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An jenem Vormittag damals in Laredo, da erwachte ich völlig arglos und war mit mir und der ganzen Welt zufrieden.
Neben mir lag die schöne Jane, die sie Red Cat Jane nannten. Sie schmiegte sich auch noch im Schlaf an mich, und ich dachte mit Vergnügen an die Nächte zurück, die wir schon miteinander verbracht hatten.
Sie war ein Vollblutweib, das nicht nur nahm, sondern auch reichlich gab an Feuer, Zärtlichkeit und Wärme. Obwohl sie gewiss einige Jahre älter war als ich, ergänzten wir uns in der Erfüllung aller Wünsche. Deshalb war ich auch an jenem Vormittag mit der ganzen Welt so zufrieden.
Denn was wollte ich mehr? Ich hatte alles, was ein Bursche meiner Sorte, der fünf verdammte Jahre durch den Krieg geritten war, sich nur wünschen konnte, nämlich einen festen Platz, gutes Essen, gute Kleidung, ein wunderbares Bett und Jane. Dafür beschützte ich sie und war in ihrem Saloon und ihrer Spielhalle sozusagen der Bulle im Corral. Denn bevor ich kam, war sie eine schutzlose Witwe.
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Rainbow River
Vorschau
Impressum
Rainbow River
An jenem Vormittag damals in Laredo, da erwachte ich völlig arglos und war mit mir und der ganzen Welt zufrieden.
Neben mir lag die schöne Jane, die sie Red Cat Jane nannten. Sie schmiegte sich auch noch im Schlaf an mich, und ich dachte mit Vergnügen an die Nächte zurück, die wir schon miteinander verbracht hatten.
Sie war ein Vollblutweib, das nicht nur nahm, sondern auch reichlich gab an Feuer, Zärtlichkeit und Wärme. Obwohl sie gewiss einige Jahre älter war als ich, ergänzten wir uns in der Erfüllung aller Wünsche. Deshalb war ich auch an jenem Vormittag mit der ganzen Welt so zufrieden.
Denn was wollte ich mehr? Ich hatte alles, was ein Bursche meiner Sorte, der fünf verdammte Jahre durch den Krieg geritten war, sich nur wünschen konnte, nämlich einen festen Platz, gutes Essen, gute Kleidung, ein wunderbares Bett und Jane. Dafür beschützte ich sie und war in ihrem Saloon und ihrer Spielhalle sozusagen der Bulle im Corral. Denn bevor ich kam, war sie eine schutzlose Witwe.
Ich dehnte und reckte mich zufrieden neben ihr. Dabei wurde sie wach. Und ihre grünen Augen funkelten sofort unter ihren langen Wimpern.
»He, küss mich«, verlangte sie.
Ich tat es, und ich tat es gern, weil ich auch von ihr geküsst werden wollte.
Verdammt, was war ich doch für ein Glückspilz! Solch eine wohlhabende, schutzbedürftige und liebebedürftige Witwe, dies war für einen Satteltramp wie mich ein Royal Flush im Spiel des Lebens. Denn zuvor war ich einer der vielen Exsoldaten der Konföderiertenarmee gewesen, die nach einem verlorenen Krieg und anschließender Gefangenschaft ruhelos umherstreunten und nach irgendwelchen Chancen suchten.
Hier war ich sozusagen der Prinzgemahl. Ich brauchte deshalb keine Pferde zu stehlen oder Postkutschen zu überfallen, sondern hatte alles, was ich brauchte. Vorerst genügte mir das.
Als wir uns dann später an diesem Vormittag in Janes breitem Bett voneinander lösten, da war ich immer noch sehr zufrieden mit der ganzen Welt.
Aber dann kam der Hammer. Oder war es eine kalte Dusche? Jedenfalls war es für mich ein gewaltiger Schock. Denn Jane Dunnaway sagte zärtlich an meinem Ohr: »Weißt du, ich habe es mir lange genug überlegt. Jetzt bin ich bereit mit meinem ganzen Herzen und meiner Seele. Wir werden heiraten.«
Das war es also: Heiraten! Das Wort traf mich wie ein Alarmsignal. Es hätte ebenso gut auch jemand »Feuer!«, rufen können.
Fast wäre ich aus dem Bett gesprungen. Doch während des Krieges hatte ich gelernt, mich nicht so schnell in Panik versetzen zu lassen. Die Dinge wurden nie so heiß gegessen, wie sie gekocht wurden.
Ich war zuletzt Captain in der Texasbrigade gewesen, und da war wirklich immer wieder eine Menge auf mich zugekommen an bösen Überraschungen. Und stets war ich gelassen geblieben und hatte zumeist alles meistern können. So würde es wohl auch hier sein. Ich lag still, und meine Gedanken eilten tausend Meilen in der Sekunde.
Jane aber fragte zärtlich in mein Ohr: »Nicht wahr, da staunst du? Und die Freude hat dir die Sprache geraubt. Aber du träumst nicht! Es ist wirklich wahr. Du kannst mich bekommen. Ich werde deinen Namen tragen, und dann wirst du hier richtig der Boss sein. Und ich bin auch noch nicht zu alt, um Kinder zu bekommen. He, küss mich, Joshua!«
Joshua, dies ist mein Name. Joshua Caine.
Und nach Küssen war mir plötzlich nicht mehr zumute, nein, ganz und gar nicht mehr.
Es ging mir wie einem Hengst, den man in einem Corral mit dem Lasso einfangen wollte. Und er wusste genau, dass er im Corral keine Chance hatte, dieser Schlinge zu entkommen.
Also musste er raus, nichts wie raus und weg.
Ich war schon immer ein Bursche gewesen – und der Krieg hatte diese Eigenschaften noch gefördert und vervollkommnet –, der die Dinge niemals auf die lange Bank schiebt, sondern stets sofort reagiert. Und so befreite ich mich von Janes warmem und geschmeidigem Körper und rollte mich aus dem Bett.
Sie setzte sich plötzlich auf. Ihr nackter Oberkörper war kerzengerade aufgerichtet. Sie hob ihr Kinn und sah mich mit ihren funkelnden grünen Augen an.
»He, was ist?«, fragte sie, und in ihrer Stimme war jetzt ein Beiklang, der mich warnte. Wenn ich jetzt nicht vorsichtig und sehr diplomatisch war, dann würde sie mich hassen. Denn sie war stolz. Und sie hatte mir einen Heiratsantrag gemacht.
Ich sagte: »Jane, ich bin es nicht wert, denn ich bin nur ein texanischer Satteltramp und Spieler. Du bist so großartig, und ich würde dir auf die Dauer nicht genügen. Du bist eine Tigerkatze, ich aber bin nur ein armer Hund, der hier ein wenig Pflege und Liebe erhielt. Und dann ist da noch etwas ...« Ich verstummte, denn ich wusste selbst nicht, was noch war. Aber ich wusste, ich musste es mir in den nächsten zehn Sekunden einfallen lassen.
Ich hatte auch kaum ausgesprochen, als sie schon scharf fragte: »Und was ist noch, Joshua?«
Ich musste ihr jetzt eine gute Geschichte auftischen. Denn sonst würde auch sie aus dem Bett springen und wahrscheinlich mit einem Messer auf mich losgehen. Sie trug – wenn sie angekleidet war – solch ein scharfes Apachenmesser im Strumpfhalter. Sie besaß mehrere Messer da und dort verteilt in ihren Privaträumen.
»Ach«, sagte ich, »da ist die Weissagung der alten Comanchen-Medizinfrau. Sie hat mir auch aus der Hand gelesen und eine lange Nacht den Großen Geist befragt. Sie hat sogar mit ihm gesprochen. Und dann hat sie mir alles gesagt. Dabei befand sie sich in einem Trancezustand, war sozusagen unserer Welt entrückt und hatte Verbindung mit den Überirdischen. Verstehst du, mein Augenstern?«
»Nein«, sagte Jane herb, und nun klirrte es schon in ihrer Stimme. Sie saß immer noch mit nacktem Oberkörper kerzengerade im Bett, und sie wäre ein wunderschönes Modell für einen Maler oder Bildhauer gewesen.
Auch ich war noch so, wie der Schöpfer mich zur Welt kommen ließ. Aber indes ich jetzt fieberhaft nach weiteren Argumenten suchte, begann ich mich anzukleiden. Das ging schnell.
»Ich verstehe es nicht, aber erkläre es mir endlich!« Ihre Stimme war nicht nur fordernd, sondern schon ein wenig drohend.
»Die Medizinfrau der Comanchen las es aus meiner Hand – und der Große Geist sagte es ihr überdies noch persönlich, dass ich mein Glück am Rainbow River finden würde. Und deshalb müsste ich den Rainbow River suchen. Denn nur dort ...«
»Rainbow River?« Ihre Stimme klang nun schrill, und ich wusste, gleich würde sie loskreischen wie eine Furie.
»Ich suche schon sehr lange nach dem Rainbow River«, sagte ich sanft. »Doch bisher fand ich ihn noch nicht. Und niemand hat von ihm gehört – niemand. Dennoch glaube ich, dass er mein Schicksal werden wird. Also muss ich suchen, bis ich ihn gefunden habe. Und deshalb kann ich nirgendwo bleiben, nur am Rainbow River, wahrscheinlich für immer. Das kannst du doch verstehen, mein Augenstern?«
»Nein«, sagte sie hart. »Und wenn du nicht in einer einzigen Minute aus diesem Haus verschwunden bist, dann öffne ich das Fenster und schreie um Hilfe. Dann kommen einige Dutzend Burschen, um mir zu helfen. Und was werde ich ihnen wohl sagen? Wen werden sie dann wohl für mich in Stücke schlagen? He?«
Ich beeilte mich mächtig. Und indes ich das tat, begann sie mich zu verfluchen und zu beschimpfen. Doch warum soll ich Jane jetzt nachträglich noch auf diese Weise bloßstellen! Ich habe ja eigentlich nur von ihr erzählt, weil ich am Anfang meiner Geschichte wohl erklären muss, wie ich auf den Rainbow River kam.
Ich wusste nicht einmal, ob es ihn überhaupt gab. Er war nur in meiner Einbildungskraft entstanden, weil ich glaubte, Jane eine besondere Geschichte erzählen zu müssen. Denn gerade die verrücktesten Geschichten wirken besonders glaubhaft, weil kein Mensch auf die Idee kommt, dass jemand sie sich so verrückt ausdenken kann.
Nun, was den Rainbow River betraf, so sollte ich mich noch wundern.
✰
Laredo, dies ist so ziemlich der tiefste Süden von Texas. Wollte man noch weiter nach Süden, kam man schon bald an den Rio Grande.
Ich ritt drei Tage und drei Nächte nach Norden in Richtung San Antonio.
Am dritten Tag aber hatte ich keinen Proviant und auch keinen Tabak mehr. Überdies hatte mein grauer Wallach zwei Hufnägel verloren und würde bald das Eisen verlieren.
Und so ritt ich über die Hügel zum Wagenweg hinunter und folgte diesem bis zur nächsten Poststation, bei der die Expresskutschen frische Gespanne bekamen. Die Station war schon eine Siedlung. Es gab also außer ihr noch einige andere Häuser und Bauten, Corrals und Weidekoppeln.
Vor dem Saloon standen drei Sattelpferde, magere, ungepflegte Tiere, die rau geritten worden waren. Eins hatte blutige Flanken.
Ich ritt in den Wagenhof. Ein alter Mann trat mir entgegen.
»Ich sehe und höre es schon«, sagte er. »Das linke Vordereisen, nicht wahr?«
»Richtig«, sagte ich und saß ab.
Ich hielt dann mein Pferd fest, indes er die Arbeit schnell und gut erledigte und den halben Dollar glücklich betrachtete, den ich ihm gab. Denn ein halber Dollar war jetzt in dieser Zeit so groß wie ein Wagenrad.
Und wie um sich noch zusätzlich dankbar zu zeigen, sagte der Alte: »Wenn Sie jetzt in den Saloon gehen sollten, Fremder, dann sehen Sie sich nur vor. Denn da sind ein paar böse Pilger drin.«
Ich bedankte mich und führte das Pferd zu den Wassertrögen beim Brunnen. Indes es den Durst stillte, füllte ich meine Wasserflasche und überlegte.
Da waren also drei böse Pilger im Saloon. Aber ich hatte Appetit auf ein kühles Bier und danach auf ein prächtiges Steak.
Verdammt, sollte ich mich vor drei miesen Pilgern fürchten?
Nein!
Und so ging ich hin und band mein Pferd neben den drei anderen Tieren an.
Als ich dann eintrat, sah ich zuerst nicht viel. Denn es war im Raum mit den kleinen Fenstern sehr viel dunkler als draußen.
Ich verhielt einen Moment. Dann hatten sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt, und ich konnte die drei Kerle sehen. Sie waren die einzigen Gäste. Einer saß am Tisch und legte mit schmierigen Karten eine Patience aus. Die beiden anderen standen am Schanktisch und hatten zwischen ihren Gläsern eine noch halb volle Flasche stehen. Der Mann hinter der Theke machte sich gewiss einige Sorgen. Wahrscheinlich war es der Stationsmann selbst, und er war zumindest zur Hälfte mexikanischer Abstammung.
Als ich näher trat, bekam sein Gesichtsausdruck einen Hoffnungsschimmer. Ich wusste, er fühlte sich jetzt nicht mehr so allein, fühlte sich nicht mehr wie ein armer Hund, den drei Wölfe besuchten.
Ich fragte, ob er kühles Bier hätte. Er nickte freudig und verschwand. Denn er musste – das war jedem klar – kühles Bier aus dem Keller holen. Nirgends sonst konnte es auch nur einigermaßen kühl sein.
Indes ich am Schanktischende wartete, betrachteten mich die drei Kerle. Ich erwiderte ihre Blicke, und ich wusste schon, was kommen würde.
»Wollen wir ein Spielchen machen, Bruder?« So fragte einer.
Ich grinste. »Nein«, sagte ich, denn ich wusste, sie hatten keinen Cent in der Tasche und würden andere Dinge zum Einsatz bringen wollen, vielleicht sogar ihre Pferde. Denn sie waren sicher, jeden Mitspieler ausplündern zu können – und sei es, indem sie ihn des Falschspielens beschuldigten.
Aber da griff einer langsam in die Tasche und brachte eine Uhr mit dicker Kette zum Vorschein. »Dies ist eine hübsche goldene Uhr«, sagte er. »Die brächten wir für hundert Dollar ...«
»Nein«, wiederholte ich.
»Sind wir dir nicht gut genug? Stinken wir vielleicht?« So fragte einer von ihnen böse und aggressiv.
Ich grinste wieder, und meine Linke hing nun neben dem Revolverkolben, als ich halb hinter dem Schanktischende hervortrat.
»Passt auf, ihr Pfeifen«, sagte ich. »Und ich sage es euch nur einmal. Wenn ihr einen Verdruss anfangen wollt, dann nur zu. Na los! Habt ihr noch nicht begriffen, dass ihr traurige Nieten und Verlierer seid?«
Sie zitterten vor Wut, und sie stöhnten wie Burschen mit Leibschmerzen, die es innerlich zerreißen will. Dennoch wussten sie jetzt Bescheid über mich. Und das machte sie vorsichtig. Sie waren Burschen, die nichts riskierten.
Der Kerl mit der Uhr steckte diese wieder ein. Sicherlich hatten sie jemandem diese Uhr gestohlen. Denn wie sonst hätten sie an eine wertvolle goldene Uhr kommen können? Irgendwie glichen sie jetzt knurrenden Hunden, die den Schwanz einzogen, weil ein größerer sie anknurrte.
Der Wirt brachte mir das Bier. Ich nahm das Glas mit der Rechten, und indes ich trank, mir den Staub aus der Kehle spülte, beobachtete ich die Kerle über das Glas hinweg.
Vielleicht hätten sie etwas versucht, vielleicht – aber in diesen Sekunden hörten wir das Kommen eines Wagens. Es musste ein leichter Wagen sein. Er hielt jedoch nicht vor dem Salooneingang, sondern daneben, wo sich der Store befand. Man konnte aber auch vom Saloon aus in den Store hinüber. Von meinem Platz aus sah ich hinter dem Durchgang einige Regale, die mit Waren gefüllt waren.
Der Mann hinter dem Schanktisch ging hinüber. Ich hörte die Stimme einer Frau.
Auch die drei Pilger hörten dies. Und so vergaßen sie mich. Sie gingen hinüber. Ja, auch jener Bursche am Tisch, der seine schmierigen Karten zusammenstrich und verschwinden ließ.
Ich trank mein Bier und fragte mich, was da wohl für eine Frau gekommen sei und was die drei Kerle mit ihr anstellen würden.
Aber was ging mich das an?
Eigentlich brauchte ich jetzt nur fünfundzwanzig Cents für das Bier auf den Tisch zu legen. Dann konnte ich hinaus zu meinem Pferd gehen, aufsitzen und fortreiten. Ein kluger Bursche hätte dies an meiner Stelle getan. Doch dann hätte er auf ein Steak mit Bohnen und auf seine Einkäufe im Store verzichten müssen. Er hätte auch etwas weniger Stolz als ich haben müssen.
Ich hörte bald schon ihr grölendes Gelächter – und dazwischen die protestierende Stimme der Frau.
Was mochten sie drüben mit ihr anstellen?
Aber diese Frage wurde dann schnell beantwortet. Denn sie kamen mit ihr durch den Durchgang in den Saloon herüber. Zwei von ihnen hatten ihre Handgelenke gefasst und lachten über ihr Sträuben.
Einer rief: »Oh, Honey, wenn du erst ein paar Drinks genommen hast, dann wirst du lustig sein wie wir und gar nicht genug bekommen von all dem Spaß, den wir miteinander haben werden!«
Sie zerrten sie an den Schanktisch, dorthin, wo noch die Flasche mit ihren Gläsern stand. Einer schenkte ein – und dann wollten sie ihr Opfer dazu zwingen, das scharfe Zeug zu trinken.
Sie kämpfte nun, und sie trat die Kerle gegen die Schienbeine. Sie kämpfte wie eine Katze.
Und sie tat mir leid. Denn sie war jung und mehr als hübsch.
Was sollte ich tun?
Meine Eltern hatten mir schon als kleinem Jungen beigebracht, dass die Mädchen und Frauen bei uns in Texas des besonderen Schutzes bedurften. Ich hatte eine gute Mutter und liebe Schwestern gehabt. Mädchen und Frauen waren für mich etwas Gutes. Aber wenn ich mich jetzt einmischte, würde Blut fließen. Das war mir klar.
Denn die drei Kerle, welche vorhin gekniffen hatten, waren noch nicht fertig mit mir. Sie versuchten es jetzt nur anders. Was sie vor meinen Augen taten, war ihre Herausforderung.
Ich saß also in der Klemme. Die junge Frau kämpfte immer noch. Einmal richteten sich ihre blauen Augen Hilfe suchend auf mich. Ja, sie hatte leuchtend blaue Augen, obwohl ihr Haar rabenschwarz war. Sie war geschmeidig wie eine Indianerin, obwohl kaum mittelgroß für eine Frau. Gewiss wog sie nicht mehr als hundertzehn Pfund.
»Lasst sie los!« So rief ich scharf, und in meiner Stimme lag eine tödliche Warnung.
Aber sie brüllten auf, gaben sie frei und schnappten nach den Colts. Ja, sie rechneten sich eine Chance aus zu dritt gegen mich. Und so konnte ich nichts anderes tun als zu versuchen, sie zu schlagen.
Meine Reflexe waren nun schneller als meine Gedanken. Es ging nur noch ums Überleben.
Ja, ich schoss sie von den Beinen. Ich traf sie nacheinander Mann für Mann und sah dabei in ihre Mündungsfeuer. Ich sah sie noch fallen. Aber dann fiel auch ich. Der Boden kam mir entgegen. Es war festgestampfter Lehmboden. Ich schlug hart auf.
Dann wusste ich nichts mehr.
✰
Irgendwann erwachte ich, und die Schmerzen nahmen mir immer wieder die Luft. Ich saß halb liegend in einem Wagen und über mir waren die blanken Sterne des Texashimmels.
Neben mir aber saß jene Frau, für die ich gekämpft hatte und fast gestorben wäre. Sie fuhr den Wagen mit dem Doppelgespann.
Irgendwie hatte sie wohl gemerkt, dass ich wach geworden war, denn sie sagte zu mir: »Gleich sind wir im Camp. Und Paco ist ein guter Wundarzt, ein besserer als so mancher wirkliche Doc. Paco macht Sie wieder gesund. Darauf können Sie wetten.«
Ich vernahm die Worte wie aus weiter Ferne. Dann wurde ich abermals bewusstlos.
Ich erwachte erst, als sie mich aus dem Wagen hoben.
Noch wusste ich nicht, wohin mich die junge Frau gebracht hatte. Aber wenig später, als mich ein alter Mexikaner im Scheine zweier Laternen an einem Feuer behandelt, als man mich ausgezogen hatte und nach meinen Wunden sah, da begriff ich es allmählich.
Ich war bei einer Schafherde.
Und mein »Doc« war einer der Hirten.
Ich hörte die Schafe in einiger Entfernung. Ihr vielstimmiges Bääbäääbää, mehr oder weniger meckernd oder zittrig klingend, ging mir von Anfang an auf die Nerven.
Aber was konnte ich machen, ich musste es ertragen, und ich musste froh sein, dass sich ein in Wundpflege erfahrener Hirte um mich kümmerte.
Ich hatte zwei üble Wunden. Eine Kugel hatte mir eine Rippe freigelegt. Der Hirte musste mir diese Wunde mit Zwirn zusammennähen. Die andere Kugel steckte in meinem Oberschenkel, und er musste sie dort herausschneiden.
Knirschend fragte ich dann die junge Frau: »Und was wurde aus den drei Mistkerlen, Ma'am?«