G. F. Unger 2142 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2142 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Der Weg eines Mannes verläuft nach einem unwandelbaren Schema und ist vorgezeichnet bis zum letzten Tag. An diese Worte, die er irgendwann einmal hörte, muss Holliday jetzt denken.
Kraftlos, innerlich ausgebrannt und ausgehöhlt liegt er in einem mächtigen Sessel seines Hotelzimmers in Tombstone. Es ist Nacht. Die Stadt ist still und ruhig. Beim O.K. Corral gab es Tote.
Und Holliday glaubt nun, dass er seine letzte Aufgabe im Leben noch erfüllt hat. Ja, US Marshal Wyatt Earp blieb Sieger. Für das Cochise County wird nun eine neue Zeit beginnen. Die Anführer der »Wilden Horde«, die lange Zeit das gesamte County beherrschte, sind tot. Die Zeit der Gewalttaten, Überfälle und wilden Revolverkämpfe ist vorbei.
Wyatt Earp aber lebt noch. Seine Brüder werden gesunden. Und für Wyatt Earps Sieg, der den Sieg von Recht und Gesetz bedeutet, hat Holliday gekämpft.
Nun ist er zufrieden, auf eine bittere, grimmige und dennoch wohltuende Art zufrieden ...


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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Hollidays Weg

Vorschau

Impressum

Hollidays Weg

Der Weg eines Mannes verläuft nach einem unwandelbaren Schema und ist vorgezeichnet bis zum letzten Tag. An diese Worte, die er irgendwann einmal hörte, muss Holliday jetzt denken.

Kraftlos, innerlich ausgebrannt und ausgehöhlt liegt er in einem mächtigen Sessel seines Hotelzimmers in Tombstone. Es ist Nacht. Die Stadt ist still und ruhig. Beim O.K. Corral gab es Tote.

Und Holliday glaubt nun, dass er seine letzte Aufgabe im Leben noch erfüllt hat. Ja, US Marshal Wyatt Earp blieb Sieger. Für das Cochise County wird nun eine neue Zeit beginnen. Die Anführer der »Wilden Horde«, die lange Zeit das gesamte County beherrschte, sind tot. Die Zeit der Gewalttaten, Überfälle und wilden Revolverkämpfe ist vorbei.

Wyatt Earp aber lebt noch. Seine Brüder werden gesunden. Und für Wyatt Earps Sieg, der den Sieg von Recht und Gesetz bedeutet, hat Holliday gekämpft.

Nun ist er zufrieden, auf eine bittere, grimmige und dennoch wohltuende Art zufrieden ...

Er bewegt sich nicht, als sich die Tür öffnet und Marshal Wyatt Earp eintritt. Das Zimmer ist dunkel. Nur von der Straße her fällt ein karger Lichtschimmer durch das Fenster. Die hohe Gestalt des berühmten Marshals tritt neben den Sessel. Holliday spürt die Hand des Freundes auf der Schulter. Sie haben noch nie gesagt, dass sie Freunde sind. Aber sie haben es immer gespürt.

Zwischen dem Marshal des Arizona-Territoriums und dem vom Tode gezeichneten Holliday gab es von Anfang an etwas Gemeinsames, was jedoch stets tief in beiden Männern verborgen blieb.

»Ich danke dir, Doc«, murmelt Wyatt Earp. »Ohne dich ...«

»Du hast nichts zu danken, Wyatt, gar nichts! Dankbar bin ich. Es wäre schlimm für mich gewesen, dich tot am Boden liegen zu sehen. Denn du warst immer das für mich, was ich als Mann hätte sein sollen. Mein ganzes Leben ist sinnlos und nutzlos vertan. Die zweiundfünfzig Blätter des Kartenspiels und die beiden Colts waren der Inhalt meines Lebens. Ein heruntergekommener Gentleman aus dem Süden kann mächtig froh sein, wenn er am Schluss seines verpfuschten Lebens ein einziges Mal etwas tun kann, was ihm das Gefühl von Zufriedenheit und Stolz gibt. Ich hätte nicht ertragen können, dich besiegt zu sehen. Denn du bist das, was ich hätte sein können.«

»Doc, du bist nicht am Ende«, murmelt Wyatt Earp. »Das Klima in Arizona ist gut für deine Krankheit. Ich habe dir niemals gesagt, dass du in meinem Herzen einen besonderen Platz hast. Aber jetzt bitte ich dich als Freund darum, aufzuhören mit Kartenspiel und Whisky. Dann wirst du auch eine Chance bekommen.«

»Es ist zu spät, mein Freund.«

»Versuche es, Doc, mir zuliebe.«

»Sicher, sicher, Wyatt. Aber ich bin jetzt müde – mächtig müde. Die Stadt ist heute so ruhig wie der Stiefelhügel dort draußen. Das schläfert ein. Wyatt, ich bin stolz, dass du mich deinen Freund genannt hast.«

»Ich werde dich in den nächsten Tagen mit einem Wagen fortbringen, Doc. Irgendwo kenne ich im trockenen Hochland eine prächtige Ranch. Dort sind schon viele Kranke gesundet, die ...«

»Schon gut, Wyatt, schon gut. Wir werden morgen darüber reden, nicht wahr?«

Nach diesen Worten ist es im dunklen Zimmer eine Weile still. Man hört nur die Atemzüge der beiden Männer. Wyatt Earps Druck auf Hollidays Schulter verstärkt sich etwas. Dann geht er langsam zur Tür und murmelt von dort: »Ja, mein Freund, wir reden morgen noch darüber.«

Und dann schließt sich die Tür leise. Die Schritte des Marshals verstummen auf dem Gang. Doc Holliday aber beginnt zu husten. Es wird wieder einmal ein schlimmer Anfall, der ihn zum Schluss bewusstlos macht.

Er erwacht erst Stunden später, aber es ist immer noch Nacht. Mühsam erhebt er sich und trinkt aus einer Weinflasche. Schwankend tritt er ans Fenster und späht zu den Sternen hinauf. Er atmet rasselnd und legt die Stirn gegen das Fensterkreuz.

Nach einer Weile wendet er sich ins Zimmer, entzündet die Lampe und tritt damit vor den Spiegel. Er betrachtet sich lange.

»Nun, Freund Wyatt«, murmelt er dann, »wir werden uns in diesem Leben nicht mehr sehen können. Ein Mann wie ich, der sollte seinen Freunden das Zusehen ersparen. Es sieht nicht gut aus, wenn ein Wrack wie ich das Ende erreicht. Jetzt beginnt meine allerletzte Pokerrunde. Die Chips sind verloren. Aber ich habe wenigstens lernen können, jede Entscheidung hinzunehmen.«

Nach diesen Worten bewegt er sich mühsam durch das Zimmer. Er öffnet einen Schrank und beginnt sich umzukleiden. Seinen tadellos geschneiderten Anzug und sein vor Stunden noch blütenweißes Seidenhemd vertauscht er gegen die abgerissene Tracht eines Cowboys. Er fand sie bei seinem Einzug in diesem Schrank. Man hatte vergessen, sie zu entfernen.

Als er damit vor den Spiegel tritt, kennt er sich kaum wieder. Die Kleidung schlottert um seinen knochigen und abgemagerten Körper. Er blickt in ein hohlwangiges und dunkles Gesicht, in dem die Augen seltsam glühen wie bei einem Fieberkranken.

Dann schnallt er die beiden Schulterholster um, schiebt die großen Colts hinein und zieht die alte Cordjacke über.

Unbemerkt verlässt er das Hotel. Im Mietstall schläft der Nachtmann in seinem Verschlag. Holliday sattelt ein Pferd, füllt eine Wasserflasche, hängt sie ans Sattelhorn und lauscht nochmals auf die Schnarchtöne des Nachtmannes. Bevor er sich mühsam in den Sattel zieht und aus dem Stall reitet, legt er einen Hundertdollarschein auf die Futterkiste und heftet ihn mit einem alten Hufnagel fest.

Dann reitet er langsam aus der Stadt hinaus – weit vorgeneigt, müde, kraftlos und einsam – sehr einsam.

Er ist ein Mann, der nach einem stillen Ort Umschau halten will, wo er während der letzten Stunden nicht gestört werden kann. Er hat die feste Überzeugung, dass er nun bald am Ende seiner Fährte sein wird. Und er verspürt keine Trauer darüber.

Alles, was er spürt, ist die tiefe Bitterkeit darüber, dass er aus seinem Leben nichts anderes zu machen vermochte.

Und so reitet er in die Nacht hinaus.

Es geht niemanden etwas an, so denkt er, wie J. H. Holliday endet.

Er reitet zwei Tage im Schritt und hält sich zusammengesunken im Sattel. Die kalten Nächte verbringt er an großen Feuern. Es steckt noch ein letzter Rest von Kraft in seinem knochigen Körper. Obwohl er im Sattel manchmal das Bewusstsein verliert, fällt er nie. Und wenn der neue Tag heraufzieht, bleibt er in seinen Satteldecken liegen, bis die Sonne heiß zu brennen beginnt.

Am dritten Morgen, glaubt er, sich nicht mehr erheben zu können. Er hat ja die beiden letzten Tage nur von Wasser gelebt. Er wundert sich darüber, dass er überhaupt so weit kommen konnte. Natürlich hat er längst die Poststraße verlassen und ist nordwärts geritten. Nun befindet er sich in einem Nebental des San Pedro Valley. Aber er glaubt immer noch, dass er nicht weit genug von den Wagenwegen oder Ortschaften entfernt ist. Trotz seiner tiefen Resignation und der gleichgültigen Gewissheit, dass es bald mit ihm zu Ende sein wird, möchte er doch einen schöneren Platz finden.

Seine Krankheit scheint ihm auch nochmals eine letzte Frist zu geben. Wenn er nicht so lange ohne Nahrung wäre, würde er sich sicherlich besser fühlen als während der letzten Zeit.

Mühsam erhebt er sich endlich und schwankt zur Wasserstelle. Er löscht seinen brennenden Durst, und es ist eigentlich schon sehr, sehr lange her, dass er einfaches Wasser getrunken hat.

Dann sitzt er eine Weile auf einem Stein in der Sonne. Er hört auf zu frösteln. Etwas Wärme durchströmt seinen ausgemergelten Körper. Man könnte ihn wirklich für einen alten Mann halten, wenn sein Haar nicht noch voll und nur an den Schläfen etwas grau wäre. Er ist nicht älter als vierunddreißig Jahre.

Das Pferd kommt herbei. Es ist ein altes, ruhiges Tier. Sanft stößt es ihn an und bläst ihm ins Gesicht. Er überlegt, ob er nochmals den Sattel so hoch heben kann.

Aber als er es versucht, gelingt es ihm wider Erwarten gut. Erstaunt denkt er darüber nach.

Was ist mit ihm? Ist er gar nicht so krank, dass er es nötig hat, nach einem einsamen Ort zu suchen, an dem er sein Ende erwarten kann? Sollte es wieder einmal – wie schon so oft – so sein, dass in ihm nochmals irgendwelche Kräfte des Widerstandes aufflackern, so wie an jenem Tag, als er mit den Earps zum O.K. Corral schritt? Da war plötzlich auch eine wunderbare Kraft in ihm. Er konnte nochmals kämpfen wie ein Mann. Und wenn sein ganzes Leben auch von Anfang an durch seine Schuld verpfuscht war – kämpfen konnte er immer wie ein Mann. In dieser Hinsicht war er nie ein Schwächling.

Nach einer Weile ist er fertig. Er sitzt auf und reitet weiter.

Er hält auf die mächtigen Tafelberge zu, die vor ihm liegen. Der kaum erkennbare Weg führt in eine Schlucht. Später erweitert sich diese Schlucht zu einem Kessel. Ein kleiner Wasserfall rauscht von einer Felswand nieder. Viele Tierfährten verraten, dass hier kaum Menschen jagen. Es gibt hier Bäume, Büsche und saftiges Gras. Und zu einer der Mesas führen sanfte Terrassen hinauf.

Sein Blick will schon nach einem Aufstieg zu forschen beginnen, als er die helle Plane eines Wagens zwischen Bäumen und Büschen durchschimmern sieht.

Er stößt einen ärgerlichen Laut aus und reitet weiter. Der Weg führt dicht an dem Planwagen vorbei. Der steht einsam und wie verlassen zwischen den Bäumen und dicht an dem kleinen Teich, der vom Wasserfall ständig gespeist wird. Die beiden Zugpferde bewegen sich in den Büschen. Sie müssen sehr hastig ausgespannt worden sein, denn das gesamte Geschirr liegt unordentlich unter der Wagendeichsel am Boden.

Holliday will schon weiter, aber dann verspürt er doch ein starkes Interesse. Er wundert sich darüber, folgt jedoch seinem Drang und reitet langsam zum Wagen hinüber.

Als er verhält, hört er die gepresste Stimme einer Frau aus dem Wagen heraus sagen: »Wer auch gekommen sein mag – wer es auch sein mag! Wenn dort draußen ein Mensch ist, so wird er wohl barmherzig genug sein und mir helfen. Hören Sie mich?«

Holliday antwortet nicht sofort. Aber dann murmelt er. »Ich höre Sie, Ma'am. Was ist mit Ihnen?«

»Ich bekomme ein Kind. Ich bin ganz allein in dieser Wildnis und bekomme ein Kind. Oh, wenn Sie ein barmherziger Mensch sind, dann helfen Sie mir.«

Holliday sinkt mehr als zuvor in sich zusammen. Ein seltsamer Laut kommt über seine blutleeren Lippen. Es dauert eine Weile, bis er alles richtig begriffen hat.

Er reitet langsam zur Hinterseite des Wagens, beugt sich aus dem Sattel und zieht die Plane zur Seite. Die junge Frau, die dort drinnen in den Wehen liegt, erschrickt bei seinem Anblick. Er kann es erkennen.

Langsam und schwer sagt er: »Tut mir leid, dass gerade ich Sie finden musste. Ich hätte Ihnen gewünscht, dass ein besserer Mann Sie gefunden hätte – noch besser eine gute Frau. Aber wenn Sie Vertrauen zu mir haben, so möchte ich Ihnen gerne helfen. Früher war ich mal Doktor der Zahnmedizin. Ich bin also kein richtiger Arzt. Und doch kann ich Ihnen bessere Hilfe leisten als ein zufällig hier vorbeikommender Satteltramp.«

Sie betrachtet ihn aus großen Augen. Er kann erkennen, dass sie starke Schmerzen hat und es wirklich allerhöchste Zeit ist. In diesen Sekunden vergisst er alles, was mit ihm und seinem vermeintlichen letzten Weg zusammenhängt. Er hält es für eine tatsächliche Fügung, dass sein Weg ihn hier an diesen Ort geführt hat.

Die junge Frau betrachtet ihn trotz aller Not und Schmerzen forschend. Plötzlich lächelt sie auf eine seltsame Art.

»Sie sind gut«, murmelt sie gepresst. »Ich spüre, dass Sie gut sind. Und ich vertraue Ihnen! Bitte, helfen Sie mir.«

»Danke«, krächzt er. »Ich danke Ihnen, dass ich helfen darf.«

Dann sitzt er ab. Eine wunderbare Kraft durchströmt ihn. Es erscheint ihm wichtiger als bisher alles auf der ganzen Welt, dieser Frau zu helfen. Und es erscheint ihm auch ein guter Abschluss zu sein, einem neuen Erdenbürger zu einer Chance zu verhelfen.

Er arbeitet sofort umsichtig. Zuerst macht er ein Feuer an. Er findet einen Kochkessel und ein eisernes Dreibein. Als er dafür gesorgt hat, dass bald heißes Wasser zur Verfügung sein wird, klettert er mühsam in den Wagen hinein. Er fürchtet sich davor, husten zu müssen.

Aber er muss es nicht.

Schon zwei Stunden quält ihn seit langer Zeit kein Husten mehr.

Auch am nächsten Tag, als er nach einigen Stunden Schlaf erwacht, fühlt er sich so wohl wie seit langer Zeit nicht mehr. Er hatte aber auch am Abend zuvor reichlich gegessen. Dann, als er das Kind ins Leben holte und das dünne Stimmchen hörte, wurde ihm bewusst, dass zwei Menschen seine Hilfe brauchen und ohne ihn sicherlich verloren wären.

Ein Mann aber, der Pflichten hat, kann nicht einfach aufgeben und an seinen baldigen Tod denken.

Es war wie vor wenigen Tagen, als die berüchtigten Revolvermänner und Banditen beim O.K. Corral auf die Earps warteten. Damals brauchten die Earps Doc Hollidays Hilfe. Und er ging mit ihnen und kämpfte, so, als wäre er nicht vom Tode gezeichnet und nur noch ein ausgebranntes Wrack.

Er erhebt sich. Das Feuer ist niedergebrannt. Er entfacht es neu und hängt den Kaffeekessel darüber.

Dann tritt er zum Wagen und späht hinein.

Ann Worth blickt ihn aus ihren großen Augen an und lächelt glücklich und dankbar. Sie hat dunkelblaue Augen. Ihr gelöstes Haar ist etwas wirr. Es ist so gelb wie reifer Weizen.

»Wie geht es?«, fragt er sanft.

»Prächtig, Jim! Ich bin glücklich und froh. Jimmy hat vor einer Stunde Hunger gehabt und laut gekräht. Ich habe ihn satt bekommen. Jetzt schläft er wieder. Sie sind ein guter Mann, Jim Miller.«

Holliday lächelt verlegen. Er hatte ihr nicht seinen richtigen Namen, sondern einen falschen genannt.

»Sie gaben Ihrem Sohn meinen Vornamen?«

»Ja, Jim. Ich nenne ihn so.«

»Nun gut«, murmelt er. »Ich mache Frühstück.«

Verwirrt geht er davon. Und wenn er im Laufe des Tages husten musste, entfernt er sich ein Stück, sodass die junge Frau im Wagen es nicht hören muss.

Er weiß inzwischen auch darüber Bescheid, wie Ann Worth in diese Situation geraten ist. Vor Monaten ist ihr Mann losgeritten, um eine kleine Ranch zu erwerben. Ann blieb derweil bei ihrer alten Tante. Und dann kam die Nachricht, dass Sam Worth eine Ranch gefunden und günstig erworben hatte. Sein jüngerer Bruder, mit dem er damals fortgeritten war, brachte diese Nachricht und hatte den Auftrag, Ann zu holen. Sie brachen mit diesem Wagen auf und waren sehr viele Tage unterwegs. Aber unterwegs trafen sie auf Banditen, die es auf Geld und Waffen abgesehen hatten. Anns junger Schwager war ein stolzer Texaner. Er kämpfte und wurde getötet. Der jungen, hochschwangeren Frau aber taten die Banditen nichts. Und so war Ann Worth schon eine ganze Woche allein unterwegs. Die schwere und ungewohnte Arbeit mit dem Gespann und all die anderen Mühen, die eine solche Fahrt durch raues Land mit sich brachte, bewirkten dann, dass das Baby früher kam.

Aber da kam Doc Holliday wie durch eine Fügung des Schicksals, das Ann Worth gnädig war.

Ja, Holliday weiß Bescheid. Und weil das alles so ist, strömt eine neue und fast wunderbare Energie durch seinen ausgemergelten Körper. Er denkt nun nicht mehr daran, aufzugeben und seiner Krankheit zu erliegen. Dort ist eine junge Frau mit ihrem Kind. Sie brauchen ihn. Sie sind auf seine Hilfe angewiesen.

Drei Wochen später sind sie am Ziel. Und jener Mann, der sich jetzt Jim Miller nennt, hat sich sehr verändert. Oh, er wirkt immer noch ausgemergelt und krank, hohlwangig und müde.

Und doch verrät sein Blick eine gewisse Freude am Leben. Seine knochigen Schultern sind gerader geworden. Er hält sich besser. Und es scheint sogar, als hätte er in den letzten drei Wochen einige Pfund an Gewicht zugenommen.

Seit einer Woche quält ihn der Husten nur noch in den kalten Nächten. Aber die trockene Luft und die Wärme des Hochgebirges haben ihm etwas geholfen. Seit drei Wochen hat er nicht geraucht. Er hat keinen Tropfen Alkohol getrunken und jede Nacht geschlafen. Die Bewegung in der guten Luft und sein Wille zum Durchhalten – alles scheint zusammengewirkt zu haben.

Ann Worth sitzt neben ihm auf dem Fahrersitz und hält ihr Baby im Arm. Die Blässe ist schon etwas aus ihrem Gesicht verschwunden, und wenn Holliday sie manchmal kurz von der Seite betrachtet, dann wird er sich darüber klar, welchen erfreulichen Anblick diese junge Mutter bietet.

Nun, sie sind also am Ziel. Auf der letzten Terrasse eines Passes halten sie an und blicken in ein mächtiges Tal hinunter. Es ist ein gewaltiges Becken mit grünen Weiden, Bächen, Waldstücken und Canyons und Hügeln.

»Hier muss es sein«, murmelt Holliday. »Dort liegt eine sehr kleine Stadt. Es sind wohl nicht mehr als zwölf Häuser. Und überall in weiter Ferne liegen Ranches. Es muss das Oase Valley sein, Ann.«

»Yeah, Jim! Und bald werden wir angelangt sein. Sam hat seinen Bruder verloren – aber ich bringe ihm einen Sohn mit. Oh, endlich kann ich wieder bei Sam sein!«

Holliday nickt. Langsam fährt er zum Tal hinunter. Die Bremsen des Wagens kreischen manchmal.

Später, es ist schon Nachmittag, erreichen sie den Talgrund und halten im knietiefen Wasser eines Creeks. Die Tiere trinken, und auch Holliday schöpft für Ann und sich Wasser. Er gießt einige Eimer Wasser auf die noch über dem Wasserspiegel liegenden Bremsen.

Als er dann zum anderen Ufer fahren will, tauchen dort zwei Reiter auf. Es sind Männer, die wie Cowboys gekleidet sind. Langsam kommen sie herangeritten, halten neben dem Wagen im Wasser an und betrachten Holliday, die Frau und das Kind. Es sind scharfgesichtige Männer mit wachsamen und kühlen Augen. Sie greifen an die Hutkrempen, und einer fragt lässig: »Wohin?«

»Sam Worth hat hier eine Ranch gekauft«, murmelt Holliday. »Es wäre freundlich, wenn Sie mir den Weg beschreiben könnten.«

Die beiden Männer betrachten ihn nun noch schärfer. Dann starren sie Ann seltsam an. Endlich fragt einer: »Ist das Sam Worths junge Frau? Er sprach davon, dass sie eines Tages hier eintreffen würde.«

»Das ist Ann Worth«, murmelt Holliday, und er hat kein gutes Gefühl.

»Tut uns leid, Lady«, sagt der Mann. Und nun nimmt er sogar den Hut ab. Sein Gefährte tut es ihm nach. Dann deutet er zu den fernen Hügeln hinüber und murmelt zögernd: »Die Ranch liegt dort drüben. Fünf Meilen von hier zweigt ein schmaler Pfad von dieser Passstraße ab. Aber es lebt niemand mehr auf dieser Ranch.«

»Das ist nicht wahr! Sam Worth muss dort sein!«, ruft Ann voller Bestürzung.

Die Reiter zögern. Schließlich murmelt einer: »Er ist auch noch dort, Ma'am. Als man ihn fand, begrub man ihn unter dem Baum, an dem er ...« Und nun verstummt der Mann jäh, blickt seltsam starr in Anns bleich gewordenes Gesicht und stößt dem Tier die Sporen in die Seiten. Sein Gefährte folgt ihm. Sie reiten schnell davon. Es sieht fast wie eine Flucht aus.

Ann Worth aber weint. Sie hält ihr Kind an sich gedrückt und weint auf eine bittere und lautlose Art.

Holliday legt den Arm um sie. Mehrmals setzt er an, um etwas zu sagen. Aber es gelingt ihm nicht. Dann fährt er an. Und er ahnt schon, dass Ann und Jimmy jetzt seine Hilfe auch weiterhin sehr, sehr nötig haben.

Aber wird er ihnen helfen können? Es sieht nämlich für ihn so aus, als hätte es hier einen schlimmen Verdruss gegeben. Wenn es aber in einem Rinderland erst einmal Verdruss gibt, ist es immer eine schlimme Sache. Holliday kennt sich aus. Seine Wege waren rau und führten mitten durch die Hölle.