G. F. Unger 2121 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2121 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war ein langer Weg zum Golden Valley, und er war gesäumt von all den Dingen, die man zurücklassen musste, weil sie das Vorwärtskommen zu sehr erschwerten, wenn nicht gar unmöglich machten.
Als ich dicht unter der steilen Felswand einige haltende Wagen erreichte, hörte ich eine kehlige Frauenstimme tröstend rufen: »Nehmt es nicht so tragisch, meine Engelchen! Wenn wir jetzt auch unsere noblen Prachtbetten zurücklassen müssen, so sage ich euch, meine Augensterne, dass wir jenseits der Berge in Golden City eines Tages alles noch viel besser und nobler wiederbekommen werden. Also ladet all den verdammten Plunder ab! Raus damit aus den Wagen! Warum hat uns keiner gesagt, dass wir so steil nach oben müssen? Und das tagelang! Das geht ja direkt in den Himmel hinauf, verdammt!«
Ich hielt bei einer Wagenlücke meinen grauen Wallach an und sah nun die Frau. Sie hatte einen gewaltigen Leib, ja, sie war fett und rund. Doch ihr Kopf - und vor allen Dingen ihr Gesicht - oha, da sah sie noch so aus wie vor zwanzig Jahren. Da hatte sie noch mit ihren Mädchen konkurrieren können ...


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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Ein Mann wie sonst keiner

Vorschau

Impressum

Ein Mannwie sonst keiner

Es war ein langer Weg zum Golden Valley, und er war gesäumt von all den Dingen, die man zurücklassen musste, weil sie das Vorwärtskommen zu sehr erschwerten, wenn nicht gar unmöglich machten.

Als ich dicht unter der steilen Felswand einige haltende Wagen erreichte, hörte ich eine kehlige Frauenstimme tröstend rufen: »Nehmt es nicht so tragisch, meine Engelchen! Wenn wir jetzt auch unsere noblen Prachtbetten zurücklassen müssen, so sage ich euch, meine Augensterne, dass wir jenseits der Berge in Golden City eines Tages alles noch viel besser und nobler wiederbekommen werden. Also ladet all den verdammten Plunder ab! Raus damit aus den Wagen! Warum hat uns keiner gesagt, dass wir so steil nach oben müssen? Und das tagelang! Das geht ja direkt in den Himmel hinauf, verdammt!«

Ich hielt bei einer Wagenlücke meinen grauen Wallach an und sah nun die Frau. Sie hatte einen gewaltigen Leib, ja, sie war fett und rund. Doch ihr Kopf – und vor allen Dingen ihr Gesicht – oha, da sah sie noch so aus wie vor zwanzig Jahren. Da hatte sie noch mit ihren Mädchen konkurrieren können ...

Sie waren dabei, einige Messingbettgestelle, Matratzen und anderes Zeug auszuladen, auch zwei emaillierte Badewannen, die lustig geblümt waren, schwere Polstersessel und anderes Zeug.

Nun hielten sie inne und betrachteten mich. Zwei Fahrer – einer war ein riesiger Schwarzer – sahen mit wachsamer Bereitschaft zu mir her. Sie trugen Colts, und ich wusste, sie waren nicht nur die Fahrer dieser Paradiesvögel, sondern auch ihre Beschützer.

Der Schwarze trug die Narben eines Preiskämpfers im Gesicht. Diese Narben waren schlimm, denn man kämpfte noch mit den bloßen Fäusten.

Ich griff an die Hutkrempe und verbeugte mich leicht im Sattel.

»Viel Glück, Ladys«, sagte ich und wollte wieder anreiten.

Doch die so körpergewaltige Chefin der Honeygirls sagte mit ihrer kehligen Stimme: »Hallo, Mister, das wünschen wir Ihnen auch! Ist es noch weit bis ins Golden Valley und nach Golden City?«

Ich hob die Schultern.

»Ich weiß sicherlich nicht mehr als Sie, Ma'am«, erwiderte ich. »Man muss durch den ansteigenden, sichelförmigen Canyon hinauf. Es soll keinen anderen Weg geben durch den Kranz der Berge – es sei denn, man klettert mit wenigem Gepäck zu Fuß. Ich denke, Sie werden mit den Wagen noch drei Tage brauchen.

So habe ich es mir erklären lassen. Schade um die schönen Betten.«

Ich sprach die letzten Worte mit teilnehmendem Bedauern.

Dann wollte ich weiter.

Doch sie deutete zur Felswand hinauf, die uns mehr als tausend Fuß überragte.

»Wenn ich ein Mann wäre«, sagte sie, »dann ließe ich mir einfallen, wie man von hier alles nach oben schaffen könnte – und sei es mit Hilfe einer Dampfwinde, von Ladebäumen und all dem Zeug, wie es die großen Seeschiffe haben. Die können riesige Lasten aus ihren Laderäumen an Land heben – oder umgekehrt. Ich wette, eines Tages kommt ein heller Kopf auf diese Idee. Aber das ist für mich und meine Täubchen zu spät, ha!«

Sie wandte mir den Rücken zu.

Und alle nahmen ihre Arbeit wieder auf.

Ich aber hielt noch im Sattel und legte den Kopf weit in den Nacken, um nach oben blicken zu können.

Ich wusste nicht, was dort oben war und ob man von dort aus bequem ins Golden Valley gelangen konnte. Aber wenn Letzteres möglich war, dann hatte die dicke Frau soeben ganz nebenbei eine Idee geäußert, deren Verwirklichung mehr Gewinn bringen würde als eine Goldmine.

Aber ich war nicht nach Golden City unterwegs, um Geschäfte zu machen. Auch hätte mir zur Verwirklichung der Idee das Geld gefehlt. Und so ritt ich endlich weiter.

Übrigens, lieber Leser meiner Geschichte, mein Name ist Jake Clayman. Und es gab einige Leute auf dieser Erde, die begannen zu fluchen, wenn sie meinen Namen hörten.

Nur wenige Freunde hatte ich gehabt. Sie alle waren tot. Den letzten Freund hatte ich vor einem halben Jahr in El Paso verloren.

Und deshalb ritt ich auf einer Fährte nach Golden City.

Ich brauchte zwei Tage, und die Nacht dazwischen verbrachte ich unterwegs auf einem Sofa, das jemand ausgeladen hatte, weil die Tiere den Wagen mit seiner Last nicht länger hatten bergauf ziehen können.

Als ich gegen Ende des zweiten Tages über die Wasserscheide ritt, hatte ich einen guten Überblick. Das Golden Valley lag zu meinen Füßen und in der klaren Luft des Arizona-Territoriums waren selbst Dinge, die wegen der Entfernung nur mausgroß waren – also Menschen, Pferde oder Stollenmäuler – scharf zu erkennen.

Das Tal war groß, wahrscheinlich dreißig Meilen lang und acht bis zehn Meilen breit. Es gab einige Bergfalten, Schluchten und Risse. Aber mit Tieren oder gar Fahrzeugen konnte man nur durch den Sichelcanyon ins Tal gelangen.

Am Ende des jenseits der Wasserscheide sich senkenden Canyons lag die Stadt. Wer ins Tal wollte, musste durch sie hindurch.

Ich begriff die Sache sofort. Und ich kannte auch Brian Gladstone und seinen Stil. Ich hatte gehört, dass Golden City seine Stadt war. Und nun begriff ich, dass er mit dieser Stadt auch das ganze Tal beherrschte.

Aber was ging das mich an?

Nichts! Denn ich wollte die Welt nicht mehr verändern. Das war vorbei. Ich musste nur noch eine Pflicht erfüllen. Dann würde ich wieder meiner Wege reiten. Nein, ich würde und konnte Brian Gladstones Interessen gar nicht schaden.

Einige Male dachte ich an die dicke Etablissement-Chefin und deren Paradiesvögel. Sie mussten von sehr weit herkommen und noch nie etwas von Brian Gladstone gehört haben. Sonst hätten sie sich keine Hoffnungen auf Bettgestell-Kugeln aus purem Gold gemacht.

Aber auch das ging mich nichts an. Ich war nicht anderer Menschen Hüter.

Es war dann schon Nacht, als ich mich der Goldgräber- und Minenstadt näherte. Überall leuchteten die Feuer und Laternen. Bei den Claims gab es Zelte, Hütten, aber oft auch nur abgestellte Wagen, welche als Unterkünfte dienten.

Besonders dicht waren die Feuer am Creek.

Menschen waren unterwegs, manche zu Fuß, aber viele zu Pferd oder in Fahrzeugen aller Art.

Ich ritt im Schritt und witterte nach allen Seiten.

Ein großer und schwerer Erzwagen – jetzt aber gefüllt mit durstigen Minenarbeitern – rollte an mir vorbei. Der Fahrer prügelte die Maultiere. Und die Minenarbeiter im Wagenkasten sangen das Lied vom Pikes Whisky, welcher Tote erweckte.

Ich grinste ein wenig mitleidig. Denn ich wusste, dass man diese durstigen Kehlen gleich ausnehmen würde wie Fische, welche man braten wollte.

Ich hielt an einem Bratstand an, vor dessen Brettertheke sich ein Dutzend hungriger Mägen drängte und herunterschlang, was es zu kaufen gab. Es gab Pfannkuchen mit Ahornsirup, Kaffee und auch Bohnen mit Speck als dicke Suppe. Ich aß erst Suppe, dann Pfannkuchen und trank zwei Becher Kaffee.

Als ich zahlte, da wusste ich, dass ich in einer Stadt war, die von Brian Gladstone ausgebeutet wurde. Und weil die Transportkosten ohnehin schon hoch waren, war alles gewaltig teuer.

Ich fragte den Pfannkuchenbrater nach dem nobelsten Spielsalon.

»Die Golden Hall hat einen«, erwiderte er, »in dem wird ohne Limit gespielt. Und man kommt nur rein, wenn man bekannt ist oder genügend Geld vorzeigen kann.«

Ich nickte und ging, zog mein Pferd an den langen Zügeln hinter mir her und brachte es in den Mietstallhof.

Der Stallmann rief mir entgegen: »Hier ist nichts mehr frei, gar nichts mehr!«

»Ich will es nur füttern«, erwiderte ich.

»Für einen Dollar«, sagte er, »bekommt es Mais und Heu. Stellen Sie es dorthin. Aber in einer Stunde muss es fortgenommen werden. Denn da kommen noch viele Pferde zum Füttern. Na?«

Einen Dollar für Pferdefutter. Das war gewaltig.

Aber ich musste meinen grauen Wallach bei Kräften halten. Denn es konnte sein, dass ich in einer Stunde verdammt in Eile war.

Und so nickte ich und holte den Dollar hervor.

Es ging dann alles sehr schnell.

Der Mann, auf dessen Fährte ich nach Golden City kam, hieß Leroy Laffitter, und er war ein Spieler, der seinem Kartenglück stets dann nachhalf, wenn er mit ehrlichem Spiel nicht zurechtkommen konnte.

Wir kannten uns. Als Town Marshal hatte ich ihn schon mal aus einer Stadt gejagt.

Ich wusste, wie er reagieren würde, wenn er mich zu sehen bekam. Denn er hatte in El Paso meinen Freund erschossen, als dieser ihn beim Falschspiel erwischte – meinen letzten, wirklichen Freund, mit dem ich vier Jahre durch den Krieg geritten war und der die blutige Zeit wie ich überlebt hatte. Laffitter wusste, dass ich hinter ihm her war. Seit einem halben Jahr schon.

Ich ging also in die Golden Hall.

Als ich vom großen Vergnügungssaal in den Spielsalon wollte, hielt mich ein Türsteher auf und sagte: »Wenn Sie mir hundert Dollar zeigen können, Freund, lasse ich Sie rein.«

Ich holte meinen Geldbeutel hervor und ließ die Dollars darin klingeln.

Da durfte ich eintreten. Denn der Bursche kannte den Klang von Golddollars.

Ja, es ging dann wirklich alles sehr schnell.

Leroy Laffitter saß inmitten einer Pokerrunde in der Ecke schräg gegenüber dem Eingang. Bei meinem Eintreten trafen sich unsere Blicke über den halben Raum hinweg. Seine Schrecksekunde war nur kurz. Dann sprang er auf und schwang seinen Colt hoch, den er schon beim Aufspringen herausgeschnappt hatte. Denn er wusste, jetzt musste er ums Überleben kämpfen.

Er hatte sogar den ersten Schuss, aber er traf damit nur einen der zur Seite springenden Gäste, der auch mir in die Schusslinie geriet, sodass ich zögerte.

Aber dann schoss ich schneller als Leroy Laffitter und traf ihn.

Was dann geschah, bekam ich nicht mehr mit. Denn eine volle Flasche traf mich wie eine Kriegskeule von hinten am Kopf.

Als ich wieder zu mir kam, glaubte ich, dass mir bei jedem Pulsschlag der Kopf zerspringen würde. Aber das tat er dann doch nicht.

Jemand stieß mich mit der Stiefelspitze an. Ich öffnete meine Augen. Das Lampenlicht stach schmerzvoll.

Und dann sah ich zu Brian Gladstone empor. Denn er war es, zu dessen Füßen ich lag und der mir die Stiefelspitze leicht in die Seite stieß.

»Steh auf, du Narr!«

Ich gehorchte, denn es war selbst mein Wunsch, nicht länger zu seinen Füßen zu liegen und zu ihm emporblicken zu müssen wie zu einem Gott.

Ich taumelte ein wenig und wich bis zur Wand zurück, an die ich mich lehnen konnte. Mein Kopf hämmerte. Brian Gladstone war nicht allein. Er hatte noch zwei Männer bei sich, wahrscheinlich jene, die mich zu ihm schleiften oder trugen.

Ich kannte die Sorte, zu der sie gehörten. Das waren hartgesottene Townwölfe.

Sie betrachteten mich mit gnadenloser Neugierde, und es ging jene Stupidität von ihnen aus, die man bei Befehlsempfängern beobachten kann, denen längst jedes Gefühl für Menschlichkeit abhandengekommen war. Solche Typen gab es zu allen Zeiten. Mächtige bedienten sich ihrer.

Aber auf sie kam es jetzt nicht an. Brian Gladstone war der Boss.

»Dich kenne ich doch«, sagte er und deutete mit einer dicken Zigarre auf mich. »Du bist oder warst der Marshal von Antelope drüben im Pecos-Land. Über dich haben sich einige Freunde bei mir beklagt. Du hast sie alle aus deiner Stadt gejagt.«

Ich nickte. »So ist es«, erwiderte ich heiser. »Denn es war eine gute Stadt. Ihre Bürger hatten mich zum Marshal gemacht, damit ich das Gesindel fernhielt. Das war mein Job. Ich jagte damals auch Leroy Laffitter davon.«

»Und jetzt hast du ihn getötet«, murmelte Gladstone und betrachtete dabei die Asche seiner Zigarre fachmännisch. »Warum eigentlich?«

»Er erschoss einen Freund«, erwiderte ich, »der ihn bei einem Kartentrick erwischte. Nachdem ich ihn damals fortgejagt hatte, ging er in eine andere Stadt und erschoss dort am Spieltisch meinen Freund.«

Gladstone lachte leise. »Aha, ich verstehe«, sagte er. »Du fühlst dich irgendwie mitschuldig. Wenn du Laffitter nicht davongejagt hättest, wäre er in der nächsten Stadt nicht mit deinem Freund zusammengeraten. Dieser würde noch leben. Das nennt man wohl eine unglückliche Verkettung, nicht wahr? Aber es ist wahrscheinlich Schicksal. Nun, was machen wir denn mit dir ...?«

Er verstummte scheinbar unschlüssig.

Aber ich wusste, dass er sich längst schon entschlossen hatte.

Ich sagte mühsam: »Nun, es ist ganz einfach. Ich bin hier fertig, gehe zum Mietstall, nehme mein Pferd und verschwinde. Es war ohnehin nicht meine Absicht, hier zu bleiben. Ich könnte schon in wenigen Minuten ...«

»Nein«, unterbrach er mich, »so geht das nicht. Ich werde ein Exempel statuieren müssen. Warum? Nun, das will ich dir erklären. Denn ich möchte, dass du begreifst, warum ich nicht anders kann. Komm, trink einen Schluck, damit es dir ein wenig besser geht.«

Er deutete auf einen Tisch, auf dem eine Flasche Bourbon und Gläser standen.

Ich gehorchte. Denn ich wusste, dass mir ein scharfer Schluck gewiss helfen konnte, zumindest nicht schaden würde.

Sie ließen mir Zeit. Der Whisky war gut. Überhaupt war dies ein nobel eingerichteter Raum, halb Arbeits- und halb Wohnzimmer.

Ich schenkte mir noch mal ein, denn von meinem Magen breitete sich wohlige Wärme und Entspannung aus. Die hämmernden Kopfschmerzen ließen ein wenig nach. Meine Lebensgeister wurden angeregt. Vielleicht würden auch meine Reflexe sich verbessern, wenn es darauf ankam.

Brian Gladstone betrachtete wieder die Asche seiner Zigarre. Er war ein hellhäutiger und rothaariger Bursche, groß, hager und hart. Wenn er so grinste und seine etwas schrägen Augen zu funkeln begannen, dachte ich stets an einen Tiger, der sein Wild schon in eine ausweglose Enge getrieben hat und im nächsten Moment losspringen wird.

Er sagte: »Du musst das verstehen, Mister. Dies ist meine Stadt. Wer hier von mir geduldet wird, der zahlt an mich gewissermaßen Steuern von seinen Einnahmen und steht dafür unter meinem Schutz. Leroy Laffitter gehörte zur Gilde der Spieler. Wenn ich dich einfach laufen lasse, verliere ich das Vertrauen dieser Gilde. Also muss ich dich klein machen lassen von meinen Leuten. Ich habe gegen dich nichts persönlich. Es geht nur um mein Prestige. Du kannst gehen.«

Die drei letzten Worte sprach er fast sanft. Aber es war eine tückische und hinterhältige Sanftheit. Und ich wusste, er hatte mich in seiner Stadt zum Abschuss freigegeben.

Dass er überhaupt mit mir gesprochen hatte, geschah nur aus dem Grund, um herauszufinden, warum ich Leroy Laffitter auf der Fährte saß und gekommen war, ihn zu töten. Jetzt wusste er es. Und nun warf er mich seiner wilden Horde zum Fraß vor.

Ich ging zur Tür, öffnete sie und trat in den großen Amüsiersaal. Auf der Bühne tanzten sechs Mädchen, zeigten ihre Beine und ließen die Brüste hüpfen. Dabei sangen sie mit gewollt kindlich klingenden Stimmen ein frivoles Lied, dessen Text zu ihren Kinderstimmchen einen Kontrast bildete.

Alle Gäste und auch die Barmänner starrten zur Bühne. Nur nach jeder Strophe johlten die rauen Stimmen, klatschten die Hände, gellten Pfiffe und trampelten die Stiefel.

Ich ging an der Wand entlang zum Ausgang.

Meine Waffe war fort. Und draußen würden sie auf mich warten. Hätte ich den Hinterausgang nehmen sollen? Aber auch dort warteten sie gewiss.

Am Ausgang standen zwei Rauswerfer. Sie richteten ihre Blicke auf mich, vergaßen die Darbietung auf der Bühne. Als sie mich erkannten, grinsten sie. Und jeder öffnete eine der Schwingtürhälften für mich. Dann verbeugten sie sich wie Lakaien, die einem Fürsten das Tor aufhielten.

Ich trat hinaus. Meine Augen hatten sich zwar schnell an die Dunkelheit gewöhnt, doch nicht schnell genug.

Eine Lassoschlinge kam geflogen. Der Lassowerfer war ein Künstler, aber ich entkam der Schlinge dennoch. Nun wandte ich mich nach links und lief dicht an der Hauswand entlang.

Vielleicht kam ich bis zu meinem Pferd im Hof des Mietstalls. Dort steckte mein Gewehr im Sattelfutteral.

Fast ein halbes Dutzend Reiter verfolgte mich und zwei trieben ihre Pferde dicht an der Hauswand entlang. Einer kam mir entgegen, der andere wollte mich von hinten niederreiten.

Ich wandte mich um und brüllte das Tier mit einem wilden Schrei an. Es bäumte sich auf, und ich sprang an die Seite des Tieres. Der Reiter kämpfte noch dagegen an, dass er abgeworfen wurde. Ich riss ihn am Bein vom Pferd in einem wilden Ausbruch von Gewalt.

Aber das Pferd tanzte weg. Ich hatte es mit meinem wilden Schrei zu sehr erschreckt. Vielleicht hielt es mich für einen Puma. Ich konnte nicht aufsitzen. Der andere Reiter rammte mich mit der Pferdeschulter. Ich fiel und überschlug mich fast.

Als ich geduckt hochkam und wieder zur Hauswand wollte, wo ich einigermaßen sicher war vor der Lassoschlinge, da erwischte sie mich doch noch.

Ich trat in die Schlinge, und erst als sie sich zuzog, weil der Reiter sein Pferd anspringen ließ, wusste ich, dass sie mich hatten.

Der Ruck riss mir fast das Bein aus. Und dann zogen sie mich am Bein mithilfe des Lassos aus der Stadt.

Sie ließen die Pferde galoppieren – vorne der Kerl, der das Lasso geworfen hatte – und um mich herum die anderen. Sie johlten, pfiffen und trafen mich mit Bullpeitschen und Lassoenden. Staub wirbelte. Es gab aber auch kleine und größere Steine im Boden. Ich spürte das schon bald.

Wollten sie mich zu Tode schleifen?

Wieder einmal innerhalb einer Stunde erwachte ich aus der Bewusstlosigkeit und kehrte in die Welt der Schmerzen zurück.

Ich lag außerhalb der Stadt mitten auf dem Wagenweg. Sie mussten mich fast eine halbe Meile weit geschleift haben. Überall im weiten Tal leuchteten die Feuer und Lichter. Ich konnte es von meinem erhöhten Platz aus gut erkennen. Denn sie hatten mich ja schon ein Stück hinauf zum Pass geschleift.

Der Anblick des Tales mit all den Feuern und den Lichtern der Stadt hatte sich nicht verändert. Doch mit mir wurde alles anders.

Ich war ein Narr gewesen, hatte gewagt, in der Höhle eines Tigers einen seiner Schützlinge zu töten. Und wenn das auch im fairen Duell geschah, bei dem der andere sogar noch den ersten Schuss gehabt hatte, bedeutete das nichts für Brian Gladstone.