1,99 €
Als wir die ausgetrocknete Tinaja bei den Red Soldiers erreichten, hörte man eine Weile nur das Schnauben unserer Pferde. Wir starrten mit geröteten Augen in das wilde Land vor uns. Die Fährte, der wir folgten, verschwand vor uns in den Hügeln. Drei Tage ritten wir schon auf dieser Fährte.
Ich sah auf meine Begleiter. Neun waren es, und ich musste anerkennen, dass sie bis jetzt durchgehalten hatten. Doch nun waren sie am Ende.
Dan Morgan, der Schmied von Opal, sagte grimmig: »Das war’s wohl. Diese Langreiter haben uns geschlagen. Wir müssen umkehren. Was alles kann in unserer kleinen Stadt geschehen sein während unserer Abwesenheit?«
Die anderen nickten und fluchten zu seinen Worten. Denn er hatte genau das ausgesprochen, was jeder von ihnen dachte. Sie wollten heim.
Ich spürte einen Moment ein Gefühl des Mitleids mit dem Aufgebot von Opal. Es waren redliche Bürger einer kleinen Stadt. Die Banditen hatten die Bank ausgeraubt, eine Bank, bei der sie alle verschuldet waren und deren Kredite sie noch einige Jahre benötigten. Doch nun würde die Bank alle Außenstände eintreiben müssen, um ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen zu können. Weil aber niemand etwas würde zahlen können, musste es zu Versteigerungen kommen.
Sie rutschten nun aus den Sätteln und legten sich der Länge nach auf den Boden. Die Pferde standen da mit hängenden Köpfen.
Ich zögerte noch. Sollte auch ich absitzen und aufgeben?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Maddegan ist härter
Vorschau
Impressum
Maddegan ist härter
Als wir die ausgetrocknete Tinaja bei den Red Soldiers erreichten, hörte man eine Weile nur das Schnauben unserer Pferde. Wir starrten mit geröteten Augen in das wilde Land vor uns. Die Fährte, der wir folgten, verschwand vor uns in den Hügeln. Drei Tage ritten wir schon auf dieser Fährte.
Ich sah auf meine Begleiter. Neun waren es, und ich musste anerkennen, dass sie bis jetzt durchgehalten hatten. Doch nun waren sie am Ende.
Dan Morgan, der Schmied von Opal, sagte grimmig: »Das war's wohl. Diese Langreiter haben uns geschlagen. Wir müssen umkehren. Was alles kann in unserer kleinen Stadt geschehen sein während unserer Abwesenheit?«
Die anderen nickten und fluchten zu seinen Worten. Denn er hatte genau das ausgesprochen, was jeder von ihnen dachte. Sie wollten heim.
Ich spürte einen Moment ein Gefühl des Mitleids mit dem Aufgebot von Opal. Es waren redliche Bürger einer kleinen Stadt. Die Banditen hatten die Bank ausgeraubt, eine Bank, bei der sie alle verschuldet waren und deren Kredite sie noch einige Jahre benötigten. Doch nun würde die Bank alle Außenstände eintreiben müssen, um ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen zu können. Weil aber niemand etwas würde zahlen können, musste es zu Versteigerungen kommen.
Sie rutschten nun aus den Sätteln und legten sich der Länge nach auf den Boden. Die Pferde standen da mit hängenden Köpfen.
Ich zögerte noch. Sollte auch ich absitzen und aufgeben?
Es war verlockend, denn auch ich hatte genug. Aber da waren zwei Gründe, die mich nicht so einfach aufgeben lassen konnten.
Ich war der Deputy Sheriff von Opal.
Und ich hielt mich für einen harten Burschen, der es mit jedem anderen Burschen meiner Sorte aufnehmen konnte. Deshalb hatte man mich ja auch zum Deputy gemacht. Weil das nun mal so war, konnte ich nicht aufgeben.
Die Bürger von Opal konnten es. Sie waren schon längst an der Grenze ihrer Zähigkeit und Fähigkeiten angelangt. Ich noch nicht. Und mit jeder Minute, die ich zögerte, vergrößerte sich der Vorsprung der Banditen. Überdies hatten sie sich den Weg aus der Stadt freigeschossen. Wahrscheinlich hatte es Tote gegeben. Doch das wussten wir nicht genau. Denn wir waren sofort losgeritten und hatten uns um nichts anderes mehr gekümmert.
Aber wir hatten es mit echten Langreitern zu tun, die all ihre Chips darauf setzten, dass sie länger im Sattel bleiben konnten als ihre Verfolger.
Und so war es ja auch.
Nur ich war härter.
Nach einer Weile sagte ich zu ihnen: »Also, dann reitet heim. Ich versuche es noch. Also dann, bis später.«
»Viel Glück, Josh«, sagte Mick Baker, dem die Bank gehörte.
Ich trieb meinen mausgrauen Wallach zum Trab an.
Und dann folgte ich der Fährte.
✰
Aber als ich an diesem Spätnachmittag der Fährte in die Hügel folgte, hatte ich ein ziemlich mulmiges Gefühl in der Magengegend. Ich wusste genau, dass ich jede Menge Verdruss bekommen würde.
Übrigens, mein Name ist Maddegan, Joshua Maddegan.
Noch bevor es Abend wurde, erkannte ich an der Fährte, dass eines der Pferde der drei Banditen zu lahmen begann. Und dann fand ich das verlorene Hufeisen. Ich hielt es für das linke Vorderhufeisen. Denn das war aus der Fährte klar zu erkennen. Ich fragte mich, wie sich die drei verhalten würden.
Blieben sie zusammen – oder ließen sie ihren Partner zurück?
Es wurde Nacht. Nun musste ich anhalten, eine Pause einlegen und auf das Mond- und Sternenlicht warten. Aber die Ruhe tat meinem Pferd und mir recht gut. Bevor ich mich der Länge nach ausstreckte, massierte ich mein Pferd und rieb es mit der Satteldecke ab.
Als ich erwachte, eine Stunde später etwa, war die Nacht strahlend hell geworden, und die Fährte war für einen erfahrenen Burschen wie mich nun wieder gut verfolgbar.
Ich war kaum eine Meile weiter, als ich die Fußspuren des Mannes sah. Er war also abgesessen, weil das Pferd nur noch auf drei Hufen lief. Wahrscheinlich hatte das Tier nicht einfach nur das Eisen verloren, sondern sich den Huf verletzt, wahrscheinlich gespalten. Und das war für ein Pferd eine der bösesten Sachen, die man sich vorstellen konnte.
In mir war ein grimmiges Frohlocken, denn ich wusste, dass ich den Burschen bald einholen würde. Aber was würde er tun? Auch er konnte sich ausrechnen, dass es ihm an den Kragen ging. Wahrscheinlich rechnete er noch mit einem ihm vielfach überlegenen Aufgebot. Deshalb würde er sich vielleicht in einen Hinterhalt legen und abzuschießen versuchen, was er nur abschießen konnte.
Etwa eine Meile weit folgte der Bursche mit seinem lahmenden Pferd den Spuren seiner zwei Kumpane. Dann aber kreuzte ein alter Weg die Fährte.
Die Fußspur des Mannes mit der Spur des lahmenden Pferdes bogen auf diesen alten Weg ein. Die Fährten der beiden anderen Reiter aber verliefen weiter in der gewohnten Richtung. Was sollte ich tun?
Das war die Frage! Sollte ich den beiden Reitern folgen oder mir erst den einzelnen Mann vornehmen?
Ich hielt an, nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und behielt das laue Wasser lange genug im Mund, um das trockene Gefühl ein wenig loszuwerden.
Ich überdachte die Sache von allen Seiten. Dann stieg ich noch einmal vom Pferd und sah mir die Fährten genau an.
Die Fußfährte war nicht alt. Ich hatte zuletzt tüchtig aufgeholt. Dieser Mann konnte keine drei Meilen mehr vor mir sein. Und vielleicht hatte er einen Drittelanteil der Beute bei sich, und wenn mir die beiden anderen entkamen, so konnte ich wenigstens einen Teil der geraubten Summe nach Opal zurückbringen.
Ich saß also wieder auf und folgte der Fußfährte und der Hufspur des lahmenden Pferdes.
Nach etwa drei Meilen kam ich über einen Hügelsattel und blickte in ein schmales Tal nieder. Nun sah ich, wohin der Weg führte.
Es war eine alte Stadt, eigentlich kaum mehr als ein Dorf. Es gehörte offensichtlich zu einer Mine, deren Stollenmäuler in der Bergwand zu sehen waren wie die Löcher von Bisamratten in einem steilen Flussufer.
Ich brauchte jedoch keine zehn Sekunden auf diese Stadt und deren Umgebung zu blicken, um Bescheid zu wissen.
Da unten in dem engen Tal lag eine Geisterstadt. Und auch die Mine war längst aufgegeben worden.
In diese Geisterstadt also hatte sich der flüchtige Bandit begeben. Warum? Was erhoffte er sich dort? Ein Pferd konnte er dort gewiss nicht bekommen. Oder doch? Gab es vielleicht doch dort unten ein paar Menschen?
Noch einmal witterte ich hinunter.
Und dann hörte ich etwas. Zugleich sah ich eine kleine Rauchwolke über einem Hausdach, das mir den Blick in einen Hof versperrte.
Was ich hörte, waren die Hammerschläge eines Schmieds auf einem Amboss.
Und so wusste ich: Der flüchtige Bandit war ein Mann, der sich in diesem Land auskannte. Er hatte gewusst, dass es in dieser verlassenen Stadt eine Schmiede gab, die zwar verlassen und aufgegeben, aber noch einigermaßen funktionstüchtig war. Er war hingelaufen, um für sein Pferd etwas zu tun. Jetzt war er offenbar dabei, ein neues Eisen zu schmieden.
Ich ritt hinunter, und ich wusste, ich brauchte mir keine Sorgen zu machen und konnte mir Zeit nehmen, solange die Hammerschläge erklangen. Selbst wenn sie für eine Weile nicht zu hören waren, bestand für mich keine Gefahr. Denn der Mann musste dann den Blasebalg ziehen und das Eisen im Feuer neu erwärmen.
Wenig später sah ich ihn.
Er arbeitete emsig, und er war nun dabei, dem Pferd das Eisen anzupassen. Dies aber schien nicht einfach zu sein – oder er war kein guter Schmied. Jedenfalls sah ich, dass er einige Schwierigkeiten hatte.
Ich hatte mein Pferd außerhalb des Hofes der Schmiede gelassen. Nun trat ich langsam durch die Einfahrt in den Hof.
Der Bandit hatte das Vorderbein des Pferdes auf seinem Knie, und er arbeitete an dem Huf und befestigte offenbar das Eisen.
Er sah aber aus den Augenwinkeln die Bewegung am Rande seines Blickfelds. Und so blickte er kurz zur Seite, sah mich und rief: »Komm her, Bruder, und hilf mir! Das Tier soll nicht darunter leiden.«
Er sagte nicht, unter was das Tier nicht leiden sollte, aber ich begriff den Sinn seiner Worte auch so.
Gefährlich konnte er mir ohnehin nicht werden. Denn er kniete, hatte das Bein des Tieres auf seinem Oberschenkel und einen Hammer in der Rechten. Mit seinem Colt konnte er mich so niemals schlagen.
Ich ging also hin zu ihm und sah bald schon, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Hufbeschlag handelte. Nein, es war ernster.
Der Bandit hatte eine Art Eisenschuh gefertigt, weil der Huf des Tieres gespalten war.
Solch ein Eisenschuh ist für ein Tier mit einem gespaltenen Huf die einzige Rettung. Und der Bandit, der bei uns in Opal rücksichtslos auf alles geschossen hatte, was sich ihm in den Weg stellte, der also sicherlich zu einem Mörder wurde, dieser Bursche tat jetzt alles, um sein Pferd zu retten.
Denn dass er mit mir kämpfen musste, dies war ihm gewiss sofort klar geworden. Wenn er mich schlagen konnte, würde er mein Pferd nehmen können. Und konnte er mich nicht schlagen, würde er wahrscheinlich kein Pferd mehr brauchen.
Das alles wusste er. Dennoch wollte er erst sein Pferd retten.
Ich sah nun, dass er erstklassige Arbeit geleistet hatte. Er hatte fast nur nach Augenmaß einen passenden Eisenschuh geschmiedet, der den gespaltenen Huf zusammenhalten würde, bis er vielleicht wieder zusammengewachsen war.
Indes er die Hufnägel einschlug und dann mit der Feile alles glättete, sagte ich zu ihm: »Gute Arbeit ist das, mein Freund. Warum wird ein Bursche, der ein so erstklassiger Schmied ist, zum Banditen?«
Er schnaufte verächtlich: »He, du bist doch der Deputy von Opal«, knurrte er, indes er ruhig weiterarbeitete. »Du hättest Prediger werden sollen. Warum soll ich mich mit ein oder zwei Dollar Lohn pro Tag zufrieden geben, wenn ich Tausende verdienen kann?«
Ich gab ihm auf diese Frage keine Antwort, sondern sagte: »Eigentlich habe ich bisher jeden Schmied für intelligent gehalten. Aber du bist wohl im Kopf nicht so gut wie mit deinen Händen. Hast du einen Teil der Beute in den Satteltaschen?«
»Sicher«, erwiderte er. »Als wir wegen unserer Pferde die erste Rast einlegen mussten, haben wir geteilt. Ich habe fast zwölftausend Dollar in den Satteltaschen. Rechne dir mal aus, wie viele Jahre ich dafür hätte als Schmied arbeiten müssen.«
»Eine ganze Menge«, erwiderte ich. »Aber was nützt dir das jetzt, da ich dich habe? Du hast nicht nur das geraubte Geld wieder verloren, sondern solltest auch mal ausrechnen, wie viele Jahre du bekommen wirst, wenn sie dich nicht hängen. Na?«
Er grinste nur, trat vom Pferd weg in die halb offene Schmiede und legte den Hammer auf den Amboss. Ich stand da und wartete, aber er kam erst noch mal zu seinem Pferd und führte es ein Stück herum, beobachtete, wie es den Huf setzte, und wandte sich dann an mich.
»Na, der Huf wird wieder, nicht wahr? Der kann schon wieder einigermaßen laufen. Es wäre schade um ihn gewesen, denn er ist das beste Pferd, das ich jemals ritt.«
Das glaubte ich ihm, denn der Braune war ein erstklassiger Wallach, ein Dreihundert-Dollar-Pferd.
»Ja, der wird bestimmt wieder«, pflichtete ich bei.
Er trat vom Tier weg und rückte seinen Waffengurt zurecht.
»Na schön«, sagte er, »bringen wir es hinter uns. Du oder ich! Mit mir als Gefangenem hättest du keine Chance, die beiden anderen zu erwischen, nicht wahr?«
Ich nickte, denn er sah die Sache sehr realistisch. Ich sagte deshalb: »Wenn du mir die Beute kampflos überlässt, lasse ich dich ohne Pferd hier zurück. Es ist eine Chance für dich. Willst du?«
»Nein«, sagte er sofort. »Denn die Chance, dass ich mit dem Colt schneller bin als du, ist gewiss größer. Also, bringen wir es hinter uns!«
Als er es gesagt hatte, zog er den Colt. Aber es war mehr ein Herauszaubern als ein Ziehen. Ja, er gehörte zu jener Sorte, deren Unglück es war, dass sie ihre Revolver zu schnell ziehen konnten. Er hätte besser ein guter Schmied bleiben sollen.
Denn ich war noch schneller als er und schoss ihn von den Beinen.
Und da lag er nun und war fast schon tot.
»Wo finde ich denn die anderen?« So fragte ich auf ihn nieder.
»Du kannst zur Hölle gehen«, erwiderte er. »Dort treffen wir uns dann. Und dann werde ich dir die Frage beantworten.«
Nach diesen Worten starb er.
Ich trat zu seinem Tier und nahm ihm den Sattel ab. Die Satteltaschen waren mit Geld gefüllt. Es war jedoch Papiergeld, also nicht schwer.
Die Mond- und Sternennacht war immer noch fast taghell, als ich den Mann begrub. Ich kannte nicht mal seinen Namen.
Wenig später ritt ich weiter. Das Tier, dem der Bandit mit einem Eisenschuh den gespaltenen Huf gerettet hatte, folgte mir. Ich hatte es getränkt. Ebenso wie mein eigenes Pferd. Denn einer der Brunnen in der verlassenen Stadt war noch in Ordnung.
Bald ritt ich wieder weiter nach Süden. Denn ich konnte noch nicht aufgeben. Das war nicht meine Art.
✰
Als die Sonne im Westen zu sinken begann und der Himmel sich rot färbte, da stieß die Fährte auf einen schmalen Weg, der nur von zahlreichen Radfurchen und Hufspuren markiert worden war.
Ich hielt an und wusste sofort, dass dieser Weg nicht wieder zu einer toten Geisterstadt oder verlassenen Mine führen würde, sondern zu einem von Menschen bewohnten Ort. Denn viele dieser Wagen- und Huffährten waren noch frisch, also erst wenige Tage alt.
Ob dieser Ort vielleicht von Anfang an das Ziel der Banditen gewesen war? Waren sie in diesem Ort daheim? Konnte es sein, dass sie dort vielleicht sogar geachtete Bürger waren?
Viele Gedanken gingen mir in dieser Richtung durch den Kopf, indes ich nun auf dem Weg weiter durch die zuerst ziemlich dunkel werdende Nacht ritt.
Der Weg führte nach einigen Meilen in einen Canyon, der in einem Talkessel endete, in den noch weitere Canyons oder schmale Schluchten mündeten wie Zugänge in einen Fuchsbau.
Mitten im Talkessel lag die Stadt. Ihre gelben Lichter schienen menschliche Wärme und Freundlichkeit zu versprechen. Doch ich wusste längst, dass dies täuschen konnte.
Aber was mich in dieser Stadt auch erwarten mochte, ich musste hinein. Denn selbst wenn man davon absah, dass ich die beiden Banditen bekommen wollte, so brauchte ich Proviant und ein gutes Essen. Auch meinem Pferd würde eine längere Ruhepause gut tun.
Dass ich Zeit versäumte, war kaum noch zu befürchten. Denn die beiden Banditen und deren Pferde befanden sich gewiss in keinem besseren Zustand als ich.
Ich ritt also auf die Stadt zu. Und ich war neugierig, ihren Namen zu erfahren.
Bald gelangte ich zu einem Pfahl, an den ein Brett genagelt war. Ich konnte auf diesem Brett die eingebrannten Buchstaben eines Wortes lesen: Jericho.
Gleich am Stadteingang lag ein Wagenhof mit Stallungen.
Vor der Hofeinfahrt hockte ein junger Mexikaner. Als ich bei ihm das Pferd verhielt, erhob er sich und fragte: »Sind Sie Mister Laredo?«
Oha, ich begriff sofort, auf was es nun ankam. Es war ja so einfach zu begreifen.
Und so erwiderte ich mit meiner heiser und rau gewordenen Stimme: »Aaah, das ist gut. Sie haben dich also hier postiert, um mir zu sagen, wo ich sie finden kann. Also, wo sind sie?«
Indes ich das fragte, saß ich ab und drückte dem Burschen die Zügel meines Pferdes in die Hand.
»Versorge es gut«, knurrte ich.
»Ich habe auch die beiden anderen erstklassig versorgt«, erwiderte er nicht ohne Stolz. »Ich verstehe mich auf Pferde wie kein anderer Mensch in dieser Stadt. Darauf können Sie sich verlassen.«
Ich wartete immer noch auf eine Antwort auf meine erste Frage.
Er deutete die Straße entlang in die Stadt hinein und sagte: »Mister Mahoun ist bei den Señoritas im Paradiesvogelhaus, und Mister Slater wird bei seinem Freund, dem Patron des Jericho Saloon, sein. Wenn ich Sie fragen darf, Señor, was war denn mit Ihrem Pferd?«
»Nicht mit diesem«, erwiderte ich. »Dieses Tier habe ich mir unterwegs verschafft. Das andere verlor das Eisen und bekam dann bald einen gespaltenen Huf.«
»Dann muss es sterben«, sagte der junge Mexikaner traurig.
»Nein«, widersprach ich. »Denn ich habe ihm einen Eisenschuh gemacht in der Schmiede einer verlassenen Stadt. Es kommt vielleicht noch, denn es folgte die ganze Zeit meiner Fährte.«
Nach diesen Worten nahm ich mein Gewehr aus dem Sattelfutteral, dazu mein weniges Gepäck und die beiden Satteltaschen mit dem Geld.
Damit machte ich mich auf den Weg.
Bis jetzt hatte ich Glück gehabt. Denn die beiden Banditen erwarteten ihren zurückgebliebenen Partner und hatten deshalb den Mexikanerburschen informiert. Und dieser musste mich ja für den dritten Mann halten, welcher mit Verspätung nachkommen würde.
Jetzt wusste ich, wo ich suchen musste.
Und ich kannte nun auch endlich die Namen der beiden Banditen.
Was sollte ich tun?
Ich war so ausgebrannt und müde wie selten in meinem Leben. Die beiden Banditen aber hatten jetzt zumindest schon drei bis vier Stunden Ruhe gehabt. Und wenn ich sie in meine Gewalt bekommen konnte, dann würde ich gewiss kein Auge mehr zumachen können.
Verdammt, was sollte ich tun?
Aber befand ich mich nicht in einer Stadt? Musste es hier nicht zumindest einen Town Marshal geben? Gewiss, ein Town Marshal war kein Sheriff. Solch ein Town Marshal war oftmals nur eine Art Nachtwächter – oder auch ein Revolvermann, den die Stadt sich zum Schutz angeworben hatte wie einen scharfen Wachhund.
Aber dennoch war solch ein Mann, der ja die Rechte der Bürger schützen sollte, zu Amtshilfe verpflichtet. Und wenn es hier nicht nur einen Town Marshal, sondern einen Sheriff gab, einen Deputy, wie ich einer war in Opal, dann konnte ich Unterstützung erwarten.
Ich ging mit meinem Gepäck die Straße entlang.
Und bald schon sah ich dann das Schild:
Town Marshal.
Ich hielt an und zögerte. Denn ich kannte die Stadt nicht. Wenn sie eine Banditenstadt war, dann war auch der Town Marshal ein Bandit. Und dann war ich so gut wie erledigt, wenn ich mich ihm anvertraute und ihn um Hilfe bat. Und selbst wenn er ein ehrlicher Bursche war, würde er mir nicht helfen können, weil das gegen die Interessen der Stadt sein würde, wenn diese von den Banditen lebte.
Ich musste mich entscheiden.
Und das tat ich. Denn ich ging hinein.