G. F. Unger 2144 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2144 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als es dreimal gegen die Verbindungstür der beiden Hotelzimmer klopft, öffnet Ty Shannon.
Im Nachbarzimmer steht die junge Frau. Die Nachmittagssonne fällt durch das offene Fenster. Sie umgibt Judy Mahoun mit einem goldenen Strahlenkranz. Einen Moment verharrt sie bewegungslos und betrachtet den Mann, den sie von früher kennt.
Er scheint sich nicht verändert zu haben, dieser rotblonde Texaner mit dem Sichelbart und den stahlblauen Augen. Selbst hier im Hotelzimmer trägt er seinen Revolver. Die Waffe gehört zu ihm, wie Krallen und Zähne zu einem Tiger gehören.
Sie lächelt. Judy Mahoun, die früher Hogan hieß, ist mehr als hübsch. Sie ist reizvoll auf eine eigenwillige, rassige, ja, wilde Art. Und wenn sie lächelt, so wirkt das stets wie eine Herausforderung. Doch diesmal fehlt das strahlende Locken in ihren Augen, an das sich Ty Shannon noch gut erinnert.
»Du hast mich gerufen«, sagt er. »Da bin ich. Was nun?«


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Und jeder bringt den Tod

Vorschau

Impressum

Und jederbringt den Tod

Als es dreimal gegen die Verbindungstür der beiden Hotelzimmer klopft, öffnet Ty Shannon.

Im Nachbarzimmer steht die junge Frau. Die Nachmittagssonne fällt durch das offene Fenster. Sie umgibt Judy Mahoun mit einem goldenen Strahlenkranz. Einen Moment verharrt sie bewegungslos und betrachtet den Mann, den sie von früher kennt.

Er scheint sich nicht verändert zu haben, dieser rotblonde Texaner mit dem Sichelbart und den stahlblauen Augen. Selbst hier im Hotelzimmer trägt er seinen Revolver. Die Waffe gehört zu ihm, wie Krallen und Zähne zu einem Tiger gehören.

Sie lächelt. Judy Mahoun, die früher Hogan hieß, ist mehr als hübsch. Sie ist reizvoll auf eine eigenwillige, rassige, ja, wilde Art. Und wenn sie lächelt, so wirkt das stets wie eine Herausforderung. Doch diesmal fehlt das strahlende Locken in ihren Augen, an das sich Ty Shannon noch gut erinnert.

»Du hast mich gerufen«, sagt er. »Da bin ich. Was nun?«

Sie kommt plötzlich zu ihm, sucht den Schutz seiner Arme und legt ihr Gesicht gegen seine Schulter.

»Oh, Ty, mein alter Freund, hilf mir«, flüstert sie. »Hilf mir aus der Not.«

Er streicht ihr sacht über das rabenschwarze Haar. Dabei denkt er an jene Zeit, da sie noch blutjung war und einer Seiltänzergruppe angehörte, die auf den Jahrmärkten am Mississippi tingelte.

Es gehörte Mut dazu. Und den hatte sie.

In einem Tingeltangel in Nogales lernte er sie später kennen. Dort sang sie, hatte zwei Auftritte jede Nacht und teilte zwischendurch im Spielsaloon die Karten aus.

Und alle Männer waren hinter ihr her. Auch Ty Shannon.

Doch auch er bekam sie nicht.

Denn sie suchte einen wohlhabenden, soliden Mann.

Und das war Bill Mahoun.

Ty Shannon führt Judy zum Sofa setzt sich mit ihr, hält sie weiter in seinem Arm.

»Erzähl mir alles«, sagt er. »Dann wollen wir sehen, ob ich dir helfen kann.«

Sie nickt und schluckt mühsam.

»Es ist nicht ganz einfach. Ich wurde damals Bill Mahouns Frau. Und Bill besaß eine große Ranch. Er war mehr als doppelt so alt wie ich. Doch das machte mir nichts aus. Ich wollte Sicherheit. Und die bekam ich. Ich brauchte nicht mehr in den Tingeltangels zu arbeiten und mich nicht länger all dieser zudringlichen Burschen zu erwehren. Ich liebte Bill Mahoun nicht, doch ich war ihm dankbar. Und so musste er sich nicht über mich beklagen. Ja, ich machte ihn glücklich. Doch dann wollte er mir wohl zeigen, dass er längst noch kein alter Mann war und es mit jedem seiner Reiter aufnehmen konnte. Er versuchte, einen wilden Hengst einzubrechen, was keinem seiner Reiter gelungen war. Er brach sich das Genick dabei. Und ich war eine junge und sehr reiche Witwe.«

Nach diesen Worten macht sie eine Pause.

Und plötzlich zittert sie in Ty Shannons Arm, als durchliefe sie ein Fieberschauer.

Ihre Stimme ist fast tonlos, als sie weiterspricht:

»Und von diesem Moment an war ich abhängig von dem Vormann und den Reitern. Ich verstehe nichts von der Leitung einer solch großen Ranch. Das nutzte schon Bill Mahouns Vormann aus, den ich ja sozusagen mit der Ranch erbte. Er hielt sich in jeder Beziehung für Bills Nachfolger. Ich wurde seine Gefangene. Bis Jones Kingfisher zufällig hier durch diese Stadt kam. Eigentlich vertrat er sich hier in Morning Dance nur während des Postkutschen-Aufenthalts die Beine. Ich war in die Stadt gekommen, um einzukaufen. Und ich kannte ihn so wie dich, Ty. Ich bat ihn um Hilfe. Er blieb in Morning Dance, wartete auf den Vormann meiner Ranch, reizte ihn, sodass es zum Duell kam, bei dem der Vormann zuerst zur Waffe griff – und getötet wurde.«

Ty Shannon nickt, so, als wäre dies ganz selbstverständlich.

»Jetzt hat Jones Kingfisher die Stelle des Ersten Vormannes eingenommen«, sagt er lässig. »Nicht wahr, so ist es doch? Jetzt ist Kingfisher der Mann, von dem du abhängig bist. Bekam er dich schon?«

Sie zittert wieder in seinem Arm.

»Er nahm mich einfach«, erwidert sie schlicht. »Er übernahm die Ranch, bekam die Mannschaft unter Kontrolle, holte ein paar alte Freunde her und nahm auch mich in Besitz. Ich ergab mich scheinbar. Hätte ich das nicht getan, wäre ich eine Gefangene auf der Ranch. Ich schrieb Briefe an alle Städte, wo du vielleicht durchkommen und nach Post fragen würdest. Ich weiß ja, dass du ein Revolverkämpfer bist, der seinen Colt vermietet. Ich schrieb dir, dass ich deine Hilfe haben müsse. Nun, heute bin ich mit Jones Kingfisher hier in Morning Dance. Er ist im Saloon und will danach mit mir unten im Restaurant zu Abend essen. Ty, ich werde dich nobel belohnen, wenn du mich befreist. Wirst du es tun?«

Sie lehnt an seiner Schulter, blickt zu ihm auf.

Er spürt den Hauch ihres Atems, erkennt die Bitte in ihren Augen – und er wird sich darüber klar, dass sie kein Mädchen mehr ist. Er bemerkt einige feine Linien um ihre Mundwinkel und Augen, die ihm verraten, dass ihre Wege gewiss rau waren.

Langsam nimmt er den Arm von ihren Schultern und erhebt sich. Er ist ein mittelgroßer, drahtiger Bursche, ein zäher Mann, der nicht nur mit dem Colt kämpfen kann, sondern auch in der Lage ist, einen um einen Kopf größeren und fünfzig Pfund schwereren Mann mit einem Schlag von den Beinen zu holen – oder ihn zäh und beharrlich niederzukämpfen.

Er blickt auf die Mainstreet von Morning Dance hinab.

Diese kleine Stadt in den Hügeln eines Rinderlandes ist unbedeutend, aber sie gefällt ihm. Es gibt nur einen Marshal, dessen Befugnisse nicht über die Stadtgrenzen hinausreichen.

Draußen in den Hügeln ist der Boss einer Ranch noch uneingeschränkter Herr über sein Land und alles, was sich darauf bewegt – auch über die Menschen.

Er wendet sich um.

»Ich werde dir diesen Jones Kingfisher vom Hals schaffen«, murmelt er. »Doch dann wirst du mich genauso nötig haben wie jetzt ihn. Denn jemand muss die Mannschaft unter Kontrolle halten. Eine Ranch in solch einem Land ist nicht einfach zu leiten. Wer sagt dir, dass ich diesen Jones Kingfisher nicht ablöse und sich für dich im Grunde nichts ändert – nur der Mann, dem du gehörst und von dem du abhängig bist, weil du eine große Ranch in einem wilden Land nicht allein leiten und eine verwilderte Mannschaft nicht führen kannst? He, wer gibt dir die Gewissheit, dass sich etwas ändert?«

Sie sieht ihn seltsam an. Erst nach einer Weile murmelt sie:

»Damals in Nogales warst du ziemlich anständig zu mir, mein Freund. Und das lässt mich auch jetzt hoffen. Jones Kingfisher ist mir widerlich. Er hat schlechte Manieren.«

»Er brachte dem Ersten Vormann den Tod«, murmelt Ty Shannon. »Jetzt werde ich ihm den Tod bringen. Und du wirst irgendwann abermals einen Mann finden, der mich erledigt, wenn ich etwas tue, was dir nicht gefällt. Judy, du bist gefährlicher als ein ganzes Dutzend Revolvermänner. Nur Narren legen sich mit dir an. Nun, wir werden sehen.«

Sie erhebt sich, tritt ganz dicht zu ihm. Er ist knapp einen Kopf größer. So muss sie zu ihm aufblicken.

»Du wirst fair zu mir sein«, murmelt sie. »Du wirst dir nicht nehmen, was ich dir nicht gebe. Du wirst warten, ob ich es dir nicht vielleicht schenke. Und wenn nicht, wirst du zu stolz sein ...«

Sie bricht ab.

Denn draußen auf dem Gang nähern sich sporenklirrende Schritte.

»Da kommt Jones Kingfisher«, sagt sie und eilt durch die offene Verbindungstür in das andere Zimmer zurück.

Hinter ihr schließt Ty Shannon die Tür. Er lehnt sich dagegen und überlegt, wie er Jones Kingfisher töten wird.

Denn anders geht es wohl nicht.

Die große Ranch und die reizvolle Rancherin sind zusammen ein fetter Happen für zweibeiniges Raubwild. Es wird so lange eine Kette von Nachfolgern geben, bis Judy Mahoun den richtigen Mann findet, dem sie gehören will. Sonst wird sie immer wieder für einen Nachfolger sorgen.

Und jeder neue Mann, den sie um Hilfe bittet, bringt seinem Vorgänger den Tod.

Drüben im anderen Zimmer hört er jetzt die Stimme des Mannes. Ty Shannon wendet den Kopf, presst ein Ohr an die tapezierte Verbindungstür.

Jones Kingfishers Stimme ist tief und fest, ganz und gar das Organ eines Mannes, der keinen Befehl zweimal zu geben braucht. Ty Shannon kennt die Stimme noch gut genug. Ja, er erinnert sich an Kingfisher. Sie kämpften damals an der Grenze bei El Paso auf der gleichen Seite, halfen den Ranchern gegen die Invasion der Schafzüchter aus Mexiko.

Jetzt sind sie Gegner. Einer von ihnen wird sterben.

Ty Shannon hört Jones Kingfisher eben sagen: »Ich gehe also zum Barbier. Und dann hole ich dich zum Abendessen ab. Soll ich den Prediger verständigen, dass er uns morgen traut? Du weißt, ich will nicht länger warten. Also?«

»Und wenn ich ablehne?«

Da lachte er.

»Du brauchst mich nicht nur im Bett – nein, es geht ja wohl auch um die Ranch. Ohne mich werden sie dir binnen weniger Monate alle Rinder von der Weide stehlen. Du wärst wieder so arm wie zuvor. Also, ich lasse mich fein machen für die Trauung morgen. Und ich verspreche dir, dass ich im Saloon nicht zu lange Abschied vom Junggesellenleben feiern werde. Ich bin bestimmt noch vor Mitternacht bei dir. Mach dich richtig schön für mich!«

Ty Shannon tritt ans Fenster.

Wenig später sieht er ihn schräg über die Fahrbahn zum Barbier gehen.

Ja, es ist Jones Kingfisher – ein großer, zäher, gelbhaariger Bursche, der etwas Löwenhaftes an sich hat.

Ich werde ihn töten, denkt Ty Shannon.

Ich werde ihn töten und ihm die Beute wegnehmen.

Doch danach muss ich anders vorgehen. Sonst lässt Judy eines Tages auch einen Mann kommen, der mir den Tod bringt.

Es ist etwa eine Stunde vor Mitternacht, als Jones Kingfisher an der Bar sein letztes Glas leert. Ein paar andere Gäste leisteten ihm Gesellschaft bei den spendierten Drinks.

Er ist noch etwas angeheitert.

Und er denkt an den kommenden Tag.

Doch dann sieht er Ty Shannon hereinkommen. Shannon tritt nur so weit ein, dass die Schwingtür hinter ihm noch auspendeln kann, ohne ihm gegen den Rücken zu stoßen.

Dann nickt er dem staunenden Jones Kingfisher zu und sagt: »Jones, es hat dich eingeholt. Ich werde dich tot oder lebendig nach Concho Creek bringen.«

Es wird still im Saloon.

Und nun hören alle Jones Kingfisher lachen.

»Ach, Ty, gib dir keine Mühe, ich weiß, der ...«

Er spricht nicht weiter, sondern zieht den Colt, nein, er zaubert ihn geradezu heraus. Und er war schon immer der Meinung, dass er keinen anderen Revolvermann zu fürchten braucht – auch nicht Ty Shannon.

Doch einen Sekundenbruchteil später ist er tot.

Er fällt schwer wie ein Baum.

Und Ty Shannon sieht sich mit dem rauchenden Colt in der Hand um.

»Hat er Freunde hier?«

Niemand meldet sich.

Nur der Wirt hinter dem Schanktisch fragt: »Was hat ihn eingeholt, Mister?«

Ty Shannons Grinsen ist nur eine Maske, hinter der sich alles verbirgt, was nun in ihm ist. Denn zu Heiterkeit hat er keinen Anlass. Er hat den Tod nach Morning Dance gebracht. Und das ist selbst für einen hartgesottenen Revolvermann schwer zu verkraften.

»Ach«, sagt er, »es ist eine alte Sache. Und in Concho hätten sie ihn gehängt.«

»Da war es wohl besser für ihn, so zu sterben«, murmelt der Wirt in die Stille. »Und er zog auch zuerst. Ich frage mich, wie Sie trotzdem schneller sein konnten, Fremder. Dürfen wir Ihren Namen erfahren?«

»Sicher«, sagt Ty Shannon. »Mein Name ist Shannon, Tyrone Shannon. Und wahrscheinlich werde ich eine Weile bleiben. Wir alle lernen uns noch besser kennen, denke ich.«

Nach diesen Worten gleitet er plötzlich zur Seite und wendet sich halb um, sodass er zur Schwingtür blicken kann.

Ein Mann tritt herein, der einen Blechstern an der Weste hat und eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen unter dem Arm trägt.

Er lässt seinen Blick blitzschnell umherschweifen und richtet dabei die Doppelmündung der gefährlichen Schrotflinte auf Ty Shannon.

Denn Shannon hält immer noch seinen Revolver in der Hand, wenn auch mit der Mündung nach unten.

Der Marshal blickt auf den Wirt.

Und dieser sagt ruhig: »Dieser Fremde heißt Shannon. Er kam herein, und Kingfisher erkannte ihn sofort. Shannon sagte, dass er Kingfisher tot oder lebendig nach Concho Creek bringen würde. Da zog Kingfisher seinen Colt. Shannon war schneller.«

»Die Leichenschau ist morgen um elf Uhr. Ich nehme dann das Protokoll auf.«

Er nickt einem Mann zu, der mit anderen am Pokertisch sitzt.

»Also, du kannst ihn haben«, sagt er. »Die Leichenschau findet in deinem Sargschuppen statt.«

Nach diesen Worten betrachtet er noch einmal Shannon.

»Bleiben Sie in unserer Stadt, Mister Shannon?« Er wirkt dabei fast stur. Er ist ein knochiger, hagerer Bursche.

Shannon nickt.

»Mrs Mahoun«, sagt er, »ist eine gute Bekannte von mir. Ich traf sie zufällig vorhin im Hotel wieder. Ja, ich bleibe noch eine Weile.«

Als er dies gesagt hat, wird allen Anwesenden eine Menge klar.

Doch niemand sagt etwas.

Und dennoch weht plötzlich der Atem von lauernder Wachsamkeit und Zurückhaltung.

Und der Town Marshal fragt in diese Stille: »Sind Sie ein Kopfgeldjäger, Mister Shannon?«

»Nein«, sagt Ty Shannon. »Doch ich trug da und dort schon einen Stern wie Sie.«

Der Marshal nickt nur.

Er wendet sich ab und verschwindet wieder nach draußen.

Einige Männer helfen nun dem Leichenbestatter. Doch bevor sie den Toten hinaustragen, geht auch Ty Shannon. Er wendet sich in Richtung Hotel.

Als er die Tür zum Nebenzimmer öffnet, ist es nahezu dunkel. Doch es fällt etwas bleiches Mond- und Sternenlicht herein. Er kann Judy Mahoun auf dem Stuhl am Fenster erkennen. Kerzengerade und angespannt sitzt sie dort.

Und als er durch die Tür in ihr Zimmer tritt, schnellt sie hoch und stößt einen Ruf der Erleichterung aus.

Sie kommt in seine Arme, presst sich an ihn, ganz und gar Schutz suchend.

Er streichelt ihr über das Haar.

»Du kannst bei mir bleiben«, flüstert sie.

»Wir müssen schnell zur Ranch – sehr schnell. Denn wenn ich deine Mannschaft unter Kontrolle bekommen will, möglichst ohne größere Schwierigkeiten, dann dürfen wir nicht so lange warten, bis sie vom Geschehen erfährt. Vielleicht ist sogar schon jemand auf einem schnellen Pferd unterwegs. Komm, Judy, wir haben es eilig. Wie viele Meilen sind es bis zur Ranch?«

»Etwas mehr als zehn«, erwidert sie.

Und dann löst sie sich von ihm. Sie ist plötzlich wieder sehr nüchtern und energisch.

»Richtig«, spricht sie, »wir müssen uns beeilen. Denn Kingfisher hat einige Burschen kommen lassen, die sich mit seinem plötzlichen Tod nicht abfinden werden. Er ist doch tot – oder?«

»Ja, er ist tot«, murmelt Ty Shannon, und in seiner Stimme ist eine Spur von Bitterkeit. »Er ist so tot wie sein Vorgänger.«

Sie hält mitten in der Bewegung inne.

»Oh, Ty«, sagt sie, »ich weiß genau, was du für mich getan hast. Du hast mich befreit – ja, richtig befreit wie in einem Märchen, in dem der Prinz die gefangene Prinzessin befreit, indem er den bösen Drachen tötet. Ich weiß genau, was du auf dich genommen hast. Und ich werde es dir danken. Ich bleibe nichts schuldig. Doch versuche nicht, mich zu besitzen wie einen Gegenstand. Versuche nicht, mein Herr zu sein, denn dann ...«

Er weiß, was sie nicht ausspricht.

Sie ist schnell fertig.

Sie verlassen das Hotel, eilen zum Mietstall, wecken den Nachtmann in seinem Verschlag und sind bald unterwegs. Judy Mahoun fährt den leichten Buggy und lässt den herrlichen Rappwallach abwechselnd traben und galoppieren.

Ty Shannon sitzt auf dem Pferd, das Jones Kingfisher ritt. Denn er kam ja mit einer Postkutsche nach Morning Dance.

Der Weg zur Bar M Ranch schlängelt sich durch Hügelland. Im Mond- und Sternenschein erkennt Ty Shannon, dass es sich um eine sehr unübersichtliche Weide handelt mit tausend verborgenen Winkeln.

Als sie dann aus einem Canyon auf eine kleine Ebene kommen, erblicken sie ein Licht in der Nacht.

Judy lässt das Pferd langsamer traben. Shannon reitet dichter heran. Sie deutet mit der Peitsche voraus.

»Dort ist das Hauptquartier der Ranch«, sagt sie laut genug, sodass er den etwas spröden Klang in ihrer Stimme trotz des Hufschlags heraushören kann.

Als sie auf den Hof und vor das Ranchhaus fahren, sehen sie im Bunkhouse die Lichter. Ein Pferd steht vor dem lang gestreckten Mannschaftsquartier. Es ist ein Sattelpferd, das scharf geritten wurde.

Die Tür geht auf.

Nacheinander treten einige Männer aus dem Bunkhouse. Sie alle sind nur notdürftig bekleidet.

Judy bleibt im Buggy sitzen, dessen Lederdach zurückgeschlagen ist.

Ty Shannon sitzt ab und tritt einige Schritte vor.

Aus der Gruppe der Männer vor dem Schlafhaus lösen sich drei Gestalten, nähern sich und halten ein halbes Dutzend Schritte vor Shannon inne.

Shannon sagt: »Ihr habt einen neuen Boss. Wem das nicht passt, der kann jetzt gleich seine Siebensachen packen und sich auf die Socken machen.«

»Hehehe«, erwidert der vorderste der drei Männer, die sich von der Gruppe vor dem Schlafhaus lösten, »wer spuckt da so große Töne? He, Hombre, bist du der Bursche, gegen den Kingfisher nicht schnell genug war?«

»Der bin ich«, erwidert Ty Shannon.

»Würdest du auch gegen drei Mann schneller sein?« Die Frage kommt als Drohung und Herausforderung zugleich. In der Stimme des Fragers liegt eine wilde und verwegene Wut.

»Probiert es aus, Amigos«, erwidert Ty Shannon kühl. »Na los! Doch ihr wisst, dass ich kein Bluffer bin, wenn ihr an Kingfisher denkt. Beklagt euch also nicht.«

Eine Weile bleibt es still.