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Nun, Leute, ich war gewiss nicht das, was man einen seriösen Menschen nennt, und deshalb steckte ich auch schon mehr als einmal in einer bösen Klemme, denn dies ergab sich infolge meiner Unseriösität ganz zwangsläufig.
Aber damals im Jahr 1870 zwischen Carrizozo und dem Pecos River, da sah es besonders schlimm aus für mich.
Denn ich hatte auf der Flucht schon vor drei Tagen mein Pferd verloren.
Und was hat in diesem verdammten Land ein Mann ohne Pferd schon für Chancen, wenn die Apachen ihn jagen? Keine, Leute, einfach keine! Ein Schneeball in der Hölle - jawohl! -, der hat die gleichen Chancen wie solch ein armer Teufel. Denn auch die Munition war mir ausgegangen. Wenn die Apachen mich einholten, würde ich mich nur mit dem Messer wehren können. Und dazu war ich eigentlich schon viel zu schwach ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Cannons Revolverschuld
Vorschau
Impressum
Cannons Revolverschuld
Nun, Leute, ich war gewiss nicht das, was man einen seriösen Menschen nennt, und deshalb steckte ich auch schon mehr als einmal in einer bösen Klemme, denn dies ergab sich infolge meiner Unseriösität ganz zwangsläufig.
Aber damals im Jahr 1870 zwischen Carrizozo und dem Pecos River, da sah es besonders schlimm aus für mich.
Denn ich hatte auf der Flucht schon vor drei Tagen mein Pferd verloren.
Und was hat in diesem verdammten Land ein Mann ohne Pferd schon für Chancen, wenn die Apachen ihn jagen? Keine, Leute, einfach keine! Ein Schneeball in der Hölle – jawohl! –, der hat die gleichen Chancen wie solch ein armer Teufel. Denn auch die Munition war mir ausgegangen. Wenn die Apachen mich einholten, würde ich mich nur mit dem Messer wehren können. Und dazu war ich eigentlich schon viel zu schwach ...
Als es dunkel wurde, konnte ich nicht weiter.
Ich kroch also in einen Busch und hoffte, dass die Apachen mich nicht finden würden.
Die Nacht wurde klar und hell wie die meisten dieser Nächte hier in New Mexico und Arizona.
So erschöpft und ausgebrannt ich auch war, als ich im Busch lag und Kräfte zu sammeln versuchte, lauschte ich auf all die Geräusche meiner Umgebung und in der Ferne.
Oh, es waren vertraute Geräusche. Denn nachdem ich in den Busch gekrochen war und lange genug still blieb, setzte das Nachtleben der kleinen Tiere bis in meine nächste Umgebung wieder ein.
Das beruhigte mich sehr.
Aber dann veränderte sich von einem Atemzug zum anderen alles. Ich aber bewegte mich, um mein langes Messer aus dem Stiefelschaft zu holen.
Denn diese jähe Stille des Kleingetiers und der warnende Ruf eines Nachtfalken am Himmel, die waren mir Warnung genug.
Dann hörte ich endlich, was die Tiere schon vor mir hörten oder spürten.
Ein Reiter kam durch die Nacht geritten.
Der arme Bursche tat mir sofort leid, denn es war anzunehmen, dass er den Apachen, die mich verfolgten, in die Messer oder gar Gewehre ritt.
Heiliger Rauch, ich konnte ihn nicht warnen. Oder doch? Sollte ich aus dem Busch springen und zu brüllen beginnen? Er war noch weiter als eine halbe Meile entfernt. In diesem Land und vor allen Dingen in solch einer ruhigen Nacht, da hörte man jedes Geräusch unwahrscheinlich weit.
Das Pferd des Reiters trabte. Es war ein mit Eisen beschlagenes Tier. Also war der Reiter wahrscheinlich ein Weißer.
Plötzlich brach dann die Hölle los.
Ein Colt begann zu krachen. Und die Apachen ließen ihren Angriffsschrei hören, der wie ein Pumaschrei klang.
Doch der Mann feuerte mit seinem Colt gleichzeitig mit dem Schrei. Sie hatten ihn also nicht überrumpeln können.
Ich war selbst ein Experte, was das Schießen mit einem Colt betraf, und so konnte ich schon an der Reihenfolge der Schüsse erkennen, dass da ein Mann ballerte, der mit dem Ding umzugehen verstand.
Ich hörte die Todesschreie der Apachen. Es konnten nicht viele sein – nur drei, höchstens vier.
Dann wurde es plötzlich still – ganz still.
Ich kroch aus meinem Busch. Und ich fragte mich, was aus dem Mann geworden war. Hatte er es geschafft gegen die Apachen? Oder hatten sie sich alle gegenseitig umgebracht?
Ich brauchte Wasser und ein Pferd, Proviant und Munition, damit ich wieder für mich sorgen konnte mit meinem Colt.
Und so machte ich mich auf den Weg.
Selbst wenn ein Apache übrig geblieben war – nun, mit dem nahm ich es auf.
Ich brauchte nicht weit zu gehen.
Dann kam mir der Reiter entgegen.
»He, Amigo – wie geht's dir?« So rief ich ihm entgegen, denn ich wollte von ihm natürlich nicht für einen Apachen gehalten werden.
Er hatte seinen Colt auch schon auf mich gerichtet. Doch er schoss nicht. Er konnte mich also noch rechtzeitig als Weißen erkennen.
Ich wusste, dass er – wenn er nicht nachgeladen hatte – nur noch eine einzige Kugel aus seiner Waffe abfeuern konnte.
Langsam kam er heran. Ich hörte sein Stöhnen. Er war also angeschossen.
Als sich sein Pferd etwas drehte, sah ich den Pfeil.
Dann hielt er bei mir.
»Waren die roten Schufte hinter dir her?«, fragte er knirschend. Aber er wartete gar nicht auf eine Antwort. Er fügte noch knirschender und bitterer hinzu: »Und ich musste in sie hineinreiten. Meine Pechsträhne nimmt gar kein Ende mehr. Ich musste in sie hineinreiten wie ...«
Er verstummte knirschend. Im Mond- und Sternenlicht sah er auf mich nieder.
»Du wirst mir doch die verdammte Pfeilspitze herausschneiden können?«, fragte er. »Nachdem ich dir drei Feinde vom Hals schaffte, wirst du das wohl in aller Sorgfalt für mich tun, oder?«
Ich sagte: »Mein Colt ist leer. Und es könnte noch ein vierter Apache umherschleichen. Ich muss ein Feuer machen, um dich zu versorgen. Also gib mir zuerst mal Munition.«
Er zögerte. Aber dann entschloss er sich, mir zu vertrauen. Er hatte keine andere Wahl.
»In der Satteltasche«, sagte er, »ist noch ein ganzes Päckchen Patronen. Hast du auch einen vierundvierziger Colt?«
»Was sonst?« Ich grinste und öffnete seine Satteltasche. Ich fand mit einem Griff das kleine Päckchen Patronen, nahm es heraus, öffnete es und schüttete fast die Hälfte in meine Hand. Ich steckte die Patronen in meine Hosentasche und begann dann erst, die sechs Trommeln meines Colts zu laden.
Mein Retter saß die ganze Zeit regungslos im Sattel und schnaufte nur manchmal schmerzvoll.
»Wer bist du denn?«, fragte er schließlich.
»Ach«, antwortete ich, »vielleicht wirst du schon von mir gehört haben. Ich bin Ben Cannon.«
»Der aus El Paso?«, fragte er stöhnend.
»Ja, der aus El Paso«, erwiderte ich.
Er nickte. Dann sagte er: »Der vierte Apache ist hinter dir. Zwölf Schritte hinter dem großen Dornenbusch. Er wird gleich schießen und ...«
Mehr brauchte er mir nicht zu sagen.
Ich wirbelte herum wie ein Wildkater und schoss auch schon.
Ich konnte den Apachen nicht sehen. Doch wenn er aus dem Busch heraus auf uns schießen wollte – wahrscheinlich mit Pfeil und Bogen, weil ihn dann kein Mündungsfeuer verraten konnte –, musste er im Busch zumindest knien.
Ich feuerte vier Kugeln in den Busch.
Da sprang der Apache kerzengerade in die Höhe, stieß einen gellenden Schrei aus und fiel dann nach vorn. Er war schon tot, bevor er den Boden berührte.
Ich ersetzte erst die vier abgeschossenen Patronen.
Dann blickte ich zu dem Mann hoch, der mich gerettet hatte und nun selbst so böse in Not geraten war – wie böse, das wusste ich noch nicht.
Aber er sagte es mir knirschend mit den Worten: »Du musst mich vom Pferd heben, denn ich kann meine Beine nicht mehr bewegen. Die Pfeilspitze sitzt dicht neben meinem Rückgrat. Sie muss es verletzt haben. Verstehst du?«
O ja, ich verstand sofort, was passiert war.
Und in diesem Moment bewunderte ich den Mann. Denn er behielt die Nerven. Er jammerte nicht über sein Unglück.
»Ja, ich verstehe«, sagte ich ernst. »Und wer bist du, Bruder?«
Er war älter als ich. Ich schätzte, dass er zumindest zehn Jahre älter war, also um die vierzig Jahre.
»Ich bin Allan McGillen – und du hast bestimmt schon von mir gehört. Ja, ich bin Sonora McGillen. Und jetzt hilf mir!«
Ich half ihm.
Er konnte stehen. Ich ließ ihn los, und er fiel nicht um. Doch als er dann gehen wollte, klappte es nicht. Er brachte den Fuß am Boden nicht nach vorn. Er stieß einen wilden und bösen Schrei aus. Und dann brach er zusammen.
✰
Nun, lieber Leser meiner Geschichte, ich könnte jetzt viele Seiten mit der Schilderung eines manchmal fast verzweifelten Kampfes füllen, den wir beide kämpften, Allan McGillen und ich, Ben Cannon aus El Paso.
Denn die Pfeilspitze konnte ich Allan McGillen nicht aus dem Rücken holen.
Sie hatte sein Rückgrat verletzt, das war mir klar. Ich konnte nur den Pfeilschaft abschneiden – mehr wagte ich nicht. Wir glaubten beide, dass nur ein Arzt – am besten ein Chirurg – würde helfen können.
Und so versorgte ich McGillen, so gut ich konnte. Wir ruhten die ganze Nacht am Feuer aus. In unserer Nähe lagen die toten Apachen. Aber ich konnte nichts für sie tun. Ich musste Kräfte sammeln.
Am Morgen zogen wir los. McGillen saß auf dem Pferd. Ich führte das Tier. McGillen musste sich am Sattelhorn festhalten. Es kam kein Laut des Schmerzes über seine Lippen.
Unser Ziel war die kleine Stadt Pecos Bend. Er hatte sowieso dorthin gewollt. Und irgendwie würden wir es zusammen schaffen.
Wir brauchten drei Tage und Nächte. Und er lebte immer noch.
Als wir die Lichter der Stadt dann in der dritten Nacht leuchten sahen, sagte er stöhnend zu mir nieder: »Bring mich in Pecos Bend zu Nancy McGillen. Sie muss ein kleines Schneidergeschäft für Ladys und Kinder betreiben. Bring mich zu ihr, Ben Cannon.«
»Sicher«, sagte ich, »auf mich kannst du dich verlassen.«
Ich fand den kleinen Schneiderladen für Ladys und Kinder an einer Straßenecke. Drinnen war es dunkel. Doch als ich unser Pferd verhielt, wurde oben über dem Laden ein Fenster geöffnet. Ich erkannte einen Frauenkopf.
»Sind Sie Nancy McGillen?«, fragte ich, und dann glitt ich vom Pferd und trat einen halben Schritt vor, um McGillen auffangen zu können.
Denn er konnte nicht mehr. Er fiel zur Seite und in meine Arme. Ich brauchte meine ganze Kraft, um ihn zu halten. Denn er war ein schwerer Mann.
Er stöhnte vor Schmerz, obwohl er halb bewusstlos war. Die Pfeilspitze in seinem Rücken war gnadenlos.
Als ich ihn dann hielt, fragte die Frau: »Wer seid ihr?«
»Dies ist Allan McGillen«, sagte ich. »Und er bat mich, ihn zu Ihnen zu bringen, wenn Sie Nancy McGillen sein sollten.«
Sie schwieg einen raschen Atemzug lang.
»Ich komme!« Sie rief es schrill und wie alarmiert.
Und dann kam sie bald schon unten heraus und half mir.
Es war schwer, McGillen die schmale Treppe nach oben zu schaffen. Aber oben war ein gutes Bett für ihn, und wir legten ihn bäuchlings darauf.
Dann sahen wir uns an.
Und ich sah, dass sie eine bemerkenswert hübsche Frau war, eine Frau mit besonderer Ausstrahlung.
»Ich bin Cannon, Ben Cannon, Ma'am«, sagte ich. »McGillen hat eine Pfeilspitze im Rücken. Sie hat sein Rückgrat verletzt. Er kann die Beine nicht mehr bewegen. Ich bin schon länger als drei Tage und Nächte mit ihm unterwegs. Es ist fast ein Wunder, dass er noch lebt.«
Sie schloss einen Moment die Augen. Ich fragte mich in dieser Sekunde, ob sie seine jüngere Schwester war oder seine Frau.
»Sind Sie – sein Freund?«, fragte sie mich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich, »das nicht. Ich weiß nicht mal, ob Sie seine Frau oder seine Schwester sind, Ma'am. Ich habe ihn erst vor vier Nächten kennengelernt. Er rettete mir das Leben. Er kann sich deshalb auf mich verlassen wie auf den eigenen Bruder. Verstehen Sie, Ma'am?«
»Der Doc«, sagte sie, »wohnt vier Häuser weiter auf dieser Straßenseite. Holen Sie ihn bitte. Und wenn er nicht im Bett ist, dann sitzt er im Pecosbee Saloon beim Poker. Sie erkennen ihn an seinem Spitzbart und dem Kneifer. Im ganzen Land trägt niemand außer ihm solch einen Kneifer.«
Ich nickte und wandte mich zur Tür.
Und da sagte sie noch hinter mir her: »Ich bin seine Frau – nicht seine Schwester.«
Ich hatte angehalten bei ihrem ersten Wort. Nun sah ich sie über die Schulter hinweg an.
Sie wirkte sehr tapfer, sehr einsam, sehr stark. Und ich spürte, dass es nicht so einfach war für sie, Allan McGillens Frau zu sein.
Ich ging, um den Doc zu holen.
Und mein Schuldgefühl gegenüber Allan McGillen war nun noch größer. Denn was ihm zugestoßen war, betraf nicht nur ihn allein. Auch seine Frau, die mir vom ersten Augenblick an so sehr gefiel, war ja in Mitleidenschaft gezogen. Wenn McGillen nicht wieder gesund werden konnte, würde sie einen Krüppel zum Manne haben.
Ja, ich spürte nun auch ein Schuldgefühl gegenüber dieser Nancy McGillen.
✰
Der Doc war nicht in seinem Haus, denn dort rührte sich nichts, obwohl ich ziemlich laut und beharrlich den eisernen Türklopfer betätigte.
Also ging ich weiter in den Saloon. Das Pferd musste warten. Es hatte sich gewiss einen guten Platz im Stall und bestes Futter verdient. Aber der Mann ging vor.
Im Saloon war nicht mehr viel Licht. Einige Lampen waren hier sogar schon verlöscht. Nur an dem runden Tisch in der Ecke neben dem Schanktisch und der Treppe nach oben saß noch eine Pokerrunde zusammen.
Ich erkannte sofort, dass es keine kleinen und unwichtigen Burschen waren, die sich da gegenseitig zu bluffen versuchten. Nein, dort an diesem runden Tisch hockten gewiss die wichtigsten Männer der Stadt und des Landes zusammen.
Als ich eintrat, kam der Mann, der am Schanktischende lümmelte und dem Spiel zusah, hinter dem Schanktisch hervor und trat mir ein paar Schritte entgegen.
»Der Saloon ist schon geschlossen«, sagte er. »Hier ist nur noch eine sozusagen geschlossene Gesellschaft, Mister.«
Er sprach das »Mister« etwas spöttisch, und ich wusste, dass er mich für einen abgerissenen Tramp hielt, der vielleicht sogar einen Drink erbetteln wollte oder im besten Falle nur wenige Cents ausgeben konnte.
Ich sah natürlich nicht gerade nobel aus nach dem, was ich während der letzten Tage so erlebt hatte. Ja, ich war unrasiert und abgerissen wie ein Buschräuber. Aber ich grinste ihn an, schob ihn beiseite und trat an den Tisch.
Ich hatte den Doc schon an seinem Kneifer erkannt.
»Doc«, sagte ich laut, und meine Stimme klang heiser und rau, »he, Doc, es gibt Arbeit für Sie.«
Er sah gar nicht von seinen Karten auf.
Und einer der Spieler sah nur kurz auf mich und sagte dann zur Seite aus dem Mundwinkel: »Hau ab, Hombre! Schleich dich, Tramp!«
Ja, sie hielten mich für einen Tramp. Denn ich trug keine Sporen und hatte auch die Absätze meiner Stiefel verkürzt, um besser marschieren zu können, wenn ich das Pferd am Zügel führte.
Auch meinen Waffengurt hatte ich abgeschnallt. Den Revolver trug ich im Hosenbund unter der geschlossenen Jacke. Es war schon recht kühl gewesen in der Nacht.
Ich sagte: »Doc, ein Mann braucht Ihre Hilfe – ein Mann mit einem Pfeil im Rücken. Wenn Sie ein richtiger Doc sind, dann ist es Ihre Pflicht ...«
Weiter kam ich nicht. Denn der Mann, der mir aus dem Mundwinkel schon zugezischt hatte, dass ich mich schleichen sollte, erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Zuvor hatte er die Karten verdeckt auf den Tisch gelegt.
Nun kam er mit zwei gleitenden Schritten.
Seine Faust sollte mich mitten ins Gesicht treffen. Es war seine Rechte. Und die Linke kam als Doppelschlag.
Ich nahm den Kopf weg, deckte meine Leberpartie mit meinem rechten Armwinkel und knallte ihm meinen herumgezogenen Haken auf Kinnwinkel und Ohr. Und weil ich sofort sah, dass dies noch nicht langte, gab ich ihm die Rechte in den Magen und richtete ihn mit einem linken Aufwärtshaken wieder gerade, als er sich unfreiwillig verbeugen musste.
Dann war er erledigt. Und es sah alles sehr präzise aus. Ich staunte über mich selbst, denn ich hätte mir das nach den vergangenen Tagen und Nächten gar nicht mehr zugetraut.
Er fiel fast über den Schanktisch, denn nur dieser hielt seinen Purzelbaum rückwärts auf.
Die Pokerspieler waren nun doch alle aufmerksam geworden, obwohl sie vorher noch so in ihr Spiel vertieft gewesen waren, als wäre es eine heilige Handlung. Aber jetzt hatten sie die Karten vergessen.
Sie staunten mich an.
Einer sagte: »Habt ihr das gesehen? Er hat Mike Nelson von den Beinen gefegt. Habt ihr das richtig gesehen?«
Sie starrten mich an. Und einer, der einen Marshalstern auf dem Hemd hatte, sagte nach einer Weile: »Eigentlich war das ein recht fairer Kampf, nicht wahr? Oder soll ich ihn einsperren? Was meint ihr als Stadträte zu dieser Sache?«
Sie sahen mich an. Sie waren alle nicht mehr völlig nüchtern.
Einer sagte: »Immerhin wollte er den Doc vom Poker wegholen. Das sollte wohl bestraft werden – oder?«
Aber ein anderer schüttelte den Kopf und sprach: »Also, ich will sehen! Machen wir Schluss. Schließlich ist unser Doc ein richtiger Arzt und hat den Eid geschworen. Ich will sehen!«
Sein »Ich will sehen« bezog sich auf das Aufdecken der Karten. Er war offenbar der Mann, der dies fordern konnte.
Und so deckten sie auf – auch die Karten jenes Mike Nelson, den ich von den Beinen geholt hatte.
»Er hat sogar gewonnen«, knurrte einer, »aber ich wette, dass ihn dies nicht trösten wird. Mike Nelson hätte lieber beim Poker verloren und mit den Fäusten gewonnen.«
Ich hörte das alles. Und als mir klar wurde, dass sie nicht auf mich losgehen würden, sondern dies dem noch schlafenden Mike Nelson überließen, wenn dieser wieder aufgewacht war, wandte ich mich an den schmächtigen Doc.
»Können wir gehen, Doc?«
»Wer braucht meine Hilfe?«, fragte er, und nun war ihm das Pokerspiel nicht mehr wichtig.
»Mrs McGillens Mann«, sagte ich. »Er bekam vor vier Nächten im Apachenland einen Pfeil in den Rücken. Es ist ein Wunder, dass ich ihn lebend herschaffen konnte. Aber jetzt sind Sie an der Reihe, Doc.«
Sie staunten. Dann sagten sie mehrstimmig und wie ein einstudierter Chor: »Nancy McGillens Mann?«
Und nach einer Pause sagte einer: »Und wir glaubten die ganze Zeit, sie wäre eine Witwe. Sie erzählte nie etwas von ihrem Mann. He, Tramp ...«
»Nennen Sie mich nicht Tramp«, verwahrte ich mich. »Wenn Ihnen die Apachen das Pferd nehmen und Sie einige Tage und Nächte durch die Wildnis laufen, Mister, möchten Sie dann in der ersten Stadt, die Sie erreichen, ein Tramp genannt werden?«
»Nein«, sagte er, und er fügte hinzu: »Wir haben hier schon lange nichts mehr von Apachen gemerkt. Vielleicht sollten wir ein Aufgebot bilden und die Schufte jagen.«
»Das ist nicht mehr nötig«, murmelte ich. »Die Krieger dieser Horde haben wir nach und nach alle erwischt. Ihr würdet nur noch die Frauen, Kinder und Alten aufspüren.«
»Na und? Ist das nichts? Aus Kindern werden Krieger. Aus Mädchen werden Mütter. Und wenn man in diesem Land endlich Ruhe haben will vor den Apachen, dann muss man sie ausrotten. Verstehen Sie, Freund? Ausrotten! Das müsste doch auch in Ihrem Sinne sein, nicht wahr?«
Ich gab ihm keine Antwort. Ja, gewiss, ich hasste die Apachen, denn sie hatten mich schlimm gejagt und gehetzt. Aber ich war kein Skalpjäger. Ich wusste auch, wie kümmerlich die Apachen lebten in einem Land, welches sie einst in grauer Vorzeit erobert hatten und in dem sie die Herren waren. Aber ihre Frauen und Kinder waren jetzt so arm dran wie gehetztes Wild.
Ich nickte dem Doc zu und ging.
Er folgte mir.
Und hinter mir kam dieser Mike Nelson wieder zur Besinnung.
Ich wollte nicht warten, bis er wieder auf den Beinen stand. Denn ich legte auf eine Fortsetzung des Kampfes keinen Wert.