G. F. Unger 2126 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2126 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war in grauer Vorzeit, lange vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus, als sich im fernen Alaska ein großer Teil des athapaskischen Volkes auf den Weg nach Süden machte. Jagend und ständig kämpfend durchquerten sie den nordamerikanischen Kontinent.
Im Süden angekommen, mussten sie sich an ein Wüstenland anpassen. Sie wurden Wüstenwanderer und Jäger und verharrten auf einer steinzeitlichen Kulturstufe. Sie lebten von der Jagd, vom Raub und kämpften stets aus dem Hinterhalt. Dennoch behaupteten sie sich mehr als dreihundert Jahre gegen die Spanier, Mexikaner, Texaner und Amerikaner, besiegten sie immer wieder und versetzten sie in Angst und Schrecken.
Sie selbst nannten sich »Enju« oder »Yndyes«, was so viel wie Volk bedeutet. Sie gliederten sich in viele Stämme, also in die Chiricahua, Mescalero, Coyotero, Jicarilla, Mimbreño, Tonto und Lipan, um nur die Wichtigsten zu nennen. Um 1830 betrug die Kopfzahl aller Stämme rund achteinhalbtausend. Und dennoch waren sie eine große Macht. Die Pueblo-Indianer hatten unter den raubenden und mordenden Eindringlingen aus dem hohen Norden besonders zu leiden. Und sie nannten sie »Apachus«, denn das war ihr Wort für Feinde.
Als dann Francisco Vasquez de Coronado mit seinen gepanzerten und berittenen Soldaten ins Land einbrach und nach den sieben goldenen Städten von Cibola suchte, bekam er es auch mit den Apachus zu tun. Diese jagten die ganze goldgierige Bande der Spanier nach Mexiko zurück und fügten ihnen große Verluste zu. Wieder in den sicheren Bereich des Aztekenlandes entkommen, berichtete Coronado von den schrecklichen Apachus. Und so kamen die Enjus oder Yndyes zu ihrem heutigen noch gültigen Namen.


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Apachus

Vorschau

Impressum

Apachus

Es war in grauer Vorzeit, lange vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, als sich im fernen Alaska ein großer Teil des athapaskischen Volkes auf den Weg nach Süden machte. Jagend und ständig kämpfend durchquerten sie den nordamerikanischen Kontinent.

Im Süden angekommen, mussten sie sich an ein Wüstenland anpassen. Sie wurden Wüstenwanderer und Jäger und verharrten auf einer steinzeitlichen Kulturstufe. Sie lebten von der Jagd, vom Raub und kämpften stets aus dem Hinterhalt. Dennoch behaupteten sie sich mehr als dreihundert Jahre gegen die Spanier, Mexikaner, Texaner und Amerikaner, besiegten sie immer wieder und versetzten sie in Angst und Schrecken.

Sie selbst nannten sich »Enju« oder »Yndyes«, was so viel wie Volk bedeutet. Sie gliederten sich in viele Stämme, also in die Chiricahua, Mescalero, Coyotero, Jicarilla, Mimbreño, Tonto und Lipan, um nur die Wichtigsten zu nennen. Um 1830 betrug die Kopfzahl aller Stämme rund achteinhalbtausend. Und dennoch waren sie eine große Macht. Die Pueblo-Indianer hatten unter den raubenden und mordenden Eindringlingen aus dem hohen Norden besonders zu leiden. Und sie nannten sie »Apachus«, denn das war ihr Wort für Feinde.

Als dann Francisco Vasquez de Coronado mit seinen gepanzerten und berittenen Soldaten ins Land einbrach und nach den sieben goldenen Städten von Cibola suchte, bekam er es auch mit den Apachus zu tun. Diese jagten die ganze goldgierige Bande der Spanier nach Mexiko zurück und fügten ihnen große Verluste zu. Wieder in den sicheren Bereich des Aztekenlandes entkommen, berichtete Coronado von den schrecklichen Apachus. Und so kamen die Enjus oder Yndyes zu ihrem heutigen noch gültigen Namen.

G.F. Unger

Es war an einem späten Nachmittag, als ich auf der anderen Seite des Creeks, dessen Wasser meinem Pferd nur bis zu den Fesseln reichte und nur wenig spritzte, während ich hindurchritt, das Anwesen der Alvarez' in Sicht bekam.

Auf der kleinen Ranch war keine Bewegung. Alles dort wirkte wie ausgestorben. Und das war ungewöhnlich. Deshalb ritt ich mit zunehmender Sorge weiter. Ich musste etwas hangaufwärts. Denn die Hütten, Scheunen und Corrals lagen hoch genug, um nicht vom Hochwasser bedroht zu werden, welches den Creek nach einem Unwetter stets für einige Stunden in einen reißenden Fluss verwandelte.

Nun, ich ritt also durch den jetzt zahmen Concho Creek und trieb mein müdes Pferd noch einmal an.

Denn nun war ich nahe genug, um zu sehen, dass etwas nicht stimmte.

Es waren keine Tiere in den Corrals. Von der ganzen Sippe der Alvarez' war nichts zu sehen, keine Kinder, die sonst zumeist am Creek spielten. Und auch die Frauen der Sippe arbeiteten nicht auf den Feldern oder rings um die Hütten in den Gärten.

Es war alles dort ohne Leben. Nicht mal die Hühner sah ich.

Aber dann ritt ich am ersten Corral vorbei und sah dort Paco Alvarez liegen.

Er war tot und skalpiert.

Doch er war schon lange tot, länger schon als einen ganzen Tag. Das sah ich im Vorbeireiten. Nun wusste ich Bescheid, und mein schwerer Colt lag wie von selbst in meiner Hand.

Doch ich wusste, ich kam zu spät. Ich konnte nichts mehr retten. Alles war schon vor vielen Stunden geschehen, wahrscheinlich im Morgengrauen. Und nun war es fast schon Abend. Ich wusste, dass sie alle tot waren. Es konnte gar nicht anders sein.

Dennoch war Hoffnung in mir. Mit dem Colt in der Hand warf ich mich vom Pferd und war für alles bereit. Doch es lauerte niemand in einem Hinterhalt.

Ich fand sie dann in den Hütten. Sie lagen fast alle noch in den Betten. Also war der Überfall gegen Ende der Nacht, wahrscheinlich im Morgengrauen, über sie hereingebrochen. Nur Paco war schon draußen gewesen. Ihn hatten sie gewiss lautlos erledigt.

Apachen!

Dieses Wort war wie ein Schrei in mir.

Aber es stimmte etwas nicht.

Wer diesen Überfall verübt hatte, er hatte nichts angezündet. Und Apachen hätten hier alles niedergebrannt, es sei denn, sie hätten am Morgen keine Rauchsäule aufsteigen lassen wollen, um Verfolgern nicht zu verraten, wo man sie zu suchen hatte.

In diesem Land war eine schwarze Rauchsäule Dutzende von Meilen weit zu erkennen.

Hatten vielleicht mexikanische Bandoleros, welche über die Grenze kamen und weit nach Norden eingedrungen waren, hier gehaust? Aber auch das konnte nicht sein. Denn man hatte Paco Alvarez skalpiert.

Und nicht nur ihn, auch alle anderen Menschen der Sippe hatte man auf diese bestialische Weise verstümmelt, ihnen also die Kopfhaut abgezogen. Ich begriff endlich, dass man es nach der Art der Skalpjäger gemacht hatte, nicht nach Apachenart.

Und einige der Frauen – es waren Maria, Conchita und Rosita – waren vergewaltigt worden. Denn sie waren jung und mehr als hübsch gewesen. Nur die alte Juana hatten sie erschlagen. Ihr Haar war schon weiß und deshalb nicht als Apachenskalp zu verkaufen.

So stand also für mich fest: Hier waren Skalpjäger gewesen.

Und die ganze Alvarez-Sippe war schwarzhaarig. Alle – auch die Männer Manuel, Roberto und Francisco – trugen das Haar lang. Als Skalp war es nicht von einem Apachenskalp zu unterscheiden. Ja, das war es, verdammt! Auch die Kinder waren skalpiert worden.

Denn die Städte zu beiden Seiten der Grenze zahlten Prämien für Apachenskalpe.

Und weil so mancher Mexikaner- oder Halbblutskalp einem Apachenskalp zum Verwechseln ähnlich sah, töteten die Skalpjäger nicht nur Apachen. Sie waren Mörder, menschliche Bestien, brutal in ihrer Geldgier.

Ich stöhnte vor Schmerz und Wut.

Die ganze Alvarez-Sippe war vernichtet worden.

Auch ich war ein Alvarez, wenn auch nicht mit ihnen verwandt. Denn sie hatten mich als kleinen Burschen halb tot am Wagenweg nach Tucson aufgelesen. Ich war noch so klein gewesen, dass ich nur meinen Vornamen sagen konnte, als sie mich nach Wochen wieder gesund gepflegt hatten.

Jake war der Name. Ich mochte damals noch keine drei Jahre alt gewesen sein. Die Apachen hatten mich geraubt. Das war nicht außergewöhnlich. Sie taten es stets bei kleinen Jungen, wenn sich die Gelegenheit bot. Denn sie machten aus den kleinen Kindern Apachen. Sie hatten ja ständig Verluste an Kriegern, weil sie von Raub und Überfällen lebten und immerzu Krieg führten. Ihre Frauen konnten ihnen gar nicht so viele Kinder gebären, wie es nötig gewesen wäre. Und so war es bei ihnen üblich, Kinder der Weißen und der Mexikaner zu entführen, um sie zu Apachen zu machen.

Dies war auch mein Schicksal gewesen. Doch dann waren sie von einer Armeepatrouille verfolgt worden und hatten sich des kranken Kindes entledigt. Sie hatten mich in einen Dornenbusch geworfen.

So erzählten es mir die Alvarez', die mir dann ihren Namen gaben. Sie wurden meine Familie. Bei ihnen wuchs ich auf. Aber ich war nicht mexikanischer Abstammung. Das sah man auf den ersten Blick. Dennoch wurden Manuel, Roberto und Francisco meine Brüder. Jetzt waren sie tot. Und der alte Paco, der zu mir wie ein Vater gewesen war, lag da drüben beim Corral.

Ich wollte heimkehren zu meiner Sippe. Aber die gab es nun nicht mehr. Ich musste sie alle beerdigen. Viele Gräber würde ich schaufeln müssen. Langsam wurde es Nacht. Ich würde im Mond- und Sternenschein meine traurige Pflicht erfüllen.

Was für eine Heimkehr nach einigen Jahren des ständigen Reitens und Suchens!

Ja, ich war als junger Bursche fortgeritten. Sie hatten es verstanden und mir Glück gewünscht. Denn sie wussten, ich wollte suchen, um vielleicht herausfinden zu können, was es für ein Wagenzug gewesen war, der damals überfallen wurde.

Aber ich fand nichts heraus, gar nichts. Und so würde ich bis an mein Lebensende ein Alvarez bleiben und meinen richtigen Namen niemals erfahren.

Ich ging im letzten Licht des sterbenden Tages noch einmal durch die Hütten und all die Nebengebäude, die Schuppen, Werkstätten und Scheunen. Denn Juan fehlte.

Als ich vor drei Jahren fortritt, da war Juan so um die acht Jahre alt gewesen. Nun musste er elf sein.

Wo war er? Oder hatte es ihn bei dem Überfall gar nicht mehr gegeben, weil er schon vorher gestorben war?

Ich hatte plötzlich das instinktive Gefühl, dass ich nach Juan suchen musste.

Aber wo konnte er sein, falls es ihn überhaupt noch gab?

Ich rief laut: »Juan! Ich bin Jake, dein großer Bruder! Ich bin Jake, der heimgekommen ist! Juan, wenn du dich versteckt hast und mich hören kannst, dann komm heraus aus deinem Loch! Ich bin hier, ich, Jake, der wieder heimgekehrt ist!«

Ich hörte eine Weile nichts.

Dann aber glaubte ich, etwas zu vernehmen. Es klang leise und kläglich, aber auch irgendwie dumpf wie aus einem Keller.

Und plötzlich begriff ich und eilte zum Brunnen.

Ich beugte mich über den gemauerten Rand und fragte hinunter: »Juan, bist du dort unten?«

»Ich kann nicht allein heraus, Jake«, erwiderte er. »Sie hielten mich für tot und warfen mich in den Brunnen. Auch Lobo warfen sie hier herunter. Sie schlugen ihm den Schädel ein.«

Lobo, das war der große Wolfshund, an den ich mich noch gut erinnern konnte.

Die verdammten Mörder, die hier ihre Untaten begingen, hatten den Brunnen vergiften und unbenutzbar machen wollen. Deshalb warfen sie Juan und den Hund hinein.

O Vater im Himmel, warum durften solche Ungeheuer auf unserer Erde leben? Warum waren sie noch nicht alle in der Hölle?

Ich rief hinunter: »Sei ganz ruhig, Juan, mein Kleiner. Ich hole dich und Lobo heraus. Jetzt wird alles gut für dich.«

»Nichts wird gut, Jake«, hörte ich ihn heiser sagen, »nichts wird gut. Denn ich weiß längst, dass sie alle dort oben tot sind.«

Er begann zu schluchzen. Und es war verständlich, denn er war ja noch ein kleiner Junge. Und er hatte seine ganze Familie und Sippe verloren, so wie damals ich.

Nur mich hatte er noch wie einen großen Bruder.

Wenigstens ihm konnte ich zurückgeben, was die Alvarez' mir damals gaben.

Ich versorgte ihn wenig später in einer der Hütten. Im Lampenschein sah ich, dass er eine Streifwunde am Kopf hatte, welche heftig blutete, sodass es wie ein Kopfschuss aussah.

Auch einen Arm hatte er sich gebrochen, als sie ihn in den Brunnen warfen.

Deshalb vermochte er nicht hochzuklettern. Auch Lobo, den toten Wolfshund, hatte ich herausgeholt.

Im Lampenschein sahen Juan und ich uns an.

»Wer waren die Kerle?«, fragte ich endlich, nachdem ich ihn, so gut es möglich war, versorgt hatte.

»Skalpjäger«, flüsterte er heiser. »Weiße Skalpjäger. Und einen nannten sie Red Slater. Er war ihr Anführer. Und er war es auch, der mich in den Brunnen warf. Ich stellte mich tot, aber ich hörte alles. Sie triumphierten, weil sie so viele Skalpe erbeutet hatten, die sie mit echten Apachenskalpen vermischen konnten. Ja, sie hatten auch echte Apachenskalpe. Und sie rechneten sich schon aus, was sie in Tucson alles dafür bekommen würden. Ein Fest würden sie feiern in der Puta Casa. Wenn ich wieder gesund bin, werde ich nach ihnen suchen. Diesen Red Slater töte ich zuerst.«

Juan verstummte ernst, und ich wusste, er würde es tatsächlich versuchen, so jung er auch war. Denn er war ein echter Alvarez, und die Sippe war stolz gewesen, so stolz wie damals die spanischen Hidalgos, als deren Nachkommen sie sich fühlten.

Ihr Pech war es gewesen, dass sie alle schwarz- und langhaarig waren wie echte Apachen.

Irgendwer von den Skalpjägern musste das gewusst und die böse Horde hergeführt haben auf dem Weg nach Tucson. So hatten sie ihre Ausbeute an Skalpen noch vergrößern können.

Und dies war einmal mehr der Beweis, dass Menschen für Geld zu den schlimmsten Taten fähig sind.

Ich verspürte das bittere Gefühl von Verachtung. Vor allem während der letzten drei Jahre meines stetigen Reitens hatte ich eine Menge über die Menschen gelernt, kaum dass ich die heile Welt der Alvarez-Sippe verlassen hatte. Und so hatte ich schnell begriffen, dass man keinen zu nahe an sich herankommen lassen und keinem vertrauen durfte, wollte man nicht irgendwann enttäuscht werden.

Ich sah Juan fest in die schwarzen Augen. Meine waren blau. Und auch mein Haar war hell. Dennoch fühlte ich mich als sein großer Bruder.

Und so sagte ich: »Juan, du wirst nicht nach ihnen suchen, um sie zu töten. Das ist meine Aufgabe, weil ich dein großer Bruder bin. Ich werde dich zu den Padres in die Mission Santa Rosa in Pedrillo bringen. Dort wirst du in die Schule gehen. Ich werde dir berichten von meiner Jagd auf die Mörder unserer Sippe. Und manchmal werde ich dich besuchen und sehen, ob du fleißig gelernt hast, sodass die Padres mit dir zufrieden sind. Und wenn meine Jagd beendet ist, dann kehren wir hierher zurück. So wird es sein. Hast du verstanden, kleiner Bruder?«

Er starrte mich lange an und erkannte in meinen Augen wohl alles. Zumindest instinktiv spürte er es.

Etwas zögernd nickte er und murmelte: »Si, so soll es sein. Ich muss meinem großen Bruder wohl gehorchen. Das ist bei den Alvarez' so.«

»Richtig.« Ich nickte und erhob mich vom Rand seines Lagers. »Und jetzt gehe ich hinaus und hebe die Gräber aus. Morgen bei Sonnenaufgang werden wir alle bestatten. Schlaf jetzt. Ich bin ja in der Nähe.«

Es gab auf der Ranch einen kleinen Friedhof der Alvarez-Sippe. Dort hob ich die vielen neuen Gräber aus. Der Boden war weich. Ich musste keine Spitzhacke verwenden. Die Schaufel genügte.

Ich schaufelte die ganze Nacht und versuchte meine sich jagenden Gedanken zu ordnen und zu einem ruhigeren Fluss zu zwingen.

Und immer wieder fiel mir der Name Red Slater ein. Roter Slater oder der rote Slater. Er musste also ein Rotkopf sein. O ja, ich würde ihn finden!

Und dann ...

Ich verspürte einen Schauder bei diesen Gedanken. Denn ich wusste, ich würde keine Gnade kennen dürfen, wollte ich etwas aus ihm herausbekommen. Ja, ich würde ihn mit den Füßen nach Apachenart sogar in ein Feuer legen, um ihn zum Reden zu bringen.

Konnte ich das? Würde ich solch ein barbarisches Handeln auf mein Gewissen nehmen können? Machte mich das nicht ebenfalls zu einer menschlichen Bestie? Konnte man das Böse nur durch Böses bekämpfen? Oder gab es andere Möglichkeiten und Wege?

Ich wusste, ich stand nicht nur vor einer Menschenjagd, sondern auch vor der größten Bewährungsprobe meines Lebens.

Ich war fertig, als die Sonne aufging, und so ging ich zum Creek hinunter, um mich zu waschen.

Als ich zurück in die Hütte kam, wo Juan lag, da wurde er wach, richtete sich auf dem Lager auf und sah mich mit großen Augen fragend an.

Ich schüttelte den Kopf. »Es ist noch nicht so weit«, erklärte ich ihm. »Ich muss die Toten erst noch in Decken einhüllen. Für Särge ist nicht genug Holz vorhanden. Ich muss sie alle gut einhüllen und erst noch bereitmachen. Ruh dich noch aus, Juan, mein kleiner Bruder. Was macht dein geschienter Arm? Hast du noch Schmerzen im Kopf?«

»Mir geht es gut, Jake«, erwiderte er, doch ich wusste, dass er log. Er hatte gewiss noch hämmernde Schmerzen. Und sein Arm war zwar von mir geschient worden, doch gewiss ebenfalls noch nicht schmerzfrei. Er war tapfer mit seinen elf Jahren.

Ich verließ ihn wieder und machte mich an die Arbeit in den Hütten, wo die Toten lagen. Obwohl ich die ganze Nacht gearbeitet hatte, erschöpft war und von meiner Substanz eine Menge verbraucht hatte, verspürte ich noch keinen Hunger.

Es war dann fast schon früher Mittag, als ich Juan holte und wir zu den noch offenen Gräbern gingen.

Der Junge weinte lautlos. Ich sprach ein Gebet, welches ich noch kannte.

Juan sagte dann plötzlich: »Ihr seid nun alle im Himmel! Dort geht es euch gut. Denn ihr wart keine Bösen, so wie jene, die euch töteten. Die Guten kommen immer in den Himmel. Das sagte mir unsere alte Juana. Und ich glaube daran.«

Wir gingen zu den Hütten zurück.

Es gab ja noch mehr zu tun. Denn dies hier würde für lange Zeit ein verlassener Rancho sein. Und so machte ich alles so dicht wie möglich.

Dann fand ich ein Stück Pappe von einem großen Karton. Mit der Bleispitze einer Patrone schrieb ich darauf:

Dies ist kein verlassener Rancho.

Er gehört immer noch den Alvarez'.

Wir kommen zurück und werden jeden

Narren zur Rechenschaft ziehen,

der sich an unserem Besitz vergreift!

Jake und Juan Alvarez

Ich las es Juan noch einmal Wort für Wort vor. Dann sagte ich noch: »Wenn wir etwas gegessen haben, lege ich mich für ein paar Stunden aufs Ohr. Und dann reiten wir zur Mission. Basta.«

Er nickte nur stumm.

Ja, er tat mir leid. Aber er musste damit fertig werden. In diesem Land musste man mit vielen Problemen zurechtkommen. Es war ein hartes Land.

Die Apachen hatten es damals in grauer Vorzeit erobert. Doch obwohl ihr Name so viel wie »Feind« bedeutete, waren sie für mich keine Apachus, wie Coronado sie nannte.

Apachus – also Todfeinde – waren für mich die Skalpjäger.

Ich würde sie erwischen – alle! Und ich wusste nicht mal, wie viele sie waren.

Juan hatte ich gefragt, doch der kannte ihre genaue Zahl auch nicht. Es waren zumindest sechs, vielleicht aber auch sieben oder gar acht gewesen.

Doch wenn ich diesen Red Slater fand, dann würde ich das von ihm erfahren. Da war ich sicher. Denn ich würde ihn tatsächlich mit den Füßen in ein Feuer legen, sollte es notwendig sein. Dieses Verbrechen an der Alvarez-Sippe durfte nicht ungesühnt bleiben.

Es wurde wieder eine helle Nacht.

Ich nahm Juan vor mir auf mein Pferd.

Und dann ritten wir los und ließen den traurigen Ort hinter uns, waren unterwegs zur Mission Santa Rosa in Pedrillo.

Der kleine Juan hatte gewiss böse Schmerzen in seinem gebrochenen Arm. Natürlich ritt ich sehr vorsichtig mit ihm, hielt ihn vor mir in meinen Armen, lenkte das Pferd nur mit den Schenkeln. Auch die Streifwunde an seinem Kopf verursachte ihm gewiss Schmerzen.

Ich dachte darüber nach, was die Kerle mit den Tieren der Ranch machen würden, die sie aus den Corrals gestohlen hatten. Es waren einige Dutzend Pferde und Maultiere. Letztere gehörten zur Maultierzucht der Alvarez'.

Die verdammte Mörderbande von Skalpjägern würde die Tiere bestimmt irgendwo verkaufen wollen. Wozu sonst hätten sie die Tiere mitgenommen?

Irgendwann schlief Juan in meinen Armen ein. Vielleicht aber war es auch eine Ohnmacht. Ich ritt mit ihm weiter und weiter.

Es war dann schon lange nach Mitternacht, als wir die Tinaja bei den Red Cliffs erreichten. Die Wasserstelle glich einem Bottich.

Ich hielt an und hob Juan mit vom Pferd, indes ich absaß.

Er wachte auf und fragte heiser: »Sind wir schon da?«

»Nein«, erwiderte ich. »Aber wir machen eine Rast. Du kannst wieder ein wenig schlafen. Hast du Durst? Hier ist gutes Wasser aus einer tiefen Quelle aus dem Bauch unserer Erde.«

»Si, das will ich trinken«, erwiderte er. »Es geht mir auch schon besser, Hermano. Mein Kopf schmerzt nicht mehr.« Er nannte mich Hermano, also Bruder. Und wir waren ja auch Brüder.

Wenig später tranken wir. Und als ich mich aufrichtete, da sah ich, dass wir nicht mehr allein waren. Ich blickte in die Runde.

Ja, es waren Apachen – Apachus, wie der alte Coronado sie damals genannt hatte –, die uns umgaben. Sie waren da und dort zwischen den roten Felsen zum Vorschein gekommen. Mehr als ein Dutzend waren es.