G. F. Unger 2172 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2172 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Wir waren mit vier Gefangenen unterwegs. Mike McGinnes fuhr den Gefängniswagen. Ich selbst ritt im Sattel und sicherte unseren Weg nach Denver. Und das war ein sehr langer Weg durch raues Land. Wir würden für die dreihundert Meilen acht bis zehn Tage brauchen.
Mike McGinnes und ich, wir waren US Deputy Marshals. Mein Name ist Kelso Doohan. Unsere vier Gefangenen - sie hockten angekettet in winzigen Zellen im Wagen - waren allesamt steckbrieflich gesuchte Mörder. Da sie gegen das Bundesgesetz verstoßen hatten, mussten wir US Deputys sie zum Bundesrichter schaffen.
Es hatte Mike McGinnes und mich getroffen, als unser Boss, der US Marshal von Colorado, unter seinen Deputys das Los entscheiden ließ. Und so waren wir also mitten in den Rocky Mountains mit dem Gefängniswagen unterwegs. Mike war schon ein ziemlich alter Bursche, doch zäh wie ein Wildkater mit sieben Leben. Wir fuhren den Wagen abwechselnd. Morgen würde ich an der Reihe sein.
Aber es sollte alles ganz anders kommen. Ich wusste es an diesem Nachmittag noch nicht, doch bald sollte ich es wissen. Das Schicksal hatte eine Gemeinheit mit uns vor ...


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Todescamp

Vorschau

Impressum

Todescamp

Wir waren mit vier Gefangenen unterwegs. Mike McGinnes fuhr den Gefängniswagen. Ich selbst ritt im Sattel und sicherte unseren Weg nach Denver. Und das war ein sehr langer Weg durch raues Land. Wir würden für die dreihundert Meilen acht bis zehn Tage brauchen.

Mike McGinnes und ich, wir waren US Deputy Marshals. Mein Name ist Kelso Doohan. Unsere vier Gefangenen – sie hockten angekettet in winzigen Zellen im Wagen – waren allesamt steckbrieflich gesuchte Mörder. Da sie gegen das Bundesgesetz verstoßen hatten, mussten wir US Deputys sie zum Bundesrichter schaffen.

Es hatte Mike McGinnes und mich getroffen, als unser Boss, der US Marshal von Colorado, unter seinen Deputys das Los entscheiden ließ. Und so waren wir also mitten in den Rocky Mountains mit dem Gefängniswagen unterwegs. Mike war schon ein ziemlich alter Bursche, doch zäh wie ein Wildkater mit sieben Leben. Wir fuhren den Wagen abwechselnd. Morgen würde ich an der Reihe sein.

Aber es sollte alles ganz anders kommen. Ich wusste es an diesem Nachmittag noch nicht, doch bald sollte ich es wissen. Das Schicksal hatte eine Gemeinheit mit uns vor ...

Es wurde Abend, als wir einen kleinen Creek erreichten. Auf der anderen Seite gab es unter den mächtigen Ästen einer Eiche deutlich erkennbar den besseren Lagerplatz. Und so wollten wir durch den flachen Creek hinüber.

Als wir mitten im Creekbett waren – das Wasser reichte nicht mal bis zu den Achsen des schwerfälligen Gefängniswagens –, krachte ein Schuss. Die Kugel traf mein Pferd mitten in die Stirn. Es bäumte sich auf, überschlug sich nach hinten und warf mich ab. Ich fiel sehr unglücklich in den Creek und knallte mit dem Kopf auf einen Stein im Wasser. Mir wurde schwarz vor Augen, und dennoch begriff ich instinktiv, dass man auch im kaum knietiefen Wasser ertrinken kann, wenn man mit dem Gesicht nach unten darin liegen bleibt. Also rollte ich mich noch auf den Rücken. Dann verlor ich für kurze Zeit das Bewusstsein. Die Strömung des Creeks nahm mich ein Stück weit mit, bis ich auf seichtem Grund liegen blieb.

Wahrscheinlich war ich nur wenige Minuten bewusstlos und wusste nicht, was indes geschah, konnte also nicht eingreifen. Als mich die Schmerzen am Kopf wach werden ließen, fühlte ich nach der immer noch wachsenden, aufgeplatzten Beule. Dann taumelte ich hoch.

Die Strömung hatte mich etwa hundert Yards abwärts getragen. Dort, wo der Wagen sein musste, war nichts mehr zu sehen. Der Wagen war weg und mit ihm auch Mike McGinnes. Wahrscheinlich hatte man ihn als Fahrer benötigt.

Ich stand im seichten Wasser auf feinem Kies, betastete meine Beule und begriff, dass dies zuletzt gar kein guter Tag für mich gewesen war.

Man hatte mir die vier Gefangenen und auch Mike abgenommen. Ich besaß kein Pferd mehr, denn dieses lag tot im Creek. Ich konnte es sehen.

Verdammt, was war geschehen?

Hatten uns Kumpane der Gefangenen überfallen?

Doch warum nahmen sie dann den ganzen Wagen und auch Mike mit? Sie hätten die Gefangenen doch gewiss aus den Ketten losschließen und auf Pferde setzen können. Mike hatte den Schlüssel in der Tasche. Und die vier Gespannpferde waren auch ohne Sättel gut zu reiten.

Die vier Gefangenen waren keine Vier-Mann-Bande. Nur zwei gehörten zusammen. Die beiden anderen waren Einzelgänger. Und dennoch hatte man mir alle vier abgenommen.

Verdammt, was war das? Ich spürte sofort, dass es hier ein Rätsel zu lösen gab.

Ich kam endlich richtig auf die Füße. Auch meinen Hut fand ich am Ufer, wo er an einem Stein hängen geblieben war. Ich ging zu unserem Sattelpferd, das Mike und ich abwechselnd ritten, weil wir ja auch abwechselnd den Wagen fuhren.

Ja, es hatte einen Kopfschuss mitten in der Stirn, wo der weiße Fleck war.

Hatte die Kugel vielleicht mir gegolten und das Pferd sie nur aufgefangen, weil es den Kopf in diesem Augenblick hochnahm und so meine Brust deckte? Oder hatte man nur das Pferd zusammenschießen wollen?

Ich nahm meine beiden Satteltaschen und das Gewehr. Meine sämtlichen anderen Sachen befanden sich im Wagen. Den Sattel würde ich nicht schleppen können, denn ich musste viele Meilen laufen. Also versteckte ich ihn in einem Gebüsch dicht an einem Felsen. Es war ein guter Sattel, der mehr als einen Monatslohn gekostet hatte, und dieser Monatslohn für einen US Deputy betrug sechzig Dollar. Das war auch das Gehalt eines Captains der US-Armee, denn wir US Deputys besaßen diesen Rang.

Was sollte ich tun?

Der Wagenfährte folgen?

Ich tat es etwa eine halbe Meile weit. Dann wusste ich, dass sie mit dem Wagen in die Berge fuhren. Die Fährte führte in eine ansteigende Schlucht hinein. Sie schafften die vier Gefangenen mit dem Wagen also irgendwohin in die Berge hinauf. Es hatte keinen Sinn, ihnen zu folgen – nicht zu Fuß.

Denn an den anderen Hufspuren konnte ich erkennen, dass es drei Reiter waren. Ich würde sie nicht einholen können ohne Reitpferd. Es war nun schon fast Nacht geworden. Ich konnte die Fährte nicht mehr verfolgen.

Ich setzte mich an einen Felsen und versuchte mich zu entspannen. Mein armer Kopf hämmerte. Es war ein böser Zorn in mir. Mein Stolz war verletzt. Verdammt, so durfte man mit Kelso Doohan nicht umspringen!

Und auch Mike McGinnes gegenüber stand ich in der Pflicht.

Aber erst musste ich ein wenig ausruhen, damit mein Kopf sich beruhigen konnte. Dann würde ich mich auf den Weg machen.

Wohin?

Nun, es gab da in der Hope Gulch eine Goldgräber- und Minenstadt. Sie hieß Golden Chance. Dorthin musste ich.

Golden Chance war etwa fünfzehn Meilen weit.

Ich schaffte es bis zum frühen Mittag des nächsten Tages, denn ich brach bereits nach Mitternacht auf. Aber ich musste wegen meines Kopfes immer wieder Rastpausen einlegen. Offenbar hatte ich mir eine kleine Gehirnerschütterung zugezogen.

Golden Chance hatte sich schon so sehr zu einer Stadt gemausert, dass es ein City House gab, in dem sich die Offices des Bürgermeisters, des Richters, des Sheriffs und auch das Gefängnis befanden.

Als ich ins Sheriff's Office trat, hockte der bullige Sheriff hinter dem Schreibtisch und kürzte mit einem Kiowa-Messer seine Fingernägel.

Ich ließ mich in einen Armsessel fallen und fragte: »Können Sie mir die verdammten Stiefel ausziehen oder von den Füßen schneiden? Ich bin fünfzehn Meilen damit gelaufen und bekomme sie gewiss nicht allein von den Füßen.«

Er sah auf meine Marshal-Plakette, die ich unter der offenen Weste auf der Hemdtasche trug. Dann beugte er sich vor und sah über den Schreibtisch hinweg auf meine Füße.

»O ja«, sagte er, »die Stiefel sind hin. Das waren mal erstklassige Stiefel von einem Spezialisten in Alabama. Aber jetzt sind sie hin. Hier bei uns gibt es solche Kunstwerke nicht. Und die Füße sind sicher auch nicht mehr die alten. Solche Stiefel sind gut zum Reiten, aber zum Marschieren taugen sie nichts. In solchen Notfällen hat ein Mann tatsächlich einen Anspruch auf Hilfe.«

Er kam hinter dem Schreibtisch hervor, und er war ein bulliger Mann ohne ein einzige Unze Übergewicht. Seine Beine waren leicht gekrümmt. Er lief auf den Außenkanten seiner Füße wie ein Indianer.

Vor mir drehte er sich um, wandte mir den Hintern zu und nahm meinen Fuß zwischen seine Beine und die großen Hände.

Er hielt den Stiefel fest wie mit Eisenklammern, und ich trat gegen seinen Hintern. Und tatsächlich, wir schafften es. Ich bekam die wunderschönen Stiefel aus Alabama von den Füßen. Er betrachtete sie nacheinander kritisch und sagte bedauernd: »Die sind hin, wahrhaftig. Aber ich hätte ein Paar Stiefel dieser Größe für Sie. Die gehörten einem zweibeinigen Goldwolf, den wir gestern hängten. Wollen Sie die Dinger? Sie sind wirklich noch fast neu. Mir passen sie nicht. Und er wollte unbedingt ohne Stiefel beerdigt werden.«

Ich nickte, und wir grinsten uns an. Wir mochten uns. Und überdies trugen wir beide ja den Stern.

Er brachte mir einen Becher Kaffee, dann wartete er und ließ mich seine Neugierde deutlich erkennen.

Ich erzählte ihm alles und schloss mit den Worten: »Also müssen wir ein Aufgebot zusammenstellen und losreiten. Außer den Gefangenen wurde ja auch mein Partner entführt. Wann also können wir reiten, Sheriff? Ein Pferd und einen Sattel brauche ich auch. Also?«

Er bewegte den Kopf hin und her.

Dann erhob er sich und sagte: »Warten Sie. Ich hole unseren Richter und auch den Bürgermeister. Und dann werden Sie einige merkwürdige Dinge zu hören bekommen, Marshal. Wie war Ihr Name – Kelso Doohan?«

Ich nickte nur stumm.

Er sagte, dass sein Name Oates Ward sei. Dann ging er und ließ mich mit dem Kaffeebecher in den Händen allein.

Ich trank und betrachtete dabei meine Füße. Die Socken waren löchrig und mit Blut verklebt. Ich war froh, dass ich noch sitzen konnte und nicht aufstehen musste.

Wenig später kamen sie. Auch der Bürgermeister und der Richter gehörten zu der harten, zähen und mit allen Wassern gewaschenen Sorte. Er hatte ihnen offenbar bereits alles erzählt. Sie nickten mir zu und setzten sich.

Nachdem der Sheriff sie mir vorgestellt hatte, sagte der Bürgermeister: »Es werden immer wieder Männer entführt. Sie verschwinden einfach. Man findet sie nicht. Die Fährten verlieren sich in den Bergen. Wir haben in den vergangenen Wochen schon ein halbes Dutzend Aufgebote in die Sättel gebracht und überall gesucht. Vergebens. Nun will niemand mehr in einem Aufgebot mitreiten. Die Leute hier kamen her, um Gold und Silber zu finden. Und wenn sie es gefunden haben, dann wollen sie möglichst schnell möglichst viel davon aus der Erde holen. Hier gibt es keine Nächstenliebe. Verstehen Sie, Marshal?«

Ich nickte, denn ich wusste Bescheid.

Der Sheriff sagte: »Auch Ihr Partner und die vier Gefangenen gehören nun zu den spurlos verschwundenen Männern der letzten Wochen. Es müssen inzwischen schon fast ein halbes Hundert sein. Sie verschwinden aus ihren Hütten, kommen von der Jagd nicht zurück. Sogar eine Postkutsche, in der sich sieben Männer und zwei Frauen befanden, verschwand spurlos. Ich bin wochenlang umhergeritten und habe mit einem guten Scout nach Spuren gesucht. Ohne Erfolg. Und ich sage Ihnen was: Auch Sie werden keinen Erfolg haben, Marshal.«

Er verstummte bitter, und ich sah ihm an, dass er seine Niederlage nicht leichtnahm. Dieser Sheriff war in seinem Stolz verletzt. Er schämte sich. Und nun resignierte er.

»Verdammt, was ist hier los?« So fragte ich hart. »Was vermuten Sie? Irgendwelche Vermutungen müssen Sie doch haben, oder?«

Wieder wiegten sie ihre Köpfe.

Dann murmelte der Bürgermeister: »Eines ist auffällig. Die meisten dieser spurlos verschwundenen Männer gehören nicht zu der guten Sorte. Sie waren Spieler, Revolverschwinger, Rauf- und Saufbolde. Manche standen im Verdacht, zu den Goldwölfen zu gehören, also Claimräuber zu sein, die sich gut tarnten. Es könnte fast vermutet werden, dass es eine geheime Vigilanten-Gemeinschaft gibt, die sozusagen aufräumt. Es könnte aber auch sein, dass es dort irgendwo in den Bergen ein verborgenes Camp gibt, wo Gold und Silber aus einer Mine geholt wird, die jede Minute zusammenbrechen kann oder deren Eingangsstollen ständig in der Gefahr ist, von einem Bergrutsch zugeschüttet zu werden. Es gibt ja immer wieder solche Minen, die man aufgeben muss, weil sie zu gefährlich sind. Für solche Höllenlöcher bekommt man keine Arbeiter – es sei denn, man hält sie wie Sklaven und zwingt sie zur Arbeit. Irgendwie könnte eine dieser beiden Möglichkeiten zutreffen. Wir haben lange versucht, es herauszufinden. Aber ...«

Er verstummte achselzuckend.

Nun mischte sich auch der hagere, asketisch wirkende Richter ein. Er starrte mich mit harten Augen an und sagte dann: »Vielleicht finden Sie es heraus, Marshal. Vielleicht sind Sie besser als unser Sheriff und die Männer unserer Aufgebote. Dann werden wir Sie mit aller Kraft unterstützen. Doch so ...«

Nun verstummte er achselzuckend wie zuvor der Bürgermeister.

Sie sahen mich schweigend an.

Und ich wusste, dass ich allein auf mich gestellt war.

Die drei Burschen da hatten resigniert.

Vielleicht hatten sie auch Furcht, selbst geschnappt zu werden, wenn sie in den unwegsamen Schluchten und Bergen umherritten. Ja, das konnte auch sein.

Ich sah den Sheriff an.

»Bekomme ich die Stiefel?« So fragte ich.

»Sicher«, sagte er und grinste.

Eine Stunde später saß ich im Hof des Barbiers in einem Badefass und stach mir mit der Spitze eines Apachenmessers – man konnte es auch als Dolch oder als Wurfmesser benutzen – die Wasserblasen an den Füßen auf. Es waren noch einige andere Badefässer im Hof vorhanden, der durch einen hohen Bretterzaun vor Einblicken geschützt war. Doch ich war um diese Zeit der einzige Badegast. Ein alter Neger hatte für das heiße Badewasser gesorgt. Nun sagte er mir, dass er eine gute Salbe zu verkaufen habe, die für viele Wunden gut sei.

»Her damit, Großvater«, sagte ich.

»Für fünf Dollar hole ich sie«, erwiderte er, und ich erkannte in seinen Augen, dass er begriffen hatte, wie sehr hier alles seinen Preis hatte.

»Gut.« Ich nickte. »Wenn die Salbe jedoch nichts taugt, wenn sie nur aus Schmalz und nutzlosen grünen Kräutern besteht, dann wirst du sie essen müssen, mein schwarzer Freund.«

»Warum nennen Sie mich nicht Nigger wie die meisten Weißen?«, fragte er borstig und starrte mich rebellisch an.

Ich grinste ihn aus dem Schaum des Badewassers an. »Du wirst es vielleicht nicht glauben«, sprach ich, »aber ich achte alle Menschen, mögen sie gelb, schwarz, braun, rot oder weiß sein, solange sie sich wie Menschen benehmen. Denn ich bin der Meinung, dass jeder Mensch ein gewisses Maß an Würde besitzen sollte. Aber du wirst das sicherlich nicht glauben.«

Er starrte mich noch eine Weile an.

Dann nickte er.

»Ich glaube es«, murmelte er. »Und jetzt bekommen Sie die Salbe umsonst. Und sie ist nicht irgendein Mist, sondern enthält wirklich die allerbesten Heilkräuter. Sie werden sehen.«

Er ging davon.

Ich aber massierte im Wasser meine verkrampften Waden- und Oberschenkelmuskeln. Diese fünfzehn Meilen hatten mich geschafft. Aber wenigstens meinem Kopf ging es besser.

Als sich dann die Hintertür des Barbierladens öffnete, glaubte ich, es wäre der Schwarze mit dem Salbentopf in der Hand.

Aber es kam eine Frau heraus, eine Frau von jener Sorte, bei der ein Mann den Atem anhält vor Staunen darüber, dass es so etwas auf unserer Erde überhaupt gibt.

Heiliger Rauch, was war das für ein Bild!

Schon ihre Bewegungen, ihr Schreiten und die Art, wie sie den Kopf auf den geraden Schultern trug, waren bewundernswert.

Sie hatte rotgoldene Haare und schwarze Augen, und obwohl sie nur einen geteilten rehledernen Rock und eine grüne Flanellbluse trug, wirkte sie darin sehr viel beeindruckender als so manche sorgfältig herausgeputzte Lady.

Dass ich nackt im Badefass saß, machte ihr offenbar nichts aus. Aber es war ja im Schaum der Fliederseife ohnehin nur mein Kopf sichtbar.

Sie trat dicht an das Badefass und blickte auf mich nieder. Ihr Blick war prüfend, und es war der forschende Blick einer erfahrenen Frau. O ja, ich begriff sofort, dass sie sich auskannte im Leben.

Ich verspürte eine Lust, sie herauszufordern, denn ihr prüfender Blick ärgerte mich ein wenig. Und so fragte ich: »Wollen Sie mit mir baden? Es ist noch Platz.«

Sie lächelte verständnisvoll, so als wüsste sie, warum ich so herausfordernd fragte. Aber dann wurde sie wieder ernst und sprach: »Ich habe gehört, dass wieder fünf Männer geraubt oder entführt wurden, vier Banditen und der Fahrer des Gefängniswagens. Und Sie sind ein US Deputy Marshal, ja?«

»Bis jetzt stimmt alles, Lady«, erwiderte ich. »Und wenn Sie schon hier sind, könnten Sie mir den Rücken waschen.«

»Sicher«, sagte sie. »Wenn Sie sich in der Wanne aufsetzen, werde ich das tun. Doch eigentlich wollte ich mit Ihnen über die verschwundenen Männer reden. Auch zwei Frauen verschwanden, soviel man weiß. Vielleicht sind es auch mehr.«

Ich setzte mich in der Holzwanne auf, und sie seifte mir tatsächlich den Rücken ein. Dann nahm sie eine Bürste vom Schemel und begann mich abzuschrubben.

Inzwischen kam auch der schwarze Bademeister mit der Salbe und stellte das Töpfchen wortlos auf den Schemel, wo zuvor die Seife und die Bürste lagen. Er warf mir einen anerkennenden Blick zu und ging wieder.

Ich fragte: »Sie haben gewiss schon manchem Mann den Rücken gewaschen – oder?«

»Wenn Sie frech werden, dann tauche ich Sie unter und ertränke Sie«, erwiderte sie, und es klang nicht spaßig, sondern ärgerlich und wütend.

Sie trat zurück und legte die Bürste wieder auf den Schemel. Dann sprach sie ruhig: »Mein Name ist Jennifer Garyland. Auch mein Mann wurde entführt. Jedenfalls war er plötzlich spurlos verschwunden. Es muss geschehen sein, als er gegen Ende einer langen Nacht am Spieltisch die Spielhalle verließ und zu mir ins Hotel wollte. Denn ich war schon vorausgegangen. Ich wartete auf ihn, doch er kam nicht. Er war plötzlich verschwunden. Es erging ihm wie vielen anderen Männern vor ihm. Sie verschwanden einfach, und der Sheriff vermag die Menschenräuber nicht zu fassen. Er findet auch die Ursache nicht heraus. Doch nun haben diese Menschenräuber einem US Deputy die Gefangenen gestohlen und auch den Fahrer des Gefängniswagens entführt. Vielleicht erreicht ein US Deputy mehr als der hiesige Sheriff. Ich möchte mit Ihnen reiten. Vielleicht finden wir die Ursachen dieser Entführungen heraus.«

Als sie verstummte, staunte ich eine Weile. Und dann erkannte ich endlich, dass sie in der Tasche ihres geteilten Rehlederrockes eine kleine Waffe trug.

Ich fragte: »Ihr Mann war ein Spieler?«

»So wie ich eine Spielerin bin«, erwiderte sie. »Ja, wir waren ein umherziehendes Spielerpaar. Aber dann verschwand er mit einer großen Summe in der Tasche. Dabei wurde er nicht überfallen und ausgeraubt – nein, er verschwand wie all die anderen Männer. Nehmen Sie mich mit?«

»Warum sollte ich das?« So fragte ich zurück. »Nein, ich nehme Sie nicht mit. Das fehlt mir noch. Selbst wenn Sie nicht verheiratet wären und ich darauf hoffen könnte, dass Sie in den Nächten unter meine Decke kämen, würde ich Sie nicht mitnehmen. Oha, sehe ich denn wie ein Narr aus, der sich auf einer gefährlichen Fährte mit einer Frau belastet?«

»Sie sehen fast wie eine Rothaut aus«, erwiderte sie, »wie ein Kiowa oder Cheyenne. Gewiss war Ihre Großmutter oder Ihr Großvater eine Rothaut.«

Nach diesen Worten ging sie. Nein, sie bettelte nicht, versuchte mich nicht zu überreden. Und sie machte mir auch kein verführerisches Angebot als Frau. Sie ging einfach wieder.

Der alte Neger kam zurück und sagte: »Wenn Sie sich abgetrocknet haben, Mister, werde ich mich um Ihre Füße kümmern.«

»Wer ist die Schöne?«, fragte ich knurrig. »Und wie ist dein Name, Großvater? Ich möchte wirklich deinen Namen wissen.«

»George Washington«, erwiderte er und fügte erklärend hinzu: »Der Sklavenhalter, dem ich von meiner Geburt an gehörte, weil meine Mutter ihm auch schon gehörte, ließ mich so taufen, weil er sich einen Spaß machen wollte. Und so kam ich zu diesem berühmten Namen. Was kann ich dafür?«

»Nichts«, sagte ich. »Wer ist die Schöne also?«

»Eine Spielerin«, erwiderte George. »Sie und ihr Mann gewannen fast immer in der Spielhalle. Jeder von ihnen hatte dort einen Tisch gemietet. Und zu den Verlierern gehörten auch unser Sheriff, der Bürgermeister und der Richter. Jeder von ihnen spielte abwechselnd mit ihr oder ihrem Mann. Aber dann war ihr Mann plötzlich verschwunden.«

Ich stieg aus der Wanne. Es reichte mir ein großes Handtuch.

Und später dann behandelte er meine Füße. Ich sagte einmal: »Das machst du gut, George, fast wie ein richtiger Doc.«