G. F. Unger 2161 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2161 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Obwohl Clay Donovan bis ins Mark erschöpft schläft, erwacht er sofort beim ersten Geräusch. Er befindet sich mitten im Apachenland an einem kleinen Creek. Es muss etwa drei Stunden nach Mitternacht sein, wie der klare Arizonahimmel einem Kundigen zeigt.
Clay Donovan hatte auch im Schlaf den Revolver in der Hand. Jetzt legt er unter der Pferdedecke, mit der er sich zudeckte, den Hahn der Waffe zurück.
Sein zähes Pferd steht nicht weit entfernt zwischen den Büschen und schnaubt leise. Clay schnalzt kaum vernehmbar, doch er weiß, dass der narbige Wallach dieses Schnalzen gehört hat und sich nun still verhalten wird.
Und nun kann er sich diese seltsamen Geräusche erklären.
Da stolpert ein Mensch heran, ein Mann, der sich mit letzter Kraft vorwärts schleppt, der laut keucht und manchmal schmerzvoll hustet. Es muss ein kranker Mann sein ‑ vielleicht ein verwundeter Mann ...


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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Sergeant Yates

Vorschau

Impressum

Sergeant Yates

Obwohl Clay Donovan bis ins Mark erschöpft schläft, erwacht er sofort beim ersten Geräusch. Er befindet sich mitten im Apachenland an einem kleinen Creek. Es muss etwa drei Stunden nach Mitternacht sein, wie der klare Arizonahimmel einem Kundigen zeigt.

Clay Donovan hatte auch im Schlaf den Revolver in der Hand. Jetzt legt er unter der Pferdedecke, mit der er sich zudeckte, den Hahn der Waffe zurück.

Sein zähes Pferd steht nicht weit entfernt zwischen den Büschen und schnaubt leise. Clay schnalzt kaum vernehmbar, doch er weiß, dass der narbige Wallach dieses Schnalzen gehört hat und sich nun still verhalten wird.

Und nun kann er sich diese seltsamen Geräusche erklären.

Da stolpert ein Mensch heran, ein Mann, der sich mit letzter Kraft vorwärts schleppt, der laut keucht und manchmal schmerzvoll hustet. Es muss ein kranker Mann sein – vielleicht ein verwundeter Mann ...

Clay Donovan rollt sich mit dem Colt in der Hand aus der Pferdedecke in den Busch hinein und kommt dort drinnen auf die Knie. Indes stolpert keine zehn Schritte entfernt zu seiner Rechten ein stöhnender Mann vorbei und das Ufer zum Creek hinunter. Man hört ihn fallen, noch ein Stück kriechen und gierig trinken.

Dann wird es still.

Clay Donovan bewegt sich nicht. Er wartet, lauscht und atmet ganz leise und flach.

Ein weniger erfahrener Mann wäre jetzt schon bei dem Unglücklichen dort unten am Wasser des Creeks.

Doch Clay Donovans Instinkt lässt dies nicht zu. Er ist ein Mann mit einem feinen Gefühl für vorhandene Gefahr.

Es dauert nur wenige Minuten.

Dann erblickt Clay Donovan einen der Verfolger – eigentlich nur einen gleitenden Schatten, der genau der Fährte folgt. Er hört ihn nun auch den Schrei des Nachtfalken ausstoßen, doch sehr gedämpft und in einer Art, die entfernter klingt.

Nun ist es völlig klar: Apachen sind hinter dem unglücklichen Flüchtling her, den Clay Donovan nur hörte und noch nicht sah.

Er wartet immer noch. Denn er kann sich ausrechnen, dass außer dem Verfolger auf der Fährte noch einige andere etwas zurück zu beiden Seiten folgen. Das ist Apachenart. Einer dieser Burschen könnte schon bald über Clay Donovans Camp stolpern, über die Pferdedecke und den Sattel zum Beispiel. Oder er könnte das Pferd wittern oder gar zwischen den Büschen erkennen.

Diese Arizonanacht ist hell wie alle diese Nächte, obwohl die Sterne fast schon verblassen und der Mond irgendwo verborgen ist hinter den Mesas.

Dann sieht Clay einen zweiten Apachen. Doch der Bursche entdeckt Donovans Lager nicht im Schatten des Busches. Er bemerkt auch nichts von dem Pferd.

Clay Donovan wagt es. Er macht sich auf den Weg, und er weiß, dass es jetzt schon fast zu spät sein könnte.

Als er die letzten Büsche über dem Uferrand erreicht und hinunter zum Wasser späht, da sieht er sie.

Es sind drei Apachen, und jener, den er an sich vorbeiließ, ist noch nicht bei den zwei anderen angelangt. Doch jetzt vereinen sie sich zu einer Dreiergruppe.

Sie blicken auf den Mann nieder, der auf dem Bauch liegt, dort, wo er sich am Ufer hinlegte, um zu trinken. Reglos liegt er dort. Sollte er tot sein – oder nur bewusstlos? Oder hat ihm der erste Apache gleich den Todesstoß versetzt?

Clay Donovan schätzt die Entfernung. Es sind weniger als dreißig Schritte. Die drei Apachen haben bei dem von ihnen gehetzten Unglücklichen keine Deckung. Und selbst der Bach dort ist nur knietief. Man könnte nicht untertauchen in ihm.

Clay Donovan wartet, bis einer der Apachen das lange, blanke Messer im Sternenlicht blitzen lässt und sich niederbeugt, um dem Unglücklichen die Klinge zu geben.

Dann schießt Clay Donovan.

Es bleibt ihm keine andere Wahl. Er will den Weißen retten und selbst am Leben bleiben.

Er schießt auf eine Art, wie es nur ein erfahrener Revolverkämpfer vermag. Seine Kugel trifft den Apachen, der das Messer niederstoßen will, und tötet ihn auf der Stelle.

Er schießt sofort weiter, doch jetzt ist es unwahrscheinlich schwer, einen Treffer anzubringen.

Die beiden anderen Apachen befinden sich vom Krachen des ersten Schusses an in rasender Bewegung und greifen an.

Mit seinem dritten Schuss verwundet Clay Donovan einen der beiden Angreifer. Er verwundet ihn sogar ziemlich schlimm, dennoch stoppt der Apache nur unmerklich ab.

Dieses unmerkliche Abstoppen genügt dem Revolvermann Clay Donovan, um ihn mit dem vierten Schuss, den er abgibt, endgültig zu erwischen. Der stürzende Apache schleudert jedoch noch mit letzter Kraft sein schweres Messer. Es saust haarscharf an Clay Donovans Kopf vorbei.

Er hat jetzt nur noch zwei Kugeln.

Und der dritte Apache ist schon fast den Uferhang heraufgekommen, hat ihn gleich erreicht. Auch er hat das Messer in der Hand, schleudert jedoch die Keule, den sogenannten »Schädelbrecher«. Dieses Wurfgeschoss trifft leicht Donovans Schulterspitze, stößt ihn etwas herum. Doch er tötet auch diesen Apachen mit seinem fünften Schuss. Der Krieger schwingt sich noch auf den Uferrand und will ihn anspringen, aber die Kräfte versagen ihm. Einen Schritt vor Donovan fällt er zu Boden.

Und dann ist es still.

Clay Donovan verharrt und lauscht. Er wittert nach allen Seiten.

Die fünf Schüsse waren viele Meilen in der Runde zu hören. Es lauschen nun viele Lebewesen so wie Donovan. Und vielleicht sind noch weitere Apachen in der Nähe.

Doch darauf kann Clay Donovan seine Aufmerksamkeit für eine Weile nicht so sehr richten.

Er muss sich endlich um den Mann dort unten kümmern. Dieser muss noch am Leben sein, denn sonst hätte ihn der erste Apache nicht töten wollen.

Der Mann ist ein Soldat, ein Master Sergeant, wie die gelben Ärmelstreifen zeigen.

Als Clay Donovan ihn auf den Rücken dreht und untersucht, da entdeckt er auch schon die Wunde. Es ist ein abgebrochener Pfeil über der Gürtelschnalle. Die Spitze sitzt tief im Körper.

Nur ein Chirurg könnte helfen.

Er hört den Sergeant stöhnen, und plötzlich öffnet der Mann die Augen und starrt ihn an.

Donovan fragt drängend: »Waren es drei Apachen, Sergeant? Waren es drei oder noch mehr? Sag mir, Drei-Winkel-Soldat, wie viele auf deiner Fährte waren! Sag es mir, schnell!«

»Drei«, stöhnt der Sergeant und bringt es fertig, seine Hände über die Wunde und den Pfeilstumpf zu legen. »Drei sind es. Sie verfolgen mich schon zwei Tage. Vor einer Stunde stellte ich mich zum Kampf, verlor mein Pferd und bekam diesen Pfeil. Ich ...«

»Schon gut, Soldat, schon gut! Langsam erzählen! Ich werde dir eine Zigarette drehen. Du kannst dich ausruhen. Und keine Sorge mehr wegen der drei Roten. Die habe ich ausschalten können. Die machen nicht mehr mit.«

Der sterbende Sergeant schnauft erleichtert. Doch dann murmelt er: »Was nützt es mir, Kamerad? Die haben mich richtig erwischt. Bis nach Fort Pinal halte ich nicht mehr durch. Und selbst dort haben sie keinen Arzt. Das weiß ich genau, denn ich gehörte zu der Abteilung, die als Verstärkung und mit einem Arzt nach Fort Pinal unterwegs war. Sie sind alle tot – alle. Ich bin der letzte Mann des Kommandos. Sie haben uns alle erwischt. Kamerad, es wäre gut, wenn du nach Fort Pinal Nachricht geben könntest, dass wir nicht kommen. Ich habe in meiner Meldetasche unser Patrouillenbuch. Darin ist alles eingetragen bis zur letzten Minute – ja, die Armee ist immer genau. Die letzten Eintragungen wurden von mir vorgenommen. Mein Name ist Yates, Clay Yates. Und du brauchst außer der Armee niemanden von meinem Tod Nachricht zu geben. Ich habe keine Angehörigen. Alles, was ich hatte, war die Armee. Zum Teufel, warum hat man mich in dieses Land kommandiert? Ich ...«

Weiter kommt er nicht. Er kann nur noch einen schwachen Zug aus der Zigarette machen, die Clay Donovan ihm zwischen die Lippen schiebt.

Dann ist er tot.

Clay Donovan drückt ihm die Augen zu.

Dann blickt er gen Himmel und verharrt eine Weile so.

Als er wieder auf den Toten blickt, denkt er: Nach Fort Pinal will ich auch. Denn dort gibt es einen Schuft, mit dem ich abzurechnen habe. Dieser Sergeant hier, der tot ist, hat den gleichen Vornamen wie ich. Clay Yates, Master Sergeant Clay Yates war das. Und ich bin Clay Donovan, der einen Lieutenant der Unionsarmee stellen will. Vielleicht kann ich das besser, wenn ich mich als Sergeant nach Fort Pinal begebe. Denn dieser Sergeant Yates und ich, wir sind von gleicher Statur. Auch ist er wie ich sechs Fuß groß und hundertsechzig Pfund schwer. Auch er ist dunkelhaarig und hat eine Narbe an der linken Wange. Soll ich es auf diese Art machen? Soll ich ...?

Fort Pinal ist eines der kleinen Forts, die weit verstreut im Land liegen, viele endlose Tagesritte vom nächsten Fort entfernt.

Die Stützpunkte sollten die Transporte der Gold-‍, Silber- und Kupferminen beschützen.

Jetzt ist alles anders geworden, jetzt, im Jahre 1863, da die Unionstruppen fast völlig abgezogen sind, um auf den Kriegsschauplätzen des Bürgerkrieges gegen die Rebellenarmee der Südstaaten zu kämpfen.

Auch in Fort Pinal ist alles anders, besser gesagt: trostlos.

Über einem Quadrat von Adobemauern und schiefen Dächern hängt die Flagge schlaff in der Mittagshitze. An den vier Ecken und über dem Haupttor stehen Posten, spähen schwitzend und durstig aus zusammengekniffenen Augen in die Runde.

Es gibt nichts zu sehen – gar nichts.

Aber die Apachen sind da. Sie sind immer da, irgendwo. Sie lauern dort wie die Katzen vor dem Mauseloch.

Und eines Tages werden sie gewiss auch über die Mauern kommen.

In Fort Pinal leben zurzeit noch einhundertachtundzwanzig Menschen: siebenundvierzig Soldaten, neunundzwanzig männliche Zivilisten, fünfunddreißig Frauen oder größere Mädchen und siebzehn Kinder beiderlei Geschlechts. Das jüngste Kind wurde heute geboren. Das älteste ist ein Junge von dreizehn Jahren. Sein fünfzehnjähriger Bruder gilt schon als Mann und steht Posten wie die anderen Männer, mögen es Soldaten oder Zivilisten sein.

Es ist um die Mittagszeit, als First Lieutenant Arch Rannahan die Runde macht. Sein Gang ist leicht schwankend, und er selbst wirkt sehr ungepflegt, stoppelbärtig und verkatert. Doch ist er sehr groß, wunderbar proportioniert und galt vor dem Kriege daheim als einer der bestaussehenden jungen Lieutenants der Armee.

Doch das ist schon einige Jahre her.

Nun befindet er sich in diesem kleinen Fort inmitten des Apachenlandes. Während sich seine Jahrgangskameraden auf den Kriegsschauplätzen Ruhm und Beförderungen erwerben, ist er hier noch Oberleutnant und hat die besten Aussichten, bald ein toter Oberleutnant zu sein. Denn dort draußen irgendwo lauert San Carlos mit seinen Chiricahuas.

Schon seit Wochen lauert er dort draußen und vernichtete zwei Patrouillen und eine stärkere Abteilung, die hinausgeritten war, um ihn zu stellen und zu vernichten.

Dies alles sind schon erbärmliche Aussichten für einen First Lieutenant, der wegen ständiger Frauengeschichten in Ungnade gefallen war und deshalb in die Apachenwüste verbannt wurde – genauso wie sein Vorgesetzter und fast alle Soldaten, von denen fast jeder irgendwelche Dinge auf dem Kerbholz hat.

Die Disziplin im Fort ist offenbar sehr schlecht, denn keiner der Posten macht dem Lieutenant eine vernünftige Meldung. Sie nehmen nicht einmal Haltung an, sondern murmeln mehr oder weniger missmutig, dass draußen nichts zu sehen wäre. Und sie alle schnüffeln mehr oder weniger anzüglich und deutlich hörbar den Whiskyduft, der von Lieutenant Arch Rannahan ausgeht. Einer der Männer fragt sogar: »Sir, rieche ich richtigen Whisky? Wenn das so ist, dann gibt es wohl heute eine Schnapszuteilung, ja? Das ist ein vernünftiger Gedanke vom Kommandanten, wo doch ohnehin bald alles zum Teufel ...«

Lieutenant Rannahan unterbricht ihn mit den harten Worten: »Halten Sie Ihren Mund, Soldat! Hier geht nichts zum Teufel! Wir erwarten Verstärkung, das weiß jedes Kind im Fort. Und was mein Whiskyduft bedeutet, so geht Sie dies nichts an!«

Er schwankt weiter und den Niedergang zum Hof hinunter. Unten verhält er einen Moment, zieht eine flache Flasche aus der Tasche und trinkt einen langen Schluck.

Dann schwankt er über den Exerzierplatz zur Kommandantur.

Captain Britt Jennison, der Kommandant des Forts, blickt ihm bitter und grimmig entgegen. Der Captain sitzt auf der Veranda in einem Holzsessel und hat sein zerschossenes Bein auf einem Feldstuhl liegen. Das Hosenbein ist aufgeschlitzt. Darunter leuchtet der Verband.

Die Augen des kleinen und untersetzten Captains leuchten fiebrig. Seine Wangen sind eingefallen. Jene Pfeilwunde macht ihm schwer zu schaffen, denn es wurde eine Blutvergiftung daraus. Ein Wunder, dass er nun langsam wieder gesundet und das Bein wahrscheinlich behalten wird. Doch er ist saft- und kraftlos geworden. Seine sonst so starke Energie hat er offenbar verbraucht.

Als der Lieutenant auf die Veranda tritt und sich schnaufend in einen Sessel fallen lässt, sagt der Captain bitter: »Ach, Sie sind schon wieder betrunken. Kein Wunder, dass die Disziplin immer mehr nachlässt und auch die Soldaten sich gehen lassen. Lieutenant, ich werde Sie einsperren lassen, sobald ich wieder fähig bin, meinen Dienst zu versehen. Sie sind der schlechteste und unzuverlässigste Offizier, der mir während meiner Laufbahn begegnet ist. Arch, warum reißen Sie sich nicht zusammen und erweisen sich als ganzer Kerl, auf den ich mich verlassen kann und zu dem die Soldaten mit Achtung und Vertrauen aufblicken? Reißen Sie sich doch zusammen, Arch!«

Seine letzten Worte wurden warm und kameradschaftlich.

Doch Arch Rannahan grinst nur schief unter seinem gelben Schnurrbart und holt wieder seine flache Flasche aus der Tasche. Er trinkt jetzt vor seinem Vorgesetzten, und es gibt nicht wenige Augen in der Runde, die das genau sehen können.

»Sie sind ja selbst ein Versager, Britt Jennison«, sagt Rannahan dann zum Captain. »Wir alle hier sind mehr oder weniger Versager. Sie aber haben eine ganze Kompanie in eine Falle geführt und konnten als einziger Mann lebend entkommen. Und vorher haben Sie zwei Patrouillen in den Tod geschickt. Von Ihnen lasse ich mir nicht sagen, dass ich ein unzuverlässiger Offizier bin. Sie sind eine traurige Niete, Captain, und wenn Sie wollen, dann versuchen Sie mal, mich einzusperren. Zu was wäre das auch gut? Wir sind alle ziemlich am Ende, nicht wahr? Die Verstärkungen sind längst überfällig. Ich gehe jede Wette ein, dass auch sie unterwegs vernichtet wurden. Unsere Vorräte sind fast alle. Es fehlt uns auch an Munition. Die Apachen wissen das genau. Bald werden sie über die Mauern kommen und uns alle auslöschen. Warum soll ich mich da nicht vorher noch etwas betrinken? Was ist falsch daran? Dieser San Carlos hat es nicht zuletzt auf mich abgesehen. Ich weiß das! Ich weiß das genau! Vorgestern ritt er draußen rings um das Fort, und er hatte seine Frau bei sich, die eine Weiße ist und die ich kenne oder vielmehr einmal gekannt habe. Die Frau eines roten Menschenschlächters, eines Wilden, wurde sie. Oh, ich versuchte mehrmals, ihn mit einem weit schießenden Gewehr zu treffen. Doch er wagte sich nicht nahe genug heran. Aber ich weiß, dass er kommen wird, um mir das Herz aus der Brust zu reißen. Wir alle müssen sterben. Ich ...«

Seine Worte wurden immer heiserer und trunkener.

Der Captain achtet jedoch nicht sehr auf dieses Geschwätz. Er wischt sich mit zitternden Händen über das Gesicht, und er denkt einmal mehr daran, wie er sechzig Soldaten in eine Falle führte, wie sie alle starben und er allein – wenn auch verwundet – entkommen konnte.

Ja, er hält sich wahrhaftig für einen Versager.

Wir alle sind hier mehr oder weniger Versager, so denkt auch er. Und wir sind wahrscheinlich wirklich dazu bestimmt, von den Apachen getötet zu werden. Warum sollte es uns anders ergehen als all den Siedlungen und kleineren Städten und den anderen Forts weiter im Süden?

Er kommt mit seinen bitteren und sich selbst anklagenden Gedanken nicht weiter.

Auch der stark angetrunkene Lieutenant Rannahan wird aus seinen konfusen Selbstgesprächen gerissen.

Denn der Posten über dem Haupttor brüllt plötzlich los: »Hoiii! Ein Reiter! Da kommt ein Reiter! Ein Soldat ist das! Und die Apachen jagen ihn! Sie sind hinter ihm her! Er muss ungesehen durch den Ring gekommen sein. Doch nun verfolgen sie ihn. Das gibt ein Rennen, ein scharfes Rennen! Da kommt ein Soldat!«

Die Rufe des Postens alarmieren das ganze Fort.

Sogar der angetrunkene Lieutenant begreift, dass jemand von der Außenwelt zu ihnen durchgebrochen ist. Er springt auf und rennt zum Tor hinüber. Seine Trunkenheit wird wohl nun von der starken Erregung niedergekämpft, doch als er den Aufgang hinter der Mauer erklommen hat, schwitzt er stark und strömt einen noch stärkeren Schnapsgeruch aus.

Aber dann vergisst er alles. Er späht nach Nordwesten.

Dort kommt ein Soldat geritten. Er ist schon nahe genug, dass man in der klaren Arizonaluft die drei Winkel und Bögen eines Master Sergeant erkennen kann.

Dieser Sergeant reitet kein Kavalleriepferd, sondern einen grauen Mustang, der jedoch am Ende seiner Kräfte ist. Dies erkennt man daran, dass ihn die geringste Unebenheit des Bodens zur Seite schwanken lässt.

Etwa ein Dutzend Apachen sind ihm dicht auf den Fersen und holen immer noch auf ihren frischeren Pferden auf. Es sieht so aus, als würden sie ihn einholen können, bevor er in die Schussweite des Forts gelangt und ihm die Gewehre von dort die Apachen vom Halse halten werden.

Doch da sehen die Leute auf der Mauer plötzlich eine erstaunliche Sache.

Dieser Master Sergeant, der wie ein Cowboy reitet, gar nicht wie ein Kavallerist, wendet sich im Sattel um, lässt sein Pferd einfach laufen und beginnt mit dem Revolver zu schießen. Die Zuschauer auf der Mauer sind fast alle sachverständig.

Doch sie sehen nun, dass der Flüchtling wahrhaftig trifft. Zwei, drei, vier Verfolger stürzen mit ihren Pferden. Die anderen schießen ihre Waffen ab. Doch auf wunderbare Weise bleiben Flüchtling und Pferd unverletzt.

Sie kommen nun in Reichweite der Fort-Gewehre.

Einige Zivilisten, die weit reichende Büffelgewehre besitzen, beginnen zu schießen.

Die Apachen drehen ab. Sie reiten zu ihren Gefallenen zurück.

Der Sergeant aber lässt seinen grauen Mustang nun langsamer laufen, immer langsamer, bis er das Tier im Schritt reitet. Und langsam reitet er durch das sich vor ihm öffnende Tor.

Er sieht den Lieutenant, der den Niedergang heruntergekommen war, und hält sein Pferd an.

Er starrt den Lieutenant mit flintsteinharten rauchgrauen Augen an, die sonst gewiss im Weißen nicht so gerötet sind wie jetzt.

Und er fragt heiser, doch unverkennbar barsch: »Sind Sie Lieutenant Archibald Rannahan, Sir?«

»Der bin ich, und ich warte auf Ihre Meldung, Sergeant!« Lieutenant Rannahan schnarrt es arrogant und steht aufgerichtet und herausfordernd da. Es ging eine seltsame Veränderung in ihm vor – eine Veränderung, die man zum Beispiel bei einem Kater erkennen kann, wenn er einen Hund wittert, von dem er weiß, dass er ihm an die Kehle fahren will.

Ja, Lieutenant Rannahan wirkt wachsam, angespannt, lauernd. Von seiner Trunkenheit ist nichts mehr zu erkennen.

Der Sergeant aber legt langsam die Hand an den Feldhut, dessen Krempe sehr verbogen ist.