G. F. Unger 2167 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2167 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Vor einer Woche ritt ich auf einem besonderen Pferdebiest, um den Jungs noch einmal zu zeigen, wie man es macht. Doch als mich der schwarze Teufel schon bald durch die Luft fliegen ließ, ich schwer am Boden aufschlug und mir ein Bein brach, da wusste ich, dass ich nicht mehr besonders rüstig war. Und ich erinnerte mich wieder dran, dass mein jüngster Enkel schon zehn Jahre alt war.
Das war also vor eine Woche.
Na ja, deshalb sitze oder liege ich jetzt mit meinem gebrochenen Bein herum, warte darauf, dass es bald wieder zusammenwachsen wird, und schreibe auf, was damals vor dreiunddreißig Jahren geschah.
Race Breahitt ist mein Name. Hier im Land kennt ihn jeder Mensch. Seit einiger Zeit nennt man mich auch Old Big Race. Und ich erinnere mich noch gut an den großen Trail, als wir die Herde nach Abilene trieben. Es war ein Trail durch die Hölle ...


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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Big Trail – Big Man

Vorschau

Impressum

Big Trail –Big Man

Vor einer Woche ritt ich auf einem besonderen Pferdebiest, um den Jungs noch einmal zu zeigen, wie man es macht. Doch als mich der schwarze Teufel schon bald durch die Luft fliegen ließ, ich schwer am Boden aufschlug und mir ein Bein brach, da wusste ich, dass ich nicht mehr besonders rüstig war. Und ich erinnerte mich wieder dran, dass mein jüngster Enkel schon zehn Jahre alt war.

Das war also vor eine Woche.

Na ja, deshalb sitze oder liege ich jetzt mit meinem gebrochenen Bein herum, warte darauf, dass es bald wieder zusammenwachsen wird, und schreibe auf, was damals vor dreiunddreißig Jahren geschah.

Race Breahitt ist mein Name. Hier im Land kennt ihn jeder Mensch. Seit einiger Zeit nennt man mich auch Old Big Race. Und ich erinnere mich noch gut an den großen Trail, als wir die Herde nach Abilene trieben. Es war ein Trail durch die Hölle ...

Ich wurde also vor mehr als dreißig Jahren – es war 1868 – zu einer Versammlung grimmiger und hartgesottener Texas-Rancher geholt. Den Grund wusste ich einigermaßen. Es konnte sich nur um den Bankraub vor drei Tagen handeln, der die Rancher hier im Land ziemlich in Druck gebracht hatte.

Da hockten sie nun alle am großen Eichentisch des Hinterzimmers. Sie waren die hartgesottenen Burschen, die schon im Sattel saßen, als Texas sich von Mexiko trennte und Santa Ana geschlagen wurde, nachdem er vorher Alamo genommen und alle Verteidiger von Alamo getötet hatte.

Da war Red Bill Pilldarlik – und da waren Nathan Uvalde und Will Callaghan. Und schließlich war auch noch Edson Palestine da.

Die anderen zählten nicht. Sie waren nur dabei, um den Entscheidungen der vier großen Burschen zuzustimmen.

Unsere Stadt hieß damals Rosalia.

Und Red Bill Pilldarlik führte das Wort. Das tat er immer, wenn es sich als notwendig erwies, dass sie sich als Gemeinschaft zusammenschlossen.

Ich nickte ihnen zu, nahm mir einen Stuhl und setzte mich im Reitsitz darauf, sodass ich die Lehne vor mir hatte und meine Arme darauf legen konnte. Mit meinem stoppelbärtigen Kinn rieb ich kratzend auf meinem Handrücken.

Und ich sah diese Kings der Texasweide auf eine Art an, die ihnen nicht besonders gefiel.

Denn ich war nicht halb so alt wie sie. Und jeder von ihnen hatte mir schon mal gesagt, dass es mit mir kein gutes Ende nehmen würde.

Red Bill Pilldarlik betrachtete mich mit seinen flintsteinharten Augen prüfend. Dann sagte er knapp: »Race, wir brauchen deine Hilfe. Wir haben lange überlegt, wem von den besonderen Burschen in unserem Land wir den Auftrag übergeben könnten. Unsere Wahl fiel auf dich. Du bist zwar ein ...«

»Keine Beleidigungen, Sir!«, sagte ich schnell, denn da er nun gewiss sagen wollte, was ich ihrer Meinung nach war, konnten es keine Schmeicheleien sein – eher das Gegenteil! Und dies wieder musste ich als Beleidigung auffassen.

Er hielt wirklich inne und schluckte mühsam. Das fiel ihm gewiss mächtig schwer, denn er wollte mir mit einiger Sicherheit sagen, dass ich ein Revolverheld, ein Spieler, ein Mädchenbetörer und Maverickjäger sei – und noch einiges mehr.

Vielleicht hatte er nicht unrecht. Es gab eine Menge dunkler Punkte auf meiner Weste, und wenn es nach seiner eigenen Tochter gegangen wäre, so würde sie mit mir durchgegangen sein – doch nicht nur seine Tochter.

Und seinen Vormann hatte ich erst vor einer Woche schlimm verprügelt.

Aber jetzt schluckte er alles hinunter und nickte nur grimmig.

»Wir glauben«, sagte er geduldig, »dass du dich im Grunde als einer unserer Mitbürger fühlst und uns nicht enttäuschen wirst. Denn wir, die Gemeinschaft des Rosalia-Distriktes, setzen unser ganzes Vertrauen auf dich.«

»Hast du gehört, wir setzen alle Chips auf dich?« Dies fragte Nathan Uvalde dazwischen.

Aber ich steckte meine kleinen Finger in die Ohrlöcher und schüttelte kräftig den Kopf.

»Werde ich auch nicht mit einem anderen Mann verwechselt?« So fragte ich. »Ich bin nämlich Race Breahitt, Gentlemen – ihr wisst doch, jener Race Breahitt, der von euch Piraten nicht besonders geliebt wird, weil er sich nicht von euch ...«

»Wir wollen friedlich bleiben«, unterbrach mich Will Callaghan sanft, und es war wie ein Wunder, diesen Hitzkopf so friedlich und sanft zu sehen.

»Na gut«, sagte ich, »ihr braucht meine Hilfe. Soll ich vielleicht den Bankräuber ausfindig machen, der euren Aufgeboten so glatt entkommen konnte – und soll ich das viele Geld zurückbringen?«

Ich fragte ihn spottend.

Und da nickten sie alle wie auf Kommando, ganz so, als hätte jemand in ihnen Uhrwerke in Gang gesetzt. Ich staunte eine Weile.

»Ha, wie kommt nur ein Bursche wie ich, dem einige von euch Piraten gerne die Haut abziehen würden, zu solch einer Ehre?«

Dies fragte ich recht freundlich, und ich wusste, dass sie sich mächtig ärgerten, wenn jemand wie ich sie Piraten nannte. Doch sie waren es tatsächlich. Ihre großen Rinderreiche hatten sie sich wie Piraten zusammengeraubt, indem sie schwächere und kleinere Männer einfach vertrieben, niederkämpften oder unter Druck aufkauften.

Die Verhältnisse in Texas waren nämlich sehr viel anders als in allen anderen Staaten oder Territorien. Da gehörte das Land der Bundesregierung, und da konnte man nach dem Heimstättengesetz Land bekommen. Texas dagegen war eine unabhängige Republik gewesen, als es der Union beitrat. Texas hatte deshalb seinen Landbesitz behalten. Die Bundesgesetze galten nicht. Als Texas der Union beitrat, benutzte es den Landbesitz als Grundlage für das Staatsgeld. Es verkaufte Millionen von Zertifikaten, die den Käufern irgendwelchen Landbesitz garantierten.

Das gab damals in den Jahren nach 1845 eine Menge Wirbel und Durcheinander.

Doch die Rancher hier, die hatten es auf vielerlei Arten geschafft, Könige zu werden. Sie waren wahrhaftige Piraten. Doch jetzt saßen sie fest im Sattel und hatten ihre Besitztitel verbrieft und besiegelt. Da konnte ihnen nichts mehr passieren. Jetzt waren sie sehr für Recht und Gesetz.

Nur Geld fehlte ihnen – Bargeld. So kurz nach dem Krieg war ein Dollar hier in Texas so groß wie ein Wagenrad.

Für drei Dollar bekam man einen Stier!

Und die Steuereintreiber der Yankees kamen immer weiter ins Land und setzten auch den großen Rinderkönigen mächtig zu.

Ich wusste das alles, und deshalb war mir klar, dass sie in der Klemme saßen.

Denn die Bank gehörte ihnen.

Also hatten die Bankräuber ihnen die vierzigtausend Dollar abgejagt. Sie hatten dieses Geld mit viel Mühe aufgebracht. Es würde ihnen mächtig fehlen, wenn sie Treibherden losschicken wollten, wenn sie Steuern zahlen mussten und all die vielen Einkäufe zu machen hatten, ohne die es nun einmal nicht ging.

Ohne dieses Geld war ihre eigene Bank erledigt, konnte nicht mehr arbeiten. Denn vierzigtausend Dollar Bargeld waren damals viel wichtiger als vier Millionen Liegenschaften oder beweglicher Besitz in Form von Rindern und Pferden.

Vierzigtausend Dollar – die waren für den Rosalia-Distrikt wie die Luft zum Atmen und das Blut in den Adern für einen Menschen.

Und sie würden keine zehntausend weiteren Dollar mehr aufbringen können, um den Kreislauf des Landes in Gang halten zu können.

Das alles wurde in dieser Minute richtig klar, denn so dumm war ich wirklich nicht.

»Na gut«, sagte ich. »Zuhören soll man immer. Nur ein Narr hört sich keine Vorschläge an. Und ich denke mir, dass ich jetzt welche zu hören bekomme. Oder?«

Wieder nickten sie, und Red Bill Pilldarlik kam dann auch sofort zur Sache.

Er sagte: »Es war nur ein einziger Bankräuber. Er hatte seinen Fluchtweg gut vorbereitet. Alle dreißig Meilen hatte er frische Pferde bereit. Er konnte unseren Aufgeboten mühelos entkommen. Wir aber brauchen hier jeden Mann. Wir können unsere Reiter nicht länger als drei Tage entbehren. Die Viehdiebe und Maverickjäger plündern uns sonst zu sehr aus. Überdies sind wir mitten im Round-up und stellen Herden zusammen für den Treck nach Kansas. Wir reiten Pferde zu und – na ja, du weißt ja selbst, dass bei uns alles drunter und drüber geht.«

Das wusste ich und nickte.

Er sprach sofort weiter: »Es war ja auch nur ein einziger Mann, etwas größer und vielleicht zehn Pfund schwerer als du. Er hinkte links leicht und hatte eine Narbe unter dem linken Kinnwinkel am Hals. Das konnte der Kassierer trotz des vorgebundenen Halstuches erkennen. Der Bursche hatte graue Augen. Er wird weit geritten sein, bis er sich in Sicherheit fühlte. Also wird es auf Geduld, Ausdauer und auf eine gewisse Art von Findigkeit ankommen, wie nur wenige Männer sie besitzen, um ihn zu finden. Wir haben lange überlegt, welcher Bursche in unserem Land wohl am besten dazu befähigt wäre, uns das Geld zurück nach Rosalia zu bringen. Unsere Wahl fiel auf dich, Race. Du besitzt das beste Pferd auf fünfhundert Meilen in der Runde. Dies will in Texas etwas heißen. Du bist zu einem Viertel ein Comanche und hast von deiner Großmutter einige besondere Fähigkeiten geerbt. Wenn jemand eine Fährte bis ans Ende verfolgen kann, dann bist du es. Und überdies kennen wir keinen besseren und schnelleren Revolverschützen als dich. Dazu kommt dann noch deine Frechheit und kommt auch ...«

»Vorsicht!«, sagte ich. »Ich bin nur so, wie ihr früher in meinem Alter selbst einmal wart. Nun habt ihr den Magen voll und seid satt, aber ich bin noch hungrig. Warum eigentlich soll ich etwas für euch tun?«

»Der macht mich noch wahnsinnig mit seiner Frechheit, dieser ...«, sagte einer der Rinderkönige knirschend. Ich wusste nicht genau, wer es war. Denn sie blickten alle auf die Tischplatte und hatten rote, dunkle Gesichter.

Doch dann sagte Red Bill Pilldarlik: »Du bekommst von uns das Land zwischen dem Rosalia-Fork. Dieses Dreieck bekommst du. Hast du verstanden? Wir treten es an dich ab und lassen dir eine Besitzurkunde anfertigen. Und überdies wollen wir dir tausend tragende Kühe und zwei Dutzend Stuten geben. Wir nehmen dich mit allen Rechten in unseren Rancher-Verein auf. Aber du musst dafür etwas leisten! Bring uns das Geld zurück, sonst ...«

Er verstummte, denn er hielt es für überflüssig zu erklären, was sie alle wussten und auch ich mir ausrechnen konnte.

Sie alle besaßen zusammen viele Millionen Dollar Landbesitz und Herden. Doch was nützte ihnen das alles, wenn sie kein Bargeld hatten. Die Steuereintreiber der Besatzungsmacht würden ihnen die Haut abziehen. Man würde große Teile ihrer Besitzungen zur Versteigerung bringen. Und da in ganz Texas das Geld so knapp war, würden die Yankees für tausend Dollar Werte ersteigern, die zu normalen Zeiten das Hundertfache einbringen würden.

So war das.

Sie saßen in der Klemme.

Etwa eine Minute überlegte ich.

»Es kann unter Umständen lange dauern«, sagte ich. »Eine Fährte kann sehr lang werden. Vielleicht vergehen viele Wochen. Es könnte auch sein, dass einige Gents von euch glauben, ich würde nicht mit dem Geld zurück nach Rosalia kommen. Vielleicht schaffe ich es auch gar nicht. Jener Bankräuber war eine harte und erfahrene Nummer. Der schießt mich vielleicht von den Beinen.«

»Wie sollen wir deine Worte auffassen, Race, mein Junge?«

Dies fragte Red Bill Pilldarlik.

»Verlasst euch nicht völlig auf mich«, erwiderte ich. »Ich werde tun, was ich kann.«

Da nickten sie, und ich wusste, dass sie an meinen Worten genauso wenig zweifelten, wie ich an ihrem Versprechen, mir Land und Rinder zu geben, zweifelte.

Wir Texaner konnten uns damals auf gegebene Versprechen verlassen.

Es gab dann nicht mehr viel zu sagen und zu erklären.

Ich verließ eine halbe Stunde später die kleine Stadt Rosalia.

Ich war damals genau fünfundzwanzig Jahre alt und hatte drei Jahre als Soldat den Krieg mitgemacht. Ich war etwas über sechs Fuß groß und wog hundertsiebzig Pfund. Ich war dunkel wie ein Indianer und hatte graue Augen, wie der von mir verfolgte Bankräuber auch haben sollte.

Außer meinem Sattel, meinem Revolver und dem Gewehr hatte ich noch ein kleines Bündel hinter dem Sattel und zwei gefüllte Satteltaschen.

Und dann war da noch etwas.

Ich ritt auf El Capitan.

Er war nicht einfach nur ein rabenschwarzer Hengst, sechzehn Hand hoch und zwölfhundert Pfund schwer, er stammte von den Vollblutpferden der spanischen Konquistadoren ab. Ich hatte ihn vor acht Jahren als kleines Fohlen neben seiner toten Mutter gefunden. Und später dann hatte er mich in den Krieg begleitet. Dies hatte ihm einige Narben eingebracht. Wir waren Freunde.

Er konnte die Viertelmeile in fünfzehn Sekunden zurücklegen.

Aber er konnte auch drei Tage stetig wie ein Wolf ohne größere Pause trotten. Er war schlau und erfahren wie ein Wüstenwolf.

Eines Tages sollte er der Stammvater einer erstklassigen Pferdezucht werden. Dies hatte ich mir fest vorgenommen.

Und wenn ich jenen Bankräuber finden und das Geld der Rancherbank nach Rosalia zurückbringen konnte, dann wäre ich dieser geplanten Pferdezucht einen mächtigen Schritt nähergekommen.

Oh, ich wusste ja noch nicht, was mir alles bevorstand, als ich die Fährte aufnahm.

Die ungefähre Richtung des Flüchtlings kannte ich. Er war nach Osten geflüchtet, also erst einmal in Richtung Colorado River.

Noch vor dem Colorado – in der kleinen Stadt San Angelo –, da stellte ich endlich fest, dass ich auf der richtigen Fährte war. Doch es waren bereits fünf Tage nach meinem Abritt aus Rosalia vergangen. Und seit dem Bankraub waren es sogar schon acht Tage. Der Bursche hatte also acht Tage Zeit gehabt. Und was alles kann ein mit allen Wassern gewaschener »Experte« in acht Tagen anfangen!

Ich brauchte in San Angelo fast einen ganzen Tag, bis ich jemanden fand, der ihn nicht nur gesehen hatte, sondern dazu auch noch die besonderen Kennzeichen an ihm erkannte – also, dass er auf dem linken Bein hinkte, dass er graue Augen und unter dem linken Kinnwinkel am Hals eine Narbe hatte.

Er hatte in San Angelo sein Pferd verkauft und eine Fahrkarte für die Überlandpost nach Austin erworben. Und er hatte sich einfach nur Bill Smith genannt und als Viehhändler ausgegeben. Er war kein Yankee, sondern ein Mann der Südstaaten. Sein Alter war etwa dreißig Jahre.

Dies alles bekam ich also in San Angelo heraus.

Sollte er wirklich bis nach Austin gereist sein?

Ich glaubte nicht recht daran. Warum das so war, hätte ich nicht richtig erklären können. Es war wohl mein von der Großmutter ererbter indianischer Instinkt, der mich zweifeln ließ.

Dieser Instinkt hatte mich schon immer gut geleitet, vor allen Dingen während des Krieges als Sergeant einer kleinen Truppe, die hinter dem Rücken des Feindes kämpfte und dort die Nachschublinien immer wieder unterbrach. Damals war es stets mein Instinkt, der uns alle richtig leitete. Ich wusste, dass ich mich auf dieses Ahnungsvermögen verlassen konnte.

Und so folgte ich der Postlinie nur bis über den Colorado. Bei der zweiten Pferdewechsel-Station schwenkte die Postlinie nach Süden ab.

Ich folgte meinem Instinkt und ritt weiter nach Osten.

Es war heiß und staubig.

Nach einigen Stunden kam ich in eine winzige Stadt. Es war eigentlich eine Siedlung. Doch sie nannte sich Cottonwood City.

Einige Dutzend Baumwollbäume waren tatsächlich vorhanden. Wahrscheinlich wollte man hier einmal Baumwolle in großem Stil anbauen und hatte sich eine Menge vorgenommen, sodass sogar einige Geschäftsleute die Stadt gründeten.

Doch dann hatte es wohl mit der Bewässerung nicht richtig geklappt. Alle stolzen Pläne waren zusammengebrochen.

Was geblieben war, war diese Ansammlung von verwitterten und halbfertigen Holz- und Adobebauten.

Ich hatte schon eine Menge solcher jämmerlicher Stadtanfänge gesehen, die schon gleich wieder am Ende waren.

Cottonwood City war einer der jämmerlichsten. Aber es gab noch einen Saloon, einen Store und zwei oder drei bewohnte Häuser.

Und ein Hund lag vor der Tür des Saloons und knurrte mich an, als ich abstieg.

Aber dann sah ich den großen Hund fest an und sagte ruhig, dass er zur Seite gehen möge.

Er knurrte nicht mehr, winselte freundlich und gehorchte folgsam, so als hätte er jedes meiner Worte genau verstanden.

Doch das war immer so, wenn ich zu Hunden oder Pferden redete. Nie hatte ich irgendwelche Schwierigkeiten mit Tieren. Irgendwie waren sie mir gegenüber stets freundlich, sobald sie meine Stimme hörten und ich sie fest ansah.

Nun gut, ich ging also in den Saloon und sah drinnen zwei Männer.

Der eine war der Wirt – aber vielleicht war er das nur noch, weil er seine eigenen Schnapsvorräte noch nicht aufgebraucht hatte. Er saß in der Ecke und studierte in einem Katalog für Damenbekleidung wie ein Kunstexperte in einer Mappe von Kunstdrucken oder sogar echten Kupferstichen.

Am selben Tisch saß ein hagerer Bursche und sah zu.

Als ich eintrat, sahen sie mich scharf an.

Dann fragte der Wirt: »Können Sie Französisch lesen, Fremder? Dies ist ein französisches Buch. Zu jedem Bild ist etwas geschrieben. Doch wir können es nicht lesen. Wir werden noch verrückt, wenn wir nicht endlich herausbekommen, was da geschrieben steht. Man hat uns gesagt, dass all diese Mädels einen Mann suchen und man sich aus diesem Katalog nur eine heraussuchen müsste. Name und Anschrift wären angegeben, und die Mädels in Frankreich würden nur darauf warten, dass jemand sie herüberkommen ließe. Aber wir können es nicht lesen. Ich habe fünfzig Dollar für dieses Buch bezahlt. Können Sie also Französisch lesen, Fremder?«

So viel Dummheit auf einem Haufen war mir noch nicht begegnet. Ich konnte nur vermuten, dass er immerzu seinen selbst gebrannten Schnaps getrunken hatte und deshalb nicht mehr ganz richtig im Kopf war. Der andere Mann grinste nur.

»Ich kann nicht Französisch lesen und auch nicht sprechen«, sagte ich. »Doch vor einigen Tagen war ein Fremder hier, der konnte es. Den hätten Sie fragen sollen.«

Ich sagte dies aus einer instinktiven Eingebung heraus, und weil der Wirt offensichtlich nicht recht gescheit war, beobachtete ich den anderen Mann. Sein Pockengesicht blieb ausdruckslos wie bei einem scharfen Pokerspiel. Doch in seinen Augen erkannte ich das Funkeln, bevor sie schmal wurden.

»He!« Dies machte der Wirt.

Der hagere Bursche aber fragte lässig – vielleicht eine winzige Spur zu lässig: »Was für ein Mann soll denn vor einigen Tagen hier durchgekommen sein? Hier kamen in der vergangenen Woche eine ganze Menge Reiter durch.«

»He, Pete«, sagte da der Wirt. »Du bist doch vor einigen Tagen selbst mit einem Fremden hereingekommen.«

»Mit einem Mann, der links leicht hinkte, der graue Augen und am Hals eine Narbe hatte«, sagte ich. »Wenn das stimmt, so war das der Mann, der Französisch sprechen und lesen kann.«

»Aha«, sagte der Wirt. »Doch da hatte ich dieses Buch mit den hübschen Mädels noch nicht. Das bekam ich erst gestern.«

Ich achtete kaum auf seine Worte. Denn ich beobachtete den anderen Burschen, den der Wirt Pete genannt hatte.

Pete war wachsam und scharf wie ein Wolf, der den Stahl einer Falle witterte. Aber er hatte sich eisern unter Kontrolle. Er zuckte und blinzelte nicht, blieb ganz ruhig und sagte nur: »Ach, der! Den hatte ich eine Meile vor der Stadt auf dem Weg getroffen. Das war zufällig, dass wir hier zusammen ankamen. Er ist ja auch allein wieder weiter. Oder nicht? Den kannte ich nicht.«

Er konnte sagen, was er wollte – das war mir gleich. Ich wusste dennoch genau, dass ich immer noch auf der richtigen Fährte war.