G. F. Unger 2146 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2146 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist schon fast Mittag, als er erwacht und den Kopf im weichen Daunenkissen zur Seite dreht. Neben ihm liegt Eveline Summer, die Besitzerin des Yellow Bird Saloons von Golden Hill.
Er betrachtet sie und denkt: Ich könnte sie heiraten. Ja, sie würde mich nehmen. Und sie braucht einen Mann wie mich. In dieser wilden Stadt kann eine Frau auf Dauer nicht solch einen Saloon führen. Sie braucht einen Nachfolger für ihren Mann, den vor fast einem Jahr ein ertappter Falschspieler erschoss. Ich könnte sie also haben, bei ihr bleiben - und wir könnten zusammen gute Dollars machen und eines Tages als wohlhabende Leute von hier fortgehen in ein anderes Leben. Ja, das ...
Er bricht seine Gedanken ab. Denn er verspürt plötzlich wieder jene feinen Warnsignale seines Instinkts. Er kennt diese unheilvollen Ahnungen und weiß sie längst zu deuten. Irgendwie ergeht es ihm wie einem Wolf, der von seinem Instinkt gewarnt wird, wenn irgendwo Jäger die Grenzen seines Reviers überschreiten, wenn sie sich ihm nähern und bald auf ihn Jagd machen werden ...


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Schatten folgen seiner Fährte

Vorschau

Impressum

Schatten folgenseiner Fährte

Es ist schon fast Mittag, als er erwacht und den Kopf im weichen Daunenkissen zur Seite dreht. Neben ihm liegt Eveline Summer, die Besitzerin des Yellow Bird Saloons von Golden Hill.

Er betrachtet sie und denkt: Ich könnte sie heiraten. Ja, sie würde mich nehmen. Und sie braucht einen Mann wie mich. In dieser wilden Stadt kann eine Frau auf Dauer nicht solch einen Saloon führen. Sie braucht einen Nachfolger für ihren Mann, den vor fast einem Jahr ein ertappter Falschspieler erschoss. Ich könnte sie also haben, bei ihr bleiben – und wir könnten zusammen gute Dollars machen und eines Tages als wohlhabende Leute von hier fortgehen in ein anderes Leben. Ja, das ...

Er bricht seine Gedanken ab. Denn er verspürt plötzlich wieder jene feinen Warnsignale seines Instinkts. Er kennt diese unheilvollen Ahnungen und weiß sie längst zu deuten. Irgendwie ergeht es ihm wie einem Wolf, der von seinem Instinkt gewarnt wird, wenn irgendwo Jäger die Grenzen seines Reviers überschreiten, wenn sie sich ihm nähern und bald auf ihn Jagd machen werden ...

Ein Einzelgängerwolf spürt das genau ...

Und so etwa geht es ihm. Denn er hat es schon oft genug erlebt. Er hat immer wieder Schatten auf der Fährte, denen er zwar manchmal für eine Weile entkommen kann, von denen er aber bisher stets irgendwann wieder eingeholt wurde.

Als er mit seinen Gedanken so weit ist, erhebt er sich sachte aus dem breiten Doppelbett.

Er ist völlig nackt. Leicht wie ein Federgewicht tritt er ans Fenster und zieht nun ein wenig die Gardine zurück.

Und da sieht er sie kommen.

Ja, es sind die drei Cassedys, Bud, Ben und Bac Cassedy, die Menschenjäger.

Schon zweimal entkam er ihnen.

Und jetzt?

Er spürt in sich einen bösen, heißen Zorn aufsteigen, einen Zorn, der zerstören und vernichten will. Er möchte nicht wieder flüchten müssen, um dann schließlich doch wieder eingeholt zu werden, obwohl er seine Fährte verwirrte und alles tat, sie unverfolgbar zu machen. Er möchte diesmal besonders gern bleiben.

Wieder blickt er auf das Bett und auf die reizvolle Frau.

Nach langer Zickzackfährte fand er hier dieses Glück. Ja, es ist ein Glück für ihn, ein Geschenk des Schicksals.

Er kam aus einer kalten und unheilen Welt, die erbarmungslos war zu Männern seiner Sorte. Und er fand Wärme und Zärtlichkeit, einen Menschen, der ihn brauchte, sodass er nicht nur nahm, sondern auch geben konnte.

Aber jetzt ...

Oh, er weiß, dass er sich sofort entscheiden muss.

Die drei Cassedys werden nur ihren Hunger stillen und dann nach ihm zu suchen beginnen.

Wenn er bleiben will, wird er kämpfen und töten müssen. Und weil sie zu dritt auf ihn losgehen werden, darf er keine stolzen Regeln einzuhalten versuchen.

Wenn er gewinnt, kann er bei Eveline bleiben.

Wenn er verliert, wird er tot sein.

Wenn er aber flüchtet, wird er nicht töten müssen und kann auch selbst nicht getötet werden.

In dieser Minute muss er sich entscheiden.

In seinen Blick, den er auf Eveline gerichtet hält, tritt der Ausdruck von Bedauern.

Dann beginnt er sich anzukleiden. Aber er zieht nicht seinen Stadtanzug an, sondern kleidet sich wie für einen Ausritt. Bevor er seine Jacke anzieht, legt er das Schulterholster an mit dem kurzläufigen Colt, den man am Spieltisch sitzend sehr viel schneller ziehen kann als eine langläufige Waffe aus dem Hüftholster.

Doch auch einen Waffengurt mit einem Holster an der linken Seite legt er sich um die Hüften.

Nun ist er fertig bis auf ein paar Kleinigkeiten, die er auf den Tisch legte, eine Uhr, ein Taschenmesser, die Geldbörse und die Brieftasche und einen Ring besonderer Art. Es ist der Ring, den alle Absolventen der Militärakademie West Point erhalten, wenn sie von dort als Offiziere abgehen. Aber er trägt ihn schon lange nicht mehr an der Hand, sondern nur noch in der Westentasche.

Als er fertig ist, blickt er noch einmal auf Eveline Summer. Sie schläft immer noch tief und fest, aber das ist kein Wunder, denn sie kamen heute erst im Morgengrauen ins Bett.

Das bittere Bedauern in seinem Blick wird noch stärker erkennbar. Und einen Moment lang noch zögert er, fragt er sich, ob er das, was er jetzt tun will, wirklich tun soll.

Doch dann entschließt er sich endgültig.

Als er sich zur Tür bewegt, ist er leise wie ein Schatten. Und dann gleitet er hinaus.

Er hat keinerlei Gepäck bei sich. Deshalb sieht alles nach einem kurzen Ausritt aus, den er fast jeden Tag unternimmt, um sein gutes Pferd zu bewegen und auch selbst frische Luft zu bekommen und körperlich etwas zu tun.

Im Sattelfutteral aber steckt ein Gewehr, welches der Stallmann für ihn aufbewahrt hat, weil er es nie durch die Straßen tragen wollte zwischen Saloon und Mietstall hin und her.

Er reitet ruhig aus der Stadt – aber dann verlässt er schon bald den Hauptweg und schlägt durch den Red Valley Canyon den Weg nach Westen ein. Der Canyon ist etwa zwanzig Meilen lang, und überall sind die Claims und Minen.

Als es Abend wird, reitet er aus dem Canyon in das weite Tal und sieht vor sich die Lichter von Best Chance. Es ist eine Campstadt. Und er möchte dort wenigstens seinen Hunger stillen und ein paar Vorräte und Ausrüstung kaufen.

Ja, er glaubt, dass sein Vorsprung vor den Cassedy-Brüdern groß genug ist. Er reitet auf die Lichtung zu. Sein Magen knurrt.

Er denkt an Eveline Summer – und das Bedauern in ihm wird zu einer tiefen Bitterkeit, aus der schnell ein böser und wilder Zorn entstehen könnte.

Als er dann die wilde Minen- und Goldgräberstadt erreicht, hält er wirklich nur so lange an, bis er gegessen und all die notwendigen Dinge eingekauft hat. Dann reitet er weiter. Erst gegen Mitternacht sucht er sich einen guten Platz für sein Camp.

Am nächsten Tag kommt er nach dem Frühstück, das er sich an einem kleinen Feuer bereitete, noch etwa eine Stunde weiter. Als er die Hügellücke erreicht, durch die der schmale Weg nach Westen führt, taucht vor ihm ein Reiter auf. Der Mann reitet von links auf den Weg und wartet.

Es ist Bud Cassedy, der älteste der Brüder. Ganz ruhig erwartet er ihn, hat die Hände auf dem Sattelhorn und grinst.

»Hallo, John Stone«, sagte Bud Cassedy schließlich. »Da sitzt du aber übel in der Falle. Ist dir das auch richtig klar?«

John blickt nach links und rechts zu den Hügeln hinauf, und er weiß, dass dort die beiden anderen Cassedy-Brüder lauern und ihn sicherlich über Kimme und Korn ihrer Gewehre anvisieren. Wenn er eine Bewegung macht, die ihnen nicht gefällt, werden sie abdrücken.

Dass sie es noch nicht taten, liegt allein daran, dass Bud mit ihm reden möchte.

Bud Cassedy sagt, immer noch grinsend: »Nachdem wir deine Richtung kannten, mussten wir nur lange und weit genug reiten. Dann konnten wir dich erwarten. Du bist nicht lange genug im Sattel geblieben, hast zu früh dein Nickerchen gemacht. Na, wie gefällt dir unsere Tüchtigkeit?«

»Gar nicht«, erwidert John Stone. »Ihr seid schon verdammt lange hinter mir her. Wer wird euch die Kopfprämie bezahlen? Kannst du mir das noch sagen, damit ich im Jenseits auf diesen Burschen niederspucken kann? Was also hat mich eingeholt?«

Aber Bud Cassedy lacht nur als Antwort auf diese Frage.

Erst dann erwidert er: »Es war stets unser Prinzip, unseren Auftraggeber niemals zu verraten. Und dabei bleibt es. Du aber hast wohl viele Schatten auf der Fährte, nicht wahr? Du hast dir überall Feinde gemacht, die sich rächen möchten. Dir folgen die Brüder oder Freunde von Toten – oder auch angeworbene Kopfjäger wie wir. Du bist uns in drei Städten haarscharf entkommen. Das hat unseren Ehrgeiz nur angestachelt. Aber jetzt ...« Er will die Hand heben, um das Zeichen zu geben.

Doch John Stone ist jetzt so schnell wie ein Wildkater. Als er sich nach der Seite vom Pferd wirft, brennt ihm eine Kugel wie ein Peitschenhieb über den Rücken, aber er landet auf Händen und Füßen im kniehohen Dornenbuschwerk. Es gibt ihm keine Deckung, und er rollt auf den Rücken, holt den Colt heraus und schießt liegend aus der Rückenlage schräg nach oben.

Seine Kugel stößt Bud Cassedy aus dem Sattel.

Nun springt er auf.

Und die »Hasenjagd« auf ihn beginnt. Denn er kann nichts anderes tun als springen, Haken schlagen, laufen, hetzen. Er muss schneller sein als die beiden Gewehrschützen mit dem Zielen.

Was er tut, hat er von den Comanchen gelernt.

Noch zweimal spürt er Streifschüsse wie Peitschenschläge. Doch er gelangt dann in die Deckung einiger großer Steine am Fuße des Hügels zu seiner Rechten.

Keuchend verharrt er, den Colt in der Faust. Und er weiß, dass er bis jetzt unwahrscheinliches Glück hatte.

Was soll er tun?

Er kann nicht ewig hier warten und auf ein Wunder hoffen.

Die beiden Cassedys werden sich etwas einfallen lassen. Sie sehen beide ihren Bruder bewegungslos dort unten liegen, und dies wird sie zur Rache antreiben bis zur Selbstopferung.

Er muss also weiter hinauf und es mit dem Burschen über ihm austragen.

Und so springt er wieder aus der Deckung, und schon schlägt eine Kugel dicht neben seinem Kopf gegen einen Stein und trifft ihn fast als Abpraller. Steinsplitter verletzen sein Gesicht, aber er achtet nicht darauf.

Wieder bewegt er sich schnell, doch jetzt ist das schwieriger, denn er muss ja den Hügel hinauf.

Doch er wird nicht getroffen.

Oben wirft er sich über einen felsigen Rand, rollt über den Boden und versucht den Gegner, der ihn hier erwarten wird, zu erkennen.

Ja, er sieht ihn.

Ben Cassedy steht breitbeinig mit dem schussbereiten Colt da und wartet nur darauf, dass er nicht mehr über den Boden rollt, sondern einen Moment verharrt.

Aber das tut er nicht. Er schießt aus der rollenden Bewegung heraus. Zwar trifft er Ben Cassedy nicht voll, aber er verwundet ihn. Cassedy brüllt böse und schmerzvoll, zuckt zusammen, schießt dabei, verfehlt ihn – und dann schießt John Stone noch einmal und trifft besser.

Er bleibt keuchend am Boden liegen. Denn er hat sich in rasender Bewegung befunden, wie es nur ein Mensch zustande bringt, der verzweifelt um sein Leben kämpft.

Erst nach einer Weile erhebt er sich und bewegt sich geduckt zu Ben Cassedy hinüber.

Vom gegenüberliegenden Hügel brüllt Bac Cassedys Stimme wild herüber: »Hoi, Ben, hast du ihn erwischt? Gib Antwort, Ben! Ben, verdammt, gib Antwort!«

Aber Ben Cassedy kann keine Antwort mehr geben. Als John Stone bei ihm ist und auf ein Knie fällt, öffnet Ben Cassedy zwar noch einmal seine Augen, und auch seine Lippen bewegen sich – aber es ist nur ein Fluch, den er heiser und mit letzter Kraft flüstert.

Dann stirbt er.

Und John Stone stöhnt bitter.

Zwei der Cassedys hat er schon töten müssen und blieb dabei wie durch ein Wunder am Leben, und er weiß, es ist immer noch nicht beendet. Er wird es auch mit Bac Cassedy austragen müssen. Denn dieser will den Tod seiner Brüder rächen. Es geht diesem Bac Cassedy jetzt nicht mehr um die Abschussprämie, die irgendein Auftraggeber zahlen wird.

Als die Nacht schon fast mit dem Sterben beginnt, um dem heraufkommenden Tag zu weichen, da erfüllt sich auch das Schicksal des dritten Cassedys.

John Stone hatte lange gewartet, gezögert und sogar gehofft, dass Bac Cassedy aufgeben und verschwinden würde.

Doch Bac Cassedy wartet.

Als John Stone dann leise wie ein Schatten kommt, gibt Bac Cassedy den ersten Schuss ab. Aber er trifft John Stone nicht gut genug.

Noch bevor er den zweiten Schuss abgeben kann, bekommt er Stones Kugel ins Herz. Und damit ist es vorbei und aus mit den Cassedy-Brüdern, die sich im Südwesten zu beiden Seiten der Grenze einen traurigen Ruhm als Menschenjäger erwarben.

Als es dann Tag wird, pflegt John Stone seine Wunden.

Zum Glück hat er jetzt reichlich Proviant und Wasser, weil er ja alles erbeutete, was die Cassedy-Brüder mit sich führten.

Er verlegt seinen Campplatz mühsam um eine halbe Meile, um nicht in der Nähe der Toten sein zu müssen. Denn um die drei Toten zu bestatten, dazu fehlt ihm die Kraft. Er erhielt mehrere Streifschüsse und eine gefährlich blutende und heftig schmerzende Wunde über der Hüfte.

Und indes er zwei Tage und drei Nächte so liegt, seine Wunden pflegt und sich langsam erholt, weil er das Glück hat, dass die Wunden sich nicht entzünden, da denkt er fortwährend darüber nach, wer ihm die drei Killer auf die Fährte setzte und für seinen Tod zahlen wollte. Wer von diesen Feinden sendet immer wieder so beharrlich gedungene Killer hinter ihm her?

Und was soll er tun?

Soll er bis ans Ende der Welt flüchten vor einem Feind im Hintergrund, der wahrscheinlich über riesige Geldmittel verfügt, die es ihm ermöglichen, immer wieder Killer und Menschenjäger zu kaufen und auf ihn anzusetzen?

Als der dritte Tag anbricht, kommt er endlich zu einem Entschluss. Nein, er wird nicht abermals flüchten, nicht versuchen, seine Fährte zu verwischen.

Nein, jetzt wird er es anders machen.

Er wird auf seiner Zickzackfährte zurückreiten.

Und irgendwann und irgendwo wird er dann auf die Quelle oder den Ausgangspunkt all des Unheils stoßen, das ihn verfolgt.

Ja, er ist jetzt davon überzeugt, dass es nur ein einziger Feind ist, der ihn so beharrlich verfolgen lässt.

Und so entschließt er sich an diesem Morgen.

Gesund ist er noch längst nicht wieder. Doch sein Wasservorrat ist bald aufgebraucht. Er muss zurück zu Menschen.

Die Pferde der Cassedys ließ er laufen. Sie hätten seinen Wasservorrat zu schnell verbraucht.

Er macht sich an diesem dritten Tag nach der dritten Nacht auf den Weg zurück. Doch um Golden Hill, wo er Eveline Summer ohne Abschied weggelaufen ist, wird er einen Bogen machen.

Zwei Wochen später verlässt er in El Paso die Kutsche, kauft sich ein Pferd, rüstet sich aus für ein längeres Reiten und einige Nächte unter freiem Himmel und reitet am Rio Grande entlang. Er hat die Guadalupe Mountains zu seiner Linken mit dem El Capitan Peak, den er in der klaren Luft gut erkennen kann.

Aber nach zwei Tagen, als er links vor sich schon die Gipfel der Davis Mountains erkennen kann, da biegt er nach Osten ab.

Am dritten Tag – es ist gegen Mittag –‍, da erreicht er Don Pedro.

Dieser kleine Ort, den einst die Spanier gründeten, weil sie hier Silber fanden und eine große Mine entstand, hat sich gewaltig verändert.

Der Ort ist kaum mehr als eine Siedlung, und als die Mine an die zweihundert oder noch mehr Jahre außer Betrieb war und nur noch das große Stollenloch an sie erinnerte, da entstand hier eine Ranch.

Zuletzt war aber auch diese Ranch verkommen und diente einer üblen Sippe als Unterkunft. Die männlichen Mitglieder dieser Sippe überfielen ständig die Silber- und Goldtransporte nach El Paso, raubten Lohngelder oder andere Geldsendungen, plünderten aber auch – wenn nichts anderes sonst in den Kutschen war – die Fahrgäste aus.

Die übelsten Burschen dieser Bande waren Mae Duanes Söhne und Neffen.

John Stone hält auf dem Hügelsattel, über den der Weg nach Don Pedro führt, sein Pferd an und betrachtet alles.

Die verkommene Ranch ist jetzt bestens renoviert. Alles ist neu gestrichen. Und es gibt sogar einige neue Gebäude und Corrals. Menschen bewegen sich überall, gehen ihrer Arbeit nach.

Die Corrals sind voller Tiere. Er sieht Pferde, Maultiere – und einen prächtigen Zuchtbullen.

Auch die alte Mine ist wieder in Betrieb. Sie liegt kaum eine halbe Meile von der Ranch entfernt.

Eine Dampfmaschine faucht manchmal wie eine Lok. In den Werkstätten wird gehämmert. Die Erzmühle und das Stampfwerk sind tätig.

Menschen und Fahrzeuge bewegen sich. Schornsteine rauchen.

Aus der Mine rollen die kleinen Erzloren.

Früher war dies hier eine verkommene, verfallene und nur noch einer üblen Bande als Schlupfwinkel dienende Geistersiedlung und verlassene Mine.

Jetzt strotzt alles nur so von vitalem Leben und arbeitsamer Regsamkeit.

Ja, er staunt.

Und dann reitet er langsam weiter und hält nach einigen Minuten vor der Veranda des Ranchhauses.

Denn auf der Veranda sitzt Mae Duane in einem Schaukelstuhl und strickt.

Über eine Nickelbrille hinweg betrachtet sie ihn.

In die Ferne kann sie noch wie ein Raubvogel sehen.

Nur für die Nähe braucht sie die Brille.

John Stone hat seine Hände über dem Sattelhorn liegen. Er bleibt im Sattel.

Schweigend betrachten sie sich.

Aber die alte Frau wirkt jetzt sehr viel gepflegter als damals.

Und sie trägt gutes Zeug.

Sogar richtige Schuhe sind an ihren Füßen. Und unter ihrem Rocksaum sind die Spitzen eines schneeweißen Unterrockes zu sehen. Ihr Haar ist weiß, voll, und wirkt ganz und gar nicht mehr so zottelig und verklebt.

Mae Duane wirkt wahrhaftig wie ein gutes Mütterchen, welches zufrieden den Lebensabend verbringt und die Früchte eines langen und arbeitsreichen Lebens ernten konnte, weil nun Söhne und Enkel alles erledigen.

Nach einer Weile nickt sie und sagt: »Aha! Sie sind doch dieser Revolverheld, dem meine Söhne nicht gewachsen waren. Einen brachten Sie um, einen anderen schossen Sie für immer zum Krüppel. Zwei meiner Neffen werden noch viele Jahre als Sträflinge in den Steinbrüchen arbeiten müssen. Und nur meinen Jüngsten ließen Sie entkommen. Was wollen Sie hier, Sie Revolverheld mit dem Stern?«

»Ich trage keinen Stern mehr«, murmelt John Stone. »Und ich kam nur her, weil ich herausfinden möchte, ob Sie es sind, Mae, die angeworbene Killer hinter mir her sendet, damit sie Ihnen meinen Skalp bringen sollen.«

Sie regt und bewegt sich nicht nach seinen Worten.

Ihr faltiges und gut geschnittenes Großmuttergesicht bleibt ebenfalls ohne Ausdruck. Denn sie hat in ihrem langen Leben lernen müssen, alles tief in sich verborgen zu halten.