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Westlich von Laramie gabelt sich der »Alte Weg«, und die nördlichste Gabelung führt zum Powder River. Die zweite Gabelung führt etwas nordwestlicher in das Goldland von Montana, nach Bozeman. Die Fährte nach Westen jedoch, das ist der wirkliche »Old Trail«, und er führt durch die Medicine Bows nach Oregon. Schon bevor die Weißen ins Land kamen, gab es diesen Weg. Büffel hatten ihn im Verlauf von Jahrtausenden mit ihren Hufen in den Boden gestampft.
Als dann die Menschen auf diesem Weg gezogen kamen, als die langen Wagenschlangen der mit Maultieren oder Ochsen bespannten Frachtzüge durch das Land krochen, die Armee den Frieden brach und in einem den Indianern garantierten Land überall Forts errichtete, nun, da erlebte der alte Trail seine blutigste und bitterste Zeit.
Ich möchte vor dem Auge des Lesers wieder einmal die alte Zeit erstehen lassen, jene Zeit, durch die Logan Rennaghan ritt. Es ist das Jahr 1868 in Wyoming.
Reiten wir also noch einmal mit Logan Rennaghan, der der Held dieser Geschichte ist ...
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Seitenzahl: 165
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Der alte Trail
Vorschau
Impressum
Der alte Trail
Westlich von Laramie gabelt sich der »Alte Weg«, und die nördlichste Gabelung führt zum Powder River. Die zweite Gabelung führt etwas nordwestlicher in das Goldland von Montana, nach Bozeman. Die Fährte nach Westen jedoch, das ist der wirkliche »Old Trail«, und er führt durch die Medicine Bows nach Oregon. Schon bevor die Weißen ins Land kamen, gab es diesen Weg. Büffel hatten ihn im Verlauf von Jahrtausenden mit ihren Hufen in den Boden gestampft.
Als dann die Menschen auf diesem Weg gezogen kamen, als die langen Wagenschlangen der mit Maultieren oder Ochsen bespannten Frachtzüge durch das Land krochen, die Armee den Frieden brach und in einem den Indianern garantierten Land überall Forts errichtete, nun, da erlebte der alte Trail seine blutigste und bitterste Zeit.
Ich möchte vor dem Auge des Lesers wieder einmal die alte Zeit erstehen lassen, jene Zeit, durch die Logan Rennaghan ritt. Es ist das Jahr 1868 in Wyoming.
Reiten wir also noch einmal mit Logan Rennaghan, der der Held dieser Geschichte ist ...
Als Logan Rennaghan das Ende der Felsnase erreicht, stößt er einen wilden Pumaschrei aus und setzt seinem Indianermustang die Fersen in die Rippen. Er bringt es mithilfe des Pumaschreies wirklich fertig, dass sich das sonst so schlaue und erfahrene Tier mit ihm in die Tiefe stürzt, indem es sich vom Ende der Felsnase ins Leere schnellt.
Sie fallen etwa zwölf Yards tief, und unterwegs werden sie getrennt.
Dann tauchen sie tief in das wirbelnde und brausende Wasser des Flusses ein, werden rau über den felsigen Grund gezogen, gegen Felswände und Steine geworfen und endlich wieder zur Oberfläche geschleudert, wo sie Luft schnappen können, bevor sie wieder von der wirbelnden Strömung in die Tiefe gezogen und stromab getrieben werden.
Etwa sieben oder acht Indianer halten dort, wo Logan Rennaghans Mustang sich ins Leere schnellte, und starren scharfäugig hinunter. Es kommen dann mit jeder Sekunde noch zwei oder drei Rote hinzu, bis es etwa zwei Dutzend sind.
Als sie erkennen können, dass Logan Rennaghan wieder auftaucht und stromabwärts getrieben wird, reißen sie ihre Pferde herum, reiten von der Felsnase und suchen sich am Fluss entlang einen Weg.
Doch dies ist nicht so einfach. Vor dem Steilufer gibt es viele Felsgruppen und Klippen, Risse und kleine Schluchten. Die Indianer müssen manchmal mehr als eine halbe Meile landeinwärts. Doch sie stoßen immer wieder bis dicht an den Fluss heran, wo sie nur können.
Und etwa fünf Meilen weiter unterhalb erleben sie dann die große Enttäuschung. Der Mann, den sie jagten, wurde nicht auf ihrer, sondern auf der anderen Seite an Land geworfen. Er wurde richtig aus dem Fluss geschleudert. Und auch das Pferd taumelt drüben aus dem seichten Wasser der Flussbiegung und trottet schwankend auf die Felsterrasse.
Die Indianer betrachten die Sache schweigend. Nein, sie brüllen nicht. Sie schimpfen auch nicht oder gebärden sich wie wilde Heiden. Sie sitzen ruhig auf ihren erschöpften Pferden. In ihren scharfen Gesichtern regt sich nichts. Nur die Augen funkeln, und die breiten und schmallippigen Münder sind fest geschlossen.
Sie sehen zu, wie drüben der Mann aus dem wirbelnden Wasser kriecht, eine Weile auf dem Bauch liegen bleibt, sich dann aufsetzt und das Haar aus dem Gesicht streicht. Jetzt, da es nass ist, wirkt es dunkel. Doch jeder Indianer weiß, dass dieses Haar sonst so rot wie eine Flamme ist.
Sie sehen, wie der Mann dann zu seinem Pferd tritt, das Tier eingehend untersucht und ihm zufrieden den Hals klopft. Dann wendet sich der Mann um und blickt zu ihnen herüber.
Er ist fast nackt und waffenlos. Sein Pferd hat keinen Sattel.
Doch der Fluss ließ ihn am Leben. Ja, der Fluss schützt ihn nun sogar, denn er ist hier sehr breit.
Und bis zur nächsten Furt sind es fast zwanzig Meilen.
In einer Stunde aber wird es Nacht sein.
Für die Oglala-Sioux ist es klar, dass »Rothaar« ihnen wieder einmal entkommen ist.
Er winkt ihnen zu, lässig und nicht einmal unfreundlich. Dieses Winken drückt aus: »Nun, Jungs, heute habt ihr mich nicht bekommen. Vielleicht haben wir mal wieder etwas Spaß miteinander. Doch heute möchte ich mich verabschieden.«
Der Anführer der Kriegshorde erwidert diesen Abschiedsgruß, und sein Winken drückt etwa aus: »Nun, Rothaar, heute nicht! Aber wir bekommen dein Haar eines Tages, das schwöre ich im Namen aller Oglalas, deren zweiter Kriegshäuptling ich bin, ich, Luta Wambli, den ihr ›Roter Adler‹ nennt.«
Nach diesem gegenseitigen Abschied schwingt sich Logan Rennaghan auf das ungesattelte Indianerpferd und reitet die Felsterrasse hinauf, bis er zwischen einer Gruppe von Felsen verschwindet. Die Unterhäuptlinge Longhorn-Bär, Gelber Fleck und Kralle halten neben Roter Adler. Sie blicken immer noch verlangend hinüber, obwohl Logan Rennaghan schon verschwunden ist.
Dann sagt Longhorn-Bär bitter: »Er ist mutig. Er ist in den Fluss gesprungen. Keiner von uns sprang ihm nach. Und das hat ihn gerettet. Wir hätten ihn bekommen können, wenn wir ihm alle gefolgt wären. Und er würde dann auch nicht ...«
»Wer konnte wissen, dass er nicht ertrinken wird?«, fragt Gelber Fleck giftig. »In diesem Fluss ist schon mein Vater ertrunken.«
»Sonst wären wir ihm nachgesprungen«, sagt Kralle kehlig und nickt dazu heftig. Longhorn-Bär und Gelber Fleck nicken heftig mit. Dabei blicken sie Roter Adler an, denn sie möchten nicht, dass dieser sie für feige hält.
Der Oglala-Kriegshäuptling betrachtet sie grimmig.
»Er ist euch entkommen«, spricht er dann kalt, »als wäret ihr drei taube, blinde und schlafende Squaws. Ihr werdet als die drei größten Dummköpfe in die Geschichte unseres Volkes eingehen. Noch die Urenkel werden von drei ...«
»Es ist genug, Vetter«, sagt Longhorn-Bär kehlig. »Dieses Rothaar hat dich vom Pferd gerissen, dich mit einem Hieb zu Boden geschlagen und sich dein Pferd genommen. Es mag sein, dass wir geschlafen haben wie Eulen bei Tag. Doch entkommen konnte er uns auf deinem Pferd. Wir haben es ihm nicht gegeben. Er nahm es sich von dir.«
Sie blicken Roter Adler grimmig an.
Der möchte jetzt keinen Streit. Er blickt über den Fluss und sagt dann schwer: »Nun meldet er überall, dass der Krieg begonnen hat. Doch er wird sicherlich bald wieder in unser Land kommen. Er kommt wieder. Wir reiten jetzt zur Furt.«
Als er sein scheckiges Pferd, eines seiner Kriegspferde, herumzieht und im Schritt stromab reitet, folgt ihm die ganze Horde. Und einer der Krieger trägt den blauen Rock eines Captains der US-Kavallerie. Das Kugelloch im Rock ist erst drei Tage alt, doch der Captain lebte noch, als er diesen Rock hergeben musste.
✰
Noch vor Anbruch der Nacht stößt Logan Rennaghan auf die Vorhut von Major G. Gibsons Kommando, und er ruft den Soldaten schon aus großer Entfernung zu: »Schießt nur nicht, Jungs! Hier kommt Onkel Rennaghan! Schießt nur nicht auf mich!«
Seine Stimme klingt jedoch durchaus nicht besorgt, eher sarkastisch.
Die sieben Soldaten haben angehalten. Nun erklingt die Stimme des Sergeants Phil Taylor. Und sie ruft: »Komm nur, Onkel Logan, komm nur! Ich passe schon auf, dass meine Jungs dich nicht für einen Indianer halten.«
Er lacht grimmig dabei und wendet sich an die sechs jungen Soldaten, die bei ihm sind.
»Seht ihr«, sagt er, »so ist das hier in diesem verdammten Land. Ein Mann reitet auf einem schwarzen Pferd fort und hat alles bei sich, was ein Mann haben muss, doch dann kommt er wieder, so wie dieser Mann dort. Er ist halb nackt, ohne Waffen, und sitzt auf einem verdammten Indianergaul. Und dennoch ist dieser Mann immer noch ein Glücksjunge, denn er konnte seinen Skalp behalten. Habt ihr das verstanden, Jungs? Habt ihr richtig begriffen, dass ihr in diesem Land niemals klagen und jammern sollt, solange euer Skalp noch am richtigen Platz ist? Habt ihr begriffen, dass nichts in diesem Land schlimm ist, solange noch die Haare wachsen?«
Er wartet nicht auf eine Antwort, sondern wendet sich Logan zu, der langsam herangeritten kommt.
»Du siehst prächtig aus, Bruder«, sagt er. »Wie knapp war das? Und wer wollte dir die Haut abziehen? Das ist ein Oglala-Pferd, nicht wahr?«
Logan Rennaghan lächelt nicht. Er bleibt ernst, und er sagt bitter: »Drei-Winkel-Soldat, du kennst den Besitzer dieses Pferdes gut genug. Es handelt sich um Luta Wambli. Einer seiner Krieger trägt seit zwei Tagen den Uniformrock eines Captains. Und sie alle warten sicherlich nur darauf, dass Major George Gibson und seine Jungs ihre Nasen über den Fluss strecken.«
»Du lieber Gott«, murmelt der Sergeant gepresst.
Logan Rennaghan reitet an ihm vorbei. Er kann die Fährte der Vorhut noch einigermaßen erkennen. Doch er braucht sich nur auf dem Wagenweg zu halten, um zu Major Gibson zu gelangen.
Es ist ein großes Camp, oder eigentlich sind es drei Camps. Denn was da in das Indianerland marschieren will, ist mehr als nur ein Kommando der US-Kavallerie.
Es ist ein großer Wagenzug dabei.
Und fünftausend Longhorns!
Logan Rennaghan gibt sich dem Posten zu erkennen, wird durchgelassen und reitet bald darauf vor Major Gibsons Zelt.
Der Major sitzt mit Captain Terz Beasley und Lieutenant Ben Mervin auf Klappstühlen am Klapptisch.
Als Logan Rennaghan von dem scheckigen Indianerpferd gleitet, springt der junge Lieutenant Ben Mervin auf und ruft dabei: »He, das ist doch ...«
»Etwas mehr Beherrschung könnte Ihnen nicht schaden, Ben«, brummt der Major grollend, und richtet seinen Blick auf Logan Rennaghan.
»Wollen Sie ein Glas Limonade, Mann?«, fragt er kühl.
Logan Rennaghan grinst ihn wortlos an. Dabei blitzen seine beiden Zahnreihen im Feuerschein.
»Ich habe genügend Flusswasser trinken müssen, Major«, sagt er fast lässig und gleichmütig. »Und vor zwei Tagen habe ich Ihren Captain Howard Blane gesehen, ihn und fünfundvierzig Jungs.«
Der Major starrt ihn fest an, betrachtet ihn von oben bis unten und richtet seinen Blick dann kurz auf das Indianerpferd.
»Nun gut, was haben Sie mir von Captain Blane zu melden, Mister Rennaghan?«, fragt der Major schließlich knapp und kühl.
»Sie sind alle tot«, erwidert Logan Rennaghan. »Sie liegen tot und nackt zwei Tagesritte von hier auf einer grünen Wiese. Sie sind skalpiert, und den Captain haben die Oglalas mit einer Kriegslanze am Boden festgenagelt. Er lebte noch, als ich bei ihm eintraf. Doch er sprach nur noch ein einziges Wort, und das war ein Fluch. Dann starb er. Major, was glauben Sie, wen Captain Blane verflucht hat?« Diese Frage stellt Logan Rennaghan hart und bitter, kalt und unversöhnlich.
Jetzt erst erhebt sich der Major, und nun erweist es sich, dass er kaum mittelgroß ist. Doch dies liegt nicht an seinem Oberkörper, denn der ist so proportioniert wie der eines körperlich sechs Fuß großen Mannes. Dass Major George Gibson so klein ist, liegt an seinen kurzen und gebogenen Beinen, die in weichen Maßstiefeln stecken und von denen man den Eindruck hat, sie könnten das Gewicht des mächtigen Oberkörpers nicht tragen.
Major George Gibsons Gesicht ist breitflächig, sommersprossig und bärtig. Irgendwie wirkt er löwenhäuptig.
Und er überhört Logan Rennaghans Frage. Er fragt vielmehr selbst: »Wie lautet der genaue und präzise Bericht, Mister Rennaghan? Sie sind mir als Zivilscout zugeteilt worden. Und deshalb hoffe ich sehr, von Ihnen einen präzisen und zusammenhängenden Bericht zu bekommen. Ich habe Sie nach Norden geschickt, damit Sie nach meiner Vorausabteilung sehen. Mich interessiert nicht, wen mein Captain verflucht hat. Mich interessiert nur, ob er gut gekämpft hat, ob er den Platz für das zukünftige Fort finden konnte und ob er bereits mit dem Fällen des Bauholzes begonnen hatte.«
»Er hat gut gekämpft«, murmelt Logan Rennaghan. »Er fand auch einen guten Platz für das Fort, den besten Platz auf hundert Meilen in der Runde. Und er begann auch befehlsgemäß mit dem Fällen von starken Bäumen. Doch die Oglalas warteten nicht so lange, bis sich die kleine Abteilung ein kleines Fort geschaffen hatte. Sie griffen in der Morgendämmerung an. Es waren mehr als dreihundert. Das kleine Kommando hatte überhaupt keine Chance.«
Logan Rennaghan macht eine kleine Pause. »Sie erwischten auch mich«, sagt er dann. »Sie schossen mein Pferd unter mir zusammen. Das tut ein Indianer sonst nie. Pferde sind für ihn zu kostbar, und besonders mein Rappe. Doch sie töteten ihn, um mich erwischen zu können. Es war ihnen sehr wichtig, dass Sie nicht von mir gewarnt werden konnten, Major. Sie wollten verhindern, dass ich Sie genau informiere. Und das tue ich jetzt. Major, wenn Sie den North Platte überqueren, müssen Sie kämpfen. Bis jetzt warten nur drei- oder vierhundert Oglalas unter Roter Adler auf Sie. Doch wenn diese es nicht schaffen sollten, werden sie Verstärkung erhalten. Die Sioux lassen sich ihren alten Weg über den Tatanka Pass nicht von einem Fort versperren. Es ist der alte Büffelweg, und in jedem Jahr ziehen Hunderttausende von Büffeln über den Tatanka Pass. Diesen Büffelstrom lassen sich die Sioux nicht absperren.«
Major Gibson scheint auf Logan Rennaghans Erklärungen gar nicht zu achten. Er fragt vielmehr: »Und Sie konnten wieder entkommen, Rennaghan?«
»Ich hatte etwas Glück«, sagt dieser. »Ich konnte meine Fesseln zerreißen und mir ein schnelles Pferd verschaffen. So konnte ich entkommen.«
Der Major starrt auf das scheckige Pferd.
»Ist es wirklich so schnell?«, fragt er.
»Es gehörte Roter Adler«, erwidert Logan Rennaghan ruhig. »Und dieser Gentleman reitet keine schlechten Pferde. Ich musste ihn vom Pferd reißen und mit einem Fausthieb betäuben. Und deshalb wird er besonders darauf versessen sein ...«
»Schon gut«, unterbricht ihn der Major, tritt näher und blickt zu ihm empor. Logan Rennaghan ist ein großer Mann, schlank und geschmeidig. Er hat breite Schultern, die das Lederhemd ausfüllen. Seine Hüften sind jedoch sehr schmal. Er trägt braune Cordhosen und geschmeidige Cowboystiefel ohne Sporen. Sein Gesicht wird vom Feuerschein angeleuchtet. Es ist ein ruhiges und auf eine männliche Art fast hübsches Gesicht. Es wirkt etwas eigenwillig und verschlossen. Einige dunkle Linien sind darin.
Er blickt auf den Major nieder, ruhig, ernst und mit einem leichten Anflug von bitterer Neugierde. Und er wirkt dabei sehr stolz, selbstbewusst und beachtlich. Es geht etwas von ihm aus, was man irgendwie spürt.
»Zeigen Sie mir Ihre Handgelenke, Rennaghan«, verlangt der Major langsam und schwerfällig.
Logan Rennaghan lächelt bitter. Dann zeigt er ihm die Handgelenke. Und die sind blutig. Ja, sie sehen wirklich aus, als hätte der Mann mit aller Kraft an Lederfesseln gezerrt und diese zerfetzt.
»Nun gut«, sagt der Major. »Ich habe Ihren Bericht zur Kenntnis genommen, Mister!«
Dann richtet er sich kerzengerade auf und hebt sein Kinn.
»Mein Befehl lautet, dass ich am Tatanka Pass ein Fort errichte, um den Bozeman- und Oregonweg zu schützen. Und, bei Gott, das werde ich tun!«
Er wendet sich den beiden Offizieren zu.
»Die Abteilung bricht in einer Stunde zum Tatanka Pass auf! Die Truppe unternimmt einen Gewaltritt, um das Ziel so schnell wie nur möglich zu erreichen. Der Wagenzug und die Rinderherde folgen im normalen Tempo.«
Nach diesen Befehlen wendet er sich wieder Logan Rennaghan zu und sagt: »Eigentlich brauche ich Sie nun nicht mehr, Mister. Sie sollten meiner Abteilung nur den Weg zum Tatanka Pass zeigen, nicht wahr?«
Logan Rennaghan nickt. »Das stimmt«, sagt er. »Und Sie haben ja auch noch einige andere Scouts. Doch selbst wenn Sie mich noch benötigen würden, Major, so ließe sich dies nicht länger machen. Meine Verpflichtung als Zivilscout bei der Armee endet nämlich in genau zwei Tagen. Und ich denke nicht daran, diese Verpflichtung zu verlängern.«
Er wendet sich ab und will mit seinem Beutepferd davon.
»Und warum wollen Sie nicht länger Scout für die Armee sein?«, fragt Major George Gibson scharf.
Logan Rennaghan betrachtet ihn.
Captain Terz Beasley und Lieutenant Ben Mervin stehen noch in der Nähe. Sergeant Phil Taylor, der nun mit der Vorhut ins Camp gekommen ist und sich zurückmelden will, steht ebenfalls in der Nähe.
Diese drei Männer hören den Scout Logan Rennaghan zum Major sagen: »Diese Armee, das ist eine höllische Sache, Major. Einer ist immer da, der gibt Befehle. Und alle Soldaten müssen ihm gehorchen. Hier sind Sie der Kommandeur, Major. Und obwohl ich Ihnen damals sagte, dass Captain Howard Blane und die Vorhut von den Sioux angegriffen und wahrscheinlich vernichtet werden würden, obwohl ich Ihnen dies voraussagte, Major, mussten der Captain und seine Jungs reiten. Weil Sie es so haben wollten. Und weil es in Ihren Befehlen steht, dass Sie zuerst eine Vorausabteilung zum Pass vorschicken sollten. Und genau das haben Sie dem Buchstaben nach getreu getan. Deshalb möchte ich nicht länger für die Armee reiten. Sie verkörpert mir ein zu dummes Prinzip! Major, Sie haben einen Captain und fünfundvierzig Reiter in den Tod schicken können und brauchten dies dennoch nicht auf ihr Gewissen zu nehmen, weil Sie Ihren Befehlen und Anweisungen entsprechend handelten. Es gibt für mich nichts Dümmeres als die Armee und nichts, was zu sich selbst grausamer und erbarmungsloser sein kann. Oh, zum Teufel, Sie reiten jetzt mit dem ganzen Kommando zum Tatanka Pass! Warum haben Sie das nicht gleich getan? Warum musste erst eine Vorausabteilung ...«
»Halten Sie Ihren Mund, Rennaghan«, unterbricht ihn der Major scharf. Und dann fügt er hinzu: »Ich brauche Sie ab sofort nicht mehr. Der Sergeant wird mir noch heute Ihre Entlassung aus dem Armeedienst zur Unterschrift vorlegen.«
Logan Rennaghan nickt. Er nimmt das Indianerpferd und verlässt das Soldatencamp. Er strebt dem Rindercamp zu, und von dort nähern sich ihm einige Männer.
Eine lässige Stimme erklingt fragend: »Logan, bist du das?«
Als er antwortet, kommen sie schnell auf ihn zu, umringen ihn, und einer nimmt ihm das Indianerpferd ab.
Und obwohl sie sicherlich voller Fragen sind, sagt keiner etwas. Sie umgeben ihn nur als dichte Gruppe, sehen ihn an und warten.
Er aber kennt sie gut. Er kennt sie alle. Als damals jener Bear O'Donnel zu ihm kam und ihn darum bat, ihm eine Treibherdenmannschaft für eine Rinderherde zu besorgen, da wählte Logan Rennaghan diese Männer aus.
Nun umgeben sie ihn und warten darauf, dass er etwas sagt.
Er sagt es ihnen kurz und trocken: »Jungs, die Indianer haben den Weg nach Oregon oder Bozeman in Montana gesperrt. Die Armee hat eine Vorausabteilung geopfert, um ihren Indianerkrieg bekommen zu können. Jetzt hat sie diesen Krieg bekommen. Ich werde Bear O'Donnel sagen, dass ihr und eure Rinder keine Chance habt. Und wenn er kein Narr ist, wird er auf mich hören und mit euch umkehren.«
»Du warst immer fair, Logan«, sagt eine Stimme. »Erkläre es O'Donnel nur richtig.«
✰
Eine Minute später sitzt Logan Rennaghan am Feuer der Treibmannschaft. Die Rindermänner sitzen und hocken um ihn herum. Es sind zumeist Männer aus den Südstaaten.
Wyatt Texan, der Vormann der Mannschaft, nickt schließlich ruhig und sagt: »O'Donnel wird kein Narr sein. Wenn du zu ihm gehst, Logan, will ich dich begleiten und für die Mannschaft sprechen.«
Logan wirft den Zigarettenrest ins Feuer und erhebt sich mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung.
»Gehen wir«, sagt er.
Wyatt Texan folgt ihm. Sie verlassen das Camp der Treibmannschaft und erreichen nach etwa fünfzig Yards einen Wagen, von dem aus ein Schutzdach ausgespannt ist. Ein kleines Feuer brennt. Unter dem Dach hängt eine Laterne. An einem kleinen Tisch sitzen ein Mann und eine Frau. Eine Flasche Wein und zwei Gläser stehen auf dem Tisch. Die Frau hat sich gegen die Kühle der Nacht eine mexikanische Stola umgelegt. Über ihren Knien und Oberschenkeln liegt eine Wolldecke. Kerzengerade sitzt sie auf dem Stuhl, hält den Kopf gesenkt und stopft einen Männersocken.
Als Logan Rennaghan und Wyatt Texan jedoch an das Feuer vor dem Schutzdach treten und den Mann am Tisch betrachten, hebt sie ihr Gesicht und lässt die Stopfarbeit sinken. Sie blickt die beiden Besucher schweigend an.
Und sie ist mehr als hübsch. Auf eine etwas herbe und ernste Art ist sie schön, und sie wirkt sehr stolz und eigenwillig. Im Feuer- und Laternenschein wirkt ihr Haar gelb wie Messing. Doch es ist bei Tag sehr viel heller, fast weißblond. Ihre Augen sind groß, dunkelblau und stehen weit auseinander.