G. F. Unger 2178 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2178 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Jake McKenzie anhält und dabei die Hand gen Himmel hebt, kommt hinter ihm auch die Doppelreihe der Kavalleristen zum Halten.
Captain John Lonwater reitet nach vorn und verhält neben seinem Scout das Pferd.
»Was ist, McKenzie?«, fragt er mit einem ungeduldigen Tonfall in der stets etwas arrogant klingenden Stimme. »Warum, zum Teufel, halten wir?«
Jake McKenzie holt einen Tabaksbeutel heraus und dreht sich eine Zigarette. Dabei starrt er fortwährend auf das große Maul des Canyons, in dem die Fährte verschwindet. Er lässt sich Zeit mit seiner Antwort, raucht erst die Zigarette an und stößt den Rauch in Richtung Canyonmaul aus.
Dann sagt er ruhig: »Captain, wenn wir dort hineinreiten, sitzen wir in der Falle. Sie warten auf uns. Der Canyon ist hier auf der ersten halben Meile sehr eng und hat steile Wände. Wir bekämen von beiden Seiten Feuer. Keiner von uns würde durchkommen. Ja, die Fährte ihrer Pferde wird weiter in den Canyon hineinführen, doch sie sitzen nicht mehr auf den Mustangs, sondern in den steilen Hängen und warten darauf, dass wir wie Dummköpfe in ihre Falle reiten. Wir haben nicht die geringste Chance, Captain.«


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Pine-Creek-Massaker

Vorschau

Impressum

Pine-Creek-Massaker

Als Jake McKenzie anhält und dabei die Hand gen Himmel hebt, kommt hinter ihm auch die Doppelreihe der Kavalleristen zum Halten.

Captain John Lonwater reitet nach vorn und verhält neben seinem Scout das Pferd.

»Was ist, McKenzie?«, fragt er mit einem ungeduldigen Tonfall in der stets etwas arrogant klingenden Stimme. »Warum, zum Teufel, halten wir?«

Jake McKenzie holt einen Tabaksbeutel heraus und dreht sich eine Zigarette. Dabei starrt er fortwährend auf das große Maul des Canyons, in dem die Fährte verschwindet. Er lässt sich Zeit mit seiner Antwort, raucht erst die Zigarette an und stößt den Rauch in Richtung Canyonmaul aus.

Dann sagt er ruhig: »Captain, wenn wir dort hineinreiten, sitzen wir in der Falle. Sie warten auf uns. Der Canyon ist hier auf der ersten halben Meile sehr eng und hat steile Wände. Wir bekämen von beiden Seiten Feuer. Keiner von uns würde durchkommen. Ja, die Fährte ihrer Pferde wird weiter in den Canyon hineinführen, doch sie sitzen nicht mehr auf den Mustangs, sondern in den steilen Hängen und warten darauf, dass wir wie Dummköpfe in ihre Falle reiten. Wir haben nicht die geringste Chance, Captain.«

John Lonwater starrt ihn von der Seite her böse an. Und seine Ungeduld überträgt sich auf das Pferd unter ihm. Das Tier tänzelt nervös, schnaubt und will vorwärts, so als spürte es genau den Drang seines Reiters.

Captain Lonwater trägt eine Feder am Hut, und er fühlt sich ganz und gar als Jäger auf der Jagd nach wehrhaftem Edelwild. In seinen Augen glänzt das Jagdfieber. Während des Bürgerkrieges ist er zum Lieutenant Colonel befördert worden, dann aber wie alle Offiziere in der reorganisierten Armee um zwei Ränge zurückgestuft worden. Seine Versetzung ins Indianerland betrachtet er als eine Bewährungsprobe, sozusagen als letztes Hindernis vor der Beförderung zum Major.

John Lonwater starrt also seinen Scout böse an und spricht dann grollend: »He, Mann, haben Sie Angst?«

»Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich keine hätte«, erwidert McKenzie trocken und pafft an seiner Zigarette, so als wollte er sich in Rauch hüllen. »Ich mache mir zwar nicht in die Hosen, doch ich habe zu viel Verstand, um dort hineinzureiten. Und Sie sollten das auch nicht tun mit Ihren Soldaten. Kehren wir um.«

»Sind Sie wahnsinnig geworden, McKenzie? Umkehren? Da vor uns ist eine verdammte Bande von Cheyenne-Indianern mit einer wertvollen Beute.«

»Ich weiß«, nickt Jake McKenzie. »Und diese Beute macht auch mir Sorgen. Denn es sind ja fünfzig nagelneue Spencer-Karabiner und die dazugehörige Munition, die für die Truppe in Fort Phil Kearney bestimmt sind, um dort die Bewaffnung zu modernisieren. Ich weiß, die Indianer wären besser bewaffnet als die Soldaten mit ihren alten Springfield-Gewehren. Aber wenn wir dort hineinreiten, dann sind wir bald tot, Captain. Und was nützen wir als Tote noch? Wollen Sie an der Spitze Ihres Kommandos absolut skalpiert ins Jenseits?«

»Sie sind ein verdammter Feigling«, erwidert der Captain heiser, und nun wirkt er wie ein angriffslustiger Terrier, der an der Leine zerrt. »Vielleicht sind Sie auch gar kein richtiger Weißer, sondern zumindest zur Hälfte Indianer. Los, vorwärts, Scout! Wir reiten hinein und geben es ihnen, sobald sie sich stellen!«

Seine Stimme bellt nun heiser. Und er will sich umwenden, um seiner Truppe das Kommando zum Anreiten zu geben.

Da hört er den Scout sagen: »He, Captain, wenn ich ein Halbblut wäre, dann würde ich das nicht als Makel betrachten. Aber wenn Sie mich beleidigen wollen, dann schlage ich Sie beim nächsten Versuch aus dem Sattel.«

»Ich lasse Sie in Eisen legen, Scout«, faucht Lonwater fast tonlos. »Doch was soll ich mich auch noch mit Ihnen belasten. Ich brauche meine Soldaten zum Kämpfen. Zur Hölle mit Ihnen! Hauen Sie ab! Jawohl, ich jage Sie zum Teufel und werde das ins Patrouillenbuch eintragen. Sie sind erledigt, davongejagt wegen Feigheit vor dem Feind, Sie verdammter Zivilist!«

Nach diesen gefauchten Worten sticht seine Hand in die Luft.

Und seine Stimme ruft über die Schulter zurück: »Reitet an! Johooo!«

Das Johooo seiner Reiter tönt nun vielstimmig als Echo zurück.

Und dann reiten sie an, weil sie ja als Soldaten unter seinem Befehl stehen.

Sie müssen ihm folgen.

Sie haben keine andere Wahl. Sie sind ja keine Zivilisten wie der Scout. Und deshalb sind sie ihrem Offizier ausgeliefert.

Jake McKenzie zieht sein Pferd zur Seite und lässt sie an sich vorbei.

Es sind sechsunddreißig Reiter. Die drei Sergeants kennt er gut, denn er hat oft mit ihnen Karten gespielt und auch getrunken. Auch die meisten Soldaten kennt er. Fast mit jedem hat er schon Worte gewechselt.

Nun reiten sie an ihm vorbei.

Manche betrachten ihn hilflos, andere wieder verächtlich. Die meisten von ihnen – zumindest die vorderen Doppelreihen – haben begriffen oder gar gehört, was zwischen ihm und dem Captain vorgefallen ist. Nun erkennen sie, dass er nicht mit ihnen reitet.

Für manche ist er ein Feigling und Verräter, für andere aber der Mann, mit dem sie gerne tauschen würden – wenn sie nur könnten.

Sergeant Mallone, der als Letzter reitet, um die Truppe von hinten unter Kontrolle zu halten und dafür zu sorgen, dass die Abstände nicht zu groß werden, wirft McKenzie seine Uhr zu, die dieser geschickt aus der Luft auffängt.

»Du kannst sie behalten, wenn wir hier nicht mehr lebend rauskommen sollten.«

So ruft Mallone dabei und grinst hartlippig.

»Gemacht, Mallone«, erwidert McKenzie nur.

Dann sieht er ihnen nach. Es wirbelt nur wenig Staub. McKenzie muss jetzt mit sich kämpfen. Er erlebt einen Sturm widerstreitender Gefühle. Und seine Gedanken eilen tausend Meilen in der Sekunde.

Sein Stolz und seine Ehre wollen ihn trotz allem mitreiten lassen, ihn dazu zwingen, diese armen Teufel zu begleiten, die den Befehlen eines ehrgeizigen Offiziers ausgeliefert sind.

Und dann wieder sagt ihm sein Verstand, dass er ein Narr wäre, würde er es tun. Er hat diesen Captain gewarnt, ihm vorausgesagt, was geschehen wird, wenn er seine Reiter in den Canyon führt. Er hat seine Pflicht als Scout voll und ganz erfüllt. Also hat er sich nichts vorzuwerfen.

Er reitet langsam hinüber zu einigen Tannen und verharrt dort auf seinem grauen Wallach, der die Narben eines richtigen Kriegspferdes trägt.

Er dreht sich eine neue Zigarette und zündet sie an. Als er den ersten Rauch ausstößt, da hört er es: Schüsse.

Nun weiß er, dass sie alle niedergemacht werden und keiner entkommen wird. Denn er kann sich ausrechnen, wie weit die Indianer die Abteilung in den Canyon hineinreiten ließen und wie weit der Rückweg sein wird, wenn sie umkehren und aus der Falle zu entkommen versuchen sollten.

Sie müssen durch einen Feuerhagel reiten.

Er hört das Knattern der Gewehre und erkennt daran, dass die Indianer schon die erbeuteten Spencer-Karabiner im Einsatz haben, mit denen man sieben Mal schießen kann, bevor man nachladen muss.

Jake McKenzie sitzt ab, nimmt sein Gewehr und sucht sich einen guten Standort.

Vielleicht – wenn doch noch einige Soldaten aus dem Canyon kommen sollten – kann er ihnen mit sicheren Schüssen die Verfolger ein wenig vom Leib halten, sodass ihr Vorsprung größer wird.

Aber es kommt niemand mehr aus dem Canyon heraus.

Das Krachen der Schüsse verklingt allmählich. Es wird still. Für Jake McKenzie wird somit zur Gewissheit, dass sie alle tot sind.

Was nun?

Das fragt er sich immer wieder.

Soll er einfach seines Weges reiten? Oder soll er zurück nach Fort Phil Kearney, um dort die restlose Vernichtung von Captain Lonwaters Abteilung zu melden? Der Colonel wird ihn fragen, warum er davonkommen konnte, und dann wird er – der Scout Jake McKenzie – sich schämen und schuldig fühlen, weil er die Abteilung nicht begleitete, als es zum Sterben ging.

Aber, verdammt noch mal, wer konnte das von ihm verlangen!

Er hat den Captain gewarnt.

Jake McKenzie wartet noch lange, länger als eine Stunde.

Er weiß, dass die Indianer längst einige Meilen weit weg sind. Er kennt ja ihren Anführer. Es ist ein noch kleiner, doch sehr ehrgeiziger Häuptling. Zwei Lanzen. Die beiden großen Cheyenne-Häuptlinge sind ja Zwei Monde und Stumpfes Messer. Aber Zwei Lanzen will bald ebenso groß, anerkannt und berühmt sein.

Dazu hat er jetzt alle Chancen, denn er konnte nach dem Überfall auf die beiden Bagagewagen der Armee, die mit einer Eskorte unterwegs waren und die neuen Gewehre nach Fort Phil Kearney bringen sollten, seine Krieger mit diesen Karabinern ausrüsten. Und er hat damit auch genug Munition für einen langen Krieg.

Mit diesen Karabinern sind fünfzig Indianer einer drei- oder vierfachen Überzahl von Soldaten überlegen.

Jake McKenzie sitzt auf und reitet im Schritt in den Canyon hinein. Er weiß, was er sehen wird, was ihn erwartet. Aber er muss es wissen, es sich ansehen mit eigenen Augen.

Er muss fast eine Viertelmeile hineinreiten, dann trifft er auf die ersten toten Soldaten und Pferde. Die Soldaten sind nackt und skalpiert. Alles, was sie am Leibe trugen, auch die Sättel ihrer Pferde und überhaupt die ganze Ausrüstung, sind von den Indianern mitgenommen worden.

Langsam reitet McKenzie weiter – und überall sieht er sie liegen. Sie bekamen von zwei Seiten Feuer, mussten durch diesen Feuerhagel hindurch.

Einmal murmelt McKenzie voller Bitterkeit: »Lonwater, du verdammter Narr, warum hast du nicht auf mich gehört? Warum hast du all diese Jungs in die Falle geführt? Die Chance war doch viel zu gering! Wie konntest du darauf hoffen, dass ich mich irrte? Lonwater, du verdammter Arsch, was hast du getan!«

Die letzten Worte brüllt er hinaus, und das Echo hallt durch den Canyon und ist dennoch keine Antwort.

Dann erreicht er das Pferd des Captains. Es wurde zweimal getroffen, einmal in den Hals und einmal in den Kopf.

Doch der Captain ist nirgendwo zu finden.

Sie haben ihn mitgenommen, denkt McKenzie. Sie haben ihn als besondere Kriegsbeute – als Trophäe und sichtbares Zeichen ihres großen Sieges – mitgenommen in ihr Dorf. Und er wird Qualen zu erdulden haben.

Denn es ist Krieg zwischen Weißen und Roten.

Seit am Bozeman-Weg Fort Phil Kearney errichtet wurde, die Büffelherden abgeknallt werden und eine Eisenbahn quer durch das Indianerland gebaut wird, herrscht schonungsloser Krieg. Das friedliche Zusammenleben zwischen Roten und einigen Weißen, so wie es einst war, ist vorbei.

Jake McKenzie hält sein Pferd an.

Vor ihm wird der Canyon breiter.

Sie haben ihn, denkt McKenzie immer wieder, verdammt, sie schleppen ihn nun mit, um daheim im Dorf den Sieg noch großartiger leuchten zu lassen. Verdammt, was soll ich tun?

Als er sich das fragt, weiß er nur eine Antwort.

Er ist ja kein Feigling, sondern weigerte sich nur, ein Narr zu sein, der mutwillig und ohne jede Chance in den Tod reitet.

Jetzt aber sieht er eine Chance.

Und so reitet er der Kriegshorde nach. Wahrscheinlich wird der Captain verwundet sein, aber gewiss nicht tot. Sonst hätten sie ihn liegen lassen wie seine Soldaten.

Jetzt muss ich auch noch versuchen, diesen Idioten herauszuholen, denkt Jake McKenzie voll Bitterkeit. Und wenn ich das schaffen sollte, hat er denn verdient, als einziger Überlebender davonzukommen?

Er möchte einige Male umkehren.

Aber er kann es letztlich doch nicht tun.

Und so reitet er Meile um Meile durch den gewaltigen Canyon.

Es ist in der letzten Nachtstunde, als er aus dem Canyon reitet und in ein Tal nieder blickt. Einige Feuer leuchten in der sterbenden Nacht.

Jake McKenzie hält sein Pferd an und weiß, dass er Zwei Lanzens Dorf gefunden hat. Es ist nun auch klar, warum Zwei Lanzen mit seinen Kriegern die Soldaten noch im Canyon aufhalten und vernichten musste. Es war ja nicht mehr weit bis zu seinem Dorf, kaum mehr als dreißig Meilen.

Jake McKenzie kennt das Tal zu seinen Füßen. Es ist das Pine Creek Valley. Solche geschützten Täler bevorzugen die Indianer für ihre festen Dörfer. Es ist auch weit genug vom nächsten Fort der Armee entfernt, also von Fort Phil Kearney am Piney Creek, welcher nicht mit dem Pine Creek zu verwechseln ist.

Jake McKenzie starrt lange hinunter, und er weiß, dass sie dort Captain John Lonwater haben und gewiss bald Schlimmes mit ihm anstellen werden. Denn er ist den Roten als Indianerhasser bekannt.

Er reitet noch ein Stück ins Tal hinunter und dann nach rechts auf eine breite Terrasse des Hanges, die mit Fichten bewachsen ist.

Als McKenzie schließlich absitzt, da befindet er sich mit seinem Pferd in guter Deckung. Bis zum Dorf hinunter ist es fast eine halbe Meile, und das ist weit genug, um von den Hunden des Dorfes nicht gemeldet zu werden.

Überhaupt diese Hunde ...

Er weiß, dass er sich dem Dorf nicht nähern kann, ohne von den Hunden gewittert zu werden. Dorfhunde melden jeden Fremden und stürzen sich kläffend zu Dutzenden auf ihn. Was nicht zur Dorfwitterung gehört, ist fremd. So einfach ist das. Wenn McKenzie in das Dorf will, muss er sich etwas einfallen lassen.

Aber was?

Nun, er beschließt erst einmal, einige Stunden zu schlafen. Er braucht die Erholung ebenso dringend wie sein Pferd, denn schließlich sind sie beide seit gestern früh unterwegs.

Als er erwacht, steht die Sonne schon ziemlich hoch am Himmel. Doch in den dichten Föhrenwald fällt kaum ein Sonnenstrahl.

Hier herrscht Halbdunkel.

Er erhebt sich und beschäftigt sich mit seinem grauen Wallach, untersucht das Tier sorgfältig, betastet alle Muskeln und kontrolliert die Hufe.

Der Wallach schnaubt ihm ins Gesicht und versucht auch an ihm zu knabbern. Ja, sie verstehen sich gut.

Wenig später verlässt McKenzie allein den schützenden Wald. Diesmal hat er das Fernglas bei sich, und als er wieder freie Sicht auf das Dorf hat, benutzt er es und sieht sich alles an.

Ja, er sieht auch den Captain.

Sie haben ihm die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden und ihn wie einen Hund mithilfe einer langen Leine an einem Pfahl angebunden. Die Schlinge liegt wie ein Halsband um seinen Hals, und die Leine ist etwa sechs Yards lang. Er kann also im Kreis um den Pfahl laufen, doch dabei wickelt sich die Leine um diesen Pfahl. Dann muss er wieder in die umgekehrte Richtung laufen, um sie abzuwickeln.

Und laufen muss er fortwährend. Denn die Kinder und Jugendlichen des Dorfes prügeln ihn mit langen Zweigen von Dornenbüschen. Für sie ist er ein Feind, ein Mila Hanska, ein Wasicun, der schon viele Indianer von seinen Soldaten töten ließ.

Sie jagen ihn ständig um den Pfahl, lösen sich ab beim Schlagen und Peitschen. Er versucht den Schlägen zu entkommen und bietet einen erbarmungsvollen und würdelosen Anblick. Aber dies alles ist gewiss erst der Anfang, das Vorspiel.

McKenzie stöhnt, als er dies alles durch das Glas beobachten muss. Und er kann dem Captain nicht helfen – nicht jetzt und vielleicht überhaupt nicht. Er müsste sich bis auf etwa zweihundert Yards an das Dorf heranschleichen, um ihn dann von einem erhöhten Standplatz aus erschießen und damit von allen bevorstehenden Qualen erlösen zu können.

Doch dort unten im weiten Umkreis des Dorfes gibt es keine erhöhten Standplätze, von denen solch ein Schuss möglich wäre. Und von hier oben ist die Entfernung selbst für McKenzies Gewehr zu weit. Es ist ein Rollblockgewehr, zwar einschüssig nur, doch blitzschnell zu laden.

McKenzie muss sich in den Wald zurückziehen, denn er sieht einen Reiter aus dem Dorf heraufkommen, wahrscheinlich ein Krieger, der jagen will, weil in seinem Tipi das Fleisch ausgegangen ist.

Es ist ein schon älterer und deshalb gewiss erfahrener Krieger, der nur seinen Jagdbogen bei sich hat. Denn in der näheren Umgebung ihres Dorfes benutzen die Indianer selten Gewehre, deren Krachen das Wild verscheucht. Sie müssten dann weiter weg auf die Jagd gehen.

McKenzie zieht sich in den Wald zurück.

Dort, wo sein Pferd steht, klettert er auf eine der starken Fichten und verschwindet in ihrem Geäst.

Es kommt dann so, wie er es vorausgesehen hat. Der Krieger stieß inzwischen auf die frische Fährte, die in den Wald führt, und folgt ihr. Wenig später hört McKenzie das leichte Geräusch des herangleitenden Kriegers. Denn dieser ließ sein Pferd irgendwo zurück und folgte der Fährte zu Fuß.

Als der Krieger im Halbdunkel des Waldes den grauen Wallach entdeckt und jäh innehält, ist es zu spät für ihn.

McKenzie lässt sich auf ihn niederfallen. Er tötet den Krieger mit dem Green-River-Messer.

Dann hockt er neben dem Toten auf den Fersen und fragt sich nach dem Sinn seines Tuns. Aber da gibt es eigentlich nur eine Antwort: Es ist Krieg zwischen den Roten und Weißen. Er ist immer noch ein Zivil-Scout der Armee und will einen Offizier vor den Qualen einer vielleicht tagelangen Marterung bewahren.

Er hatte gar keine andere Wahl – es sei denn, er würde Lonwater in der Klemme lassen wollen.

Er starrt auf den toten Körper – und er kann ihn auch riechen. Denn jeder Indianer strömt einen scharfen Geruch aus.

Die Hunde sind daran gewöhnt. Wer so riecht, der gehört zum Dorf.

Und so weiß McKenzie in dieser Minute, wie er in das Dorf gelangen kann, ohne von den Hunden angegriffen und angebellt zu werden.

Er wird sich in einen Cheyennekrieger verwandeln und zu diesem Zweck die Kleidung des Toten anziehen.

Es ist gegen Ende der Nacht, bevor das erste Grau im Osten heraufgezogen kommt, als er sich dem Dorf nähert.

Selbst bei Tageslicht würde man ihn für einen Indianer halten, so sehr hat er sich äußerlich verändert. Es kostete ihn Überwindung, sich die Lederkleidung des getöteten Kriegers anzuziehen und sich auch die drei Federn ins Haar zu stecken. Ja, sein Haar ist schwarz und fast so lang wie das eines echten Indianers. Bisher trug er es stets unter dem Hut verborgen. Doch jetzt hat er es so zurechtgemacht, dass man es in der Nacht mit den Federn darin ganz und gar für die Haartracht eines stolzen Kriegers halten muss.

Das Dorf schläft. Auch die Feuer vor den Tipis sind erloschen. Etwas Nebel fällt zu Boden und hält sich zwischen den Zelten.

Auch die Hunde schlafen.

Dennoch muss er damit rechnen, dass sie ihn kommen hören, und zumindest einer wird sich ihm nähern und ihn beschnüffeln. Wird dann die streng und geradezu penetrant riechende Lederkleidung des Kriegers genügen, um den Hund zu täuschen, sodass er ihn nicht als eingedrungenen Fremden erkennt?

Er gleitet ruhig zwischen den Tipis hindurch.

Als er sich dem Pfahl dicht beim Creek nähert, da taucht wahrhaftig ein Hund von irgendwoher bei ihm auf. Als das Tier an ihm schnüffelt, spricht er im Cheyenne-Dialekt zu ihm nieder: »Hau ab und sei still. Oder du kannst was erleben.«

Er spricht kehlig wie ein Cheyenne, und da er den Jagdbogen des Kriegers trägt, gibt er dem Hund mit diesem Jagdbogen einen leichten Klaps auf den Nacken.

Der Hund winselt freundlich, weiß zu gut, dass er gehorchen muss, wenn er nicht sogleich fürchterlich verdroschen werden will.

Das Tier trottet wieder davon.

Vor ihm am Pfahl hockt Captain John Lonwater wie eine große Kröte am Boden. Wahrscheinlich kann er nicht liegen, weil sie ihm seinen Rücken mit den Dornenzweigen blutig geschlagen haben.

Ein Stück vor ihm hockt ein Krieger am Boden, eingehüllt in eine Decke. Es ist der Wächter, der den Gefangenen bewachen soll. Aber auch er ist eingenickt.

Erst als McKenzie neben ihn tritt, erwacht er aus dem Halbschlaf und blickt seitlich nach oben, fragt dabei heiser: »Was willst du?«