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In der siebenundzwanzigsten Runde rafft Red Digger Jack noch einmal alles zusammen, was er an Härte, Schlagkraft und Vernichtungswillen aufbringen kann. Er ist ein sechseinhalb Fuß großer Bursche aus Kentucky und wiegt mehr als zweihundertzwanzig Pfund. Er greift noch einmal an, nachdem er die letzten sieben Runden ständig rückwärts marschiert ist und von Dan Barton fürchterlich verprügelt wurde.
Dieser Kampf ist, wie alle Kämpfe jener Zeit, eine harte Sache. Denn die beiden Preiskämpfer kämpfen ohne Boxhandschuhe. Die kennt man im Jahre 1870 noch nicht.
Ausgetragen wird der Kampf auf einem großen Holzfloß, über dessen Stämme man gehobelte Bretter gelegt hat. Es ist eine glatte Fläche, so groß wie ein Tanzsaal.
Das Floß schwimmt im Hafen von St. Louis an vier kurzen Haltetauen, und es ist an drei Seiten eingerahmt von großen und kleinen Lastkähnen, Dampfbooten und Leichtern. Die vierte Seite wird vom Ufer des Flusses gebildet. Auf diesem Hafenufer und auf all den Schiffen, Booten und Lastkähnen, sitzen, hocken und stehen brüllende Menschen ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Arkansas
Vorschau
Impressum
Arkansas
In der siebenundzwanzigsten Runde rafft Red Digger Jack noch einmal alles zusammen, was er an Härte, Schlagkraft und Vernichtungswillen aufbringen kann. Er ist ein sechseinhalb Fuß großer Bursche aus Kentucky und wiegt mehr als zweihundertzwanzig Pfund. Er greift noch einmal an, nachdem er die letzten sieben Runden ständig rückwärts marschiert ist und von Dan Barton fürchterlich verprügelt wurde.
Dieser Kampf ist, wie alle Kämpfe jener Zeit, eine harte Sache. Denn die beiden Preiskämpfer kämpfen ohne Boxhandschuhe. Die kennt man im Jahre 1870 noch nicht.
Ausgetragen wird der Kampf auf einem großen Holzfloß, über dessen Stämme man gehobelte Bretter gelegt hat. Es ist eine glatte Fläche, so groß wie ein Tanzsaal.
Das Floß schwimmt im Hafen von St. Louis an vier kurzen Haltetauen, und es ist an drei Seiten eingerahmt von großen und kleinen Lastkähnen, Dampfbooten und Leichtern. Die vierte Seite wird vom Ufer des Flusses gebildet. Auf diesem Hafenufer und auf all den Schiffen, Booten und Lastkähnen, sitzen, hocken und stehen brüllende Menschen ...
Eine gierige Meute von mehr als viertausend Menschen hat sich eingefunden, um zu erleben, wie der Kampf zwischen Red Digger Jack und Arkansas Dan Barton ausgehen wird. Man hat Wetten abgeschlossen und hohe Eintrittsgelder bezahlt.
Und nun will man etwas sehen für sein Geld, denn solch eine Meute ist grausam und mitleidslos.
Dan Barton weicht Digger Jack elegant aus, und als dieser an ihm vorbeitaumelt, trifft er ihn hart auf Ohr und Kinnwinkel. Red Digger Jack stöhnt seltsam und schwankt. Eines seiner Augen ist total geschlossen. Und als Dan Barton jetzt in Jacks anderes Auge blickt, erblickt er darin einen verzweifelten Ausdruck. Es sind Angst und wilde Verzweiflung, die ihn aus diesem Auge ansehen. Red Digger Jack weiß längst, dass er geschlagen ist.
Dan Barton schlägt einen gewaltigen Aufwärtshaken. Das wirkt sehr langsam und fast unbeholfen. Aber Digger Jack kann den Kopf nicht zurücknehmen. Er bekommt Dan Bartons Rechte krachend ans Kinn. Der Kopf wird ihm zurückgerissen, und dann fällt er schwer auf die Bretter.
Sein Auge starrt noch einmal verzweifelt zum Gegner hoch, dann schließt es sich müde. Red Digger Jack legt sich auf den Rücken und breitet die Arme aus.
Der Kampf ist zu Ende.
Am Ufer, auf den Schiffen, Kähnen, Booten und Flößen toben die Menschen. Es ist ein unbeschreiblicher Lärm.
Dan Barton senkt seine schmerzenden Fäuste. Sie sind blutig.
Er denkt: Das ist es! Das war Red Digger Jack, und das war mein letzter Kampf. Zum Teufel, nie mehr wieder! Nie wieder! Jetzt bin ich fertig! Morgen beginnt mein neuer Weg!
Mit dem Unterarm wischt er sich müde über das Gesicht. Seine Brust hebt sich schwer, er atmet keuchend.
Er tritt zu dem bewusstlosen Gegner, der nun vom Kampfrichter, seinem Manager und einem Arzt untersucht wird. Er wirft einen Blick auf Digger Jack. Dann verspürt er wieder würgend jenes bittere Gefühl, welches in ihm aufsteigt.
»Zum Teufel!«, keucht er freudlos, wendet sich schnell ab und geht zum Rand der schwimmenden Plattform, an der ein Boot festgemacht ist. Als er in das Boot klettert, klopft ihm Sam Chandler auf die Schulter und sagt zufrieden: »Das war prächtig, Daniel, wirklich prächtig! Mit deinen Fäusten wirst du dir noch die ganze Welt erobern und zu Füßen legen. Dafür garantiere ich! Lass den guten Sam Chandler nur machen, mein Junge! Der macht aus dir die größte Nummer.«
Er grinst breit. Er ist ein dicker und unförmiger Mann mit kleinen, kalten und harten Augen, einer kleinen Nase, breitem Kinn und fleischigen Lippen.
Dan Barton setzt sich auf eine Bank. Cliff Hackett hängt ihm eine Wolldecke um. Sam Chandler sagt zu den beiden Ruderleuten: »Los, Jungs! Zur Blue Star!«
Das Boot legt ab, wird zwischen Schiffen und Kähnen durchgerudert und kommt nach wenigen Minuten aus dem Hexenkessel heraus. Die Strömung des Mississippi erfasst es und treibt es bald darauf an die heruntergelassene Treppe eines großen Raddampfers, an die Blue Star.
Fünf Minuten später liegt Dan Barton in seiner Kabine auf dem Bett. Kurz darauf erhebt er sich, um in die Badewanne zu steigen.
Es ist etwa eineinhalb Stunden nach dem Kampf, als Dan Barton angekleidet vor dem Spiegel steht und sich darin ernst betrachtet.
Er ist sehr groß, breit in den Schultern und schmal in den Hüften. Der dunkle Anzug und das blütenweiße Hemd stehen ihm gut. Er ist jetzt sechsundzwanzig Jahre alt und seit vier Jahren Preiskämpfer. In diesen vier Jahren hat er achtunddreißig Kämpfe gemacht, und diese Kämpfe haben in seinem Gesicht ihre Zeichen hinterlassen. Früher war er ein hübscher Bursche, in den sich viele Mädels verliebten.
Jetzt ist er ein harter, ernster und ruhiger Mann mit Narben im Gesicht, zerschlagenen Ohren und einer Nase, die nie wieder ihre frühere Form bekommen wird.
Sein Haar ist rabenschwarz, seine Augen sind grau und haben einen ruhigen und ernsten Blick.
Da er eine sehr stattliche Figur hat, sein Kopf gut geschnitten und alles sonst an ihm richtig ist, wirkt er trotz der vielen Narben und all der anderen Zeichen, die harte Kämpfe an ihm hinterließen, sehr ansehnlich und ganz bestimmt nicht wie ein Preiskämpfer.
Er betrachtet sich prüfend. Dann nickt er sich ernst zu, wendet sich zur Tür und tritt auf den Gang. Nach vier Schritten erreicht er Sam Chandlers Kabine, öffnet diese und tritt langsam ein.
Sam Chandler sitzt dick und massig hinter einem kostbaren Schreibtisch und zählt einen Berg von Geld. Er ist jedoch fast fertig, denn auch aufs Geldzählen versteht er sich gut. Seine fetten Finger arbeiten behände, und ein Tausend-Dollar-Packen gesellt sich zum anderen. Die Stapel der Geldstücke sind schon wie goldene Türme aufgereiht.
Er grinst kurz zu Dan Barton hinüber, nickt ihm zu und zählt dabei mit lautlosen Lippenbewegungen und in fortwährender Rastlosigkeit seiner behänden Finger.
Dan Barton richtet seinen ruhigen Blick auf Cliff Hackett, der neben Sam Chandler auf der dicken Lehne eines Polstersessels sitzt und mit einem Bein lässig schlenkert.
Cliff Hackett erwidert diesen Blick unpersönlich und kalt. Er ist ein sehr gefährlicher Mann. Dan Barton weiß das. Er hat vier Jahre Zeit gehabt, um diesen Revolvermann studieren zu können. Hackett ist mager, farblos und kaum mehr als mittelgroß. Aber er ist so gefährlich wie ein ausgehungerter, erfahrener und mitleidloser Wüstenwolf aus der Apachenwüste in Arizona.
Dan Barton hat ihn schon dann und wann bei der Arbeit gesehen, denn es gab immer wieder Burschen, die so dumm und so vermessen waren, einen Sam Chandler betrügen zu wollen.
Als Dan Barton sieht, dass Sam Chandler mit dem Geldzählen bald fertig sein wird, stößt er seine Schultern von der Tür ab und geht zu einem Tisch, auf dem einige Flaschen, Gläser und eine Platte mit Appetithappen stehen. Er bedient sich ruhig. Es ist ihm äußerlich nichts anzumerken, und doch weiß er genau, dass die nächsten Minuten für ihn schwerer und gefährlicher sein werden als die siebenundzwanzig Runden gegen Red Digger Jack.
Aber er wartet geduldig. Das hat er gelernt.
Bald darauf breitet Sam Chandler wie segnend seine Hände über dem Geld aus.
»Ein gutes Geschäft«, sagt er. »Gregg Lander hat mit mir ehrlich abgerechnet. Siebentausend Dollar an Eintrittsgeldern kommen auf unseren Anteil. Die Wetten habe ich auch schon hereinbekommen, denn meine Jungs arbeiten schnell und präzise. Siebzehntausend Dollar gewonnene Wetten. Und dabei standen die Wetten eins zu eins. Jungs, wir haben heute vierundzwanzigtausend Dollar in der Kasse.«
Er grinst breit. Seine kleinen Augen funkeln.
»Ich zahle es morgen auf der Bank ein«, sagt er. »Ihr werdet mich begleiten. Unser Konto ist schon mächtig angewachsen. Daniel, eines Tages wirst du eine Ranch mit hunderttausend Rindern kaufen können. Und heute jährt sich zum vierten Mal der Tag, da ich dich als verhungerten Satteltramp auflas und dir zur großen Chance deines Lebens verhalf.«
Sein Grinsen soll väterlich und wohlwollend sein, aber es ist ein lauerndes Grinsen, denn seine kleinen Augen sind dabei hart und wachsam. Er öffnet die Schreibtischlade und sagt dabei beiläufig: »Richtig, wir müssen ja unseren Vertrag erneuern, Daniel! Aber das ist ja nur eine Formsache. Wir sind ja gute Freunde, nicht wahr? Wir sind ein prächtiges Team! Mein Kopf, deine Fäuste, Dan, und Cliff Hacketts schnelle Hand, das alles ist schon etwas, nicht wahr?«
Er holt einen Bogen Papier aus der Schreibtischschublade und legt ihn auf den Tisch.
»Unterschreibe, Dan, und der Vertrag ist um weitere vier Jahre verlängert«, sagt er. »Du bekommst die gleichen Anteile wie bisher. Aber alle Unkosten und dein Unterhalt gehen diesmal ganz auf meine Rechnung. Du wirst auf meine Kosten nicht schlecht leben.«
Er greift in die Seitentasche seines Rockes und holt ein abgegriffenes Notizbuch hervor. Er beginnt, darin zu blättern, und sagt dann wohlwollend: »Ich führe immer sehr genau Buch. Abzüglich aller Kosten und Auslagen, Vorschüsse und sonstigen Ausgaben für dich, Daniel, hast du in den vergangenen vier Jahren rund zwanzigtausend Dollar verdient. Aber das große Geld kommt erst jetzt, jetzt, wo du berühmt geworden bist. In den kommenden vier Jahren wirst du hunderttausend Dollar machen. Du bist ein Glücksjunge, Daniel! Als erstklassiger Spitzencowboy hättest du in den vergangenen Jahren keine zweitausend Dollar verdient. Komm, mein Junge!«
Er taucht die Feder in ein Tintenfass und hält sie Dan Barton entgegen.
Jetzt erhebt sich Dan Barton von seinem Stuhl. Er tritt langsam näher und hält inne, als er Cliff Hackett, der immer noch auf der Sessellehne sitzt, in seiner Reichweite hat.
Hackett steht auf. Es ist ihm plötzlich zu eng zwischen Schreibtisch, Sessel, Raumecke und Dan Barton. Er möchte um den Sessel herumgehen, aber er steht zu sehr an der Wand. Wenn er in die Mitte des Raumes will, so muss er zwischen Dan und dem Sessel durch. Aber Dan macht ihm nicht Platz, im Gegenteil, er macht noch einen halben Schritt zur Seite.
Er hat den Revolvermann regelrecht eingekeilt.
Und Cliff Hackett beginnt sofort zu begreifen, was das zu bedeuten hat. Er verzieht die schmalen und blutleeren Lippen. Es ist ein kaltes Grinsen. In seinen wasserhellen Augen leuchtet es gefährlich. Er tritt schnell zurück, bis sein Rücken die Wand fühlt, und greift unter die offene Jacke.
Aber er bekommt den Revolver nicht aus dem Schulterholster. Dan Barton trifft ihn einen Sekundenbruchteil früher mit der Faust in die Magengrube. Mit der anderen Hand schlägt er ihn auf den Arm, und die Waffe fällt zu Boden. Dan stößt sie mit dem Fuß unter den Sessel und betrachtet Cliff Hackett ruhig. Der Revolvermann ist gelbgrün im Gesicht. Er legt beide Hände auf den Magen, seufzt bitter und rutscht mit dem Rücken an der Wand nieder, bis er in der Hocke sitzt.
»Was soll das?«, fragt Sam Chandler. Er sitzt immer noch ruhig und unbeweglich hinter dem Schreibtisch.
»Hackett wusste es sofort, als ich ihn einkeilte«, sagt Dan Barton ruhig. »Und du weißt es auch, Sam! Aber ich will es dir sagen. Ich unterschreibe keinen neuen Vertrag. Ich bin fertig als Preisboxer! Es war schwer genug für mich, die vier Jahre durchzuhalten. Du hast soeben gesagt, dass ich rund zwanzigtausend Dollar bei dir gut habe. Nach meiner Rechnung müsste mein Anteil fast doppelt so hoch sein. Aber ich will nicht jeden Cent, den du für mich gezahlt hast, und ich will auch nicht alle Unkosten durchsehen und nachrechnen. Ich will mich sogar mit den zwanzigtausend Dollar zufriedengeben. Gib sie mir, Sam! Leg sie mir vor! Und schreib mir eine Erklärung aus, dass sie mein gerechter Anteil sind. Dann nehme ich sie und gehe. Ich warte schon lange auf diesen Tag, der mich wieder zu einem freien Mann macht.«
Er sagt es ernst und endgültig.
Sam Chandler blickt ihn eine Weile schweigend an. Sein fleischiges Gesicht wirkt hart.
Langsam wendet er den Kopf und blickt auf seinen Revolvermann Cliff Hackett nieder, der immer noch in der Hocke an der Wand lehnt, beide Hände auf den Magen presst und versucht, seine Schmerzen niederzuringen.
»Du hast nicht aufgepasst, Cliff«, sagt Sam Chandler sanft. »Dieser Junge hat dich überrumpelt wie einen Dummkopf. Er hat vier Jahre deinen Stil studiert und dich richtig reingelegt.«
Dann blickt er wieder Dan an.
»Aber auch du bist ein Dummkopf«, sagt er härter. »Und undankbar. Ein halb verhungerter Satteltramp warst du, als ich dich auflas. Es gab nach dem Krieg in Texas und auch anderswo nirgends Arbeit für Cowboys. Du wärest irgendwo verhungert oder einer von diesen Banditen geworden, die auf allen Poststraßen arbeiteten und die früher oder später zur Hölle sausten. Junge, ich habe dich damals davor gerettet, vor die Hunde zu gehen. Ich gab dir eine Chance.«
»Du hast gut verdient dabei«, murmelt Dan. »Und ich habe den Vertrag erfüllt. Jetzt will ich mein Geld! Zahl mich aus, Sam. Trennen wir uns in Frieden.«
Aber Sam Chandler schüttelt auf eine störrische und zugleich auch mitleidige Art den Kopf. Er lehnt sich in seinen Sessel zurück, faltet die dicken Hände über dem Bauch und blickt Dan Barton eine Weile schweigend an.
»Ich will es dir erklären«, brummt er dann. »Ich bin Manager von Preiskämpfern, nicht wahr? Es kommt nicht alle Jahre vor, dass ich einen Burschen finde, mit dem ich Geld machen kann. Aber wenn ich einen gefunden habe, dann ist er für mich eine Goldgrube. Daniel, wenn du eine Goldgrube besitzen würdest, würdest du dann zulassen, dass man sie dir einfach wegnimmt?«
Er fragt es mit schief geneigtem Kopf und breitet wie beschwörend seine Hände aus. »Ich weiß, mein Junge, wie es in dir ist. Ja, es ist ein hartes Brot, immer wieder kämpfen zu müssen. Aber der Verdienst ist hoch!«
Er hält Dan Barton wieder die Feder hin.
»Ich höre auf«, sagt Dan nochmals entschieden. Er zögert unmerklich. Doch dann sagt er hart: »Vor gut zwei Stunden habe ich Red Digger Jack zerhämmert. Für seinen Manager ist Digger Jack keine zehn Cent mehr wert. Auch mir würde es eines Tages so gehen. Ich hatte auch bei dir Vorgänger, nicht wahr? Ich habe die Geschichte von Buffalo Rock gehört. Der hatte vor mir einen Vertrag mit dir. Er machte fast hundert Kämpfe, und sein Guthaben bei dir war mächtig hoch. Er träumte immer von einem schönen Haus an der Küste, von Rosen, Pfirsichbäumen und einer prächtigen Kutsche. Aber in einem Kampf wurde er schlimm zerschlagen. Er blieb danach blind, war taub und fiel in einer dunklen Nacht in den Fluss. Er ertrank, und als man ihn herausfischte, bekam er von dir eine schlichte Beerdigung. Er hatte keine Erben. Sein Geld blieb in deiner Kasse. Er hatte für dich gekämpft, bis er nicht mehr konnte. Gib mir jetzt mein Geld, Sam Chandler! Und die schriftliche Erklärung, dass es sich um meinen rechtmäßigen Anteil handelt. Sonst werde ich rau!«
»Und wie würde das aussehen, mein trotziger Junge?«, fragt Sam Chandler kühl.
Dan Barton nickt zu Cliff Hackett hin, der seine Not immer noch nicht überwunden hat.
»Ich würde ihn hier festbinden. Dann würde ich dich zum Richter schleppen. Das Buch dort würde ich mitnehmen. Und dann würde der Richter anordnen, dass du mich auszahlst. Unser Vertrag ist abgelaufen. Ich brauche ihn nicht zu verlängern. Ich habe ein Recht auf meinen Anteil. Es ist alles klar und einfach.«
Sam Chandler überlegt. Dann nickt er.
Er nimmt ein Blatt Papier und schreibt einige Worte darauf. Dann zählt er zwanzigtausend Dollar ab. Das geht schnell, denn er hat das Geld zu je tausend Dollar sortiert.
»Hier ist das Geld, und hier ist auch die schriftliche Erklärung, dass wir ordnungsgemäß abgerechnet haben«, sagt er. »Nimm alles und geh, mein Junge. Geh nur!«
Dan Barton tritt in die andere Ecke des Raumes. Hier befinden sich einige Koffer und Reisetaschen in einem Schrank. Er holt eine Reisetasche heraus, kommt damit zum Tisch zurück und wischt mit einer Armbewegung das Geld in die offene Tasche hinein. Das Schriftstück faltet er sorgfältig zusammen, nachdem er es durchgelesen hat, und bringt es in seiner Brieftasche unter.
Draußen ist es inzwischen ziemlich dunkel geworden. Hier im Raum müsste bald eine Lampe angezündet werden. Von seinem Standort aus sieht Dan Barton den massigen Sam Chandler nur undeutlich.
»Ich kenne euch gut«, sagt er. »Sam, versuche nicht, mir mein Geld wieder abzujagen. Schick auch diesen Revolverschwinger nicht hinter mir her. Ich bin nicht blind und taub wie Buffalo Rock. Ich kann gut für mich sorgen. Das ist eine Warnung!«
Dan Barton reißt die Tür auf und verschwindet. Er eilt den Gang entlang, betritt das First-Class-Deck und eilt den Niedergang zum Texasdeck hinunter.
Als er sich über das Geländer beugt, erkennt er im Dämmerlicht des Abends noch das Boot. Er wirft die Tasche hinunter und springt nach.
Dan Barton stößt das Boot in die Strömung und beginnt zu rudern.
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Dan Barton rudert etwa zehn Meilen mit der Strömung. Er glaubt nun immer mehr daran, dass all die Dinge hinter ihm zurückbleiben und eine neue Zukunft vor ihm liegt.
Er fühlt sich frei und sieht seinen neuen Weg vor sich.
Als er am Westufer des Flusses die Lichter einer kleinen Stadt in der Nacht leuchten sieht, rudert er ans Ufer. Er erreicht eine Landebrücke, macht das Boot fest, nimmt die mit Geld gefüllte Reisetasche und geht an Land.
Es ist eine kleine Stadt, die im Schatten von St. Louis lebt. Er wandert die River Street entlang und überlegt, ob er mit der Postkutsche nach Westen reisen oder auf einem Pferd reiten soll.
Ein langer Ritt im Sattel ist beschwerlicher, aber Dan Barton sehnt sich nach einem Ritt. Er hat sich vier lange Jahre danach gesehnt, wieder in einem Sattel zu sitzen und den Wind zu spüren.
Als er an einem Saloon vorbeigeht, treten einige Männer heraus und blicken ihm nach. Einige Reiter kommen in den Ort geritten. Es sind Cowboys. Eine Stimme ruft: »Jungs, so viel Whisky gibt es hier gar nicht, dass wir ihn nicht vertilgen könnten! Du lieber Vater, was werden wir heute für einen Spaß haben!«
Die Reiter sitzen vor dem River Queen Saloon ab. Dan Barton sieht es über die Schulter hinweg. Er erreicht einen Store.
Der Storehalter will gerade schließen, doch Dan sagt: »Ich brauche noch eine Ausrüstung, Mister.«
Der Mann betrachtet ihn im herausfallenden Lichtschein.
»An was für eine Ausrüstung dachten Sie?«, fragt er dann.
»Raten Sie mal!«, grinst Dan und tritt ein.
»Ich führe keine eleganten Ausstattungen für Gentlemen«, brummt der Storehalter und geht hinter den Ladentisch. »Bei mir kaufen nur Flussschiffer, Fischer, Frachtfahrer und Cowboys.«
»Ich bin ein Cowboy«, sagt Dan und wendet sich den Regalen zu.
»Dann haben Sie sich aber gut verkleidet«, gibt der Storehalter zurück. »Ihr Anzug ist selbst für das feinste Haus von St. Louis gut genug. Nun gut, bedienen Sie sich.«
Als Dan Barton eine halbe Stunde später den Store verlässt, hat er alles, was er braucht, sogar einen Revolver, ein Gewehr und Munition. Es ist ein schweres Bündel, welches er schleppt, denn zu seiner Ausrüstung gehören auch eine Zeltplane, Decken, eine Bratpfanne, ein Kaffeetopf, Proviant und viele andere Dinge.
Er wird außer seinem Reittier auch ein Packpferd nötig haben, denn das ist für einen langen Ritt nach Westen unbedingt nötig.
Er geht zum Mietstall.
Als er eintritt, sieht er zwei Männer auf einer Futterkiste sitzen. Sie blicken ihn kurz an, dann wenden sie sich wieder ihrer Beschäftigung zu.
Sie würfeln nämlich.