G. F. Unger 2128 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2128 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die ganze Mannschaft der mächtigen McQueeny-Ranch jagte mich schon drei Tage und drei Nächte durch das Land. Mein Pferd war am Ende. Ich wusste, nun würden sie mich bald erwischen und erledigen. Big John würde mich hängen lassen, das war sicher. Dieser Big John McQueeny hatte schon mehr als einen Mann aus geringerem Anlass hängen lassen. Diesmal hatte er einen wirklich triftigen Grund. Denn ich hatte seinen Sohn getötet.
In dieser vierten Nacht sah ich die Lichter von Santa Maria vor mir in der Nacht. Ich wusste genau, dass ich verloren war, wenn es mir nicht gelang, in Santa Maria ein frisches und recht gutes Pferd zu bekommen.
Denn auf einem frischen Tier konnte ich vielleicht durchbrechen und ins Mesaland entkommen. Dort im Mesaland gab es tausend Verstecke und verborgene Winkel. Im Mesaland westlich des Pecos' lebten Geächtete. Dort in den Tälern war auch Big John McQueenys Macht zu Ende ...


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Seitenzahl: 158

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Krieg im Roten Tal

Vorschau

Impressum

Krieg im Roten Tal

Die ganze Mannschaft der mächtigen McQueeny-Ranch jagte mich schon drei Tage und drei Nächte durch das Land. Mein Pferd war am Ende. Ich wusste, nun würden sie mich bald erwischen und erledigen. Big John würde mich hängen lassen, das war sicher. Dieser Big John McQueeny hatte schon mehr als einen Mann aus geringerem Anlass hängen lassen. Diesmal hatte er einen wirklich triftigen Grund. Denn ich hatte seinen Sohn getötet.

In dieser vierten Nacht sah ich die Lichter von Santa Ma‍r‍ia vor mir in der Nacht. Ich wusste genau, dass ich ver‍lo‍ren war, wenn es mir nicht gelang, in Santa Maria ein fri‍sches und recht gutes Pferd zu bekommen.

Denn auf einem frischen Tier konnte ich vielleicht durchbrechen und ins Mesaland entkommen. Dort im Mesaland gab es tausend Verstecke und verborgene Winkel. Im Mesaland westlich des Pecos' lebten Geächtete. Dort in den Tälern war auch Big John McQueenys Macht zu Ende ...

Indes ich noch in der Nacht verhielt und überlegte, ob ich es wagen konnte und die Stadt nicht eine Falle war für mich, weil dort Big Johns Reiter auf mich lauerten, brach mein Pferd auf die Knie. Es stöhnte erbarmungswürdig, und ich machte, dass ich aus dem Sattel kam.

Das arme Tier legte sich auf die Seite. Ich wusste, es würde sterben. Ich hatte es zu Schanden geritten, verdammt noch mal! Oh, ich war kein Tierquäler oder Pferdeschinder. Ich war es wirklich nicht. Doch ich wollte nicht gehängt werden.

Ich nahm mein Gewehr aus dem Sattelschuh. Einen Gnadenschuss durfte ich dem armen Tier nicht geben. Den hätte man in der Nacht meilenweit gehört, auch in der kleinen Stadt dort vor mir.

Ich durfte mich nicht verraten.

Und so machte ich mich auf den Weg.

Ich musste ein frisches Pferd haben. Und selbst dann waren meine Chancen winzig.

Wie ein Wolf schlich ich durch die Nacht, nutzte jede Deckung und hielt immer wieder an, um zu lauschen. Zum Glück kannte ich die kleine Stadt einigermaßen. Denn ich war schon einige Male hier gewesen, um etwas Spaß zu haben und auch Einkäufe zu machen. Ich erinnerte mich auch sehr gut an das Mädchen Nancy, welches das älteste Gewerbe der Welt ausübte und dennoch in diesem frauenarmen Land immer wieder Heiratsanträge bekam.

Nun, ich brauchte länger als eine Stunde, bis ich die kleine Stadt mit dem heiligen Namen erreichte und mich von der Seite her durch eine Gasse bis zur Mainstreet schlich.

Vor dem Saloon, der zur Hälfte eine Bodega und Fonda war, zur anderen Hälfte ein typischer Saloon, standen einige Pferde.

Ich kauerte an der Ecke dieses Saloons in der dunklen Gassenmündung. Bis zu den Pferden waren es nur ein Dutzend Schritte.

Ich musste das beste Pferd erwischen.

Als ich noch überlegte, wie ich es machen sollte – also langsam gehen oder sehr schnell springen –, da hörte ich den trommelnden Hufschlag von Reitern.

Ich atmete seufzend aus, denn ich wusste, wer dort geritten kam. Es konnte nur Big John McQueeny mit einer ganzen Anzahl von Reitern sein. Gewiss ließ er sie vor der Stadt ausschwärmen und die Stadt einschließen.

Ich wusste, sie hatten mein sterbendes Pferd gefunden und waren sicher, dass ich nach Santa Maria musste, um ein frisches Tier zu bekommen.

Es war also zu spät für mich. Ich saß in der Falle.

Am Klang des Hufschlags konnte ich erkennen, dass die meisten Reiter rechts und links um die Stadt ritten, also zwei Halbkreise bildeten. Einige andere Reiter aber kamen schnurgerade in die Stadt.

Ich duckte mich tiefer zu Boden und schmiegte mich enger an die Hauswand.

Und da sah ich sie kommen.

Big John McQueeny ritt an der Spitze, ganz und gar ein grau gewordener Adler. Er war körperlich nicht groß, hatte höchstens Mittelmaß. Dass sie ihn Big John nannten, hatte nichts mit seiner Körpergröße zu tun.

Er war ein Boss, ein King – und ein unduldsamer Despot.

Hinter ihm ritten drei seiner Söhne.

Und dann kam noch ein halbes Dutzend Reiter.

Sie ritten keine sechs Yards entfernt an der dunklen Gassenmündung vorbei. Dass sie mich nicht sahen, lag gewiss an den beiden Laternen vor dem Salooneingang. Deren Licht blendete sie wohl, sodass sie in der dunklen Gassenmündung nichts erkennen konnten.

Einen Moment war ich versucht, mein Gewehr auf Big John McQueeny zu richten und ihn vom Pferd zu schießen. Wenn sie mich hier schon erwischten, dann sollte er wenigstens vor mir zur Hölle fahren.

Für einen kurzen Moment hatte ich die Chance. Dann aber war schon wieder alles vorbei. Doch wahrscheinlich hätte ich auch dann nicht geschossen, wenn ich länger hätte überlegen können. Denn erstens hatte ich immer noch die leise Hoffnung, heil aus der Klemme herauskommen zu können – und zweitens brachte ich es nicht fertig, selbst einen Feind aus dem Hinterhalt zu erschießen. Noch war ich nicht so weit, nein, noch nicht.

Aber was sollte ich tun?

Sie saßen vor dem Saloon ab. Die Pferde stampften und schnaubten, die Sättel knarrten und der Staub wirbelte.

Ich zog mich in der dunklen Gasse zurück und bog dann in den Hof des Saloons ein. Es war ein dunkler Hof mit einigen Schuppen und Anbauten.

Mein suchender Blick ging hoch, und da sah ich das Licht in Nancy Palmers Fenster. Ja, das war ihr Zimmer. Dort empfing sie ihre zahlenden Gäste. Man konnte hier vom Hof die Außentreppe hinauf, aber auch vom Saloon aus nach oben durch die Innentür. Ihr Etablissement war also von zwei Seiten zu betreten.

Ich ging die Außentreppe hinauf.

Die Tür war nicht verschlossen.

Nancy war in ihrem Zimmer.

Zuerst erschrak sie, dann lief sie zur Tür, riegelte sie ab, lief zur Hoftür, riegelte auch sie ab und sagte dann bitter: »Chet, du bist ja verrückt! Oh, du verdammter Sattelstrolch, warum musst du ausgerechnet zu mir kommen?«

Ich zeigte ihr friedfertig meine Handflächen, so als hielte sie einen Colt auf mich gerichtet, und sagte: »Wo soll ich denn hin, Nancy? Big John ist mit zwei Dutzend Reitern gekommen. Er wird mich hängen, weil ich seinen Sohn im Duell erschießen musste. Er wird mich hängen. Kannst du das verantworten, Nancy?«

Da nickte sie und meinte: »Na gut, komm mit, ich verstecke dich auf dem Flur im Besenschrank. Wenn du Glück hast, ist es gut. Wenn nicht, habe ich nichts von dir gewusst.«

Nun, lieber Leser meiner Geschichte, es ging gut.

Irgendwann in der Nacht öffnete Nancy den Schrank, in dem ich schwitzte und manchmal vor mich hindämmerte. Denn ich war ja erschöpft, hungrig und ganz und gar erledigt. Nancy verharrte einige Sekunden. Sie starrte zu mir hinein – und ich blinzelte zu ihr hinaus und hinauf.

Einige Atemzüge lang schwiegen wir.

Dann sagte sie kehlig: »Es trifft sich gut, dass du in meiner Schuld bist, Chet Kellog. Hast du verstanden? Du bist in meiner Schuld. Willst du deine Schuld bezahlen, wenn du hier heil herauskommen solltest?«

»Ich habe bisher stets alles mit Zinsen zurückgezahlt, die guten und die bösen Dinge«, erwiderte ich. »So habe ich es immer gehalten.«

Sie betrachtete mich kritisch und mit einer Spur von Misstrauen. Aber dieses Misstrauen war nicht gegen mich persönlich gerichtet, sondern galt allen Männern.

Eigentlich war sie noch jung, doch schon so weise wie eine alte Frau. Sie war sehr hübsch. Doch bald würde sie älter aussehen, als sie an Jahren zählte.

Sollte ich sie bedauern? Wahrscheinlich nicht. Denn sie hatte ihren Weg gewählt, und es bereitete ihr Freude, all den Burschen, die zu ihr kamen, etwas zu geben.

Sie sagte: »Habe ich also dein Wort, dass du deine Schuld bezahlen wirst?«

»Das hast du«, erwiderte ich – und ich wusste zum Glück noch nicht, was sie von mir verlangte. Sonst hätte ich ihr gewiss nicht so leicht mein Wort gegeben.

Sie lächelte wie eine Spielerin, die einen dicken Pokertopf gewonnen hatte. Aber sie sagte mir immer noch nicht, was sie von mir wollte, sondern flüsterte: »Leg dich erst schlafen, Chet Kellog. Ruh dich erst aus. Ich sehe dir an, wie erschöpft du bist. Du würdest wahrscheinlich gar nicht richtig begreifen, was ich von dir will. Leg dich dort auf das Sofa.«

Ich wollte nichts lieber hören als das.

Denn ich war wirklich am Ende. Meine Erschöpfung war größer als mein Hunger.

Und so fiel ich bäuchlings auf das Sofa und war von einem Atemzug zum anderen weg.

Als ich erwachte, war es Mittag. Ich erkannte das an der Sonne, die keinen Schein durch das Fenster ins Zimmer warf, weil sie zu hoch am Himmel stand.

Nancy saß im Nachthemd vor dem Spiegel und kämmte sich die Haare. Im Spiegel erkannte sie dann, dass ich wach geworden war, und wandte sich um.

»Na, geht es dir jetzt besser?«

Ich dehnte und reckte mich. Ja, der Schlaf hatte mir gut getan. Dass ich schmutzig war, vor Schweiß stank, dies störte mich noch nicht. Dafür verspürte ich den hungrigen Wolf in meinen Eingeweiden. Er knurrte so laut, dass sogar Nancy es hörte. Sie deutete zum runden Tisch, auf dem das Frühstück stand.

»Ich lasse mir stets das Frühstück aufs Zimmer bringen«, sagte sie. »Das ist also nicht verdächtig gewesen. Ich fragte den Burschen vom Restaurant auch, ob Big John immer noch nach dir suchen würde.«

»Und?« Ich setzte mich auf.

»Sie haben die Stadt eingeschlossen und durchsuchen jedes Haus – nein, jedes Loch«, erwiderte sie, »jedes Loch, welches groß genug ist für einen Mann. Big John ist sicher, dass du noch in der Stadt bist. Denn es fehlt kein Pferd. Sie sind sicher, dass du ohne Pferd nicht abhaust, denn du wärst verloren in diesem Land. Er hat schon gedroht, diese Stadt einzureißen, wenn sie dich nicht herausgibt. Wenn die Leute wüssten, dass ich dich ...«

»Schon gut«, unterbrach ich sie, erhob mich und trat zum Tisch, um mir Nancys Frühstück – welches sie wahrscheinlich stets erst um die Mittagszeit nahm – einzuverleiben.

Es war ein prächtiges Frühstück, so wie es ein hart arbeitendes Mädchen haben muss. Doch für mich war es ein Tropfen auf einen heißen Stein. Es stillte zwar meinen Hunger, doch es konnte mir nicht genug Säfte verschaffen. Ich hatte eine Menge von meiner Substanz verbraucht.

Nancy beobachtete mich.

»Nein, mehr kann ich dir nicht bieten«, kam sie meiner Frage zuvor. »Es wäre zu auffällig, hätte ich mehr als nur mein normales Frühstück verlangt aus dem Restaurant.«

Sie deutete nach unten. »Big John sitzt unten im Saloon. Da hat er sein Hauptquartier aufgeschlagen. Er wartet auf Erfolgsmeldungen seiner Männer. Fast die ganze McQueeny-Mannschaft ist hier. Ich glaube, Big John kann wittern, dass du noch in Santa Maria bist, und gibt deshalb nicht auf. Doch du kannst nicht ewig hier bei mir bleiben.«

»Nein«, sagte ich. »Sobald es dunkel ist, mache ich mich auf die Socken. Und ich werde immer in deiner Schuld sein, Nancy.«

Da lächelte sie.

»Du wirst deine Schuld bezahlen«, sagte sie. »Doch zuvor will ich dir meine Geschichte erzählen, damit du auch alles richtig begreifst.«

Sie machte eine kleine Pause. Dann sprach sie entschlossen: »Wir waren daheim eine armselige Familie. Nach dem achten Kind lief meine Mutter fort, denn unser Vater war ein Säufer und Dieb, ein Schnapsbrenner und Pferdestehler. Sie hängten ihn eines Tages in El Paso auf. Und da hatte ich die ganze Blase am Halse – ich meine die Geschwister. Denn ich konnte nicht weglaufen wie unsere Mutter. Ich dumme Gans brachte es nicht fertig. Ich ging erst weg, als meine Schwester Sally groß genug war, also etwa vierzehn, um an meine Stelle treten zu können. Ich ging fort, um Geld zu verdienen. Ich fand schnell heraus, dass ich es am leichtesten auf jene Weise konnte, die so viele Männer an mir schätzen. Ich habe meine Geschwister jahrelang unterstützt, bis sie groß genug waren. Mit meinem Geld und meiner Schwester Mühe wurde aus ihnen etwas. Vor vier Wochen etwa kam mein Bruder – der älteste meiner fünf Brüder – hier durch. Er war auf der Flucht und brauchte etwas Geld und ein frisches Pferd. Meine Schwester Sally hatte meinen Geschwistern nicht gesagt, wie ich das Geld verdiene. Sie glaubten alle, ich sei gut verheiratet und könnte sie deshalb so nobel unterstützen. Nun sah Ollie – so heißt mein Bruder –, was hier mit mir los ist. Ich habe mich geschämt. Und er musste weiterhin meine Hilfe annehmen, weil er so sehr in Not war. Ich gab ihm den Rat, ins Red Valley zu flüchten. Denn dort ist der Ort, wo sie alle Zuflucht finden vor dem Gesetz. Nun lebt er dort unter Geächteten, und vielleicht wurde er inzwischen wirklich ein Bandit und Mörder.«

»Ist er das nicht?« So fragte ich skeptisch.

»Nein«, erwiderte sie. »Denn vor einer Woche kam meine Schwester Sally hier an. Und sie berichtete, dass alles ein Irrtum ist. Sie haben Ollie mit einem Mann verwechselt, der ihm sehr ähnlich sieht und auch ein Pferd wie Ollie ritt. Ollie hatte sich den Weg freigeschossen und einige Männer verwundet. Doch nun ist sicher, dass er unschuldig ist, weil man den wirklichen Banditen fasste, als er eine Postkutsche anhielt. Aber Ollie ist jetzt im Red Valley und fühlt sich als Gejagter, als Geächteter. Ollie lebt jetzt in Hass gegen die menschliche Gemeinschaft. Und Sally ist hinter ihm her, um ihn zu retten und wieder von da wegzuholen. Ich hätte mit ihr reiten sollen. Doch wie hätte ich ihr schon helfen können? Aber du könntest es! Auch würdest du vor Big John McQueeny und dessen Macht nur im Red Valley in Sicherheit sein. Da könntest du dich gewiss um Sally und Ollie kümmern. Würdest du das tun?«

Ich staunte.

Und ich wusste um die besondere Bewandtnis des Red Valley.

Es war ein riesengroßes Tal im Mesaland. In diesem Tal gab es tausend verborgene Winkel und reichlich Zu- und Ausgänge, welche Fluchtwege waren. Im Red Valley lebten viele Geächtete. Es gab nicht nur verborgene Camps, sondern richtige Siedlungen mit Frauen und Kindern. Denn so mancher Geächtete ließ seine Familie nachkommen.

Recht und Gesetz waren ohnehin noch nicht über den Pecos nach Westen vorgedrungen. Nicht mal die Texas Rangers ließen sich westlich des Pecos blicken.

Das Red Valley und die vielen anderen Täler, Canyons, Schluchten und Hügelzüge waren eine sichere Zuflucht für alle, die auf der Flucht waren. Hier standen sie einander bei. Sie hatten dort auch sicherlich ein erstklassiges Nachrichtensystem. Ja, wenn ich hier rauskam aus der Falle, dann würde auch ich dorthin flüchten, wo Big John McQueenys Macht endete.

Ich war Nancy Palmer dankbar.

Und so nickte ich: »Wenn ich hier rauskomme und es mir gelingt, ins Red Valley zu entkommen, dann werde ich mich nach Ollie und Sally umsehen und tun, was ich nur tun kann. Mein Wort darauf. Gut so?«

Sie glaubte mir nicht sofort. Längst hatte sie gelernt, dass man auf Versprechungen der Menschen nicht viel geben durfte. Menschen versprachen viel, oft in guter Absicht. Doch nur wenige hielten Wort. So war das nun mal.

Sie ließ ihren Instinkt gegen mich prallen. Ich hielt ihrem forschenden Blick stand. Und da begann sie mir zu glauben.

»Ja, du gehörst wohl noch zu der seltenen Sorte«, murmelte sie. Und dann stellte sie die Frage: »Und warum hast du Big John McQueenys jüngsten Sohn erschossen?«

»Was sollte ich tun?« Ich fragte es bitter. »Ich bekam Streit mit ihm, weil er beim Pokern betrog. Ich schlug ihn aus dem Saloon, in dem wir mit drei anderen Männern spielten. Als ich später aus dem Saloon trat und sich meine Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stand er draußen mit gezogenem Colt. Er hatte auf mich gewartet und schoss sofort. Aber er traf nicht. Er hatte sogar noch einen zweiten Schuss und traf wieder nicht, weil ich mich zu schnell bewegte. Ich konnte es ihn nicht zum dritten Mal probieren lassen.«

»Nein«, sagte Nancy, »das konntest du wirklich nicht. Und wenn Big John das weiß, dann ist er nicht fair. Aber das war er wohl noch nie.«

»Nein«, erwiderte ich. »Und er sitzt dort unten im Saloon?«

»Das sagte der Bursche, der mir das Frühstück brachte«, erwiderte sie.

Ich dachte nach. Es war erst später Mittag, noch längst nicht Nacht. Der Saloon war jetzt gewiss leer bis auf Big John. Um diese Zeit hielten sie alle ihr Mittagsschläfchen.

Ich sagte: »Nancy, geh mal nachsehen. Hol dir etwas zu trinken.«

Sie sah mich an. Ihre Zunge leckte über ihre trockenen Lippen.

Schließlich nickte sie und warf sich einen Morgenmantel über, wickelte ihn sich eng um den prächtig gewachsenen Körper.

Dann ging sie.

Und ich begann nachzudenken, was ich mit Big John machen würde, wenn er allein dort unten im Saloon saß.

Ich musste eine Weile warten. Dann kam Nancy zurück mit einem Krug Wein und einem Glas. Sie stellte beides auf den Tisch und sah mich an.

»Er sitzt allein unten am Tisch unter der Treppe. Und er ist müde und nickt immer wieder ein. Er bemerkte mich erst, als ich hinter der Bar diesen Krug füllte. Er fragte mich, ob seine Söhne auch manchmal oben meine Gäste wären. Aber noch bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, war er schon wieder eingenickt. Er ist übermüdet. Du hast geschlafen, er aber war die ganze Nacht wach, wartete, dass sie dich ihm bringen würden. Der Wirt hält seinen Mittagsschlaf. Seine abgesägte Schrotflinte liegt unter dem Schanktisch dicht beim kleinen Weinfass.«

Sie verstummte spröde.

Aber sie hatte mir alles gesagt.

Ich nickte ihr zu, nahm mein Gewehr und ging zur Tür.

Meine Sporen hatte ich schon in der Nacht abgeschnallt, als ich in die Stadt schlich. Ich konnte so leise wie ein Wildkater sein.

Natürlich strapazierte ich mein Glück bis zur allerletzten Grenze. Denn es durfte niemand von draußen hereinkommen, und Big John McQueeny durfte nicht wach werden.

Leise genug war ich. Das Knarren der Treppe vermied ich, indem ich dicht an der Wand hinunterglitt und meine fast hundertachtzig Pfund stets sehr vorsichtig und langsam auf den jeweiligen Fuß verlagerte.

Als ich unten angelangt war und mich um den Treppenfuß herum nach rechts drehte, da sah ich den Tisch, halb schon unter der geschwungenen Treppe verborgen, an dem Big John hockte.

Er hatte sein Kinn auf der Brust liegen und atmete wie ein Schläfer. Seine Hände lagen auf dem Tisch und zuckten manchmal ein wenig.

Ich glitt um den Tisch herum und gelangte zum Ende der Bar. Ich duckte mich hinter den langen Bar- oder Schanktisch und fand sofort die abgesägte Schrotflinte. Ich vertauschte sie mit meinem Gewehr, denn sie würde sehr viel überzeugender und eindrucksvoller sein.

Ich bewegte mich in geduckter Haltung wieder zum Ende des Schanktisches und hatte Big John McQueeny fast in Reichweite.

Kauernd machte ich: »Ssst! He, McQueeny, ssst!«

Er hob den Kopf, rieb sich die Augen und hörte mich noch mal Ssst machen.

Da wandte er mir sein Gesicht zu und sah mich und die doppelläufige Schrotflinte.

Obwohl er mich bei seinem Anblick stets an einen grauen Adler denken ließ, so beachtlich und bedeutend wirkte er, blinzelte er jetzt wie ein alter Uhu.