G. F. Unger 2162 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2162 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Man nannte ihn Pecos, Jim Pecos, und er war zufrieden damit, denn er wusste ja seinen wirklichen Namen nicht. Er hatte schon als kleiner Junge für sich sorgen müssen, und diese Notwendigkeit hatte ihn geformt.
Er war nicht das, was man einen erfreulichen jungen Mann nennen kann. Er war das Gegenteil: Er war gefährlich wie ein Wolf, der von Anfang an gelernt hat, dass er schneller und schärfer zubeißen muss als jeder Artgenosse, um sich behaupten zu können. Und er war ganz gewiss ein Revolverheld, mit dem es ein schlimmes Ende genommen hätte.
Aber es kam anders. Als er einmal Hilfe nötig hatte, bekam er sie. Und allein dies brach wohl die Schale seines innersten Kerns auf.
Das ist Jim Pecos' Geschichte.
Aber es ist auch Lige Morgans Geschichte. Und Lige Morgan, das war der Boss jener »fahrenden Schlange«, der so hart und einsam war, dass er keine Freunde hatte.
Die Geschichte der beiden ungleichen Männer beginnt, als Lige Morgan sein Pferd anhält und den Mann betrachtet, der am Ufer des Pecos‑Flusses liegt ...


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Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Die fahrende Schlange

Vorschau

Impressum

Die fahrende Schlange

Man nannte ihn Pecos, Jim Pecos, und er war zufrieden damit, denn er wusste ja seinen wirklichen Namen nicht. Er hatte schon als kleiner Junge für sich sorgen müssen, und diese Notwendigkeit hatte ihn geformt.

Er war nicht das, was man einen erfreulichen jungen Mann nennen kann. Er war das Gegenteil: Er war gefährlich wie ein Wolf, der von Anfang an gelernt hat, dass er schneller und schärfer zubeißen muss als jeder Artgenosse, um sich behaupten zu können. Und er war ganz gewiss ein Revolverheld, mit dem es ein schlimmes Ende genommen hätte.

Aber es kam anders. Als er einmal Hilfe nötig hatte, bekam er sie. Und allein dies brach wohl die Schale seines innersten Kerns auf.

Das ist Jim Pecos' Geschichte.

Aber es ist auch Lige Morgans Geschichte. Und Lige Morgan, das war der Boss jener »fahrenden Schlange«, der so hart und einsam war, dass er keine Freunde hatte.

Die Geschichte der beiden ungleichen Männer beginnt, als Lige Morgan sein Pferd anhält und den Mann betrachtet, der am Ufer des Pecos-Flusses liegt ...

Lige Morgans Wagenzug ist noch mehr als zweihundert Yards zurück. Es sind etwa zwei Dutzend schwere Frachtwagen. Lige Morgan hebt den Arm und winkt. Er sieht, dass sein Vormann Las Vegas nun sein Tier anspornt und schnell herangeritten kommt.

Dann sitzt er etwas schwerfällig ab und kniet neben dem leblos liegenden Fremden. Er dreht ihn auf den Rücken und betrachtet ihn. Nun kann er sehen, dass der Mann noch jung ist. Er schätzt ihn auf etwa dreiundzwanzig Jahre.

Das Hemd des Mannes ist vorn weit geöffnet. Darunter sieht man einen blutverkrusteten Schulterverband. Es sieht so aus, als wäre dieser Bursche lange auf der Flucht gewesen, hätte nichts zu essen und kein Wasser bekommen und mit letzter Kraft den Fluss erreicht.

Doch hier ist er dann zusammengebrochen.

Las Vegas ist nun heran und schwingt sich aus dem Mexikanersattel. Er ist dunkel wie ein Yaqui-Indianer und so riesig wie Lige Morgan. Auch so alt ist er, also schon über fünfzig Jahre.

Er hockt sich auf die hohen Absätze, betrachtet den Bewusstlosen und sagt dann: »Das ist Pecos, Jim Pecos! Ich sah ihn voriges Jahr in Albuquerque. Er hatte auf ein Pferd gewettet, welches als Außenseiter galt. Als er seinen Gewinn haben wollte, machte man ihm Schwierigkeiten. Und ein Revolverheld forderte ihn heraus. Er war viel schneller als dieser Revolverheld. Er ist selbst ein Revolverheld und ...«

»Auch ich habe schon von ihm gehört«, murmelt Lige Morgan und kaut dann nachdenklich an seinem Schnurrbart.

»Er ist verwundet und muss auf der Flucht sein«, sagt er dann. »Und er hat keine Waffe mehr. Ich denke, dass er über den Pecos nach Osten wollte.«

Er erhebt sich und blickt sich nach seinem Wagenzug um. Der erste Wagen ist schon nahe. Es ist ein schwerer Merville-Wagen, der von acht starken Maultieren gezogen wird.

»Wir werden ihn dort hineinlegen und mit über den Fluss nehmen«, entscheidet er, und wie es seine Art ist, entscheidet er sich mit einer Endgültigkeit, die unabänderlich ist.

Sein mexikanischer Vormann nickt, und so heben sie den Bewusstlosen auf und tragen ihn in den Wagen.

Hinter diesem Führungswagen hält nun die lange Schlange, und der Wind weht den Staub zur Seite. Die Tiere schnauben und stampfen. Sie wittern den Fluss und möchten hinein.

Aus Nordwesten tauchen jetzt einige Reiter auf. Sie kommen den langen Uferhang herunter, und sie halten genau auf den ersten Wagen zu.

Las Vegas tritt zu seinem Pferd. Er nimmt eine Schrotflinte aus dem Sattelschuh und wartet etwas seitlich von Lige Morgan.

Dabei sagt er leise: »Ich glaube, es sind Reiter der Clayborne-Sippe. Ja, es sind Less und Vance Clayborne, und wenn die beiden Burschen hinter dem Mann her sind, den wir hier bewusstlos fanden, werden sie ihn von uns haben wollen. Es sind Banditen und Straßenräuber, Viehdiebe und Revolverhelden. Und wir fahren immer wieder durch ihr Land. Wenn wir sie uns zu Feinden machen, dann ...«

Er verstummt, denn aus dem Wagen, in dem der Verwundete liegt, klingt nun ein heiseres Stöhnen. Die Wagenplane lüftet sich, und der Kopf von Jim Pecos wird sichtbar.

In seinen Augen leuchtet es fiebrig. Es ist klar, dass er im Wagen alles gehört und begriffen hat. Er war also noch einmal aufgewacht.

Nun starrt er auf die sich nähernden Reiter.

»Sie sind hinter mir her und jagen mich schon vier Tage«, ächzt Jim Pecos. »Ich will und brauche keine Hilfe. Wenn Sie mir vielleicht einen Revolver leihen können, so ...«

Er hat nun Übergewicht bekommen und fällt unter der Wagenplane hervor über den Rand des Wagenkastens hinweg zu Boden. Er landet schwer, seufzt schmerzvoll und verliert die Besinnung.

Lige Morgan und sein Vormann bewegten sich nicht. Sie behielten die fünf Reiter im Auge, die nun langsam und im Schritt herangeritten kommen. Drei der Reiter bleiben etwas zurück. Die beiden Näherkommenden sind Less und Vance Clayborne.

Sie halten an und grinsen stoppelbärtig und hagergesichtig. Ihre schmalen und tief liegenden Augen funkeln seltsam.

Lige Morgan kennt sie. Denn er versorgt das Land schon lange Jahre mit Waren und treibt Handel mit allen Indianerstämmen.

»Da haben wir ihn also endlich«, sagt Less Clayborne und zieht seinen Revolver. Er richtet ihn auf den leblos am Boden liegenden Jim Pecos und legt mit dem Daumen den Hammer zurück.

»Was hat er euch getan?«, fragt Lige Morgan ruhig.

»Er hat unseren guten Jimmy schwer zusammengeschossen. Jimmy hatte noch zwei Freunde dabei, und auch die beiden bekamen es von ihm. Ich glaube, sie wollten ihn wegen irgendeines unwichtigen Grundes zurechtstutzen. Das interessiert uns auch gar nicht. Es geht hier nur darum, dass niemand ungestraft einen Clayborne von den Füßen schießen darf. Die ganze Welt muss wissen, dass die Claybornes immer zusammenhalten und dass jeder Narr, dem es gelingt, einen Clayborne von den Beinen zu schießen, die ganze Sippe auf den Hals bekommt.«

Er hebt wieder den Revolver und zielt auf Jim Pecos. Der bewegt sich nun wieder, setzt sich auf und lehnt sich mit dem Rücken gegen ein Wagenrad.

Less Clayborne wartet. Er ist ein Mörder, das ist klar. Er gehört zu den vielen Geächteten, die sich über den Pecos flüchtend in Sicherheit bringen konnten und die in diesem Land noch schlimmer und gesetzloser wurden.

»Nun, mein Junge«, sagt er, »jetzt haben wir dich, nicht wahr? Du hast einen guten Kampf geliefert und dann auch noch die beiden großen Brüder unseres Jimmy-Sonnys einige Tage lang an der Nase herumgeführt. Doch jetzt haben wir dich, Pecos-Junge!«

Jim Pecos sagt eine Weile nichts. Er ist wohl zu schwach. Doch er sieht furchtlos auf den Revolver.

Und schließlich macht er mit dem Kopf eine schwache, doch unverkennbar verächtliche Bewegung und sagt nun mühsam: »Ihr Claybornes habt noch nie etwas getaugt. Wenn ich einen Revolver hätte, würde ich euch zum Teufel jagen. Ich weiß genau, dass ihr Angst vor mir habt. Wäre ich gesund und hätte ich eine Waffe, so würdet ihr einen großen Bogen um mich machen. Euer Jimmy wollte sich Revolverruhm erwerben. Er wollte der Mann sein, der Jim Pecos schaffen konnte. Doch er hatte zwei Freunde mit Gewehren im Hinterhalt, einen in der Gasse und einen in einem leeren Haus. Ich habe sie erwischt, nicht wahr? Aber ihr wusstet, dass ich verwundet wurde. Sonst würdet ihr es gar nicht gewagt haben, mir zu folgen.«

Er verstummt erschöpft. In seinen Augen glänzt das Fieber.

»Ihr werdet ihn nicht erschießen, ihr werdet ihm überhaupt nichts tun«, sagt Lige Morgan plötzlich ruhig, nachdem er die beiden Claybornes sorgfältig betrachtet hat.

Sie starren ihn an.

»Warum werden wir das nicht, Oldtimer?«

Vance Clayborne fragt es lauernd und gefährlich sanft.

»Weil mein Vormann euch dann mit seiner Schrotflinte einfach in Stücke schießt«, erwidert Lige Morgan trocken. »Und es ist eine Schrotflinte mit gehacktem Blei und einer doppelten Pulverladung.«

Die beiden Claybornes betrachten den Frachtfuhrmann. Dann blicken sie auf Las Vegas und die Doppelmündung der Flinte.

Sie passen. Wortlos und schweigend. Es ist ein böses und drohendes Schweigen. Dieses Schweigen ist drohender, als viele Worte es sein könnten.

Sie reiten davon und nehmen ihre drei Begleiter mit.

Aber sie hätten auch sagen können: »Nun, Lige Morgan, wir zahlen dir das noch zurück.«

Lige Morgan und sein Vormann blicken ihnen nach.

»Wenn dieser Jim Pecos gesund wäre und einen Revolver hätte, so würde er sie tatsächlich allein zum Teufel jagen«, sagt Las Vegas plötzlich sanft. »Sie sind nichts gegen ihn, nur kleine Banditen, Viehdiebe und Straßenräuber.«

Er spuckt auf den Boden und bringt die Schrotflinte zu seinem Pferd. Er schiebt sie in den Sattelschuh und hilft seinem Boss nun zum zweiten Mal, den Verwundeten in den Wagen zu legen.

Dann fährt der Wagen in den Pecos hinein und durchquert ihn.

Die lange und fahrende Schlange aber folgt. Es ist ein imposantes Bild.

Jim Pecos liegt viele Tage im Fieber, und als das Fieber dann überwunden ist, befindet er sich viele Tage lang zwischen Wachheit und Traum. Es ist ein anhaltender Dämmerzustand, und er weiß nicht einmal, dass er immer noch auf weichem Lager in einem schwankenden Frachtwagen liegt und zweimal am Tag gefüttert wird.

Aber er kann sich daran erinnern, wie ihn Less Clayborne am Pecos River erschießen wollte, wie er hilflos am Boden lag und sich nur mühsam aufsetzen, an das Wagenrad lehnen und einige stolze Worte reden konnte.

Ja, an diese für ihn so bittere Szene erinnert er sich merkwürdig klar. Immer wieder denkt er darüber nach, warum ihn die beiden Claybornes dann doch nicht getötet hatten.

Eines Tages fragt er Lige Morgan, als dieser ihn aus dem Wagen hebt und an sein Feuer bringt. Jim Pecos kann schon wieder sitzen, wenn er sich irgendwo anlehnen kann. Und dies ist hier der Fall, denn das Feuer brennt unter einer riesigen Burreiche, nicht weit von dem North Canadian entfernt.

Er fragt also Lige Morgan.

Und der sagt es ihm: »Wenn sie auf dich geschossen hätten, mein Junge, dann wären sie von einer Schrotladung umgepustet worden, denn ich war entschlossen, dir Hilfe zu geben.«

Jim Pecos denkt über diese Erklärung nach. Dann sagt er etwas spröde: »Bitte, nennen Sie mich nicht ›Junge‹, Mister. Ich bin alt genug. Nennen Sie mich Pecos oder Jim. Ich mag nicht, dass mich jemand Junge nennt, und wäre es auch ein Mann mit langem Bart und Glatze. Haben Sie mich verstanden, Mister Morgan?«

Nachdem er dies gesagt hat und damit zu erkennen gab, wie sehr er ein einsamer Wolf ist, der keine Freundlichkeiten oder Vertraulichkeiten duldet, sagt er später noch: »Dann bin ich Ihnen also zu großem Dank verpflichtet, Mister Morgan? Nun gut, was muss ich für Ihre Hilfe bezahlen? Auf dieser Erde tut kein Mensch etwas ohne Absicht und Hintergedanken.«

Lige Morgan betrachtet ihn nachdenklich. Drüben, an den beiden anderen größeren Feuern, da sitzen, liegen oder aber kauern seine Frachtfahrer. Zumeist sind es Mexikaner. Und jetzt klimpern zwei Gitarren, und ein Tenor singt wunderbar in die helle Sommernacht hinein, sodass sogar die Coyoten in der Ferne verstummen.

»Dieser Tenor«, sagt Lige Morgan, »könnte mit seiner Stimme vor Fürsten und Königen singen, und er würde geehrt und reich belohnt werden. Aber es ist ein einfacher Bursche, der nicht lesen und auch nicht schreiben kann. Nur mit Maultieren kann er umgehen. Und so wird er Maultiertreiber und Frachtfuhrmann bleiben, obwohl er gewiss eine ganze Menge vorzüglicher Anlagen besitzt.«

»Vielleicht ist er als Maultiertreiber glücklicher«, murmelt Jim Pecos.

»Das mag sein, Jim«, nickt Lige Morgan. »Doch wie ist es mit dir? Bist du als Revolverheld glücklicher?«

»He, Mister, wollen Sie mir zu verstehen geben, dass auch ich eine Menge vortrefflicher Anlagen besitze, die ich wie dieser Tenor dort nicht zu nutzen weiß?«

»Du hast einen scharfen Verstand, Jim, denn du hast sofort begriffen. Ich will dir auch die andere Frage beantworten. Ich will dir sagen, warum ich dir geholfen habe. Es ist ganz einfach. Ich brauche deine Hilfe. Ich brauche die Hilfe eines jungen Mannes, denn ich werde alt. Ich erkannte, als du am Boden lagst und auf die Kugel wartetest, dass du stolz und mutig bist. Ein stolzer und mutiger Mann lässt sich ja nichts schenken. Ich rettete dich, damit du diese Schuld an mich bezahlst. Ja, es war für mich ein ganz nüchternes Geschäft.«

Nach dieser langen Rede verstummt er auf eine sarkastische Art.

Jim Pecos denkt nach. Schließlich sagt er: »Ich glaube, es kommt darauf hinaus, dass Sie meine Revolver wollen. Ich soll Ihnen bestimmt Revolverhilfe geben und vielleicht sogar einen Ihrer Feinde umbringen. Ja?«

Das ganze Misstrauen und die ganze Bitterkeit der Welt sind nun in seinem hageren, hohlwangigen und stoppelbärtigen Gesicht zu erkennen.

Lige Morgan lächelt nachsichtig. Er weiß ja zu gut, welchen Wolf er aufgenommen, gerettet und gepflegt hat.

»Ja, vielleicht brauche ich auch deine Revolverhilfe, Jim«, sagt er, »denn ich kann mit meinem Revolver nicht mehr gegen all die wilden Jungs bestehen, die es immer wieder versuchen, einen Händler zu betrügen und zu bestehlen, zu berauben und ihn in die Ecke zu drängen. Auch mein guter Vormann ist alt geworden. Wir sind zwei alte Pumakater, deren Krallen und Zähne stumpf und wacklig wurden. Es wäre schon gut, wenn ich stets einen guten und wachsamen Mann hinter mir wüsste, der darauf achtet, dass man mich nicht aufs Kreuz legen kann. In dieser Beziehung brauchte ich wirklich deine Revolverhilfe.«

»Und was sonst noch?«

Jim Pecos' Frage kommt knapp und misstrauisch.

»Arbeite drei Jahre für mich, Jim«, sagt Lige Morgan ruhig. »Du bekommst das Gehalt eines Vormannes. Arbeite drei Jahre für mich, sei mir treu, unterstütze meine Interessen und achte darauf, dass mich niemand betrügen, bestehlen oder gar angreifen kann.«

»Sie wollen mich also als eine Art Leibwächter für den Lohn eines Vormannes!«

Jim Pecos stellt es nüchtern fest.

Lige Morgan will heftig etwas erwidern. Doch dann senkt er die Schultern und bewegt sich auf eine müde Art.

»Wir werden sehen«, murmelt er.

Sie blicken sich an. Dann nickt Jim Pecos. »Nun gut«, sagt er. »Sie haben mich in einer Beziehung richtig beurteilt. Ich bin stolz und lasse mir nichts schenken. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich werde bei Ihnen bleiben, bis ich auch Ihr Leben einmal gerettet habe oder die drei geforderten Jahre um sind.«

Er macht eine kleine Pause und betrachtet Lige Morgan scharf.

»Sie sind ein Frachtmann und Händler, der vor allen Dingen mit Indianern und mit den Banditen im Pecos-Land Handel treibt. Dies ist ein gefährliches Geschäft. Wenn Sie sich nun zu alt fühlen und sich auf Ihre Augen und Ihre Revolverhand nicht mehr verlassen können, warum fahren Sie dann noch länger durch dieses verteufelte Land und treiben Handel mit Wilden und Banditen?«

»Das ist eine lange Geschichte, Jim Pecos«, murmelt Lige Morgan und wischt sich mit der Hand über Stirn und Augen. »Weißt du, ich suche einen Mann. Ich weiß nicht, wie er jetzt aussieht und wie er sich jetzt nennt. Es kann auch sein, dass er schon tot ist. Doch es ist ein Mann, der in das Land westlich des Pecos ging und mit den Indianern Handel trieb. Noch vor etwa sechs Jahren lebte dieser Mann und trieb Handel mit den Zunis am Fuß der Enchanted Mesa. Er war mit sieben Wagen dort und machte gute Geschäfte. Dem Häuptling machte er zum Abschied ein Geschenk, eine kleine Elfenbeinfigur, wie man sie zum Schachspiel benutzt. Es ist eine Figur aus einem besonderen Schachspiel, denn in das Elfenbein sind Halbedelsteine eingelassen, sehr bunt und prächtig anzusehen. Ich habe schon mehrere solcher Figuren gefunden – bei den Indianern. Und dies sagte mir immer, dass der Mann noch lebte, dass er vor allen Dingen mit den Indianern Handel trieb und immer dann, wenn er guter Laune war und gute Geschäfte gemacht hatte, eine Figur aus einem bestimmten Schachspiel verschenkte.«

»Was hat es mit diesen Schachfiguren für eine Bewandtnis?«, fragt Jim Pecos, und in seinen Augen ist ein seltsam nachdenklicher und unsicherer Ausdruck.

Lige Morgan wischt sich wieder über Stirn und Augen. Jim beobachtet ihn sorgfältig, und er glaubt nun ganz sicher erkennen zu können, dass in diesem grauhaarigen Riesen ein tiefer und bitterer Schmerz vorhanden ist.

Dann kehrt Lige Morgans Blick wie aus weiter Ferne zurück.

»Die Schachfiguren gehörten meiner Frau«, sagt er. »Das Spiel hatten ihre Vorfahren mit der Mayflower auf diesen Kontinent gebracht. Es war ein Königsgeschenk! Nun, durch tragische Umstände hatte die Familie meiner Frau fast alles verloren. Denn sie waren von Indianern überfallen und bis auf meine Frau getötet worden. Nur die Schachfiguren und meine Frau wurden gerettet – damals, als meine Frau noch ein kleines Mädchen war. Und später brachte sie die Figuren mit in unsere Ehe. Sie war sehr stolz darauf, und obwohl wir am Anfang sehr viel Not hatten, dachten wir nie daran, die kostbaren und künstlerisch wertvollen Figuren zu verkaufen. Ich fing dann ein Handelsgeschäft an und führte meine Frachtwagen selbst. Als unser Treck einmal von Indianern überfallen wurde, galt ich als getötet. In Wirklichkeit hatte ich mich in jener schrecklichen Nacht jedoch retten können. Doch ich hatte schlimme Wunden. Auswanderer, die nach Oregon trailten, fanden mich und nahmen mich mit. Ich war viele Monate lang nicht bei Sinnen. Und als ich dann gesund war, befanden wir uns irgendwo in Wyoming zwischen den Bergen, waren eingeschneit und hatten Winterquartiere errichtet. Ich war inzwischen gesund geworden und dachte an meine Frau und meinen Sohn, der nun schon fast drei Jahre alt war. Es wurde Mai, bis ich daheim anlangen konnte. Fast ein Jahr war ich fort. Meine Frau war mit einem anderen Mann fortgezogen. Man hatte ihr gemeldet, dass die Indianer mich getötet hätten. Sie war eine Frau, die sich stets nach einem starken Beschützer sehnte und der Welt und ihren Gefahren hilflos gegenüberstand. Sie war eine gute Hausfrau und Mutter. Doch sie war nicht dazu befähigt, allein in der Welt zu sein und für einen Sohn zu sorgen. Und vielleicht glaubte sie deshalb, sich jenen anderen Mann nehmen zu müssen, obwohl das Trauerjahr noch nicht vorbei war. Und so verkaufte sie alles und zog mit einem Mann nach Westen. Sie wollten nach Kalifornien, und der Mann nannte sich damals Fletcher. Später nannte er sich auch anders. Ich folgte ihrer Fährte. Sie hatten nur drei Wochen Vorsprung, und ich beeilte mich. Ich fand dann den Wagen. Ich erkannte ihn, obwohl er halb verbrannt war. Es war einmal einer meiner eigenen Wagen gewesen. Er war von Indianern überfallen worden. Ich glaubte damals, dass jener andere Mann, meine Frau und mein Sohn getötet worden wären. Als ich später bei einem Indianerhäuptling eine jener Schachfiguren fand, hörte ich zum ersten Mal von jenem weißen Händler, der einen ganzen Kasten von diesen Figuren hätte. Ich forschte und fragte überall. Von den Navajos hörte ich, dass einmal eine Apachenbande bei ihnen vorbeigezogen wäre, die eine weiße Frau und ein kleines Kind bei sich gehabt hätte. Es passte alles zusammen. Ich fand auch eine Navajo-Sippe, bei der damals ein weißer Mann für eine dieser Figuren ein Pferd gekauft hatte und nach Westen geritten war. Doch der Wagen, in dem meine Frau und mein Kind von diesem Mann zurückgelassen worden waren, stand im Osten. Jener Mann hätte damals nicht nach Westen, sondern nach Osten reiten müssen. Ich denke, dass dieser Bursche mit dem Wagen nicht weiterkonnte und vielleicht auch genau wusste, dass die Indianer kommen würden. Und so hatte er sich davongeschlichen, um seinen Skalp zu retten. Und deshalb suche ich ihn. Er soll mir erzählen, wie es war. Und ich werde ihn schon noch finden. Er wird eines Tages wieder eine dieser Figuren verschenken. Ich frage überall danach, wo ich auch hinkomme. Hast du schon mal eine solche Figur gesehen, Jim Pecos?«

Er greift in die Tasche und holt einen kleinen Gegenstand hervor, der sich als ein Ledersäckchen erweist. Er öffnet es und reicht Jim Pecos eine Schachfigur über das Feuer. Sie ist aus Elfenbein, doch es blitzt und glitzert in diesem Elfenbein bunt und farbig. Es sind eingelassene Edelsteine.

»Schon mal gesehen, Pecos?«, fragt Lige Morgan.