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Wyatt Logan war ein rastloser Mann, und die Spuren seiner Campfeuer waren im weiten Land verteilt wie die Sterne am Himmel. Er liebte schnelle Ritte und gefährliche Abenteuer, in denen er sich als Kämpfer erweisen konnte. Er war ein Mann ohne Freunde, ein Einzelgänger, der fest auf seine Stärke vertraute und es gewohnt war, sich in einer Welt voller Feinde durch Kühnheit behaupten zu müssen. Lange Jahre hatte sein Leben keinen rechten Sinn.
Aber eines Tages änderte sich alles ...
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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Einsamer Wolf
Vorschau
Impressum
Einsamer Wolf
Wyatt Logan war ein rastloser Mann, und die Spuren seiner Campfeuer waren im weiten Land verteilt wie die Sterne am Himmel. Er liebte schnelle Ritte und gefährliche Abenteuer, in denen er sich als Kämpfer erweisen konnte. Er war ein Mann ohne Freunde, ein Einzelgänger, der fest auf seine Stärke vertraute und es gewohnt war, sich in einer Welt voller Feinde durch Kühnheit behaupten zu müssen. Lange Jahre hatte sein Leben keinen rechten Sinn.
Aber eines Tages änderte sich alles ...
Wyatt Logan trifft sehr sorgfältige Vorbereitungen. Er ist an diesem Tag die dritte Nacht in Dodge City, und er hat die beiden vergangenen Nächte nur dazu verwandt, um die Stadt zu studieren. Schon in der ersten Nacht hat er herausfinden können, dass im Crystal Palace überall an den Spiel- und Würfeltischen betrogen wird. In der zweiten Nacht hat er die Würfeltische besonders aufmerksam beobachtet.
Und nun trifft er seine Vorbereitungen.
Aus seinem Bündel holt er eine Menge beinerner Würfel. Es sind gute, ordentliche Würfel, wie sie in jeder fairen Spielhalle benutzt werden. Er schüttelt sie aus der Hand auf den Tisch und blickt nachdenklich auf sie nieder. Dann nimmt er sie paarweise und verbirgt sie in seiner Kleidung. Seine Bewegungen sind schnell und unauffällig, sicher und beherrscht.
Er ist ein großer, sehniger Mann, und obwohl seine Haare so rot wie eine Flamme sind, ist seine Haut fast so dunkel wie die eines Indianers. Als er seine geraden Lippen fest zusammenpresst, entsteht ein blitzendes Lächeln. Es ist ein scharfes, kühnes Grinsen, in dem bei aller Härte und wilder Freude eine Menge Humor enthalten ist.
Als er mehr als ein Dutzend Würfelpaare an verschiedenen Stellen in seiner Kleidung verborgen hat, behält er das letzte Paar spielerisch in der Hand.
Er wirft es in die Luft und murmelt lässig: »Sieben!«
Dann wirft er, und es wird eine Fünf und eine Zwei. Er nimmt die Würfel wieder auf und murmelt: »Zwei!«
Und als er wirft, sind es zwei Einser.
Er grinst wieder blitzend und denkt einen Moment an den Zauberkünstler, dem er vor Jahren einmal aus der Klemme half und der ihn zum Dank in das Geheimnis des »Griechischen Wurfes« einweihte, den man mit ganz normalen Würfeln ausführen kann – wenn man einige Fingerfertigkeit besitzt und überdies auch noch die nötige Energie dazu aufbringt, sich immer wieder stundenlang darin zu üben.
Wyatt Logan steckt schließlich auch diese beiden Würfel weg, geht zu seinem Bündel und schnürt es zusammen. Dann tritt er vor den halb blinden Spiegel des Hotelzimmers und betrachtet sich nachdenklich.
Ganz plötzlich zuckt seine Rechte leicht, und wie durch Zauberei erscheint ein Peacemaker-Colt darin. Er wirft ihn in die Luft, fängt ihn am Lauf und streckt ihn seinem Spiegelbild entgegen, als wollte er diesem den Colt mit dem Kolben voran reichen.
Aber dann schlägt die Waffe plötzlich einen Salto um seinen Zeigefinger – und der abgegriffene Kolben liegt fest und sicher in der Hand.
Wyatt Logan senkt den Kopf und starrt mit einem bitteren Ausdruck auf die alte Waffe in seiner Hand. Dann seufzt er unwillig, lässt die Waffe mit einer schnellen Bewegung wieder im Holster verschwinden und macht nun mit der Linken eine kaum zu erkennende Bewegung.
Jetzt hält er einen 36er Colt in der Hand, den er aus dem Schulterholster zauberte.
Nachdem er dies alles ausprobiert hat, setzt er den schwarzen Stetson auf, drückt sich im Spiegel den Texaskniff zurecht und nimmt ruhig sein Bündel auf.
Mit langen, pantherartigen und unhörbaren Schritten gleitet er zur Tür. Er trägt sehr weiche Maßstiefel, aber keine Sporen daran. Seine Kleidung ist so dunkel wie die Nacht. Auch seine kurze Lederjacke ist schwarz gefärbt.
Das einzige Helle an ihm sind seine Augen, sein blitzendes Grinsen und die gelben Messingpatronen in den Schlaufen seines Gürtels. Die roten Haare sind unter dem Hut fast verborgen.
Er geht hinaus in den Gang, bringt fast lautlos die Treppe hinter sich und tritt zu dem Neger ans Pult.
»Ich reise ab«, sagt er sanft. Er greift dem Neger leicht an die Nase und lässt einige Goldstücke auf das Gästebuch regnen. Er hat hier gut gegessen, jeden Tag gebadet und sich von dem Schwarzen wie ein Fürst bedienen lassen.
Dann tritt er auf die Straße hinaus und bleibt lange genug neben der Hoteltür in einer dunklen Nische stehen, bis sich seine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt haben. Er erreicht den Mietstall, sucht sich einen Sattel und tritt zu einem mächtigen Rappwallach in die Box.
»Zum Teufel«, knurrt der Stallmann, »ich bin mächtig froh, dass dieser schwarze Hundesohn endlich aus dem Stall kommt. Ich bin zweimal mit knapper Not seinen Hinterhufen entgangen. Und er hat zwei Stangen zerbrochen. Lieber versorge ich einen richtigen gestreiften Tiger als diesen schwarzen Kugelblitz!«
Wyatt Logan gibt dem Stallmann einige Dollars. Als er mit dem Sattel in die Box tritt, wendet der mächtige Rappe seinen narbigen Kopf und schnauft ein freundliches Willkommen.
»Gibt es außer Ihnen auf dieser Welt noch einen Menschen, der sich diesem Teufel sorglos nähern darf?«, fragt der Stallmann bissig.
»Nein«, sagt Wyatt Logan sanft und zieht den Bauchgurt an. »Blacky ist in seiner Jugend zu schlimm behandelt worden, als dass er Menschen noch lieben oder gar dulden könnte. Er wollte sich nicht einbrechen lassen – und deshalb lebte er mehr als ein Jahr in der Hölle. Die Menschen wollen sich alles dienstbar und untertan machen. Wer sich nicht brechen lässt, der wird übel zurechtgestutzt. So ist es doch, nicht wahr?«
Der Stallmann knurrt eine undeutliche Antwort. Wyatt Logan tritt aus dem Corral. Er hat den Sattel aufgeschnallt und sein Bündel dahinter befestigt.
Das Tier folgt ihm wie ein braver Hund.
Vor dem Tor sitzt er auf und reitet davon.
Der Stallmann sieht ihm nach, kratzt sich am Hinterkopf und murmelt dann bedächtig: »Sicher, der höllische Gaul passt zu dem Mister wie die Brille zu einem Professor. Was mag der in Dodge City nur gewollt haben?«
Indes reitet Wyatt Logan in eine Gasse und erreicht bald die Rückseite des Crystal Palace. Zwischen zwei alten Schuppen sitzt er ab, lässt die Zügelenden auf die Erde fallen und murmelt sanft: »Bleib nur ruhig stehen, Blacky.«
Dann geht er zurück, erreicht durch eine andere Gasse die Hauptstraße und tritt wenig später durch die Schwingtür in die Amüsier- und Spielhölle ein, die sich auf einem bunten und prächtigen Schild »Crystal Palace« nennt.
Die mächtige Bar misst mehr als dreißig Yards, und die durstigen Männer stehen drei Glieder tief davor und lassen sich von einem halben Dutzend Barkeepern bedienen.
✰
Der Bankhalter am Würfeltisch hat kalte und wachsame Augen. Ein mächtiger Muskelmann steht halb links hinter ihm, und rechts von ihm hat sich ein hagerer Mann postiert, an dem alles sehr unauffällig wirkt. Nur die Augen dieses mageren und sandfarbenen Mannes sind nicht unauffällig, sie sind so hell und klar wie Gletschereis.
Wyatt Logan hat sich die drei Männer sofort als sehr wichtig gemerkt. Als er die Würfel bekommt, braucht er sich noch keine Sorgen zu machen.
»Zwanzig Dollar auf die Sieben«, er grinst blitzend und wirft einen schnellen Blick in die Runde.
»Die Bank hält Ihren Einsatz«, sagt der Bankhalter, und dann machen die anderen Gäste ihre Einsätze.
Wyatt Logan schleudert die Würfel mit einer lässigen Bewegung über das grüne Tuch.
»Sie haben gewonnen«, sagt der Bankhalter und schiebt Wyatt Logan die Chips zu.
Da dieser weiß, dass man ihn nochmals wird gewinnen lassen, lässt er alles stehen. Die Bank sagt eine Fünf an und wirft nur eine Vier.
Logan weiß, dass dies bald anders werden wird, wenn er nichts dagegen unternimmt. Er lässt seine sämtlichen Chips stehen und kauft noch hinzu.
»Hundertzwanzig Dollar auf die Zwei also.« Er lächelt blitzend.
»Die Bank hält jeden Einsatz«, sagt der Bankhalter, und weil Wyatt Logan nun schon zwei Spiele gewonnen hat, setzen nicht sehr viele Leute gegen die Bank.
Wieder wirft er lässig – und es ist eine Zwei.
Der Bankhalter sieht ihn für einen kurzen Moment kühl an, aber Wyatt Logan verzieht keine Miene. Er nimmt für zweihundert Dollar Chips aus dem Spiel und verliert achtzig Dollar an die Bank.
Nun ist er wieder an der Reihe. Schon als er die Würfel bekommt, weiß er, dass sie umgetauscht wurden. Er hat es nicht gesehen, doch sein Verstand und die Erfahrung sagen ihm das. Diese Würfel werden genau die Zahl bringen, die von der Bank genannt wird. Deshalb vollbringt Wyatt Logan nun zum ersten Mal das tausend Mal geübte Zauberkunststück – und tauscht die schlechten Würfel der Bank gegen seine eigenen guten um.
»Acht«, sagt er freundlich. »Zweihundert Dollar auf die Acht!«
»Die Bank hält«, erwidert der Bankhalter gleichmütig, denn nun stehen die Chancen eins zu elf gegen Wyatt Logan, denn er kann nur dann gewinnen, wenn er zufällig die Zahl nennt, auf die die beiden Würfel präpariert sind.
Aber er hat die Würfel ja vertauscht. Und weil er damit zaubern kann, wirft er die angesagte Acht. Er sammelt die Chips ein und lächelt den Bankhalter an.
Dessen Gesichtsausdruck ist leicht verstört, aber als er die Würfel aufnimmt, zuckt es in seinen Augen.
Er hat es gemerkt, denkt Wyatt Logan, dass ich seine schlechten Würfel umgetauscht habe.
Dann setzt er zwanzig Dollar gegen die Bank und verliert sie.
Nun ist er wieder an der Reihe.
»Dreihundertachtzig Dollar«, sagt er sanft – und seine Stimme ist überall zu hören, weil es nun sehr still geworden ist.
»Die Bank hält jeden Einsatz«, knurrt der Bankhalter und wirft dem hageren Mann rechts von ihm einen schnellen Blick zu.
»Die Drei muss kommen, wenn ich gewinnen will«, erklärt Wyatt Logan. Er schiebt seinen Einsatz auf das Feld. Nun setzen eine ganze Menge Männer gegen die Bank. Sie halten Wyatt Logan für einen Glückspilz.
Wieder vertauscht er die Würfel in seiner Hand.
Als er die drei geworfen hat, gehören ihm siebenhundertsechzig Dollar.
Nun wird ein Gemurmel laut.
Wyatt Logan fragt sich, wie lange man ihn dieses Spiel noch ohne Verdruss fortsetzen lässt. Die ganze Sache ist höchst einfach. Er setzt nur geringe Summen, wenn die Bank würfelt, und er geht aufs Ganze, wenn er selbst an der Reihe ist. Da er stets die ihm überlassenen Würfel vertauscht, hängt es immer nur von seinem Geschick ab, mit seinen einwandfreien Würfeln die richtige Zahl zu werfen. Es ist nichts anderes als ein Zauberkunststück.
Aber es ist gefährlich.
Wenn man ihn festnagelt und seine Kleidung durchsucht, wird man auch präparierte Würfel bei ihm finden, nämlich die, die er erhielt und gegen seine eigenen umtauschte.
Aber er wagt noch zwei Spiele. Er verliert fünfzig Dollar und gewinnt einmal siebenhundertzehn und einmal vierzehnhundertzwanzig Dollar in Chips.
Nun genügt es ihm in Dodge City. Er nimmt den Hut ab und streicht die gewonnenen Chips hinein. Es sind Chips im Wert von zweitausendachthundertvierzig Dollar.
Dafür muss ein guter Cowboy bei freier Verpflegung und Unterkunft sechs Jahre hart arbeiten.
Man schreibt an diesem Tag den 16. Juni 1871, und für zwanzig Dollar bekommt man ein gutes Pferd, und für einen guten Stier zahlt man gut die Hälfte.
Für dreitausend Dollar kann man schon eine kleine Ranch bekommen, und für fünfzig Dollar kann man sich einen Mörder anwerben.
Als Wyatt sich aus dem dichten Kreis drängt, ist er mit seinem Erfolg zufrieden. Er hält den Hut mit den Chips gegen die Brust gepresst, und mit der Rechten lässt er seine überzähligen Würfel in einigen fremden Taschen verschwinden.
Er geht zum Schalter und schüttet dort die Chips aus.
»Ich möchte zweihundert Dollar in Gold und die anderen in Scheinen«, sagt er sanft zu dem Mann. Dabei beobachtet er aus dem Augenwinkel die Annäherung des mächtigen Muskelmannes. Der sandfarbene Revolvermann kommt von links.
»Sie haben schnell und viel gewonnen, Mister«, sagt er zu Wyatt Logan.
Und der Muskelmann knurrt kehlig: »Yeah, viel zu schnell und zu hoch. Und das ist gefährlich, wenn man falsche Würfel in der Tasche hat. Reddy, wir wollen dir eine Chance geben. Verschwinde von hier, und verzichte auf die Auszahlung deiner Chips. Dann kommst du immer noch gut davon, nicht wahr?«
Er steht nun dicht neben Wyatt Logan.
Der macht es kurz und schmerzlos.
Er rammt seinen Ellbogen in die Magengrube des Rauswerfers, wendet sich blitzschnell um und reißt sein Knie hoch. Mit der Linken schleudert er seinen Hut in das Gesicht des sandfarbenen Revolvermannes und erreicht dadurch, dass dieser den gezogenen Colt noch nicht abdrückt, sondern knurrend zurückspringt.
Wyatt Logan taucht unter, schnellt sich an den Mann heran und erwischt dessen Handgelenk. Er reißt den Mann herum und wuchtet das Handgelenk wie ein Stück Holz gegen die Kante des Schalterbrettes.
Das Handgelenk bricht zwar nicht, aber der Mann lässt stöhnend die Waffe fallen.
Wyatt Logan lässt ihn los, gleitet zur Seite und hat wie durch Zauberei die kleine Waffe aus seinem Schulterholster in der Hand.
»Ihr müsst noch viel lernen. Ich hätte es besser gemacht.« Er grinst scharf, und in seinen rauchgrauen Augen ist ein belustigtes Funkeln.
Der Muskelmann hat inzwischen seine Not überwunden, aber er erstarrt in seiner Bewegung, als er den kleinen Colt in Wyatt Logans Hand entdeckt.
»Zahlen Sie aus«, sagt Wyatt sanft und höflich zu dem alten, listigen Burschen. »Zahlen Sie aus, bevor ich Lärm schlage und der gute Ruf dieses Hauses leidet.«
Nur wenige Gäste haben den Vorfall beobachtet, da sich der Schalter in der Ecke neben der Tür befindet.
Der Revolvermann quetscht das schmerzende Handgelenk unter die Achselhöhle des anderen Armes. Der Muskelmann zögert und sieht sich um.
Und es kommen auch einige Burschen heran, die hier angestellt sind und deren Aufgabe es ist, sich um solche Vorfälle zu kümmern.
Aber dann kommt noch ein freundlicher Mann und winkt kurz ab. Ja, dieser Mann wirkt wirklich freundlich, obwohl in seinen Augen eine kalte Wut glitzert. Er nähert sich lächelnd und nickt Wyatt Logan zu.
»Wir wollen hier natürlich keinen Krach machen«, sagt er. »Wir können dich draußen auch viel besser zurechtstutzen. Zahl ihm nur das Geld aus, Charly. Er kommt ja nicht weit damit. He, Mister, du bist sehr geschickt. Aber von Zeit zu Zeit versucht es immer wieder ein ›Künstler‹ auf deine Art. Sei lieber vernünftig, Freund. Lass dir hundert Dollar auszahlen und verschwinde. Wenn du einen guten Job suchst, kannst du hier bei uns arbeiten. Dann zahlen wir dir jede Woche hundert Dollar und freie Station. Aber mach uns keinen Ärger, und versuche nur nicht durchzukommen.«
»Sie sind ein freundlicher Mensch und väterlicher Ratgeber.« Wyatt Logan lächelt auf die gleiche freundliche Art zurück. »Aber ich möchte es wirklich auf meine Art versuchen. Eure Burschen werden noch herausfinden, dass ich auf zehn Schritte einen Brummer an der Wand treffen kann. Ich habe auch gestern gehört, dass der Marshal für eine Woche diesen Laden schließt, wenn nochmals ein Mann unter diesem Dach getötet wird. Ich kann euch diesen Toten schnell verschaffen.«
»Schon gut, schon gut, Bester«, sagt der freundliche Manager des Hauses. »Wir wollen wirklich keinen Ärger. Zahl ihn aus, Charly.«
Er wendet sich schon halb ab, aber sein Gesicht ist Wyatt Logan immer noch zugewandt, und es ist nun nicht mehr sehr freundlich, sondern kalt und hart.
»Du wirst es nicht schaffen, Freund«, murmelt er. »Wir lassen uns hier nicht mit solchen Tricks reinlegen und dich auch noch mit der Beute entkommen.«
»Was ist dabei, wenn ich eure falschen Würfel gegen gute umtausche, die vor jeder Prüfungskommission bestehen?«, fragt Wyatt zurück.
Aber er erhält keine Antwort.
Der Muskelmann geht langsam davon. Der Revolvermann bückt sich leise fluchend nach dem Colt, und der Mann hinter dem Schalter zahlt das Geld aus.
Als Wyatt Logan den eroberten Schatz in seiner Kleidung unterbringt, sieht der Mann hinter dem Schalter ruhig zu und faltet die Hände.
»Du entkommst uns nicht, mein Junge. Geh nur hinaus. Draußen warten ein paar prächtige Burschen auf dich, du kannst uns keine Lektion erteilen, junger Freund.«
Wyatt Logan hat nun das Geld untergebracht und hält seinen 36er unauffällig in der Hand.
Vor ihm führt ein Durchgang zum vorderen Saloon, und links von ihm ist eine Tür, auf der »Privat« steht.
Wyatt Logan erreicht mit drei Sprüngen diese Tür und reißt am Drücker. Die Tür ist verschlossen. Er schießt zwei Kugeln ins Schloss und rammt seine Schulter gegen die Tür.
Sie bricht auf, und er gleitet in ein Luxusbüro.
Hinter ihm bricht der Lärm los.
Im zweiten Zimmer schreit ein Mädchen gellend auf, als Wyatt Logan hereingestürmt kommt und dem dicken Mann, auf dessen Knien das Mädchen sitzt, im Vorbeilaufen mit dem Coltlauf eine Kopfnuss gibt.
Wyatt nimmt mit der Linken einen Stuhl und zerschmettert damit das verhängte Fenster.
Bevor er sich hinausschwingt, zerschießt er die Lampe.
Es war gut, dass er daran gedacht hat, denn draußen auf dem Hof warten zwei Burschen, die ihren Standort durch ihre Mündungsfeuer verraten.
Obwohl Wyatt Logan der Länge nach auf dem schmutzigen Boden landet, reißt eine Kugel ihm ein Stück aus dem Hosenboden und streift seine Haut wie ein heißer Peitschenhieb.
Aber inzwischen hat er seinen großen Peacemaker-Colt heraus und richtet sich nach den Mündungsfeuern.
Er hört einen brüllenden Schmerzensruf und dann heisere Flüche. Eine zweite Stimme ruft: »Hier im Hof! Hier im Hof!«
Der Mann hat sich bereits hinter die Hausecke in Deckung gebracht. Wyatt Logan schnellt auf und beginnt zu laufen. Eine Kugel fährt ihm zwischen die Füße. Er wirbelt herum, schießt auf das nochmals aufblitzende Mündungsfeuer und hört einen scharfen Schrei.
Dann hetzt er weiter.
Sein Rappwallach schnaubt ihm vorwurfsvoll entgegen. Als Wyatt sich in den Sattel schwingt, flucht er sofort bitter, denn die Kugel, die seinen Hosenboden streifte, hat doch etwas mehr als nur die Haut mitgenommen.
Er reitet schnell in die Nacht hinein, indes hinter ihm die Hölle losbricht. Einige Schuppen, Ställe und Magazine bleiben hinter ihm zurück.
Er durchquert die Lichtbahnen einiger vereinzelt stehender Häuser und Hütten, gelangt auf einen Weg und verlässt diesen, als er zwei Meilen geritten ist.
Nun schlägt er die Richtung nach Norden ein und bleibt die ganze Nacht im Sattel seines schnellen Pferdes. Er legt viele Meilen zurück und flucht manchmal fast lachend über das Missvergnügen, das ihm die leichte Streifwunde bereitet.
»Ganz umsonst kann man nichts auf dieser Welt haben«, sagt er sich. »Und es war doch ein prächtiger Spaß, diesen Falschspielern im Crystal Palace fast dreitausend Dollar abzunehmen.«
Am anderen Morgen rastet er auf der Wasserscheide eines Passes. Er hat sich reichlich mit Proviant versehen und macht es sich bequem. Als er nach einigen Stunden immer noch keine verdächtigen Staubfahnen entdecken kann, ist er sicher, dass ihm niemand auf der Fährte sitzt. Er reitet noch einige Meilen, die sein riesiger Rappe mühelos hinter sich bringt, und sucht sich dann ein gutes Versteck. Hier schläft er lange, isst zwischendurch und reitet am anderen Morgen weiter.
Heute nimmt er sich Zeit.
Manchmal singt er, und seine scharfen Augen betrachten das weite Land ringsum.
Er spürt die Kraft der Sonne, den Wind, wittert den Duft des Sagebrush, den Geruch der warmen Erde, und er sieht die Tiere und fühlt sich so frei und ungebunden wie immer.
✰
Zwei Tage später schaut er vom Rand einer tiefen Senke auf das rote Auge eines Campfeuers nieder, das dort unten an der einzigen Wasserstelle weit und breit brennt.
Er sieht die Gestalten einiger Männer und entdeckt ihre Pferde zwischen Bäumen in einem Seilcorral.
Eine Weile überlegt er. Aber er braucht Wasser für sich und seinen Blacky, und er hört dort unten eine Stimme in die stille Nacht rufen: »Ich habe es fertig! Kommt her und holt es euch, bevor ich es wegwerfe!«