G. F. Unger 2113 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2113 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist schon fast Mitternacht, als Timothy Peak aus dem Smoky Hill River klettert und sich wie ein nasser Hund schüttelt. Dann hält er die Zeit für gekommen, ein stummes Dankgebet zum Himmel zu schicken und sich nach den Sternen zu orientieren. Indes er das tut, klettert neben ihm ein zottiges Ungetüm aus dem Wasser des Flusses und schüttelt sich wie ein riesenhafter Wolf. Aber es ist ein sechzehn Hand hoher Cheyenne-Wallach mit siebzehn Narben unter dem zottigen Fell.
Und zu diesem Kriegspferd sagt Timothy Peak nach einer Weile: »Das war es also, Hiob! Und jetzt werden wir weitersehen.«
Nach diesen Worten nimmt Tim Peak das in eine Teerplane geschnürte Bündel vom Sattel des Wallachs und öffnet es.
Er streift sich den trocken gebliebenen Anzug aus Hirschleder über den langen, hageren Körper und legt den Gürtel mit den beiden Kavallerie-Colts um. Nun fühlt er sich schon besser. Nachdem er auch das Gewehr untersucht hat, verhält er noch eine Weile und lauscht zum nördlichen Ufer des Flusses hinüber ...


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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Hochprärie

Vorschau

Impressum

Hochprärie

Es ist schon fast Mitternacht, als Timothy Peak aus dem Smoky Hill River klettert und sich wie ein nasser Hund schüttelt. Dann hält er die Zeit für gekommen, ein stummes Dankgebet zum Himmel zu schicken und sich nach den Sternen zu orientieren. Indes er das tut, klettert neben ihm ein zottiges Ungetüm aus dem Wasser des Flusses und schüttelt sich wie ein riesenhafter Wolf. Aber es ist ein sechzehn Hand hoher Cheyenne-Wallach mit siebzehn Narben unter dem zottigen Fell.

Und zu diesem Kriegspferd sagt Timothy Peak nach einer Weile: »Das war es also, Hiob! Und jetzt werden wir weitersehen.«

Nach diesen Worten nimmt Tim Peak das in eine Teerplane geschnürte Bündel vom Sattel des Wallachs und öffnet es.

Er streift sich den trocken gebliebenen Anzug aus Hirschleder über den langen, hageren Körper und legt den Gürtel mit den beiden Kavallerie-Colts um. Nun fühlt er sich schon besser. Nachdem er auch das Gewehr untersucht hat, verhält er noch eine Weile und lauscht zum nördlichen Ufer des Flusses hinüber ...

Tim Peak braucht nicht lange zu wa‍r‍t‍en, dann hört er jenes vertraute Geräusch, das von etwa zweihundert unbeschlagenen Pferdehufen erzeugt wird.

Im Sternenschein entdeckt er dann drüben am anderen Ufer die ersten Reiter.

Er legt beide Hände um den Mund und schickt das gellende »Hii-ho-ha!« der Hunkpapa-Sioux hinüber.

Sein Schrei wird sofort von dem vielstimmigen Wolfsschrei des Cheyenne-Rudels beantwortet.

Und damit ist alles klar.

Denn der Smoky Hill River ist von den letzten Regenfällen immer noch sehr angeschwollen. Selbst hier an der Furt ist der Übergang sehr gefährlich.

Es ist also klar, dass auch die Roten nur hier über den Fluss kommen können.

Und selbst der dümmste Trottel von ihnen sollte das nicht so bald und dann bestimmt nur mit sehr sorgenvollen Gefühlen tun.

Timothy Peak grinst grimmig, als er sich auf das nasse Pferd und in den nassen Sattel schwingt. Dann reitet er den Uferhang hinauf, lenkt oben sein Pferd herum und verhält dann im Schatten einiger Bäume.

Wieder braucht Timothy Peak nicht sehr lange zu warten. Die Roten auf der anderen Flussseite lenken ihre Pferde ins Wasser. Und das hätten sie noch nicht tun dürfen.

Die Nacht ist nämlich sehr hell, und immer wieder schiebt ein Viertelmond sein spitzes Kinn durch lose Wolkenschleier. Die Sterne leuchten überall zwischen diesen Wolkenfetzen prächtig.

Und ein Mann, der gern seinen Skalp retten möchte, hat keine andere Wahl.

Timothy Peak beginnt also sofort zu schießen, bevor die Roten so tief ins Wasser gelangen, dass man nur noch ihre Köpfe und die ihrer Pferde sehen kann.

Timothy Peak hat eine Winchester, eines jener Modelle, die neu hier an der Grenze sind und mit denen die Armee vielleicht erst in zehn Jahren ausgerüstet werden wird.

Dieser Winchester-Karabiner kracht siebenmal.

Dann hört Timothy Peak auf, denn die Sieben ist für Cheyennes eine böse Zauberzahl.

Drüben ist eine Menge Verwirrung, und das Geheul wird schlimm.

Natürlich krachen auch drüben einige Gewehre, aber sie verstummen bald, weil den roten Burschen Pulver und Blei schon seit längerer Zeit mehr als knapp geworden sind. Überdies aber hoffen sie immer noch, den Scout der Armee lebendig bekommen zu können, weil dies dann für ihre ganze Nation eine besondere Ehre wäre. Diese Tat würde in Legenden und Gesängen weiterleben.

Es wird also still. Einige tote Pferde treiben den Strom hinunter. Und zwei Verwundete birgt man, bevor sie ertrinken.

Dann sendet Tim Peak nochmals sein Hunkpapa-Hii-ho-ha hinüber.

Die Antwort ist wie ein Ausbruch der Hölle, stimmlich gemeint.

Und Timothy Peak lauscht fast ergriffen, weil ihm dieses Höllengebrüll sehr deutlich sagt, was mit ihm geschehen würde, wenn sie ihn erwischen und in ihre Dörfer bringen können.

Dann wendet er langsam sein Pferd und reitet davon. Aber er schlägt nur einen Bogen und kommt etwa hundert Yards unterhalb der Furt wieder zum oberen Uferrand zwischen einige Bäume.

Er kommt gerade im richtigen Moment, denn die Roten versuchen es nochmals und hoffen, dass er weitergeritten ist.

Aber er enttäuscht sie mit abermals sieben Kugeln, die wieder dort drüben eine Hölle entfesseln.

Dann endlich reitet er davon, und nun darf er hoffen, dass er zumindest zwei Stunden Vorsprung haben wird. Früher werden die Roten ein Durchschwimmen des Flusses nicht mehr wagen. In zwei Stunden jedoch werden sie es bestimmt tun, denn dann beginnen die Nebel dicht über dem Fluss zu steigen und geben ihnen Schutz vor Timothy Peaks Kugeln.

Aber zwei Stunden sind auch für einen Mann, der schon hundert Meilen geritten ist, ein guter Vorsprung.

Timothy Peak beeilt sich nicht einmal sehr, denn es könnte sein, dass er die letzte Kraft seines Pferdes für einen Endspurt sehr nötig braucht. Er muss damit rechnen, denn das Rudel sitzt noch keine zehn Meilen auf den jetzigen Pferden. Obwohl »Hiob« sie vielleicht nach einem Hundert-Meilen-Ritt noch schlagen könnte, würde es bestimmt ein heißes Rennen geben.

Als er etwa zehn Meilen geritten ist, sieht er etwas vor sich, was ihn anhalten und grimmig zu seinem Pferde-Wolf sagen lässt: »Zum Teufel, Hiob, das wird ziemlich hart.«

Und dann reitet er auf die beiden großen Feuer zu, die er zu Gesicht bekam, als er von einer mächtigen Bodenwelle Ausblick über eine weite Senke erhielt.

Und ein Mann wie Timothy Peak braucht nicht erst zweimal hinzusehen, um zu wissen, dass diese beiden Feuer zu einem Büffeljägercamp gehören.

Er kommt ziemlich überraschend in das Camp – ein großer hagerer Mann auf einem riesengroßen, struppigen und hässlichen Pferd. Er kommt wie ein Präriegeist zwischen den Wagen hindurch ans Feuer geritten, und die roten Bartstoppeln und seine rote Haarmähne erscheinen im Flammenschein noch röter.

Einige Männer springen vom Boden auf und greifen dabei zu den Gewehren. Und eine heisere Stimme ruft wild: »Zum Teufel, was ist das?«

Aber dann haben sie wohl doch erkannt, dass er kein Präriegeist und auch keine wilde Rothaut ist. Sie begreifen, dass sie einen ziemlich mitgenommenen Bergläufer der Hochprärie vor sich haben.

Als er zu sprechen beginnt, wird es allen Leuten im Camp klar, dass er ihre gemeinsame Muttersprache besser spricht als jeder andere Mann im Camp.

Und da wissen sie, dass dieser so plötzlich aufgetauchte rothaarige und verwildert wirkende Reiter ein Weißer ist, der sogar gebildeter zu sein scheint als alle hier anwesenden Büffelschlächter.

Er sagt trocken: »Ihr werdet bei Sonnenaufgang sicherlich Besuch bekommen. Zuerst werden es nur etwa fünfzig Cheyennes sein. Zwei oder drei Stunden später kommen jedoch mehr als dreihundert. Muss ich euch erst erklären, was die mit euch machen werden?«

Die Männer, es sind elf hartgesottene Burschen, starren ihn eine Weile stumm an und sagen nichts. Aber das ist nur natürlich, denn welcher Mann findet sofort Worte, wenn er hören muss, dass er seinen Skalp schon fast verloren hat und ihn nur ein Wunder noch retten könnte.

Timothy Peak nickt ihnen ruhig zu.

»Seid ihr zu stolz, um einen kostenlosen Rat zu hören?«, fragt er dann lässig.

Aber sie haben diese Nachricht noch nicht verdaut und starren ihn nur an.

Da sagt er: »Lasst alles stehen und liegen und setzt euch auf die Pferde. Wenn ihr gut genug reiten könnt und eure Tiere einigermaßen ausdauernd sind, dann könnt ihr es vielleicht schaffen.«

Und als er das gesagt hat, kann er sogleich wieder einmal erleben, wie sehr die Menschen einander misstrauen und nur schlechte Dinge voneinander denken.

Denn ein riesenhafter Bursche mit funkelnden Augen und einer scharfen Adlernase öffnet jetzt seinen schwarzen Vollbart und lässt im Feuerschein zwei Zahnreihen blitzen.

Und er sagt: »Auf diesen Bluff fallen wir nicht herein, mein Junge!« Dabei hebt er sein Büffelgewehr und zielt damit genau auf Timothy Peaks Brust.

Er will sein Pferd wenden und davonreiten.

Aber der Schwarzbart lässt den Hahn seiner Büffelflinte knacken.

Es ist aber noch ein anderer Grund vorhanden, warum Timothy sein Pferd nicht in Bewegung setzt und regungslos im Sattel bleibt.

Eine dunkle Frauenstimme sagt nämlich von der Ecke eines Wagens her: »Warum glaubst du ihm nicht? Morgan, du ...«

»Halt deinen Mund, Amy!«, knurrt der Schwarzbart scharf in ihre Richtung und wendet sich wieder an Timothy. »Herunter vom Gaul! Charly! Bill! Los! Nehmt ihm endlich die Waffen weg! Ich glaube diesem Präriezigeuner kein einziges Wort!«

Timothy starrt immer noch zu der Frau hinüber. Er kann sie nur undeutlich erkennen, denn sie steht im Schatten des Wagens und ist wie ein Mann gekleidet. Sie bewegt sich plötzlich und tritt in den Feuerschein.

Und nun sieht er, dass sie für eine Frau ziemlich groß ist. Die Männerkleidung ist ihr zu weit, aber man kann trotzdem erkennen, dass alles richtig an ihr ist. Sie ist eine richtige und voll erblühte Frau.

Mit ruhiger Stimme ruft sie: »Männer, hört nicht auf Morgan! Er ist ...«

Weiter kommt sie nicht, denn der Schwarzbart wirbelt herum und springt auf sie zu.

Aber bevor er sie erreicht hat, hört man ein scharfes Zischen und dann einen dumpfen Einschlag.

Morgan fällt auf die Knie. Und aus seinem Rücken ragt noch das gefiederte Ende eines Pfeils.

»Oh«, seufzt Morgan noch.

Dann ist es eine volle Sekunde still.

Aber dann bricht die Hölle los, weil fünfzig wilde Cheyennes, die doch früher über den Fluss gekommen waren, als Timothy Peak es glaubte, angreifen.

Sie waren leise gekommen, denn ihre Pferde haben unbeschlagene Hufe.

Nun aber lassen sie ihren Wolfsschrei hören und reiten von allen Seiten auf das Camp zu.

Timothy Peak ist kein Narr. Es ist auch nicht seine Schuld, dass die Männer hier keine Chance mehr haben und kostbare Zeit vertrödelten, weil ihr Anführer zu misstrauisch war, einem stoppelbärtigen und arg mitgenommenen Scout zu glauben.

Timothy treibt seinen Pferde-Wolf heftig vorwärts. Das Tier springt schnaubend über das Feuer hinweg.

Der Scout beugt sich zur Seite, reißt die Frau zu sich hoch und legt sie quer über das Sattelhorn.

»Hoiyah!«, kreischt er seinem Hiob in die Ohren.

Der hat einen prächtigen Start und stürmt wie ein wilder Büffelbulle los. Vor ihnen tauchen einige brüllende Rote auf, aber es sind nicht sehr viele, weil die Bande den Kreis um das Camp noch nicht ganz vollendet hatte.

»Hoiyah!«, heult Timothy Peak abermals, und nun lenkt er das Tier nur mit den Schenkeln, verlässt sich darauf, dass die Frau nicht herunterfallen wird, und beginnt sich mit seinen beiden langläufigen Kavalleriecolts den Weg freizuschießen.

Ein Pfeilschaft schlägt schmerzhaft wie ein Peitschenhieb an sein Ohr. Und eine Kugel zupft an seiner linken Schulterspitze.

Dann ist er durch, gelangt zu einer Buschinsel, die ihm Deckung gibt, und steckt die leer geschossenen Colts weg.

Er grinst grimmig, denn er weiß, dass er sich wirklich den Weg freigeschossen hat und sein Skalp nun wieder bei den Cheyennes um einige Stufen höher im Kurs stehen wird. Es ist nun ganz klar, dass sie ihn zum größten Feind der gesamten Cheyenne-Nation erklären werden.

Hinter ihm knattern immer noch Gewehre. Das Geheul hält an. Aber noch bevor er außer Hörweite ist, verstummt der Kampflärm, und es ist dann nur noch das Siegesgeheul der Wilden zu vernehmen.

Timothy weiß, dass ihm jetzt noch niemand folgt. Dort im Camp stehen ja sechs Wagen. Dort gibt es für die Horde reiche Beute an Waffen, Munition, Proviant und vielen anderen Dingen.

Es werden mehr als zwanzig Minuten vergehen, bis ihm das Rudel wieder folgt.

Er lässt Hiob ruhiger laufen.

Und als dies geschieht, keucht die Frau, die er immer noch quer vor sich über dem Sattel liegen hat: »Wollen Sie mich umbringen, Mister? Wollen Sie mich noch länger auf diese Art transportieren?«

»Nein«, sagt er und hält an. Er lässt sie zu Boden gleiten und springt selbst aus dem Sattel. Zuerst lädt er seine beiden Colts auf, aber für den zweiten Colt hat er nur noch vier Patronen.

Indes reibt sich die Frau Magen- und Bauchpartie und keucht schmerzvoll.

»Verzeihen Sie mir, Lady«, sagt er, »aber es ging nur auf diese unbequeme Art.«

»Ich weiß«, keucht sie. »Oh, warum haben die Männer nicht auf Sie gehört? Dieser Morgan hat sein ganzes Leben damit verbracht, immer das gerade Verkehrteste zu tun, wenn andere Männer von ihm verlangten, das Richtige zu machen.«

»Ich kenne diesen Typ«, murmelt Timothy. »Sind Sie mit ihm verwandt, Mädel?«

»Er ist mein Mann«, sagt sie herb.

Er atmet langsam aus, und dann sagt er sanft: »Jetzt ist er tot. Alle dort sind tot.«

»Ich weiß«, sagt sie gepresst.

Mehr sprechen sie nicht. Er hilft ihr in den Sattel, schnallt seinen Waffengurt los und hängt diesen um das Sattelhorn. Dann setzt er sich in Bewegung und beginnt zu laufen.

Er schlägt einen stetigen Wolfstrott ein, von dem er weiß, dass er ihn fünfzehn Meilen aushalten kann, ohne eine Rastpause einzulegen.

Sein zottiges Pferd läuft hinter ihm her wie ein folgsamer Hund. Und die Frau hat nichts anderes zu tun, als sich nur am Sattelhorn festzuhalten.

Gewiss, der starke und eisenharte Hiob könnte auch Mann und Frau zusammen auf seinem Rücken tragen. Der Moment wird sicherlich auch noch kommen, da dies notwendig sein wird.

Und dann wird es ein höllisches Rennen geben.

Deshalb bürdet Timothy Peak seinem Cheyenne-Wallach noch nicht zweihundert Pfund Mehrgewicht auf, sondern trägt dieses Gewicht erst mal eine Weile auf eigenen Füßen.

Seine Sorgen sind nicht gerade klein. Das ist verständlich, denn es ist ein besonderer Mann hinter ihm her.

Dieser rote Gentleman nennt sich Zwei Monde.

Zwei Monde, der oberste Häuptling der Cheyennes, ist nicht minder berühmt und gefürchtet als seine Vettern Sitting Bull und Red Cloud, die bei den Sioux die großen Männer sind.

Und die Cheyennes unterscheiden sich von den Sioux eigentlich nur dadurch, dass man sie das »Armabschneider-Volk« nennt, während die Sioux »Halsabschneider« genannt werden. Und diese Bezeichnungen sind durchaus wörtlich zu nehmen.

Im Büffeljägercamp jedenfalls, aus dem Timothy die Frau retten konnte, haben die toten Weißen bestimmt ihre linken Unterarme verloren.

Und deshalb ist es wohl verständlich, wenn ein müder Scout es auf sich nimmt, fünfzehn Meilen zu laufen, um sein Pferd zu schonen.

Langsam zieht der Tag herauf.

Als sich der im Wolfstrott laufende Timothy Peak einmal umsieht, kann er die Frau auf seinem Pferd im ersten Sonnenlicht bewundern.

Was er sieht, gefällt ihm.

Und er fragt sich, wie solch eine Frau einem Mann wie diesem engstirnigen Morgan gehören konnte.

Aber das wird er ja wohl bald erfahren, wenn er und Amy lange genug am Leben bleiben. Er hat nämlich die Idee, als würden er und Amy gut miteinander auskommen können.

Timothy Peak hält wirklich fünfzehn Meilen durch. Aber als sie dann den bewaldeten Kamm eines langen Hügels erreichen, ist er am Ende.

Er wirft sich oben der Länge nach auf den Rücken und keucht: »Steigen Sie ab, Mädel! Stellen Sie sich hinter einen Baum und beobachten Sie unsere Fährte.«

Sie tut es, und indes er schnaufend auf dem Rücken liegt und sich ausruht, kann er sie gut betrachten.

Amy ist für eine Frau mehr als mittelgroß. Ihr Haar ist so gelb wie reifer Weizen. Es war bisher unter einem Stetson mit flacher Krone verborgen. Aber nun hat sie den Hut abgenommen. Es ist langes Haar, das dicht am Kopf mit einem schwarzen Band zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden ist.

Einen Moment wendet sie den Kopf und schaut auf Timothy nieder.

Er sieht in ein klares Gesicht. Ihr Mund ist etwas breit und etwas herb. Aber die Lippen haben dennoch jenen Schwung, den ein Mann gern sieht, und sie sind rot.

Timothy setzt sich auf.

Und dabei sieht er sie immer noch an.

Sie legt ihre Hände auf die Hüften und richtet sich wie herausfordernd auf.

»Nun, Mister, zufrieden?«, fragt sie herb und ironisch, mit einem deutlichen Klang von Bitterkeit.

Er nickt ernst.

»Sehr zufrieden«, murmelt er dann. »Ist es schlimm für Sie, dass Sie Ihren Mann verloren haben?«

Er fragt es geradezu – und bereut auch schon seine Worte. Sie klingen nicht gut. Und wer weiß, vielleicht war dieser Morgan sonst ein guter Mann. Als Timothy daran denkt, weiß er auch schon, dass dies bestimmt nicht der Fall ist.

Morgan kann kein guter Mann gewesen sein.

Aber die Frau schüttelt den Kopf.

»Ich hätte Morgan Banner nicht solch einen Tod gewünscht«, murmelt sie. »Und wenn er für mich jemals etwas getan haben sollte – nun, ich habe es bezahlen müssen. Ich hätte ihm nicht gerade diesen Tod gewünscht. Und einige der anderen Männer waren bedeutend besser als er.«

Sie presst nach diesen Worten ihre vollen Lippen zusammen und wirft wieder einen Blick nach Norden.

»Sehen Sie Staub?«, fragt Timothy.

Sie schüttelt den Kopf. Am Zucken ihrer geraden Schultern kann er erkennen, dass sie weint. Aber als sie ihn ansieht, sind ihre Augen trocken.

Er begreift, dass sie eine Frau ist, die keine Tränen mehr hat. Ihre Wege waren zu hart und rau.

»Haben wir eine Chance?«, fragt sie schlicht und betrachtet ihn ernst.

Er ist stoppelbärtig, hohlwangig und über und über mit Alkalistaub bedeckt. Er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem hageren Wüstenwolf. Man kann nicht sagen, dass er hässlich ist. Aber er wirkt sehr hart. Er ist der am härtesten aussehende Mann, dem sie jemals begegnete. Und doch ist es keine böse Härte, das fühlt und spürt sie mehr, als sie es mit den Augen erkennt.

»Wir werden es schon schaffen«, murmelt er und kommt schwankend auf die Füße. Er hat sehr lange und leicht gekrümmte Beine. Sein Hals ist stark und muskulös. Seine Handgelenke sind breit, fast so breit wie die Rücken seiner langen Hände. Und breit ist er auch in den Schultern. Seine Taille aber ist fast so schmal wie die einer Frau.

»Geben Sie mir Ihren Hut«, sagt er.

Er nimmt ihn und leert die Wasserflasche darin aus. Dann lässt er sein hässliches Pferd saufen. Und dann wirft er Sattel und Bündel herunter und beginnt den zottigen grauen Wallach zu massieren. Er gebraucht seine ganze Kraft dabei, aber der Wallach schnaubt zufrieden.

Nach zwanzig Minuten ist er fertig und fragt wieder: »Immer noch nichts zu sehen?«

»Nein, Mister.«

»Ich bin Timothy Peak. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, so sagen Sie einfach Tim zu mir, Amy.«

»Gerne«, erwidert sie.