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Nun, es ist schon sehr lange her, als das alles damals geschah. Inzwischen gibt es eine Menge Legenden, die mich als eine Art Wundermann und ganz besonderen Helden darstellen, dem keiner das Wasser reichen konnte und der auf allen Gebieten tüchtiger war als all die anderen Männer, die damals über unsere Weide ritten.
Doch das alles ist übertrieben. Ich war kein besonders großartiger Bursche damals. Natürlich war ich etwas besser als der Durchschnitt. Doch ich hatte einfach nur Glück, wenn es besonders gefährlich wurde. Und dann hatte ich Mary Lee, die an mich glaubte. Es ging dann alles sehr natürlich zu, genauso, wie ich es jetzt aufschreiben will. Denn meine Enkel sollen daraus vielleicht etwas lernen können.
Was?
Nun, dass man so schnell nicht aufgeben sollte und dass die Legenden über meinen Kampf sehr übertreiben. Ich will darüber schreiben, wie es in mir aussah und was in mir vorging. Denn ich hatte manchmal eine gewaltige Angst.
Und so will ich nun beginnen mit jenem Tag damals. Ich weiß es noch ganz genau. Es war der 18. Juni 1870 in Nebraska ...
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Nebraska-Weide
Vorschau
Impressum
Nebraska-Weide
Nun, es ist schon sehr lange her, als das alles damals geschah. Inzwischen gibt es eine Menge Legenden, die mich als eine Art Wundermann und ganz besonderen Helden darstellen, dem keiner das Wasser reichen konnte und der auf allen Gebieten tüchtiger war als all die anderen Männer, die damals über unsere Weide ritten.
Doch das alles ist übertrieben. Ich war kein besonders großartiger Bursche damals. Natürlich war ich etwas besser als der Durchschnitt. Doch ich hatte einfach nur Glück, wenn es besonders gefährlich wurde. Und dann hatte ich Mary Lee, die an mich glaubte. Es ging dann alles sehr natürlich zu, genauso, wie ich es jetzt aufschreiben will. Denn meine Enkel sollen daraus vielleicht etwas lernen können.
Was?
Nun, dass man so schnell nicht aufgeben sollte und dass die Legenden über meinen Kampf sehr übertreiben. Ich will darüber schreiben, wie es in mir aussah und was in mir vorging. Denn ich hatte manchmal eine gewaltige Angst.
Und so will ich nun beginnen mit jenem Tag damals. Ich weiß es noch ganz genau. Es war der 18. Juni 1870 in Nebraska ...
Mir tat der alte Sheriff Jim Lee leid. Sein Problem war es, einen Mörder zu verfolgen, mit dessen Sippe niemand im Land einen Streit bekommen wollte.
Der Mörder hieß Lefty Claybow, und die Sache war vor wenigen Minuten im Old Trail Saloon geschehen.
Wie immer war Lefty Claybow wieder einmal betrunken gewesen, und als ein Handelsvertreter hereingekommen war, wollte Lefty sich über dessen neumodischen Hut halb totlachen. Der Handelsvertreter beachtete ihn gar nicht, sondern wollte Whisky, Wein und Gläser jeder Art verkaufen, dazu Spiegel, Lampen, Aschenbecher und Messing-Spucknäpfe. Er hatte für all diese Dinge einen Katalog bei sich und wollte diesen gerade dem Besitzer, von uns einfach nur Trail Charley genannt, vorlegen.
Doch Lefty, der betrunken immer besonders giftig war, ärgerte sich über die Missachtung seines Gelächters. Er zog den Revolver und schoss.
Natürlich wollte er den Vertreter nicht treffen. Dies musste man ihm zubilligen. Doch dessen neumodischen Hut wollte er mit zwei Lüftungslöchern versehen, und er war sich sicher, dass der Handelsvertreter ihn dann doch beachten würde.
Lefty Claybow hielt sich für einen erstklassigen Schützen. Das war er auch. Er hatte schon mehr als einen Hut von einem Kopf geschossen. Doch diesmal hatte er Pech. Denn der Vertreter hatte unter dem Hut einen sehr spitzen Kopf, der höher als normal in das Hutinnere ragte.
Und überdies war Lefty wohl doch um eine Idee zu betrunken und zielte um einen Fingerbreit zu tief.
Das war grober Unfug mit Todesfolge.
Niemand hielt Lefty auf, als er aus dem Saloon rannte, sich auf sein Pferd warf und wie eine angesengte Katze die Flucht ergriff. Er war sehr plötzlich nüchtern geworden.
Und es waren immerhin einige Jungs im Saloon versammelt, die ihn mit einer Hand erledigen konnten.
Dann kamen der Doc und der Sheriff.
Und dann tat mir der alte Sheriff Jim Lee mächtig leid.
Oh, auch er wäre mit Lefty zurechtgekommen. Diesem Lefty war ein Mann wie unser alter Jim Lee immer noch gewachsen. Mit solch wilden Jungs konnte es der alte Jagdfalke immer noch aufnehmen wie ein wirklicher Falke mit jungen Raben.
Aber da waren Leftys Brüder irgendwo dort draußen.
Und Lefty würde schnurgerade zu ihnen reiten.
Das musste der alte Sheriff bedenken. Er wusste auch genau, dass Logan und Hogjaw Claybow den lieben Lefty niemals dem Gesetz überlassen würden. Dazu liebten sie ihn viel zu sehr – so etwa, wie eine Mutter einen missratenen Sohn ja auch liebt, weil sie in ihrer Mutterliebe irgendwie blind ist, Entschuldigungen findet und vielleicht auch tief in sich Schuldgefühle spürt, ihn nicht besser erzogen zu haben. Sorgenkinder liegen einer Mutter ja immer besonders am Herzen. Und für Lefty waren seine großen Brüder Logan und Hogjaw gewissermaßen die Mutter.
Der Sheriff sah sich im Saloon um.
Es kamen nicht sehr viele Burschen von uns für ihn in Betracht, und eigentlich war keiner von uns so gut wie die beiden Claybows. Deshalb wollte der Sheriff wohl ein recht großes Aufgebot zusammenbekommen.
Er sagte: »Bill Perkins! Bob Mallone! Larry Slaughter! Und auch du, Jim Quincannon! Ich nehme euch als Gehilfen unter Eid! Ihr werdet mit mir reiten! Steht auf und hebt die Hand, damit ich euch unter Eid nehmen kann!«
Das sagte er. Und zuletzt hatte er auch meinen Namen genannt, denn Jim Quincannon, das war ich. Es gab keinen anderen Jim Quincannon in unserem Land.
Als er es also gesagt hatte, wartete er.
Und er wartete lange. Dabei durchlebte er wohl die größte Enttäuschung seines Lebens.
Denn all diese großartigen und wilden Jungs, die er schon als kleine Knaben kannte und die ihm dann später als junge Burschen oft genug einigen Kummer machten – sie alle enttäuschten ihn nun.
Denn Bill Perkins blieb sitzen und schüttelte nur mürrisch den Kopf.
Bob Mallone aber blickte gar nicht auf, sondern sagte nur: »Ich reite nicht gegen die Claybows.«
Larry Slaughter aber sagte: »Lefty wollte ihm ja nur durch den Hut schießen. Es war ein Unglücksfall, Sheriff. Wenn Sie Lefty mit Gewalt ins Gefängnis holen, dann gibt es eine Menge Tote.«
Nun war ich an der Reihe.
Der Sheriff sah mich an, und ich erkannte in seinem grauen Blick die bittere Enttäuschung und Einsamkeit. Er war ein alter Mann geworden, und jetzt stand er vor dem Problem, vor dem er sich gewiss schon die ganze Zeit gefürchtet hatte. Man konnte sich nämlich seit vielen Monaten schon an zwei oder drei Fingern abzählen, dass Lefty Claybow früher oder später mit dem Sheriff oder dem Gesetz Streit und Ärger bekommen würde.
Der alte Kämpfer sah mich also an.
Und ich – oh, ich hatte die gleiche Furcht wie Bill Perkins, wie Bob Mallone und Larry Slaughter sie hatten.
Du lieber Vater im Himmel! Mit dem Sheriff gegen die Claybows zu reiten, nur damit sich Lefty Claybow vor dem Gesetz verantworten musste, dies konnte den Tod bedeuten!
Jim Lee erkannte wohl die Furcht in meinen Augen.
Denn er wandte sich plötzlich wortlos ab und ging aus dem Saloon.
Hinter ihm blieb es still. Alle schämten wir uns – alle, auch jene Burschen, die er gar nicht haben wollte als Gehilfen. Wir alle spürten irgendwie, dass wir den alten Mann schlimm enttäuscht hatten. Und wahrscheinlich begriff er in diesen Sekunden erst richtig, was für eine riesengroße Gefahr die Claybows inzwischen geworden waren. Gewiss hatte diese Erkenntnis seinen Entschluss noch bestärkt, dem Gesetz Geltung zu verschaffen.
Vielleicht hat auch er sich gefürchtet, doch ein alter Mann fürchtet sich anders als junge Männer.
Ich saß also da und schämte mich. Dabei starrte ich auf die Flügel der Schwingtür, die sich immer noch bewegten.
Jetzt wird er sein Pferd holen und losreiten!
Dies dachte ich, und ich hatte das Bild deutlich vor Augen, welches er immer bot, wenn er auf seiner mausgrauen Stute saß. Er hing immer etwas schief im Sattel und hatte die linke Schulter vorgeschoben, den Kopf gesenkt und hielt die Fußspitzen nach außen. Er sah immer aus, als machte ihm das Reiten Mühe, doch er konnte auf sechs Pferden nacheinander reiten und drei Tage und drei Nächte im Sattel bleiben.
Er war ein großartiger Kämpfer, dieser Jim Lee. Als ich noch ein Junge war, hatte ich mich immer darüber gefreut, auch Jim so wie er zu heißen, und einmal hatte er sogar zu mir gesagt, als ich sein Pferd gehalten hatte, dass wir ja Namensvettern seien.
Nun, später war dann der Krieg gekommen. Wir alle waren fortgeritten und als Männer heimgekommen.
Ich stellte mir also unseren alten Sheriff vor, wie er auf seiner mausgrauen Stute aus unserer kleinen Stadt reiten würde.
Und ganz plötzlich dachte ich an Mary.
Du lieber Vater im Himmel, es traf mich wie ein Hammerschlag. Wie konnte ich Mary nur eine Weile vergessen? Mary Lee, des alten Sheriffs Tochter! Was sollte sie nur von mir denken, wenn ich ihren Vater alleine reiten ließ? Oho, ich würde mich ihr nicht mehr unter die Augen trauen, dies war sicher.
Und so sprang ich auf und ging zur Tür.
Dort blickte ich über die Schulter zurück. Etwa zwei Dutzend Burschen waren im Saloon versammelt. Einige davon waren harte Nummern. Doch ich blickte nacheinander Bill Perkins, Bob Mallone und Larry Slaughter an.
Oh, ich fragte nicht, ob sie mitkommen wollten. Ich sah sie nur an und erkannte, dass sie zwar selbst an Mary Lee gedacht hatten und dennoch nicht bereit waren.
War ich ein Narr, dass ich wegen des Sheriffs so reizvoller Tochter mein Leben riskieren wollte?
Ich konnte nicht anders. Ich trat hinaus in die Sonne und beeilte mich, in den Sattel zu kommen. Mein Pferd hatte ich vor dem Saloon angebunden. Ich sah den alten Sheriff schon zwischen den letzten Häusern unserer kleinen Stadt reiten. Ja, er saß auf seiner mausgrauen Stute und ritt, die linke Schulter vorgeschoben und Fußspitzen nach außen gedreht.
Vor dem kleinen Haus neben dem Gefängnis aber stand Mary – nur mittelgroß, rothaarig und mit großen, grünen Augen. Sie stand ganz ruhig da und blickte ihrem Vater nach. Oh, es ging eine Gefasstheit von ihr aus, eine Stärke, die ich deutlich spürte. Sie war ganz und gar die Tochter eines Mannes, der sein ganzes Leben lang Sheriff war. Schon oft sah sie ihn so davonreiten, und oft genug hatte sie gewiss Angst gehabt.
Dann sah sie mich an, indes ich vorbeijagte. Sie nickte mir zu.
Ich fasste an meinen alten Hut. Aber ich sagte nichts. Sie konnte jedoch bestimmt noch sehen, wie ich ihren Vater draußen vor dem Ort einholte und an seine linke Seite ritt.
Vielleicht hat sie nun nicht mehr ganz so große Angst um ihn, dachte ich.
Eine Weile ritten wir schweigsam nebeneinander. Dann wandte er seinen hageren Kopf und betrachtete mich scharf.
»Hast du Angst, Jim?« So fragte er.
Ich bewegte meine Schultern. Oh, ich hatte recht breite Schultern und war sonst sehr hager. Zu einem Viertel war ich Indianer von meiner Großmutter her, die eine Comanchen-Squaw war. Und fast wie ein Indianer sah ich auch aus. Kleine Kinder hatten zuerst immer Furcht vor mir, erst später wurden sie mir gegenüber sehr zutraulich und hatten mich gern.
»Es wird einen Kampf geben, Old Jim«, sagte ich. »Und wegen eines solchen Giftpilzes wie Lefty lohnt es sich nicht, dass andere Männer sich totschießen.«
Er nickte leicht zu meinen Worten.
»Du siehst es nicht richtig, Jim«, erwiderte er dann. »Ich bin das Gesetz. Wenn ich den Claybows dies durchgehen lasse, sind sie das Gesetz. Dann geben sie in diesem Land die Befehle. Es ist nicht wegen Lefty, Jim, mein Junge. Es geht darum, dass auch die Claybows das Gesetz respektieren müssen. Für dieses Exempel lohnt sich jeder Kampf. Warum bist du mitgekommen?«
»Wegen Mary«, sagte ich. »Ich liebe Mary, und deshalb hat sie einen Anspruch darauf, dass ich ihrem Vater beistehe und mit ihm reite.«
Er betrachtete mich scharfäugig, indes wir Seite an Seite ritten.
»Fast alle Jungs haben sich in Mary verliebt«, murmelte er dann.
»Ich bin nicht verliebt – ich liebe sie«, sagte ich etwas spröde. »Und wenn ich im vergangenen Winter nicht all mein Vieh verloren hätte, würde ich Mary schon gefragt haben, ob sie meine Frau werden möchte. Doch ich kann ihr nichts bieten – gar nichts. In zwölf Tagen sind die Zinsen für das Bankdarlehn fällig. Ich kann sie nicht zahlen. Die Bank wird meine Ranch übernehmen. Ich werde wieder als Cowboy Arbeit suchen müssen. Und so hat es keinen Sinn für mich, Mary zu fragen. Aber ich kann mit Ihnen reiten, Sheriff. Wenigstens das kann ich tun.«
Die Worte kamen mir irgendwie widerwillig über die Lippen, denn ich sprach niemals zu anderen Leuten über meinen Kummer oder über das, was ich im Herzen fühlte. Doch gegenüber Old Jim Lee musste ich es tun. Ich wusste nicht genau warum, denn ich war nur gefühlsmäßig so offen zu ihm.
Er nickte leicht, wie es seine Art war. »Dieser harte Winter mit seinen vielen Blizzards hat selbst große Rancher an den Rand des Ruins gebracht«, murmelte er dann. »Du hättest dir kein schlechteres Jahr für den Anfang aussuchen können, Jim. Wie alt bist du jetzt?«
»Fünfundzwanzig.«
Er schwieg eine Weile, und wir ritten immer noch Bügel an Bügel nebeneinander.
»Ich glaube, ich sollte dich zurückschicken«, sagte er dann.
»Versuchen Sie das mal, Jim«, sagte ich, und ich wusste, dass meine hellgrauen Augen jetzt hart und glitzernd waren.
Da gab er es auf. Wahrscheinlich war er froh darüber, doch nicht völlig allein zu sein und jemanden bei sich zu haben, der ihm zumindest den Rücken decken würde.
»Na gut«, sagte er. »Hebe die Hand und sprich mir den Eid nach. Ich mache dich jetzt zu meinem Deputy.«
Ich gehorchte, und wir ritten dabei nebeneinanderher, hielten gar nicht an. Das war auch nicht nötig, denn mir war es ernst und fast feierlich, als wenn ich den Eid in der Kirche geschworen hätte.
Der Sheriff griff dann in die Tasche und holte einen Stern hervor. Er warf ihn mir blitzschnell zu, und ich wusste, dass er damit meine Reaktion testen wollte. Aber meine Augen und Hände waren wunderbar aufeinander abgestimmt. Ich hatte es schon als kleiner Junge fertiggebracht, Fliegen mit Daumen und Zeigefinger aus der Luft zu greifen wie andere Jungs von einem Busch die Beeren. Und so konnte mich der Sheriff nicht überraschen.
Ich betrachtete das Blechding in meiner Hand.
DEPUTY stand darauf zu lesen, darunter die Worte TRAIL CITY DISTRICT.
Ich war also ein Deputy Sheriff geworden.
Oh, ich fühlte mich in diesem Moment gar nicht besonders großartig oder feierlich. Im Gegenteil, ich spürte plötzlich eine gewaltige Last auf mir ruhen.
Wir ritten nicht sehr schnell, nur so im Trab durch das Hügelland. Bald darauf bogen wir von der Poststraße ab und folgten einem schmalen Weg durch die Broken-Bow-Hügel nach Süden.
Dieser Weg führte zu den Claybows.
Nach etwa zwanzig Meilen durchritten wir einen Creek, den man nur hier an dieser Stelle durchreiten konnte, weil überall sonst die Ufer zu steil waren.
Auf der anderen Seite saß einer von den Claybow-Reitern, angelte und fragte dann mürrisch, ob wir denn nichts anderes zu tun hätten, als ihm die Fische zu verjagen.
»Ist Lefty hier durch?« Dies fragte der Sheriff, und er fragte es auf eine Art, die den Wächter der Claybows dazu veranlasste, wortlos die Zähne zu zeigen. Und wäre dieser Mann ein vierbeiniger Wolf oder Wildkater gewesen, hätten sich ihm die Nackenhaare gesträubt. So grinste er nur wortlos.
Wir ritten an ihm vorbei den Uferhang hinauf und dann quer über eine Wiese auf eine Hügellücke zu. Hinter uns schoss der »Angler« dreimal in die Luft. Das war ein Signal.
Ich fluchte leise, denn nun waren wir richtig angemeldet.
Als wir durch die Hügellücke kamen, sahen wir die Ranch der Claybows. Es war nichts Großartiges, sondern ein ganz und gar primitives Quartier für die Claybows und deren Reiter. Es gab da ein recht festes Blockhaus, einen Schuppen, einen Stall, noch ein weiteres und mehr langes als viereckiges Blockhaus, dazu einige Corrals mit durchweg erstklassigen Pferden darin.
Ja, das waren erstklassige Langreiter-Pferde, Tiere, mit denen man zweihundert und noch mehr Meilen zurücklegen konnte. Diese Pferde waren ein Vermögen wert. Und die Claybows wussten gewiss genau, warum sie mit diesen Tieren keinen Handel trieben, sondern die Tiere für sich selbst behielten.
Als wir näher herangekommen waren, sahen wir sie auf der Veranda ihres Blockhauses hocken.
Logan Claybow war da.
Hogjaw Claybow war ebenfalls da.
Ein halbes Dutzend ihrer Reiter war in der Runde versammelt, scheinbar zum Nichtstun im Sonnenschein, Strohhalme kauend, an Holzstücken schnitzend oder gar träumerisch ruhend.
Und Lefty war da. Er stand hinter seinen Brüdern auf der Veranda in der Nähe der offenen Tür, ganz so, als wollte er wie eine Ratte schnell im Loch verschwinden können.
Mir wurde heißer, als es normal gewesen wäre.
Denn die Claybows hatten uns erwartet. Sie zeigten Lefty ganz deutlich. Doch sie würden ihn gewiss nicht hergeben.
Was würde der alte Jim Lee nun tun?
Und was würde ich tun müssen, um ihm zu helfen?
✰
Wir ritten bis dicht vor die Veranda und kümmerten uns nicht um das halbe Dutzend rings im Hof verteilter Männer. Oh, ich hatte sehr schnell begriffen, dass wir nicht die geringste Furcht zeigen durften. Wir mussten uns ganz so benehmen, als wenn wir ein starkes Aufgebot von fünfzig harten Jungs rings um diese Ranch verteilt hätten und nun gekommen wären, um die Bedingungen zu diktieren.
Aber das war leicht gesagt.
Die Claybows hatten einen schlimmen Ruf als Revolverhelden, Banditen und Viehdiebe. Besonders Hogjaw Claybow hatte schon mehr als ein Dutzend Männer im Zweikampf getötet – von all den anderen, für deren Tötung es keine Zeugen gab, gar nicht zu reden.
Aber was die Claybows auch schon verübt haben mochten, es gab keinen Menschen weit und breit, der bereit war, sie anzuzeigen, gegen sie auszusagen, sie zu beschuldigen. Und wo keine Kläger und keine Zeugen sind, kann auch keine Jury einen Schuldspruch fällen, selbst wenn man gegen die Claybows eine Jury hätte finden können.
So war das also!
Und da waren sie nun, die drei Claybows und ihr Anhang.
Leftys dreieckiges Pickelgesicht war ganz blass und verkatert. Er war nur mittelgroß, recht schmächtig und war gewiss eines von jenen Kindern gewesen, die immerzu krank sind und erst mit drei Jahren laufen können.
Als er dann größer war, bekam er schnell heraus, dass er im Schatten zweier großer und gefürchteter Brüder lebte und sich deshalb alles herausnehmen durfte. Man hatte Angst vor seinen Brüdern – und deshalb auch vor ihm. Das verdarb ihn gründlich, denn er fühlte sich größer, als er war.
Logan Claybow sah eigentlich prächtig aus, ganz und gar so, wie man sich einen großartigen Burschen vorstellte, der sich vor nichts auf dieser Welt fürchtete und anderen Männern Befehle erteilte. Logan Claybow war etwas größer und schwerer als ich, doch nicht weniger geschmeidig. Er wog gewiss zweihundert Pfund, war jedoch recht schlank dabei. Sein rotes Haar war gelockt, und er hatte blaue Augen und ein markant wirkendes Gesicht, so richtig männlich und ausdrucksvoll.
Sein Bruder Hogjaw saß auf dem Verandageländer und erinnerte mich auch an diesem Tag wieder an einen Affen. Damit will ich nicht sagen, dass er ausgesprochen hässlich oder gar furchterregend aussah. Nein, er erinnerte nur an einen Affen, so wie ein anderer Mensch wegen seines Gesichtes an ein Pferd denken lässt.
Er war untersetzt, krummbeinig, langarmig, und er wirkte immer auf eine dumpf brütende Art verdrossen oder gar traurig. Dieser Gesichtsausdruck änderte sich nie. Er war fast glatzköpfig, voller Gesichtsfalten und hatte ein gelbes und ein graues Auge. Sein Alter war etwa dreißig Jahre. Logan war vielleicht zwei Jahre älter.
Beide waren sie Zweihandmänner, trugen also an jeder Seite einen Revolver. Und sie konnten unwahrscheinlich sicher und präzise damit umgehen.
Das waren sie also. Sie betrachteten uns mit verächtlichem Spott und warteten darauf, dass der Sheriff den Mund aufmachen würde.
Jim Lee ließ sich Zeit. Der alte Falke überstürzte nichts.
Aber dann nickte er ruhig und sagte: »Nun gut, gebt mir Lefty mit! Er wird eine faire Verhandlung bekommen, und vielleicht könnt ihr die Jury sogar davon überzeugen, dass er den Hut treffen wollte und es nur ein Unglücksfall war. Komm her, Lefty!«
Als er verstummte, sagte Lefty etwas, was man hier nicht niederschreiben kann. Es war eine glatte Beleidigung.