G. F. Unger 2170 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2170 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als der Reiter nahe genug herangekommen ist, stellt der Junge seine Arbeit beim Brunnen ein und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er ist ein magerer und sommersprossiger Junge von etwa vierzehn Jahren. Er ist barfuß und trägt eine viel zu große Hose und ein zu großes Hemd. Der Junge hat graue Augen. Er betrachtet den Reiter sehr aufmerksam, studiert ihn genau und bewegt sich nicht.
Der Reiter hat ein geschecktes Pony bei sich und sitzt selbst auf einem hageren Rappen. Es ist ein großer Mann mit einem ruhigen Gesicht, rauchgrauen Augen und blauschwarzem Haar. Er betrachtet den Jungen ebenfalls von Kopf bis Fuß.
Dann sagt er ruhig: »Hallo, Jubal!«
Der Junge schluckt mehrmals mühsam, so, als müsste er einen trockenen Kloß hinunterwürgen. Und dann sagt er etwas schrill: »Sie sind Morg Dunn, nicht wahr? Sie sind mein Vater?«
Morgan Dunn nickt. »Richtig, Jubal, ich bin dein Vater.«
Und dann betrachten sie sich wieder eingehend. Der Junge schluckt wieder.
Aber als der Mann dann seine festen Lippen zu einem breiten und blitzenden Lächeln verzieht, beginnt auch der Junge zu lächeln ...


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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der harte Weg

Vorschau

Impressum

Der harte Weg

Als der Reiter nahe genug herangekommen ist, stellt der Junge seine Arbeit beim Brunnen ein und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht.

Er ist ein magerer und sommersprossiger Junge von etwa vierzehn Jahren. Er ist barfuß und trägt eine viel zu große Hose und ein zu großes Hemd. Der Junge hat graue Augen. Er betrachtet den Reiter sehr aufmerksam, studiert ihn genau und bewegt sich nicht.

Der Reiter hat ein geschecktes Pony bei sich und sitzt selbst auf einem hageren Rappen. Es ist ein großer Mann mit einem ruhigen Gesicht, rauchgrauen Augen und blauschwarzem Haar. Er betrachtet den Jungen ebenfalls von Kopf bis Fuß.

Dann sagt er ruhig: »Hallo, Jubal!«

Der Junge schluckt mehrmals mühsam, so, als müsste er einen trockenen Kloß hinunterwürgen.

Und dann sagt er etwas schrill: »Sie sind Morg Dunn, nicht wahr? Sie sind mein Vater?«

Morgan Dunn nickt. »Richtig, Jubal, ich bin dein Vater.«

Und dann betrachten sie sich wieder eingehend. Der Junge schluckt wieder.

Aber als der Mann dann seine festen Lippen zu einem breiten und blitzenden Lächeln verzieht, beginnt auch der Junge zu lächeln ...

Es ist offensichtlich, dass Vater und Sohn einander gefallen. Und nachdem sie sich lange genug betrachtet und angelacht haben, sagt der Junge: »Ich habe auf dich gewartet, Vater. Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, dass du mich von hier wegholen würdest. Du hast den Brief von Mom erhalten, nicht wahr?«

Morgan Dunn nickt langsam, und auch seine Augen blicken jetzt ernst. »Es hat lange gedauert, Jubal«, spricht er sanft. »Der Brief ist mir länger als ein halbes Jahr nachgereist. Ich führte ein ziemlich unruhiges Leben.«

»Ich weiß«, nickt der Junge eifrig. »Aber es muss schön sein, ständig zu reiten. Die Welt ist wohl mächtig groß und weit? Und überall gibt es schöne Dinge. Ich bin mächtig froh, Vater, dass du mich holen kommst und wir nun gemeinsam reiten können. Ich bin Black Morg Dunns Sohn, und ich möchte so werden wie mein Vater. Das ist doch richtig so, nicht wahr?«

»Was bin ich denn?«, fragt Morgan Dunn ernst, und es ist, als verdunkelte ein Schatten seine Augen.

Aber der Junge bemerkt es nicht, wirft die Hand hoch und ruft: »Morg Dunn! Black Morg Dunn! Das ist der berühmteste Revolvermann neben Wild Bill Hickok, Wyatt Earp, King Fisher und noch höchstens zwei oder drei anderen Großen!«

Morgan Dunn schluckt hart, und er denkt an den Brief, der in seiner Brusttasche ruht. Er kennt jedes Wort in diesem Brief auswendig.

Er blickt sich um. Von diesem Brunnen gehen zwei Baumröhrenleitungen zu einigen Wassertrögen. Und an diesen Wassertrögen drängen sich blökende Schafe. Schafsgeruch hängt in der warmen Luft.

»Schöpfst du hier oft Wasser aus dem Brunnen, Jubal?«, fragt er.

Der Junge presst die Lippen fest zusammen und nickt bitter. »Die Trockenheit währt schon viele Wochen. Und ich stehe hier jeden Tag zehn Stunden am Brunnen und schöpfe Wasser. Zuvor hütete ich Schafe. Ich hasse Schafe. Ich hasse sie, weil ich Morgan Dunns Sohn bin. Ich will kein stinkender Schäfer sein! Ich bin ein Reiter wie mein Vater! Ist dieses Pony dort für mich?«

»Yeah«, sagt Morgan Dunn. »Sitz auf, Jubal!«

Der Junge lässt sich das nicht zweimal sagen.

Als sie vor das geduckte und verwitterte Ranchhaus reiten, tritt ein Mann heraus und wartet regungslos, bis die beiden Reiter dicht vor ihm die Pferde zügeln.

Der Mann ist hager, klein und wirkt sehr zäh. Er starrt zu Morgan Dunn auf und sagt dann schrill: »Der Herr wird dich strafen, Morgan Dunn, wenn du diesen Jungen mit auf deinen Weg nimmst. Ich bin nicht Jubals Vater, sondern nur sein Onkel, der Bruder seiner Mutter. Du versündigst dich an deinem Sohn, Morg, wenn du ihn mir fortnimmst. Überleg es dir, Morg! Ich weiß, Kate schrieb dir, bevor sie starb, einen langen Brief, und sie bat dich darin, Jubal zu dir zu nehmen. Aber es ist falsch! Kates Verstand war gewiss schon sehr verwirrt. Lass Jubal hier und reite fort, Morg Dunn!«

Der schüttelt langsam den Kopf. Dann blickt er Jubal an und fragt: »Was würdest du tun, Jubal, wenn du hier bei Onkel Fred bleiben müsstest? Sag es offen und frei heraus, Jubal!«

Der Junge blickt seinen Onkel an und lässt den Blick dann in die Runde schweifen. Er erschaudert leicht. Dann blickt er den Vater an und sagt klar und fest: »Ich wäre schon längst fortgelaufen, wenn ich nicht genau gewusst hätte, Vater, dass du mich holen würdest. Ich wäre fortgelaufen. Denn ich will kein Schafzüchter sein. Ich bin ein Reiter. Ich bin Morgan Dunns Sohn. Und die Welt ist groß! Ich möchte reiten, Wind, Sonne und Regen spüren. Ich möchte überall meine Campfeuer anzünden und die Sterne zählen. Ich ...«

»Es ist gut, Jubal«, unterbricht ihn Morg Dunn. »Pack dein Bündel. Sobald du fertig bist, reiten wir.«

Jubal gehorcht schnell, schwingt sich vom Pony und verschwindet im Haus. Es ist ganz klar, dass er auf diesen Tag nur gewartet hat.

Der Schwager starrt Morgan Dunn ungläubig und voller Zweifel an.

»Ein Welpe zieht mit einem Wolf«, sagt er dann hart. »Aber denk daran, was ich dir jetzt sage: Du wirst zur Hölle fahren, Morgan, wenn du aus Jubal keinen guten Menschen machst. Denn du bist ein Bandit, ein ehemaliger Sträfling und ein Revolverheld, Kartenhai und Sattelstrolch!«

»Du verdammter Narr!«, sagt Morgan Dunn kalt. »Was weißt du schon davon, wie alles war?«

Sein Gesicht ist jetzt hart und kalt. In seinen rauchgrauen Augen leuchtet ein bitterer Zorn.

Am Abend erreichen Vater und Sohn den Rinderweg nach Kansas und durchfurten den Brazos River. Drüben brennen die Camp- und Kochfeuer einer Treibmannschaft. Irgendwo in der Nacht lagert eine große Rinderherde.

Eine Stunde später sitzen Vater und Sohn beim Abendbrot.

Als sie fertig sind, nähern sich sporenklirrende Schritte. Es sind drei Männer, die da kommen, und sie halten an der Grenze des Feuerscheins an und starren wortlos auf Morgan Dunn und den Jungen.

»Hallo«, sagt Jubal fröhlich.

Aber die beiden Männer beachten ihn nicht. Sie blicken auf Morgan Dunn. Schließlich sagt einer: »Packt euren Krempel zusammen und verschwindet! Unsere Herde ist sehr unruhig und gerät beim geringsten Anlass in Stampede.«

Morgan Dunn bewegt sich nicht. Er schweigt einige Atemzüge lang. Dann murmelt er: »All right, wir verschwinden von hier.«

Die wachsame Anspannung der drei Männer löst sich etwas. Ihr Sprecher sagt: »Macht einen großen Bogen um die Herde. Hört ihr? Einen großen Bogen! Vor drei Tagen fiel unserem Koch ein Stoß Blechteller um und in die leere Spülwanne. Die Herde raste davon. Diese verdammten Biester sind wie verrückt.«

Er will sich mit seinen Begleitern abwenden. Doch da sagt Morgan Dunn noch sanfter als zuvor: »Vielleicht solltet ihr die Unruhestifter in eurer Herde abschießen. Es ist immer besser, einige verrückte Stiere zu töten, als ständig mit einer Stampede rechnen zu müssen.«

Die drei Besucher starren ihn wieder über das Feuer hinweg an. Einer murmelt schließlich: »Hast du gehört, Jesse, er gibt uns Ratschläge. Hast du gehört?«

»Verstehen Sie sich auf Treibherden?«, fragt der andere Mann, der der Boss zu sein scheint.

Morgan Dunn gibt keine Antwort. Aber Jubal, der ja ein impulsiver Junge ist, sagt jetzt schrill: »Natürlich versteht mein Vater etwas davon! Mein Vater kann alles! Glauben Sie nur nicht, Gents, dass wir unser Camp verlegen, weil mein Vater sich vor ...«

»Halt deinen Mund, Jubal«, sagt Morgan Dunn schroff. »Pack unsere Siebensachen zusammen und rede nicht, wenn du nicht gefragt wirst.«

Jubal zuckt leicht zusammen. Dann senkt er den Kopf und murmelt: »Verzeih bitte, Vater.« Und dann will er damit beginnen, des Vaters Befehl auszuführen.

Doch die drei Männer sind jetzt interessiert.

»He, Junge, wer ist denn dein Vater, wie ist euer Name?«, fragt der Sprecher, der von den anderen Männern mit Jesse angeredet worden war.

Doch Jubal hält jetzt den Mund.

Die drei Männer starren Morgan Dunn an. Sie wirken jetzt wie drei Wölfe, die eine besondere Witterung in die Nase bekommen haben.

»He, Mister! Dein Junge ist mächtig stolz auf dich. Wer bist du denn? Doch nicht Wild Bill Hickok persönlich?«

Die letzten Worte klingen etwas spöttisch.

Dann wird es einige Sekunden still. Morgan Dunn steht regungslos beim Feuer. Seine Rechte hängt jetzt ruhig hinter dem abgegriffenen Kolben seines Revolvers, auf dessen dunkler Glätte sich die Lichter des Feuers spiegeln.

Auch die drei Männer sind wieder wachsam. Sie ahnen jetzt, dass sie nicht auf irgendeinen Satteltramp und dessen Sohn gestoßen sind, und sie haben sicherlich auch Gründe, um jetzt wachsam zu sein.

Es ist still.

Dann jedoch geschieht etwas, was schnell alle Zweifel beseitigt.

Drüben, bei den Feuern des Treibherdencamps, ertönt ein scharfer Ruf. Dann kracht ein Revolverschuss. Eine Männerstimme stößt einen wilden und schmerzvollen Schrei aus, der jäh abbricht.

Und dann ruft eine Frauenstimme: »Ihr Mörder! Ihr verruchten Mörder und Banditen!«

Die drei Männer hier an Morgan Dunns Feuer wollen ihre Colts ziehen. Aber jetzt klatscht seine Hand gegen die Waffe, und er zischt scharf: »Vorsichtig, Jungs! Es steht nicht drei zu eins! Vorsicht!«

Die drei Männer erstarren. Ihre Witterung sagt ihnen jetzt ganz deutlich, dass der große Mann dort nicht blufft. Nun möchten sie gerne wissen, in was sie hineinrennen würden.

»Wer bist du also?«, fragt jener, der Jesse genannt wurde.

»Morgan Dunn, und ihr lasst mich besser mit meinem Sohn in Frieden reiten.«

Wieder ist es still. Nur drüben im großen Camp herrscht einige Aufregung, und die Herde dort draußen in der Nacht brüllt jetzt erregter. Reiter galoppieren.

»Black Morg Dunn! Und das da ist dein Sohn?«

»Lasst uns in Frieden reiten«, murmelt Morgan gedehnt, »denn ein Verdruss bringt euch nichts ein. Jubal, sattle die Pferde und lass alles andere liegen. Mach schnell, Junge!«

Wieder will sich der Junge gehorsam bewegen. Doch wieder hält er inne. Denn jener Jesse sagt trocken: »So geht es nicht! Ihr kommt hier nicht fort, sondern müsst jetzt bei uns bleiben! Morg Dunn, ich weiß genau, wie tüchtig du mit dem Colt bist. Aber diesmal kannst du es nicht schaffen. Ich bin Jesse Haggerty! Das hier sind Hal Powis und Jeffrey Coates! Schon zwei von uns wären dir gewachsen. Einer von uns würde dich totschießen können. Und was würde dein Junge dann wohl ohne dich anfangen?«

Als diese Worte verklungen sind, atmet Morgan Dunn langsam aus, und nicht nur er, sondern auch Jubal weiß jetzt, in welche Sache sie geraten sind.

Es ist eine ziemlich bittere Sache.

Denn Jesse Haggerty, Hal Powis, Jeff Coates und die ganze Jesse-Haggerty-Bande überhaupt werden in einigen Staaten steckbrieflich gesucht. Fast auf jeden dieser Banditen sind hohe Belohnungen ausgesetzt, und es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Burschen tot oder lebendig eingebracht werden.

Es hat Zeiten in Morgan Dunns Leben gegeben, da hätte er eine solche Herausforderung angenommen.

Doch diese Zeiten sind vorbei, und nicht nur deshalb, weil er jetzt seinen Sohn bei sich hat.

Von der Jesse-Haggerty-Bande hat er schon genug gehört.

Er beginnt zu ahnen, wie sehr er mit Jubal in einer Klemme sitzt.

»Nun, gut«, sagt er, »was soll es sein?«

Jesse Haggerty tritt einige Schritte vor. Das Feuer beleuchtet ihn nun besser. Er schiebt auch den Hut aus dem Gesicht, und seine Augen leuchten im Flammenschein. Er ist ein großer Mann, so groß und so schwer wie Morgan Dunn. Er ist blond, doch sein Vollbart leuchtet rötlich. Es ist eine Seltenheit, dass sich Treibherdencowboys für die Dauer des Treibens einen Bart stehen lassen. Auch die beiden anderen Männer sind bärtig.

Morgan Dunn weiß plötzlich Bescheid.

Als Jesse Haggerty zu sprechen beginnt, wird alles völlig klar. Jesse Haggerty legt seine Karten offen auf den Tisch. Und allein daran erkennt Morgan Dunn, wie sehr diese Bande alles auf eine einzige Karte setzt.

Haggerty sagt: »Es ist ganz einfach, Morg Dunn, ganz einfach! Wir haben vor einigen Wochen einen Geldtransport geraubt, der an die größte Bank in Austin gehen sollte. Es waren Staatsgelder, die für größere Bauvorhaben zur Verfügung gestellt wurden. Es waren hundertzwanzigtausend Dollar. Wir haben sie bekommen. Und seit diesem Tag suchen uns die Texas Rangers und auch die Armee. Alle Grenzen und Wege und Ortschaften werden kontrolliert. Wir hatten wenig Chancen, aus Texas rauszukommen.«

Er verstummt und grinst.

Morgan Dunn nickt, denn für ihn ist jetzt schon alles klar.

»Sicher«, sagt er, »ihr seid auf die Idee gekommen, euch als Treibmannschaft einer Longhornherde zu tarnen. Jedes Jahr trailen viele Herden nach Kansas. Jede Herde bekommt von der zuständigen Countyverwaltung ordentliche Herdenpapiere mit, und diese Herdenpapiere beweisen auch, dass die Treibmannschaft in Ordnung ist. Denn welcher Rancher oder Herdenboss stellt schon die Jesse-Haggerty-Bande als Treibmannschaft ein. Kein Herdenboss, der ordentliche Herdenpapiere besitzt, tut das.«

»Richtig«, nickt Jesse Haggerty. »So ist es! Wir haben vor zehn Tagen eine Treibherde übernommen und uns als Cowboys in die Mannschaft eingereiht. Das war natürlich nicht einfach. Es gab einige Tote, denn wir mussten den Kerlen erst richtig klarmachen, dass sie uns aus der Hand zu fressen haben. Leider starb auch der Trailboss dieser Herde. Es ist keiner da, der einen erfahrenen Trailboss ersetzen kann. Wir haben ziemlich viel Mühe mit den Rindern. Aber du hast schon Herden getrieben, nicht wahr, Morg Dunn?«

Der nickt wortlos.

Jesse Haggerty grinst. »Du hast das Mädel rufen hören, dass wir Mörder und Banditen wären. Du kannst dir eine Menge zusammenrechnen, nicht wahr? Und wenn wir dich reiten ließen, würdest du vielleicht bald auf ein Aufgebot oder ein Armeekommando stoßen, die dich nach der Haggerty-Bande fragen. Du könntest dann sagen, was du hier gesehen und gehört hast. Nun, du siehst doch ein, Morg Dunn, dass wir dich genauso wenig fortlassen können wie jeden andern Mann in der Treibmannschaft?«

Morgan Dunn nickt. Er hat die nackten Tatsachen klar und richtig erkannt. Es gibt keinen Ausweg für ihn, zumal er nichts riskieren darf, um Jubal nicht zu gefährden.

»Wie denkt ihr euch die Sache?«, fragt er langsam.

»Ich weiß«, sagt Jesse Haggerty, »dass du vor zwei Jahren mit einigen tüchtigen Jungs im südlichen Brazos-Land Mavericks gejagt hast und dann eine Herde von dreitausend Tieren nach Abilene brachtest. Und zuvor hast du andere Herden getrieben. Als dir einmal Alvah Jenkins mit seiner Bande den Weg verlegte und für jedes Rind einen Dollar Wegzoll verlangte, kämpftest du dir den Weg frei. Wir kennen dich, Morg Dunn. Nun, du kannst für uns die Herde treiben. Wir wollen nichts anderes, als aus Texas herauskommen. Wenn der Weg vor uns frei ist, lassen wir die Herde ihren eigenen Weg ziehen. Morg Dunn, du hast gar keine andere Wahl. Denk an deinen Jungen.«

»Yeah«, sagt Morgan dunkel und blickt Jubal an. »Ich soll also eure Chancen vergrößern, indem ich diese Herde treibe. Und ich würde euer Gefangener sein, genauso wie die Reiter der Treibmannschaft und jenes Mädchen, welches ich rufen hörte?«

Jesse Haggerty nickt.

»Du wirst alle Patronen abgeben und einen leeren Colt tragen. Und du darfst kein schnelles Pferd reiten. Dein Junge wird immer in Rufweite der Wagen bleiben. Und wenn einer von euch fortlaufen sollte, wird es bitter für den, der zurückbleibt. Es ist ganz klar. Wir haben die gesamte Treibmannschaft fest unter Kontrolle. Wir verstehen uns zwar nicht auf Rinder, aber uns entkommt niemand. Sollten wir einmal den Besuch eines Sheriffaufgebotes oder einer Armeepatrouille bekommen, so wird stets jemand von uns in der Nähe des Mädels oder dieses Jungen hier stehen. Morg Dunn, wenn man uns erwischt, werden fast alle von uns hängen. Du kannst mir glauben, dass wir nicht bluffen. Wenn einer von euch zum Verräter wird, müssen es das Mädel und auch dein Junge büßen. Und jetzt gib mir all deine Patronen, Morg Dunn, auch die, die im Colt sind. Wir haben nichts gegen dich persönlich. Wir wollen uns nur absichern.«

Er streckt die Hand aus.

Jubal beobachtet seinen Vater. Und obwohl er begriffen hat, dass jeder Kampf Unsinn wäre, ist er dennoch etwas enttäuscht, als sein Vater wortlos gehorcht. Morgan Dunn zieht die Patronen aus den Schlaufen seines Waffengurtes und wirft sie in Jesse Haggertys Hut. Dann nimmt er langsam den Colt heraus und entlädt ihn. Die leere Waffe darf er einstecken.

»Du bekommst später einige Patronen, die jedoch kein Pulver enthalten«, sagt Haggerty zufrieden. »Es würde komisch aussehen, wenn die Schlaufen der Waffengürtel bei vielen Reitern leer wären. Nun gut, packt zusammen und kommt ins Camp!«

Als Morgan und sein Sohn das Camp erreichen, erwarten sie zwei Gruppen von Männern.

Zwei Wagen stehen unter Bäumen. Und am Hinterrad des einen Wagens lehnt die Gestalt eines Mädchens in Männerkleidung.

Jemand sagt zu Jesse Haggerty: »Dieser Shorty wollte fortschleichen. Er lief auf den Fluss zu. Ich musste schießen, weil er nicht anhalten wollte. Er ist tot.«

Jesse Haggerty macht eine heftige Handbewegung. Und er wendet sich einigen Männern zu, die an einem der beiden Feuer hocken: »Ihr verdammten Narren«, sagt er. »Niemand kann uns fortlaufen! Und ich habe jetzt genug davon, dass es immer wieder einer von euch Narren versucht. Passt auf! Wenn noch einmal einer fortlaufen will, wird es Ysabel Grey ausbaden müssen. Überlegt es euch gut. Dies hier ist Morgan Dunn! Yeah, Black Morgan Dunn mit seinem Sohn. Dunn wird die Herde führen.«

Morgan spürt die Blicke aller Männer auf sich gerichtet. Auch der Rest von Haggertys Bande betrachtet ihn und schätzt ihn ab.

Eine Stimme sagt spöttisch: »Das hätte sich der große Black Morg Dunn nicht träumen lassen, nicht wahr, Dunn?«

Morgan gibt keine Antwort. Er sieht, dass hier im Camp noch drei Männer der Bande waren. Einige werden sicherlich auch noch bei der Herde sein, um die Herdenwächter zu bewachen. Jesse Haggerty hat also etwa zehn Männer bei sich. Die eigentliche Treibmannschaft der Herde ist etwa gleich stark an Kopfzahl.

Es sind richtige, ehrliche Cowboys, die dort am Feuer hocken und in deren Waffen sich keine Munition befindet.

Morgan Dunn legt seine Hand auf die Schulter seines Sohnes und blickt über die Männer hinweg auf die Frau am Wagen.

Die bewegt sich jetzt, tritt vor und sagt spröde: »Es ist eine Mordbande, Mr Dunn. Sie haben meinen Bruder und vier gute Männer getötet. Sie sind alle Mörder und Banditen. Und jetzt haben sie sogar einen Mann gefunden, der sich auf eine Treibherde versteht und imstande ist, diese ans Ziel zu bringen.« Sie macht eine kleine Atempause und spricht dann irgendwie bittend weiter. »Aber auch ich bin froh, wenn diese Herde einen erfahrenen Trailboss bekommt. Da mein Bruder tot ist, gehört die Herde mir. Diese Banditen werden hoffentlich ihr Wort halten und uns verlassen, sobald sie nicht mehr in Gefahr sind und sich als Treibherdenmannschaft tarnen müssen. Ich wäre dann sehr dankbar, Mr Morgan Dunn, wenn Sie auch dann noch bei uns blieben und diese Herde ans Ziel brächten. Die wirkliche Mannschaft dieser Herde besteht zwar aus guten und prächtigen Cowboys, aber keiner von ihnen kennt den Weg nach Norden.«

Morgan Dunn nickt langsam, aber er sagt nichts. Er blickt das Mädchen an.

Sie ist kein junges Ding mehr, sondern eine voll erblühte Frau. Das kann er erkennen. Er schätzt sie auf etwa sechsundzwanzig, und sie ist eine Frau etwas über Mittelgröße und sehr schlank und gerade. Obwohl sie Männerkleidung trägt, die ihr etwas zu weit ist, kann man erkennen, wie sehr alles an ihr stimmt. Im Feuerschein leuchten ihre Augen etwas grünlich, doch bei Tageslicht sind ihre Augen sicherlich von blauer Farbe. Sie hat ein klar gezeichnetes und regelmäßiges Gesicht. Ihr Haar ist unter einem Hut mit flacher Krone verborgen. Ihre Stimme klingt dunkel und hat einen melodischen Klang. Gewiss ist dieses Mädchen sehr mutig und stolz. Sie hat ihren Bruder verloren und befindet sich in der Gewalt von Banditen. Und dennoch zerbricht sie nicht.

Morgan Dunn nickt ihr zu.