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Die ganze Sache begann eigentlich damals kurz nach dem Krieg gegen die Nordstaaten im San-Antonio-Land.
Wir ritten langsam hinter der Treibherde und hielten immer wieder an, um auf der breiten Fährte von etwa achttausend Rindern zurückzublicken.
Wir waren ein ziemlich hartgesottenes Rudel von Revolverschwingern, und ich war der Anführer. Übrigens, mein Name ist Benson, Jake Benson aus Laredo.
Nun, wir folgten also als Nachhut jener Herde, die aus zusammengetriebenen Mavericks bestand. Mavericks, das waren Rinder ohne Brandzeichen. So nannte man die langhörnigen Biester, die sich während des Krieges in Texas wie die Kaninchen vermehrt hatten. Aber Rinder ohne Brandzeichen waren kein herrenloses Gut, denn die Besitzer der alten Stammherden, die ja noch Brandzeichen trugen, erhoben natürlich Anspruch auf die Nachkommen.
Und darum ging es. Die Maverick-Jäger wussten, dass sie im Unrecht waren, und deshalb hatten sie uns angeworben als schützende Nachhut ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Mann im Fegefeuer
Vorschau
Impressum
Mann im Fegefeuer
Die ganze Sache begann eigentlich damals kurz nach dem Krieg gegen die Nordstaaten im San-Antonio-Land.
Wir ritten langsam hinter der Treibherde und hielten immer wieder an, um auf der breiten Fährte von etwa achttausend Rindern zurückzublicken.
Wir waren ein ziemlich hartgesottenes Rudel von Revolverschwingern, und ich war der Anführer. Übrigens, mein Name ist Benson, Jake Benson aus Laredo.
Nun, wir folgten also als Nachhut jener Herde, die aus zusammengetriebenen Mavericks bestand. Mavericks, das waren Rinder ohne Brandzeichen. So nannte man die langhörnigen Biester, die sich während des Krieges in Texas wie die Kaninchen vermehrt hatten. Aber Rinder ohne Brandzeichen waren kein herrenloses Gut, denn die Besitzer der alten Stammherden, die ja noch Brandzeichen trugen, erhoben natürlich Anspruch auf die Nachkommen.
Und darum ging es. Die Maverick-Jäger wussten, dass sie im Unrecht waren, und deshalb hatten sie uns angeworben als schützende Nachhut ...
Es war dann am späten Nachmittag des dritten Tages unseres Treibens, als wir das Aufgebot ankommen sahen. Ja, da kamen die Rancher mit ihren Reitern.
Und nun würden wir uns also unseren Revolverlohn verdienen müssen.
Wir hielten an, wandten unsere Pferde, bildeten eine Front und sahen dem Aufgebot entgegen. Unsere Abstände von Reiter zu Reiter betrugen vier bis fünf Yards. Und da wir sieben Reiter waren, war unsere Front also breiter als dreißig Yards.
Das Aufgebot war uns fast fünffach überlegen.
Aber das beunruhigte uns nicht sehr. Denn da kamen nur einige Rancher mit ihren Cowboys. Wir aber waren Revolverschwinger, die über sieben schnelle Eisen verfügten und die sich durch Kühnheit behaupteten.
Als das Aufgebot endlich schnallte, dass wir warteten, kam es die letzten hundert Yards nur noch im Schritt heran. Auch diese Reiter bildeten eine breite Front, nur ritten sie alle eng beieinander, sozusagen Steigbügel an Steigbügel, so als könnten sie in kompakter Geschlossenheit ihre Furcht besiegen.
Und die meisten dieser Jungs hatten Furcht. Das wussten wir genau. Sie waren einfache Cowboys, die nur selten mit ihren Revolvern schossen, weil in dieser schlechten Zeit kurz nach dem Krieg die Munition zu teuer war.
Ich ritt einige Schritte vor, damit sie drüben wussten, mit wem von uns sie zu reden hatten.
Von ihnen aber lösten sich drei Reiter und ließen ihre Pferde vorgehen.
Es waren die Rancher und Bosse der Reiterschar. Einer deutete mit dem Zeigefinger auf mich und sagte grob: »Daraus wird nichts! Wir lassen uns nicht die Nachkommen unserer Stammherden von der Weide treiben. Macht Platz!«
Er wollte sein Pferd wieder antreiben, aber ich hob meine Hand und sagte ebenso grob: »Nein!«
Es war gewiss etwas in meiner Stimme, was ihn warnte, denn er ritt nun doch nicht an. Auch die beiden anderen Reiter taten es nicht. Dafür begannen sie unruhig in den Sätteln herumzurutschen.
»Was heißt nein?« So fragte er drohend.
»Nein heißt nein«, erwiderte ich. »Ihr müsst die Rinder abschreiben, aufgeben oder wie man es auch sonst noch nennen könnte. Wir sind hier, um euch aufzuhalten. Und glaubt mir, wir werden es tun.«
Sie waren drei gestandene Männer, wie man so sagt, wenn man gereifte Männer meint, die es zu etwas gebracht haben.
Nun aber spürten sie, dass sie sich entscheiden mussten und ihnen niemand diese Verantwortung abnehmen konnte.
Sie blickten nach rechts und links hinter sich. Dort hielten ihre Cowboys. Viele trugen noch die Uniformhosen oder die Feldmützen der ehemaligen Konföderierten-Armee.
Viele von ihnen waren also im Krieg gewesen und hatten gewiss auch gekämpft. Doch jetzt und hier war alles anders.
Die Rancher sahen das Unbehagen ihrer Reiter.
Und dann blickten sie wieder auf uns.
»Ihr verdammten Revolverschwinger«, sagte ihr Sprecher knirschend.
»Sicher«, erwiderte ich, »diese Welt ist ungerecht. Es gibt Jäger und Gejagte, solche, die gefressen werden, und solche, die fressen. Wir haben hier einen Job übernommen und sind bereit für alles. Also gebt auf und kehrt wieder um. Es würde Tote geben und eine Menge Blut fließen. Haut ab!«
Nun zitterten sie vor Schmach und Zorn zugleich.
Eigentlich taten sie mir leid.
Aber ich war kein Heiliger. Ich wollte leben. Besonders jetzt nach dem Krieg war ich hungrig nach allen Dingen des Lebens – und mochten einige auch sündhaft sein. Auch mich hatte die Niederlage des Südens zu einem Verlierer gemacht, obwohl ich überall gut kämpfte und alles gab, was ein Mann nur zu geben vermochte für eine Sache.
Ich wollte auch mal wieder Sieger sein.
Meine beiden letzten Worte verlangten nun von ihnen eine Entscheidung.
Und indes sie noch überlegten, ob sie mit ihren Cowboys gegen unsere Colts anreiten sollten, kam noch ein vierter Reiter aus der breiten Front nach vorn geritten. Ich sah sofort, dass es ein Bursche unserer Sorte war, vielleicht der Einzige unter diesem Aufgebot.
Er hob die Hand und deutete mit dem Zeigefinger auf mich.
»He, bist du der Bursche, den man Laredo-Benson nennt?«, fragte er barsch.
»Und wenn?« Ich fragte es ebenso barsch zurück.
Er grinste blinkend, irgendwie gierig wirkend, so als schmeckte er wie ein Wolf schon eine fette Beute.
»Dann bin ich hier richtig, Benson. Weißt du, ich suche dich schon ziemlich lange, eigentlich seit jenem Tag, an dem du in Nogales schneller warst als Jim Quaid. Er war so etwas wie mein Blutsbruder. Deshalb konnte ich nie herausfinden, wer von uns schneller gewesen wäre. Aber wenn ich dich schaffe, dann wüsste ich, dass ich auch ihn geschafft hätte. Na komm, steig ab. Lass es uns austragen.«
Er wandte sich an die drei Rancher.
»Es ist ganz einfach, Gentlemen«, sprach er zu ihnen. »Wenn ich diesen Benson da umlege, ist das Rudel hinter ihm nur noch halb so viel wert.«
Er wandte sich mir wieder zu.
»Na los, Benson«, forderte er und schwang ein Bein über das Sattelhorn, rutschte dann aus dem Sattel, trat von seinem Pferd weg und wartete breitbeinig stehend.
Ich seufzte.
Da war also wieder jene Situation.
Ich konnte kneifen oder die Herausforderung annehmen.
Es lag bei mir.
»Wer bist du?« So fragte ich und blieb noch im Sattel.
»Jeremy King ist mein Name«, erwiderte er mit einem deutlich erkennbaren Klang von eitlem Stolz. Ich aber wusste Bescheid. Ja, er war ein bekannter Revolverheld zu beiden Seiten der Grenze. Ich hatte schon von ihm gehört, war ihm jedoch noch nie begegnet zwischen San Antonio, El Paso und Nogales – und auch nicht in Laredo, wo ich aufgewachsen war.
Das Schicksal hatte mich bis jetzt vor ihm bewahrt.
Doch nun ...
Ich konnte nicht kneifen. Nein, das war mir nicht möglich.
Und so schwang auch ich mein Bein über das Sattelhorn und rutschte vom Pferd, wobei ich meinen Blick nicht mehr von diesem Jeremy King nahm.
Ich wusste, das Schicksal hatte uns jetzt und hier füreinander bestimmt.
In mir war plötzlich ein bitterer Widerwille, nein, keine Furcht, doch ein starkes innerliches Sträuben. Denn diese Situation kannte ich schon. Immer wieder hatte ich sie durchstehen müssen.
Es war still. Man hörte nur das Schnauben und Stampfen der Pferde, vielleicht auch noch das Klimpern von irgendwelchen Metallteilen des Sattel- und Zaumzeugs.
Dennoch schien es seltsam still zu sein, eine abwartende, atemlose Stille, in der die Geräusche der Pferde nicht zählten.
Denn die Reiter auf beiden Seiten waren es, die diese Stille erzeugten, weil sie angespannt, lauernd und schweigend verharrten. Sie alle strömten den Atem bevorstehender Gewalttat aus.
Ich trat langsam von meinem Pferd weg und stand nun diesem Jeremy King etwa sechs Yards entfernt gegenüber. Er starrte gierig zu mir herüber. Seine Hand hing hinter dem Revolvergriff. Und seine Füße suchten festen Stand.
»Na los«, forderte er. »Du kannst anfangen. Zieh, wann du willst. Ich warte.«
Er war voller Selbstbewusstsein, ganz und gar ein großspuriger Revolverheld, der sich immer wieder beweisen muss, dass er alle schlagen kann, alle von seiner Sorte. Und zu dieser Sorte zählte er auch mich.
Aber stimmte das? War ich ein Bursche wie er, ein eitler Revolverheld, der sich immer wieder beweisen muss, dass er unbesiegbar ist?
Ich wurde mir bewusst, dass ich den Kopf schüttelte. Und dann hörte ich mich sagen, so als würde ein Fremder neben mir sprechen: »Wenn ich zuerst ziehe, dann hättest du gar keine Chance mehr, Jeremy King. Gib lieber auf, setz dich wieder auf dein Pferdchen und reite fort. Nur so bleibst du am Leben.«
Er stieß einen heiseren Laut aus. Sein hagerer Körper schien nun von einem Fieberschauer geschüttelt zu werden. Denn er vibrierte deutlich erkennbar am ganzen Körper. Sein Gesicht verzerrte sich.
Ich begann zu begreifen, dass er jetzt irgendwie verrückt war, jedenfalls nicht mehr normal. Er war revolverkampfverrückt. Ein besseres Wort für seinen Zustand fiel mir nicht ein.
Dann war das Vibrieren seines Körpers wieder weg. Nur noch in seinen Augen war das fiebrige Flackern.
In diesen Augen konnte ich den Moment erkennen, da er sich zum Ziehen entschloss und sein Reflex von diesem Moment an schneller war als jeder Gedanke.
Und so zog ich im selben Sekundenbruchteil wie er – oder besser gesagt, ich begann im selben Sekundenbruchteil zu ziehen, hinkte also nicht hinterher.
Und dann war ich um jenen Augenwimpernschlag schneller, auf den es ankommt.
Denn seine Kugel fetzte nur durch mein über dem Gürtel aufgebauschtes Hemd. Ich schoss weiter, denn ich wusste, so schnell gab er nicht auf, weil er fest auf den Füßen stand und darauf vorbereitet war, eine Kugel aufzufangen.
Ich traf ihn nochmals. Aber ich hatte ihn schon mit dem ersten Schuss voll getroffen. Er schoss nur noch vor mir in den Erdboden, dicht vor meinen Füßen.
Dann fiel er nach vorn.
Es war still. Ich hielt meinen rauchenden Colt noch schussbereit, wartete auf die Reaktion der Rancher und deren Cowboys.
Rechts und links hinter mir – das wusste ich – warteten meine Partner. Ja, es waren meine Partner bei diesem Job. Und es war ein Job, ein Revolverjob.
Die drei Rancher rührten sich nicht in den Sätteln. Da ihre Pferde wie alle Rinder- und Cowboypferde an Revolver- und Gewehrfeuer gewöhnt waren, scheuten sie nicht.
Auch die Cowboys verharrten tatenlos. Sie erhielten ja auch keine Befehle.
Ich sagte langsam: »Gentlemen, lasst es bleiben. Ihr habt ja noch genug Rinder in diesem Land. Was macht es schon aus, wenn ein paar Tausend weggetrieben werden. Reitet lieber heim, und brändet eure Tiere. Dann könnt ihr zwischen San Antonio und Kansas jeden Sheriff um Hilfe ersuchen. Mavericks aber sind herrenlos. Reitet heim.«
Sie schluckten hart und würgten ihre Bitterkeit herunter wie Kröten.
Dann aber zogen sie wortlos ihre Pferde herum und ritten schweigend davon. Erst nach einigen Yards wandte sich einer im Sattel um.
»Das wird jetzt anders auf unserer Weide!«, rief er zurück. »Wir werden uns ebenfalls eine Mannschaft von Revolverschwingern anwerben. Und dann gibt es keine Gnade mehr für Viehdiebe!«
Ich blickte ihnen wortlos nach. Sie zogen als geschlagener Haufen davon, ließen diesen Jeremy King einfach liegen. Sie wollten nur fort, schämten sich ihres Aufgebens vor einer Minderzahl, fühlten sich gedemütigt.
Ich wusste, wenn sie erst eine Revolvermannschaft für sich reiten ließen, die ihre Cowboys und Rinder beschützte, dann würden sie wirklich keine Gnade mehr kennen.
In ganz Texas würde es ähnlich sein. Der Kampf der Rinderzüchter gegen die Maverickjäger begann erst noch. Die Männer, deren Herde wir als Nachhut schützten, waren nur die ersten Maverickjäger. Sie kamen noch davon. Bei anderen würde das nicht mehr so sein.
»Wir sollten ihn beerdigen, Jungs, nicht wahr? Oder seid ihr anderer Meinung?«
Sie schüttelten die Köpfe.
Dann saßen sie ab. Einer, den sie Pecos Pete nannten, sagte für alle: »Ja, beerdigen wir ihn. Er war wohl ein wenig zu ruhmsüchtig, aber dennoch einer von unserer Gilde. Es wird immer wieder geschehen, dass sich unsere Sorte da und dort gegenübersteht. Dir, Benson, möchte wohl keiner von uns eines Tages gegenüberstehen müssen. Aber wer kann schon vorher sicher wissen, ob er auf der richtigen Seite ist?«
✰
Es war schon Nacht, als wir das Herdencamp erreichten, wo das Feuer brannte und der Küchenwagen stand. Die Herde rastete in einer weiten Senke, durch welche ein Creek floss. Die Rinder waren schon zur Ruhe gekommen. Reiter umritten die Herde und sangen beruhigende Worte oder Lieder.
Drüben auf der anderen Seite spielte einer der Herdenwächter sogar auf einer Mundharmonika.
Es waren alles erfahrene Rindermänner, Exsoldaten der einstigen Texas-Brigade. Nun wollten sie diese große Herde nach Kansas treiben, wo es Eisenbahnstädte mit Verladebahnhöfen für Rinder gab. Hier in Texas war jedes Rind kaum einen Dollar wert – aber in Kansas zahlte man etwa zwölf Dollar für jedes Tier auf dem Huf.
Als wir das Feuer erreichten, lagen die meisten Treiber schon in den Decken. Nur ihr Anführer – ein ehemaliger Major der Rebellenarmee, mit dem sie schon durch den ganzen Krieg ritten – hockte noch am Feuer.
Er erhob sich, als wir absaßen. Der Koch kam vom Küchenwagen herüber und sagte: »Ich habe noch was für euch in meinen Deckelpfannen.«
Der Ex-Major sah uns fragend an.
»Sie sind umgekehrt«, sagte ich. »Die kommen nicht mehr.«
»Gab es Tote?« So fragte er.
»Einen«, erwiderte ich.
Er starrte mich im Feuerschein an.
»Wir haben unseren Job getan«, sagte ich.
»Und ihr wollt nicht bei uns bleiben und mit uns nach Kansas für einen redlichen Anteil?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir sind keine Rindertreiber. Wir möchten die versprochene Prämie. Dann werden wohl fast alle von uns ihren eigenen Weg reiten. Wir waren nur für diesen Job eine Mannschaft.«
Immer noch starrte er mich im Feuerschein an. Schließlich nickte er.
»Gewiss, ihr seid anders als wir.«
Er ging zu seinem Sattel, wo auch sein anderes Gepäck lag, und holte aus einer der Satteltaschen einen Beutel hervor, trat zu mir und reichte ihn mir mit den Worten: »So, wie es ausgemacht war. Zweihundertzehn Yankeedollar für den Job, sie aufzuhalten. Gut so?«
Ich nahm den Beutel.
Es waren für jeden von uns dreißig Dollar. Das war in dieser Zeit so kurz nach dem Krieg eine Menge Geld. Dreißig Dollar waren so groß wie dreißig Wagenräder. Ihre Kaufkraft hier im Süden war gewaltig. Dreißig Rinder oder drei Pferde bekam man dafür. Die Cowboys arbeiteten hier nur für Unterkunft und Essen. Texas war arm wie eine Kirchenmaus.
»Und ein Abendessen«, grinste ich.
Er nickte. »Steaks, Bohnen und Kaffee haben wir genug.«
Wir sattelten ab. Bald würden wir am Feuer unseren Hunger stillen. Jeder von uns hatte dreißig Dollar verdient.
Aber ich hatte für dreißig Dollar töten müssen.
✰
Als die Herde im ersten Morgengrauen wieder in Bewegung gebracht wurde, was eine sehr mühsame Arbeit war, blieben wir in unseren Decken liegen. Der Küchenwagen fuhr bei Sonnenaufgang der Herde nach.
Wir rollten uns langsam aus den Decken und fachten das Feuer wieder an. Irgendwie waren wir alle knurrig, missmutig.
Der Koch hatte uns auf einem Stein einen Stapel Speckpfannkuchen zurückgelassen. Wir begannen zu kauen.
Jemand sagte: »Diese Arschlöcher. Sie treiben eine Herde gehörnter Biester nach Kansas. Das dauert sicher fünf Monate. Sie quälen sich fünf Monate lang, und nur wenn sie Glück haben, kommen sie mit der Herde ans Ziel. Das wäre kein Leben für mich. Was mich betrifft, ich habe jetzt genug Reisegeld. Im Arizona-Territorium wird ständig Silber und Gold gefunden. Dort wird man auch gut von seinem Colt leben können. Reitet jemand mit mir?«
»Ich!« Zwei riefen es, als hätten sie es einstudiert.
»Ich will nach Mexiko hinüber. Denn dort ist ein Dollar noch viel größer als hier«, sprach ein anderer Bursche.
Und noch ein anderer sagte: »Ich reite zu Molly und deren Putahaus in Concho. Denn nun komme ich nicht als armer Bursche hin, sondern habe ein paar Dollars in der Tasche. Sie wird mich wieder einmal bitten, bei ihr zu bleiben und sie und ihre Pussy-Cats zu beschützen. Für eine Weile werde ich es dort aushalten.«
Der sechste Mann sah mich an und fragte: »Reitest du allein, oder wäre dir ein Partner recht?«
Ich sah ihn an. Er hieß Mike Spade. Eigentlich mochte ich ihn. Aber dann schüttelte ich den Kopf.
»Ich reite allein«, sprach ich.
Und wenig später war ich allein.
Sie ritten davon.
Ich blieb noch am verlöschenden Feuer hocken und drehte mir eine Zigarette.
In mir war ein Gefühl von Resignation und Bitterkeit. Ich hatte gestern gekämpft und getötet. War das mein Lebensweg? Gab es nichts anderes für mich?
Wohin sollte ich? Gab es keine Ziele für mich? Wollte ich immer noch von meinem Colt leben als Revolvermann oder Bandit?
Ein paar Dollars hatte ich vorher schon besessen, und als ich einige Tage später den Pecos durchfurtete, gehörten mir noch genau siebenundfünfzig dieser Bucks.
Doch ich hatte unterwegs mein Pferd beschlagen lassen und mir auch eine neue Hose, ein neues Hemd und Unterwäsche gekauft.
Der Pecos führte wieder einmal nur wenig Wasser. Dennoch hockte drüben auf der anderen Seite ein Stück unterhalb der Furt ein Angler. Der Weg führte von der Furt hinauf zu einer kleinen Stadt.
Ich kannte diesen Ort. Er hieß Rio Pecos. Der Weg führte weiter nach El Paso an der Nordostseite der Davis Mountains entlang und westlich am El Capitan Peak vorbei und durch den Canyon der Guadalupe Mountains.
Denn nach El Paso wollte ich.
Warum?
Nun, das wusste ich eigentlich nicht so genau, denn es war wohl so, dass ich einem nach Beute suchenden Wolf glich, den sein Instinkt führte.
Der Pecos River war damals die Grenze der Ordnung und des Gesetzes. Wer den Fluss durchquerte, kam in ein Land, in welchem all jene eine Zuflucht fanden, die dem Gesetz entkommen konnten.
Ich wusste, wer über den Pecos ritt, der hatte kein Vertrauen mehr zu den Menschen und zu dieser Welt. Hier in diesem Land hatten fast alle Männer eine stets lauernde Wachsamkeit in ihren Bewegungen, so als rechneten sie ständig mit einer Gefahr.
Indes ich durch die Furt ritt und den Angler beobachtete, wurde mir wieder einmal bewusst, dass der Weg eines Mannes nach einem unwandelbaren Schema verläuft, weil es stets ein Schicksal gibt, das ihn von Anfang an bis zum Ende in Bann hält.
Ich ritt aus dem Fluss und den sanft ansteigenden Weg hinauf zu der kleinen Stadt mit ihren Adobehäusern und -hütten, die sich um die Missionskirche drängten wie die Küken um eine Henne.
Natürlich gab es dort, wo der Wagenweg vom Fluss herauf über die Plaza verlief und nach Westen zu die Stadt wieder verließ, ein großes Gasthaus, welches eine Mischung von Bodega, Fonda und Saloon war. Denn hier verkehrten Gäste mexikanischer und angloamerikanischer Abstammung.
An den Haltebalken bei den Wassertrögen standen fast zwei Dutzend Sattelpferde. Drinnen aber war es laut, so als würde ein Fest gefeiert. Ich hörte die Klänge von Trompeten und Gitarren, den Gesang von Mädchen – und auch das Klappern von Kastagnetten zum Klatschen brettharter Hände.
Ich band mein Pferd an und ging hinein.
Eine rassige Schöne mit schwarzen Glutaugen, roten Lippen und blinkenden Zähnen tanzte einen dieser spanischen Tänze. Und wenn sie herumwirbelte, da sah man ihre schlanken Beine bis weit über die Knie.