G. F. Unger 2160 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2160 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Tür der Postkutsche ist offen, und ein Mann steht mit dem Rücken zur Kutsche auf dem Gehsteig. Es ist ein großer, in dunkles Leder gekleideter und sehr geschmeidig wirkender Mann, wie das Licht der Hotellampe zeigt.
Matt Ballard hört ihn rufen: »Komm heraus, Jack Power! Komm heraus und fahre mit der Kutsche aus dem Land! Dann ist alles gut! Doch wenn du jetzt nicht kommst, dann hole ich dich! Ich warte nicht mehr länger!«
Aus dem Hotel tritt ein großer blonder und sicherlich sehr harter, zäher und beachtlicher Mann. Dieser Mann trägt einen Stern.
Es ist still.
Dann hört Matt Ballard von irgendwoher ein Stöhnen. Von der anderen Straßenseite erklingt die Stimme eines Mannes wie beschwörend: »Oh, du lieber Himmel, gib ihm Mut und Glauben! Lass ihn nicht zum Feigling werden!«
Von weiter entfernt aber ruft eine andere Stimme, die alt und müde klingt: »Jack, es hat keinen Sinn! Du bist ihm nicht gewachsen, und er hat auch seine ganze Bande mitgebracht. Gib auf, Jack Power, und geh fort!«


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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Hufschlag in der Nacht

Vorschau

Impressum

Hufschlag in der Nacht

Die Tür der Postkutsche ist offen, und ein Mann steht mit dem Rücken zur Kutsche auf dem Gehsteig. Es ist ein großer, in dunkles Leder gekleideter und sehr geschmeidig wirkender Mann, wie das Licht der Hotellampe zeigt.

Matt Ballard hört ihn rufen: »Komm heraus, Jack Power! Komm heraus und fahre mit der Kutsche aus dem Land! Dann ist alles gut! Doch wenn du jetzt nicht kommst, dann hole ich dich! Ich warte nicht mehr länger!«

Aus dem Hotel tritt ein großer blonder und sicherlich sehr harter, zäher und beachtlicher Mann. Dieser Mann trägt einen Stern.

Es ist still.

Dann hört Matt Ballard von irgendwoher ein Stöhnen. Von der anderen Straßenseite erklingt die Stimme eines Mannes wie beschwörend: »Oh, du lieber Himmel, gib ihm Mut und Glauben! Lass ihn nicht zum Feigling werden!«

Von weiter entfernt aber ruft eine andere Stimme, die alt und müde klingt: »Jack, es hat keinen Sinn! Du bist ihm nicht gewachsen, und er hat auch seine ganze Bande mitgebracht. Gib auf, Jack Power, und geh fort!«

Der Kutscher auf dem hohen Sitz sagt plötzlich heiser: »Steig ein oder nicht, Marshal. Aber ich habe nun schon zwei Minuten über der Zeit gewartet. Ich fahre!« Als er das gesagt hat, stößt er mit dem Fuß die Bremse zurück und schüttelt die Zügelleinen. Er schwingt die Peitsche und ruft gellend: »Hoiii, ihr dicken Tanten! Hoaah!«

Dieser Schrei ist wie ein Kommando, das nicht nur dem Sechsergespann der Kutsche gilt. Denn als die Pferde anspringen, um die lange Fahrt nach Laramie zu beginnen, da bewegt sich auch der blonde Marshal.

Er wirbelt herum, bevor die offene Tür der Kutsche durch das Anrucken zuschlagen kann. Er schwingt sich mit einem raschen Satz in die Kutsche hinein, und dann erst knallt ihr Schlag zu.

Eine Wolke von Staub bleibt zurück und wird vom leichten Nachtwind fortgeweht.

Überall ist es noch still, und nichts bewegt sich. In der Ferne verklingt der Hufschlag des Sechsergespanns. Man hört dazwischen das Rumpeln und Quietschen der Kutsche und das scharfe »Braah! Hoiiiah!« des Fahrers.

Die Reiter, die die Straße beherrschten, reiten nun heran und sammeln sich vor dem Hotel, neben dem sich gleich der Saloon befindet.

Der große Mann im dunklen Leder ruft nun laut: »In Ordnung, Jungs! Ein oder zwei Drinks im Saloon, dann reiten wir! Charly! Ihr kauft zwei Packlasten Proviant. Ihr habt ja die Liste ...« Seine Stimme verklingt.

Der Mann verschwindet nun im Saloon, und seine Reiter drängen sich hinter ihm hinein.

Auf der Straße bewegen sich die Gruppen der Bürger.

Matt Ballard hält einen Mann an, der schnell an ihm vorbei die Fahrbahn überqueren will. »Mister, was war das?«, fragt er den schnaufenden Bürger von Hills City.

Der Mann bleibt stehen, wendet sich ruckartig dem Fremden zu und versucht ihn zu betrachten.

»Ah, ein Fremder«, schnauft er dann. »Und Sie wollen wissen, was das soeben war? Nun, das ist einfach zu erklären. Jesse Shane ist mit seinem wilden Rudel in unsere Stadt gekommen und hat unseren Marshal zum Teufel gejagt. Und unser Marshal Jack Power war kein Narr. Er nahm die Kutsche und fuhr fort. Das hat er richtiggemacht. Denn diese jämmerliche Stadt ist es nicht wert, dass sich ein guter Mann für sie umbringen lässt.«

Nach diesen bitteren und verächtlichen Worten geht der Mann weiter.

Matt Ballard findet bald darauf den Mietstall der Stadt. Der Stallmann kommt erst eine Minute später, weist dem Fremden wortlos eine Box an und fragt: »Bleiben Sie hier, oder reiten Sie morgen weiter?«

»Ich bleibe im Land«, erwidert Matt Ballard ruhig, nimmt sein Gepäck und geht zum Hotel.

Er hält vor dem Anmeldepult an und betrachtet eine weinende Frau, die steif und starr hinter dem Pult steht und ins Leere blickt, so, als könnte sie dort irgendwelche Bilder sehen.

Die Tränen rinnen ihr aus den Augen, rollen über ihre Wangen und tropfen auf das Anmeldebuch nieder.

Sie bewegt den Kopf und betrachtet Matt Ballard. Nun trocknet sie ihre Tränen und fragt mit etwas gepresster Stimme: »Ein Zimmer, Mister? Bitte sehr. Tragen Sie sich ein.«

Sie trocknet mit ihrem Spitzentuch die Tränen auf dem Anmeldebuch, dreht es dann herum und taucht den Federhalter für ihren Gast ein.

Matt Ballard schreibt mit kräftigen und klaren Schriftzügen:

Matt J. Ballard, Santa Fe, New Mexico.

Da steht es nun! Die Frau dreht das Buch herum und liest es. Dann blicken sie sich wortlos an. Matt stellt fest, dass es eine sehr anziehende und mehr als hübsche Frau ist. Ihr Gesicht ist etwas eigenwillig, und ihre rotbraunen Haare unterstreichen diesen Eindruck noch. Sie hat grünliche Augen, hochstehende Wangenknochen und einen breiten und vollen Mund. Sie ist ziemlich groß, und sie trägt ihren Kopf auf jene besondere Art, die sich von vielen anderen unterscheidet. Zu dieser Art gehören harmonische Handbewegungen, ein leichter Schritt, der wie ein Schreiten ist, und es gehört eine melodische Stimme dazu.

Für Matt Ballard ist sie nach einer langen Reise ein sehr erfreulicher Anblick. Obwohl er weiß, dass sie Kummer hat, lächelt er ihr zu. Es ist ein ruhiges, männliches und einnehmendes Lächeln.

Und er sagt: »Genug geweint, Madam. Denn mehr lohnt sich nicht.«

Sie betrachtet ihn immer noch. Dann fragt sie etwas herb: »Was wissen Sie? Wie können Sie mir diesen Rat geben?«

Er hebt die breiten Schultern. Er ist ein großer, breiter und starkknochiger Mann, schwarzhaarig, grauäugig und mit einer kurzen Nase. Sein Kinn ist fest und kantig, und sein Mund ist breit und nicht zu voll. Seine Kleidung ist derb, war aber nicht billig.

»Genug geweint«, sagt er. »Dieser Jack Power ist keine Träne wert. Oder weinen Sie nicht seinetwegen? Ich irre mich doch nicht? Er kam aus diesem Hotel. Etwas hielt ihn hier bis zum letzten Augenblick. Und er kam heraus mit dem festen Entschluss, auszuhalten und zu kämpfen. Doch dann zerbrach er auf der Veranda binnen zehn Sekunden. Er fuhr fort, und er ließ alles hinter sich zurück, alle Hoffnungen, allen Stolz, alle Wünsche und ...«

»Halten Sie ihn für einen Feigling?«, fragt sie herb.

Matt Ballard schüttelt langsam den Kopf. »Nein, feige ist er nicht. Das glaube ich nicht. Er ist nur nicht groß genug. Er wusste deutlich von seinen Möglichkeiten. Er schätzte sie genau richtig ein. Er wäre ein kompletter Narr gewesen, wenn er versucht hätte, es auszukämpfen. Ich verachte ihn nicht, nein. Ich habe Mitleid mit ihm.«

Sie staunt ihn an und überlegt. »Und warum soll ich nicht länger um ihn weinen? Warum sagen Sie, dass ich genug geweint habe und sich mehr nicht lohne?«

Er lächelt ernst. »Weil Sie ihn nicht so sehr lieben, dass Sie mit ihm gefahren sind. Sie blieben hier. Sie ließen ihn allein fortlaufen. Deshalb vergessen Sie ihn lieber. Was zwischen ihm und Ihnen war, Ma'am, das war nicht so groß, dass Sie ihm hätten auf allen Wegen folgen können. Deshalb lohnt sich keine Träne mehr. Vergessen Sie ihn. Oder fahren Sie ihm mit der nächsten Post nach.«

Er nimmt den Schlüssel, den sie ihm automatisch und wie abwesend zuschob. Er hebt sein Gepäck auf und steigt die Treppe hinauf.

Sie blickt ihm schweigend nach. Vom Treppenabsatz fragt er nieder: »Gehört Ihnen dieses Hotel?«

»Ja«, erwidert sie. »Ich bin Reva Brand. Mir gehört das Hotel. Und bis vor einer Minute glaubte ich daran, Jack Power zu lieben. Warum kamen Sie in unsere Stadt, Mister Ballard?«

Er antwortet nicht sogleich. Ruhig, groß, breit und schwer, so steht er dort oben auf dem Treppenabsatz und blickt auf Reva Brand nieder.

»Ich weiß einige Dinge über diese Stadt und über dieses Land«, sagt er dann langsam. »Und ich bin hergekommen, um die Frachtlinie in Gang zu bringen.«

Er kann erkennen, wie sie leicht zusammenzuckt, so sehr ist sie überrascht. Dann sagt sie schnell: »Nun, Mister Ballard, dann werden Sie bald Jack Powers Beispiel folgen.«

Als Ballard am nächsten Tag beim Frühstück sitzt, wird die Tür von der Straße her aufgestoßen. Ein Mann tritt ein.

Es ist Jack Power, der um Mitternacht mit der Postkutsche abgefahren war.

»Ich habe es mir überlegt«, sagt Jack Power heiser. »Ich habe unterwegs anhalten lassen und mir ein Pferd geborgt. Ich bin zurückgekommen. Ich musste zurückkommen, Reva, weil ich zu viel zurückgelassen hätte. Ich werde nicht mehr fortlaufen.«

Er richtet seinen Blick nun auf Matt Ballard, prüfend und etwas misstrauisch. Dann sagt er zu Reva: »Gib mir ein Frühstück, aber in der Küche. Ich möchte noch gern mit dir sprechen.«

Matt Ballard erhebt sich. Er nickt Reva zu und blickt Jack Power an.

»Power«, sagt er, »es war nicht schwer, umzukehren. Das war sehr leicht. Denn Sie konnten sich ausrechnen, dass Jesse Shane und dessen Rudel nicht mehr in der Stadt sind. Mister, Sie hätten nicht zurückkommen sollen. Es war falsch!«

Nach diesen Worten geht er hinaus, groß, stark, und doch so leichtfüßig wie ein Mann aus dem Wald, der nie geräuschvoll geht, sondern sich leise und schattenhaft bewegt.

Jack Power schluckt. Er blickt Ballard nach. Dann wendet er sich an Reva und fragt rau: »Wer ist das?«

»Matt J. Ballard aus Santa Fe«, erwidert sie. »Er eröffnet eine Frachtlinie. Das bedeutet, dass er den Siedlern die Ernte bis zur Eisenbahn transportieren will. Das bedeutet, dass die Siedler ihre Ernte verkaufen können und ihre Schulden bezahlen werden. Das bedeutet ...«

»Oh, ich weiß schon, was das bedeuten würde«, unterbricht Jack Power sie ungeduldig. Er macht eine Handbewegung, die wohl ausdrücken soll, dass er jetzt wichtigere Dinge besprechen möchte.

Doch Reva Brand wirkt nun sehr wachsam und entschlossen. Sie kommt ihm zuvor und sagt: »Dieser Fremde, dieser Mister Ballard hat recht, Jack! Du hättest nicht zurückkommen sollen.«

Er steht still und regungslos da und staunt auf eine bittere Art. Er ist so groß wie Matt Ballard, nur etwas hagerer, sehniger, und er ist strohblond mit blauen Augen. Gewiss war er viele Jahre Cowboy, das beweisen die Lassonarben an seinen Handrücken.

»Was bedeutet das?«, fragt er schließlich schwerfällig, so schwerfällig, dass er ihr leidtut.

Aber sie will es jetzt regeln. Sie hat ihre Chance erkannt, es nun hinter sich zu bringen. Und sie war all die Jahre eine Frau, die ihr Geld unter Männern verdiente, einsam blieb und sich so manchen Mann vom Leib hielt.

»Ich ging nicht mit dir«, sagt sie. »Ich versprach dir auch nicht, später zu folgen, nicht wahr? Als du in die Kutsche stiegst, hatte ich Mitleid mit dir. Doch ich war froh, dass du dich nicht töten lassen wolltest. Ich wünschte dir alles Glück, und ich weinte sogar. Aber ich weinte auch um mich selbst, denn ich war um eine Hoffnung ärmer. Ich hatte erkannt, dass ich darüber, dich verloren zu haben, schnell hinwegkommen würde. Es war ein Ende, ein Abschluss, verstehst du? Und ich fange nicht wieder von vorn an, denn ich weiß jetzt, dass sich meine Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllen werden. Jack, was ich für dich fühlte, war nicht die große Liebe. Du hättest nicht zurückkommen sollen. Es ist alles vorbei, erledigt, abgeschlossen.«

Als sie endet, kann sie kaum noch sprechen.

Er aber steht noch eine Weile da, nickt dann, wendet sich wortlos ab und geht hinaus.

»Fahr wieder fort, bevor sie dich töten«, sagt sie hinter ihm her, doch er schüttelt nur den Kopf.

»Ich war ein Narr«, sagt er rau. »Durch mein feiges Versagen verlor ich alles.«

Dann schließt er die Tür.

Matt Ballard geht in den Saloon. Zu dieser frühen Stunde ist der lange und schmale Raum ziemlich leer. Ein Barmann steht hinter dem Schanktisch und putzt Gläser. Ein Mann spielt an einem Billardtisch. Er blickt scharf zu Matt hinüber. Es ist ein nicht sehr großer, farblos wirkender und kaltäugiger Mann, der einen abgegriffenen Revolver auf eine achtlos wirkende Art trägt.

Dieser Mann spielt dann sofort wieder weiter, doch Matt Ballard fühlte sich selten so scharf gemustert, abgeschätzt und studiert.

Ein anderer Mann sitzt neben der Treppe an einem Tisch und legt eine Patience aus. Ballard tritt an den Schanktisch und verlangt vom Barmann einige Zigarren. Dann fragt er: »Wem gehört dieser Saloon?«

»Mir«, sagt eine Stimme. Matt wendet sich um und erkennt einen Mann, der aus einem büroartigen Raum tritt, in den Matt durch die geöffnete Tür kurz hineinsehen kann. Er erblickt die Stiefel eines anderen Mannes, der dort im Büro in einer Ecke sitzt. Es sind Cowboystiefel. Von dem Mann selbst ist nichts zu erblicken.

Matt betrachtet nun den Saloonbesitzer, der die Tür schließt und an den Schanktisch kommt. Der Mann ist breit, massig, rothaarig und sommersprossig. Er macht den Eindruck von Beharrlichkeit. Gewiss ist er ein Mann, der gefasste Pläne lange vorbereitet, der sich Zeit nimmt, aber niemals aufgibt. Matt Ballard kennt diese ruhige und beharrliche Sorte. Sie ist besonders gefährlich.

»Ich bin Mervile Hitcok. Mir gehört der Saloon. Was kann ich für Sie tun?«

Matt hört die ruhigen und gelassenen Worte. Er blickt dabei in die gelben Augen des Mannes, und er erkennt darin die ganze Kraft und Selbstsicherheit dieses Mannes, seinen Glauben an sich selbst und seine zähe Unbeirrbarkeit.

»Man hat mir erzählt, dass Ihnen hier mehr als nur der Saloon gehört«, sagt er. »Die halbe Stadt soll Ihnen gehören, Hitcok.«

»Dann sind Sie richtig informiert, Ballard. Was kann ich für Sie tun, Frachtfahrer?«

Matt Ballard ist nicht erstaunt. Er war schon in vielen solchen Städten, denn es ist sein Beruf, Frachtlinien aufzubauen und zu eröffnen. Er hat sich gestern Reva Brand gegenüber offen und eindeutig zu erkennen gegeben. Und er weiß, dass sich eine Stadt wie diese für jeden Fremden interessiert, besonders für einen, der hart aussieht.

»Ihr Barmann kann ein Stück Seife nehmen und an den Barspiegel damit anschreiben, dass ich Arbeitskräfte einstelle«, sagt Matt Ballard ruhig auf die Frage, was Hitcok für ihn tun könne.

Er bekommt sofort eine klare Antwort. »Nein! Hier in dieser Stadt nicht, Mister. Sie bekommen innerhalb dieser Stadt auch kein Grundstück für den Wagenhof oder sonst irgendwelche Dinge. Die Zigarren dort waren alles, was Sie sich noch kaufen konnten. Ganz offen gesagt, Ballard, ich möchte Sie hier nicht haben.«

»Noch weniger als Jack Power?«

»Noch weniger! Doch ich habe Jack Power nicht fortjagen lassen.«

Mervile Hitcok sagt es nicht laut, aber sehr hart und endgültig. Ballard blickt nacheinander die anderen Männer an. Der narbengesichtige Barmann grinst breit. Der Kartenspieler am Tisch lächelt kalt und beherrscht. Seine Hände liegen ruhig auf dem Tisch, doch sicherlich hat er einen kleinen Derringer im Ärmel.

Und der hagere und scheinbar so unauffällige Mann am Billardtisch sagt sanft: »Ballard, ich habe schon von Ihnen gehört. Ich kenne Sie gut genug, denn einige Freunde und Bekannte haben schon mit Ihnen zu tun bekommen. Mein Name ist Linc Lonestar. Mister Hitcok könnte selbst eine Frachtlinie aufbauen, wenn er das wollte. Doch er will nicht. Und er will Sie hier auch nicht haben. Wir sind ganz offen zu Ihnen, Ballard. Ich sage Ihnen jetzt, dass Sie verschwinden sollen. Lassen Sie Ihr Pferd beschlagen und reiten Sie dorthin, woher Sie kamen. Fangen Sie hier erst gar nicht etwas an, sonst bekommen Sie es mit mir zu tun. Ich hätte ohnehin schon einige Gründe, Sie zu töten, denn ich sagte es schon, dass einige meiner Freunde mit Ihnen zu tun hatten. Also!«

Matt Ballard nickt. Er betrachtet Linc Lonestar aufmerksam, denn er hat von dem berüchtigten Revolvermann schon eine Menge gehört, und er ist etwas verwundert über Linc Lonestars unbedeutendes Aussehen.

Er wendet sich an Mervile Hitcok und sagt: »So ähnlich hat man mir alles berichtet, doch ich wollte es selbst herausfinden.«

Nach diesen Worten steckt sich Matt Ballard eine Zigarre an und wirft das Zündholz auf den Schanktisch.

»Mister, ich pfeife auf Ihre Stadt, auf Ihre Läden und auf Ihr Bankgeschäft. Ja, ich weiß, dass Sie hinter der Bank stehen! Das wusste ich schon, bevor ich herkam. Mister, ich pfeife auf alles, was Sie in diesem Land sind und was Sie in dieser Stadt besitzen, denn ich werde eine neue Stadt bauen. Ich bin nur hergekommen, um mich persönlich zu informieren, um Sie zu sehen und um vielleicht einen Versuch zu einem gegenseitigen Auskommen zu machen.«

Er geht nun wieder zur Tür.

Bevor er sie erreicht hat, sagt Mervile Hitcok: »Moment, Ballard!«

Matt Ballard hält an und wendet sich um. Mervile Hitcok nickt dem Mann hinter dem Schanktisch zu und brummt lässig: »Schlag ihm was auf sein Maul, Mike. Er pfeift auf alles, was ich bin. Nun gut, gib ihm was aufs Maul. Denn wir spielen hier ganz offen und schlicht das alte gute Männerspiel. Er kennt es gut genug, denn er hat es schon oft da und dort mitgespielt.«

»Ja, ich kenne es gut«, sagt Matt Ballard und sieht dem Muskelmann entgegen, der hinter dem Schanktisch hervorkommt.

Dieser Mike ist unzweifelhaft ein ehemaliger Preiskämpfer, der wohl keine Freude mehr daran hatte, sich von seinem Manager ausbeuten und von seinen Gegnern innerhalb von Fünfzig-Runden-Kämpfen das Gesicht zerschlagen zu lassen.

Als Barmann und Rauswerfer bekommt er jetzt sicherlich guten Lohn und hat ein geregeltes Leben.

Doch jetzt verlangt sein Herr und Meister von ihm, er solle wieder mal zeigen, dass er seinen Lohn wert ist. Und sicherlich will Hitcok auch mal herausfinden, wie hart und gut dieser Matt Ballard ist.

Mike Crook, wie der Muskelmann heißt, ist gewillt, diesen Matt Ballard so schlecht wie nur möglich aussehen zu lassen.

Er nähert sich ihm langsam, grinst breit und sagt: »Also, ich arbeite für Mister Hitcok, und deshalb gebe ich Ihnen jetzt was aufs Maul.«

Matt Ballard nickt. »Komm nur, mein Freund«, brummt er.

Mike Crook kommt ganz tief, und er will sich mit bösen Schlägen in die Partien unterhalb der Gürtellinie des Gegners wühlen.

Ballard schlägt den Aufwärtshaken so schnell und präzise, dass Mike Crook nicht nur angehalten, sondern auch aufgerichtet wird und mit den Armen rudern muss, um sich rückwärts marschierend das Gleichgewicht zu erhalten.

Matt Ballard folgt ihm mit zwei schnellen und pantherhaften Sprüngen, die so federnd und leicht sind, wie man sie ihm bei seiner Größe und Schwere nicht zugetraut hätte.

Dann trifft er den Expreiskämpfer über dem Gürtel, und als Mike Crook sich verbeugt, wuchtet Ballard die ineinander verschränkten Hände auf das massige Genick des Gegners nieder. Es ist ein sogenannter »Holzfällerhieb«.

Mike Crook fällt aufs Gesicht. Er seufzt stöhnend und rollt sich auf den Rücken. Nun streckt er Arme und Beine von sich und ist erledigt.

Matt Ballard aber blickt zu Mervile Hitcok hinüber.

Dieser nickt. »Ganz gut«, sagt er. »Aber Mike Crook taugte nicht mehr viel. Ich habe das jetzt gesehen. Nun gut, Ballard. Scheren Sie sich aus meiner Stadt! Das ist ein Befehl!«

Matt Ballard blickt von ihm weg und zu Linc Lonestar hinüber. Der Revolvermann sitzt halb auf dem Rand des Billardtisches und hat seltsam glitzernde Augen. Jetzt lächelt er schmal.

»Ballard«, sagt er. »Sie werden niemals eine andere Stadt bauen. Nicht in diesem Land! Nicht im Umkreis von hundert Meilen um Hills City. Sie sind ein Narr, wenn Sie das versuchen.«

Matt Ballard erwidert nichts. Er blickt nun auf den Mann, der an dem Tisch bei der Treppe sitzt und die Patience auslegte.

»Sie sind doch Ray Robertson?«, fragt er.

Der dunkelgesichtige und dunkel gekleidete Spieler nickt langsam. Sein scharfes Falkengesicht verzieht sich, spannt sich.

»Richtig«, sagt er. »Vor einigen Jahren war ich noch ein Greenhorn und gehörte zu den Spielern, die Sie aus den Eisenbahncamps in Nebraska jagten. Jetzt bin ich kein Greenhorn mehr. Matt Ballard, Sie haben einen besonderen Ruf. Sie gelten als großmächtiger und unbezwingbarer Bursche, der immer erreicht, was er will. Ich bin gegen Sie. Wenn Sie in diesem Land bleiben, werden Sie erledigt. Verschwinden Sie!«