

»Überanstrengen Sie sich nur nicht bei diesem schweren Kampf, Mister Rotkopf!«

Star Spillane, der soeben wieder zuschlagen will und mit der anderen Hand den kleinen Jesse wie ein Lumpenbündel schüttelt, hält mitten in der Bewegung inne und wendet den kleinen Kopf.

»Was war das?«, fragt er staunend. »Da hat doch jemand was gesagt?«

»Sicher, du stolzer Schläger, sicher«, sagt die kühle und spöttische Stimme.

Zugleich weichen einige Männer zur Seite und geben Star Spillane den Blick zum Ende des Schanktisches frei.

Und Star Spillane sieht den Fremden dort stehen, erkennt dessen verächtliches Lächeln und blickt wütend in die rauchgrauen Augen.

»Oh«, sagt er und lässt Jesse Mervin einfach fallen. Er macht einige Schritte auf den Fremden zu, bleibt dann stehen und betrachtet ihn langsam von oben bis unten.

Und er sieht einen großen und hart wirkenden Mann mit kühlen Augen und sicherlich scharfem Verstand. Er hatte den Fremden, wie alle anderen es bei dessen Erscheinen vor einer Stunde auch taten, aufmerksam betrachtet, seine Klasse erkannt und ihm dann keine Beachtung mehr geschenkt, da sich der Fremde zurückhaltend benahm. Er hatte ihn für einen durchreitenden Reiter gehalten – einen Mann von jener Sorte, die zuweilen durch diesen Ort kommen und wieder still verschwinden.

Aber nun hat sich dieser Mann eingemischt und ihm sein Missfallen ausgedrückt. Star Spillane wischt sich über das Gesicht.

»Mister«, sagt er, »bevor wir uns näher bekannt machen, möchte ich erst einmal eine Sache klarstellen: Dies hier ist kein Kampf Mann gegen Mann. Ich verprügele nur einen frechen Köter, den wir nicht mehr auf dieser Weide haben wollen. Das ist für mich zwar auch eine unliebsame Arbeit, aber ich tue sie, weil es gut für die Ranch ist, für die ich reite. Ist das zunächst einmal klar, Fremder?«

»Nein, Mister Rotkopf. Deine Treue zur Ranch mag groß und mächtig sein – aber ein Mann sollte dennoch immer ein Mann bleiben. Der Kleine da, er ist ein Mann. Er ist voller Trotz, Wut und Bitterkeit wegen des Todes seines Bosses. Sicher, er spuckte Gift, aber er hat Mut. Und solch einen prächtigen Burschen darf man nicht wie einen Köter zerschlagen. Solch ein Mann hat Anspruch auf eine faire Chance in einem fairen Kampf. Und wenn ein sturer Büffel einen mutigen Ziegenbock niedertrampelt, so ist das keine faire Sache. Mister Rotkopf, deine Treue zur Ranch in allen Ehren, aber du wirkst auf mich wie ein Bluthund, der sich auf Befehl seines Herrn auf jeden Dackel stürzt. Wenn du ein Mann, wärst, würdest du für solch eine traurige Arbeit zu stolz sein. Verdammt, in was für ein Land bin ich hier gekommen?«

Der Fremde lächelt verächtlich, greift nach seinem Glas und leert es bedächtig. Dabei beobachten seine kühlen Augen den riesigen Vormann der Triangle Ranch.

Star Spillane steht immer noch leicht vorgeneigt und hält lauschend seine mächtige Hand ans Ohr. Und jetzt atmet er tief ein und reißt seine wasserhellen Augen weit auf.

»Oha, ein stolzer Mann – ein Ritter der Weide! Ja, solch ein prächtiger Bursche ist also bei uns zu Gast«, knurrt er. Und das böse Licht einer gewaltigen Unduldsamkeit funkelt in seinen Augen und wird zu einer wilden Flamme.

Er macht noch einen raschen Schritt auf den Fremden zu, steht jetzt nur noch in Armlänge vor diesem.

»Mann«, sagt er hart, »was wissen Sie schon über dieses Land und über diese Weide? Was wir hier tun, geht Sie einen Dreck an, Mister. Und wenn Sie sich noch einmal einmischen, reiße ich Ihnen den Kopf ab, verstanden?«

Star Spillanes Stimme klingt jetzt höflich – aber es ist eine drohende und böse Höflichkeit.

Er wendet sich ab, geht zurück, bückt sich nach Jesse und zieht ihn hoch. Jesse wehrt sich schwach. Er ist noch halb bewusstlos.

»Auf jeder Ranch gibt es mistige Arbeit zu verrichten«, knurrt Spillane. »Und ich verrichte jede Arbeit, die getan werden muss!«

Die letzten Worte spuckt er förmlich aus. Dann hebt er die Hand und klatscht sie wieder rechts und links in Jesse Mervins Gesicht. Aus den Augenwinkeln heraus erkennt er die Gestalt des Fremden, wirbelt herum, reißt dabei Jesse Mervin mit und wirft ihn gegen den Mann.

Aber der weicht aus. Jesse Mervin fällt dicht am Schanktisch zu Boden.

»Das kannst du haben!«, brüllt Spillane, und seine ganze Wut bricht nun aus. Und es kommt ihm gerade recht, dass er den anderen Männern einmal seine ganze Klasse zeigen kann. Er holt zu einem mächtigen Schwinger aus, legt seine ganze Kraft in den Schlag und setzt die Wucht seines Körpergewichtes dahinter.

Doch seine Faust reißt dem Fremden nur den Hut vom Kopf. Star Spillane verliert das Gleichgewicht. Er taumelt nach rechts.

Und der Fremde wirbelt herum, packt den ins Leere schießenden linken Arm des Vormannes und bückt sich.

Star Spillane kann diesem Zug nicht widerstehen. Er wirbelt durch die Luft und kracht brüllend mit dem Rücken auf einen Tisch. Der Tisch birst auseinander. In den Trümmern rollt Spillane sich auf Hände und Knie.

Dann springt er auf und wirft sich zugleich nach vorn. Seine Arme umfassen die Knie des Fremden. Er reißt sie an seine Brust, bringt den Fremden zu Fall, lässt los, richtet sich halb auf und will sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Oberkörper des Mannes fallen lassen. Seine gewaltigen Hände machen schon eine Greifbewegung nach dem Hals des Fremden.

Doch der ist wieder schneller.

Er hat plötzlich seine Beine angehoben und die Füße vor Spillanes breiter Brust, als dieser nieder wuchtet.

Und mit einer wilden Kraftanstrengung stößt er ihn von sich. Spillane steht plötzlich, taumelt auf den Absätzen drei Schritte rückwärts, kann sich immer noch nicht fangen und fällt wieder rücklings zwischen die Trümmer des Tisches.

Mit einem Schrei springt er hoch. Doch da ist der Fremde plötzlich dicht vor ihm, schlägt nach seinem Kopf – und stößt dann die Rechte in Spillanes Magenpartie. Spillane stöhnt, wirft sich vor und will den Gegner umklammern. Aber der schnelle und große Fremde gleitet wie ein Schatten zurück und zieht einen Aufwärtshaken hoch. Die Faust kracht gegen das breite Kinn des Vormannes. Spillane wird förmlich hochgehoben.

Dann taumelt er abermals auf den Absätzen rückwärts und fliegt nun zum dritten Mal auf dieselbe Stelle. Dumpf begreift er diese Tatsache und auch den Hohn, der darin liegt. Er setzt sich auf, betastet seinen Magen, schüttelt den kleinen Kopf und erhebt sich ziemlich mühsam und angeschlagen.

Aber dann greift er plötzlich zur Seite und bekommt die Lehne eines Stuhles in die Hand. Er schwingt den schweren Stuhl hoch und stürmt vorwärts.

Doch der Fremde ist schnell. Die Zuschauer haben längst Platz gemacht und einen freien Raum den Kämpfern überlassen. Nun brüllen sie auf.

Der Fremde duckt sich, springt vorwärts, schnellt sich ab und wirbelt herum. Er wirft sich quer gegen Spillanes Oberschenkel – und der Stuhl kracht wirkungslos auf den Bretterboden.

Doch nun war Spillane ebenfalls sehr schnell. Er landet quer auf dem Bauch des Fremden, packt nach dessen Brust, stemmt sich links hoch und wuchtet die Rechte nieder. Aber sie trifft nicht das Gesicht des Fremden, sondern nur den Boden, reibt nur etwas an der Wange des Fremden vorbei.

Spillane stößt einen wilden Schrei des Zornes und des Schmerzes aus. Als seine Faust nämlich mit aller Wucht auf die Bretter stößt, da fühlt er deutlich, wie der Mittelhandknochen bricht. Da weiß er, dass er ein geschlagener Mann ist.

Er springt auf und will nach dem Gegner treten, aber der klammert seine Hände um den Fuß, dreht ihn zur Seite und bringt Spillane zu Fall.

Als er nun zum vierten Mal zwischen die Trümmer des Tisches fällt, bewegt er sich nur noch schwach und bleibt keuchend liegen.

Indes richtet sich der Fremde auf. Nun hält er seine Hand am Colt. Er sieht sich schnell um und tritt dann langsam bis an den Schanktisch zurück. Neben ihm sitzt Jesse Mervin am Boden, grinst mit verzerrtem und blutigem Gesicht und hält seinen schussbereiten Colt in der Hand. Der Fremde bückt sich und greift Mervin unter die Achsel. So zieht er ihn auf die Beine.

»Schon gut, Cowboy«, murmelt er etwas atemlos. »Du kannst die Kanone ruhig wegstecken. Oder will hier jemand schießen?«, fragt er schnell und sieht in die Runde.

Die Männer starren ihn schweigend an. Er erkennt in manchen Augen Anerkennung – in anderen Augen jedoch Wut und angespannte Kampfbereitschaft.

Drüben an der Wand lehnt ein strohblonder Mann mit leuchtend blauen Augen und einem verwitterten Gesicht. Der Mann trägt zwei Colts, und er ist dünn und hager.

»In Ordnung, Fremder«, sagt er ruhig in die Stille. »Sie haben Star Spillane einwandfrei geschlagen – und Sie sind der erste Mann, der ihn so verprügelt hat. Wir haben hier nichts gegen einen Kampf wie diesen, es sei denn, Sie stehen auf der Lohnliste der Silvertip Ranch. Wie ist es damit?«

»Ich reite hier nur durch«, sagt der Fremde ruhig. »Mein Pferd wird in der Schmiede neu beschlagen. Aber wenn mir jetzt jemand sagt, dass ich höllisch schnell verschwinden soll, dann bleibe ich noch eine Weile, verstanden?«

Es sind harte und stolze Worte.

Einige Männer murmeln bittere Flüche, und eine Stimme sagt: »Solch ein stolzer Bursche hat uns hier gerade noch gefehlt!«

Der blonde Mann hebt die Hand. Er muss keine unwichtige Rolle spielen, denn es wird sofort wieder ruhig.

»In Ordnung, Fremder«, sagt er sanft. »Ich kenne mich ziemlich gut aus mit Ihrer Sorte. Aber es wäre wirklich für uns alle gut, wenn Sie bald weiterreiten würden. Sie haben einen harten Mann geschlagen. Damit sollte es genug sein. Das sind doch wohl vernünftige Worte – oder?«

»Yeah, Sie reden wie ein vernünftiger Mann«, nickt der Fremde. »Umso mehr muss ich mich wundern, dass Sie es zuließen, dass ein großer Bulle ...«

»Sie kennen das Spiel hier nicht, Fremder. Nun, Ihr Pferd wird jetzt wohl beschlagen sein. Viel Glück, Fremder.«

Er macht eine lässige Handbewegung.

Der Fremde sieht ihn nachdenklich an.

»Kennen wir uns von irgendwo?«, fragt er plötzlich.

»Ich kenne Sie, Bruce Thrasher. Sie kennen mich nicht. Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Doch ich sah Sie mal vor Jahren in Dodge City bei der Arbeit.«

»So, so«, murmelt der Fremde nachdenklich. Dann sieht er Jesse Mervin an. »Können wir gehen, Cowboy?«

»Oh, sorge dich nicht um mich, Bruder«, ächzt Mervin. Er lehnt erschöpft am Schanktisch und hält immer noch seinen Colt in der Hand. In seinen Augen sind die Zeichen des Schmerzes und der Not.

Aber dann schiebt er langsam den Colt ins Holster und setzt sich schwankend in Bewegung. Seine Augen sind etwas starr auf die Pendeltür gerichtet. Er geht vorsichtig, schwankt immer wieder und hält seine schmalen Lippen eng zusammen gepresst.

Der Fremde bleibt dicht an seiner Seite und wartet, als Mervin an der Tür anhält und sich halb umwendet.

»Sagt dem Hundefloh Star Spillane, dass ich ihn totschieße, wenn ich ihn das nächste Mal treffe und wenn unsere Chancen ausgeglichen sind!« Jesse Mervin presst es heiser heraus.

Dann geht er.

»Bruder«, sagt er, als sie bei seinem Pferd anhalten, »ich werde es nicht allein schaffen, in den Sattel zu kommen. Meine Beine sind wie aus Gummi und im Bauch habe ich ein Loch. Verdammt, was ist mit meinen Rippen los?«

Er krächzt es heiser und lehnt sich schlapp an das Pferd.

Der Fremde tritt zurück.

»Eben warst du mächtig stolz, Kleiner. Los, in den Sattel mit dir – ohne Hilfe!«

Da reißt sich Jesse Mervin noch einmal zusammen. Als er sich stöhnend in den Sattel zieht und sich am Sattelhorn festklammert, um den Schmerz zu überstehen, kommen die Männer aus dem Saloon auf die Veranda.

Mervin nimmt er die Zügel hoch, zieht das Pferd herum und reitet langsam dem Ortsausgang zu.

Es ist dunkel geworden, aber überall fallen breite Lichtbahnen aus den Häusern.

Die kleine und schwankende Gestalt Mervins ist bis zum Ortsausgang gut zu erkennen. Dann wird sie von der Dunkelheit verschluckt.

Der Fremde ist inzwischen auf die andere Straßenseite gegangen und wirft noch einen letzten Blick auf die Männer vor dem Saloon. Dann setzt er sich mit langen Schritten in Bewegung. Und er weiß, dass die Männer drüben über ihn sprechen und den blonden Mann über ihn ausfragen.

Bruce Thrasher, so hat ihn der blonde Reiter genannt, erreicht den Hof der Schmiede. Das Schmiedefeuer verbreitet einen hellen Schein. Am Haltebalken ist ein grauer Wallach angebunden.

Bruce Thrasher geht hin und untersucht alle vier Hufe des Tieres. Der Schmied schlurft herbei.

»Gut genug?«, fragt er.

»Ich bin zufrieden«, lächelt Bruce Thrasher und holt Geld aus der Hemdtasche.

»Was ist eigentlich hier los?«, fragt er, als der Schmied die Zehn-Dollar-Note einsteckt.

Der Schmied schüttelt den Kopf.

»Sie reiten doch weiter, Fremder – wozu also? Dies ist eine wilde und raue Weide und man muss schon hier aufgewachsen sein, um all die unterirdischen Strömungen spüren zu können. Ich müsste Ihnen eine lange Geschichte erzählen, Fremder. Warum sollte ich das tun? Sie sind fremd.«

Die letzten drei Worte sagt er kurz und abweisend, wendet sich ab und stapft in die Schmiede zurück.

Bruce Thrasher zieht seinen grauen Wallach herum und reitet in die Sternennacht hinaus – ein ruheloser Reiter ohne Heimat – ein Revolvermann vielleicht.

Bruce Thrasher reitet drei Meilen. Dann hält er an.

Die Lichter von Comanche sind irgendwo hinter einem der sanften Hügel verschwunden.

Er biegt vom Weg ab und folgt dem Bach entgegengesetzt der Laufrichtung. Schon nach zwanzig Yards kommt er in den Schatten mächtiger Eichen und Buchen.

Er will aus dem Sattel gleiten, da schnaubt sein Wallach warnend.

Bruce Thrasher beugt sich schnell vor, legt dem Tier die flache Hand zwischen die Ohren und lauscht.

Und dann hört er trommelnden Hufschläge – sie werden lauter. Ein Reiter jagt bald darauf nur zwanzig Yards von Thrasher entfernt auf dem Weg vorbei – ein großer, breitschultriger Mann auf einem großen Pferd. Mondlicht liegt auf dem Weg, und so ist der Reiter gut zu erkennen.

Bruce Thrasher erkennt den Mann mit einem Mal. Er saß noch vor kurzer Zeit im Saloon an einem Tisch und wirkte völlig betrunken.

Dann ist der Reiter vorbei.