G. F. Unger 2180 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2180 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Im Norden tauchen Reiter auf. Nur vier Reiter, aber es sind Rindermänner, die stolz auf herrlichen Pferden sitzen.
Jim Calborne, der Siedlerjunge, kann sie erkennen, denn seine Augen sind scharf. Er weiß, dort kommt Abe Uvalde mit seinen beiden Söhnen Jack und Sego und mit seinem jungen und harten Vormann Clay Kelland.
Auch Jims Vater und die anderen Siedler entdecken die vier Reiter. Ihre jämmerliche Herde kommt augenblicklich zum Stillstand. Die Rinder sind so erschöpft und entkräftet, dass sie sofort anhalten, als die Treiber von ihnen ablassen.
Alle Siedler reiten nun zu Ben Calborne an die Spitze ihrer Herde. Auch Jim und sein jüngerer Bruder Daniel tun das, doch sie halten sich wie die anderen Jungen im Hintergrund und lassen ihren Vätern die ersten Plätze.
Eine bittere Minute vergeht. Niemand sagt etwas. Die Männer und die Jungen sitzen schweigend auf ihren schlechten Pferden, und in jedem ist jetzt eine Menge Sorge und Furcht ...


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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der große Bruder

Vorschau

Impressum

Der große Bruder

Im Norden tauchen Reiter auf. Nur vier Reiter, aber es sind Rindermänner, die stolz auf herrlichen Pferden sitzen.

Jim Calborne, der Siedlerjunge, kann sie erkennen, denn seine Augen sind scharf. Er weiß, dort kommt Abe Uvalde mit seinen beiden Söhnen Jack und Sego und mit seinem jungen und harten Vormann Clay Kelland.

Auch Jims Vater und die anderen Siedler entdecken die vier Reiter. Ihre jämmerliche Herde kommt augenblicklich zum Stillstand. Die Rinder sind so erschöpft und entkräftet, dass sie sofort anhalten, als die Treiber von ihnen ablassen.

Alle Siedler reiten nun zu Ben Calborne an die Spitze ihrer Herde. Auch Jim und sein jüngerer Bruder Daniel tun das, doch sie halten sich wie die anderen Jungen im Hintergrund und lassen ihren Vätern die ersten Plätze.

Eine bittere Minute vergeht. Niemand sagt etwas. Die Männer und die Jungen sitzen schweigend auf ihren schlechten Pferden, und in jedem ist jetzt eine Menge Sorge und Furcht ...

Sie sind schon äußerlich jämmerlich anzusehen. Sie sind schlecht gekleidet, und kaum einer besitzt eine Waffe. Die meisten von ihnen sitzen ohne Sattel auf den Rücken ihrer Pferde.

Erst nach einer Weile, als die vier Reiter schon nahe heran sind, sagt Frank Cliffton heiser: »Ich denke, Abe Uvalde wird mit sich reden lassen und Erbarmen haben. So hart kann er doch nicht sein! Kein Mensch mit einem Herzen in der Brust kann so hart sein.«

Gleich darauf zügeln die Reiter vor ihnen ihre Pferde, und sie hören Abe Uvalde sagen: »Was wollt ihr mit dieser erbärmlichen Herde auf meiner Weide?«

Jim Calborne drängt sein Pferd plötzlich vorwärts, bis er neben seinem Vater verhält.

Sein Vater erwidert auf die Worte des Ranchers: »Die lange Trockenheit, Mister Uvalde – unsere Rinder müssen heute noch Wasser haben. Oder sie sind morgen tot. Es wird Ihnen doch nichts ausmachen, Sir, wenn wir unsere Rinder zum Creek bringen und für eine Weile dort lassen. Unsere Ernte ist dieses Jahr besonders schlecht. Wenn wir auch noch die Rinder verlieren, sind wir am Ende. Und wir haben alle große Familien – Frauen und Kinder. Bitte, lassen Sie uns mit der Herde an den Creek, Sir.«

Abe Uvaldes scharfes und kühn geschnittenes Gesicht bleibt ausdruckslos. Er streicht über seinen schon etwas grau gefärbten Spitzbart. Nur die Flügel seiner Falkennase vibrieren.

Seine beiden Söhne aber grinsen ganz offen, und in ihren Blicken ist eine deutliche Verachtung für die erbärmlich wirkenden Siedler.

Clay Kelland, der junge Vormann, ist ein großer und dunkelgesichtiger Bursche, hart, schnell und genauso stolz wie die Uvaldes. Denn er ist der Mann, der vorerst noch nach Abe Uvalde über die große Mannschaft gebietet, Befehle erteilt und für deren Ausführung sorgt.

Aber Clay Kelland lächelt nicht wie Uvaldes Söhne. Er sitzt ruhig und still im Sattel und wartet. Er betrachtet die Siedler jedoch kalt und unpersönlich.

Abe Uvalde hat nun über Ben Calbornes Bitte nachgedacht.

Er schüttelt den Kopf und sagt: »Fort mit euch! Dies ist kein Siedlerland. Und es kann nicht schaden, dass ihr dies auf die raue Art herausfindet. Ihr alle seid nicht gut und hart genug für dieses Land. Dies hättet ihr vorher wissen oder erkennen müssen. Ihr werdet eure Rinder nicht zum Creek bringen. Das ist ein Befehl! Treibt die Herde von meinem Land!«

Jim Calborne blickt seinen Vater an, und er kann sehen, wie grau dieser im Gesicht geworden ist und sein abgearbeiteter Körper noch mehr erschlafft.

Hinter ihnen sagt einer der Männer, und Jim erkennt an der Stimme Pete Sanders: »Es hat keinen Sinn, Calborne. Wenn wir uns zur Wehr setzen, so greifen sie zu den Waffen. Sie haben Gewehre und Colts bei sich. Und selbst wenn wir sie schlagen könnten, so käme die ganze Mannschaft und zöge uns die Haut ab. Wir können nicht gegen sie an. Sie sind zu stark. Wir müssen aufgeben.«

Als Jim Calborne das hört, hält er es nicht mehr aus. Er überlegt nun nicht mehr lange, sondern folgt nur seinem Wunsch, auch einmal stolz zu sein und für eine Sache zu kämpfen – so wie es diese Rinderleute taten und tun.

Jim Calborne stößt einen lauten Schrei aus und treibt sein Pferd vorwärts.

»So könnt ihr uns nicht fortjagen!« Er ruft es wild und zornig.

Und dann ist er auch schon bei Sego Uvalde, entgeht dessen Peitschenhieb und stößt ihn aus dem Sattel.

Aber dann trifft ihn Jack Uvaldes Leder. Neben ihm springt Sego vom Boden auf, fasst ihn am Bein und reißt ihn vom Pferd.

Und dann wird Jim Calborne so schlimm verprügelt, dass er bald darauf nichts mehr spürt, sondern die Besinnung verliert.

Er erwacht erst viele Stunden später, und er liegt auf seinem Lager in der kümmerlichen Hütte, die der Familie Calborne als Heim dient. Seine Mutter und seine Schwester Reva kümmern sich um ihn.

Und als er einen klaren Kopf bekommen hat, fragt er stöhnend: »Haben die anderen gekämpft? Haben wir die Uvaldes geschlagen?«

Sein Bruder Daniel tritt nun hinzu und blickt auf ihn nieder.

»Nein, Jim«, sagt Daniel. »Keiner hat gekämpft. Sie alle haben zugesehen, wie sie dich verprügelten. Und sie mussten zusehen, weil Clay Kelland sonst seinen Revolver gezogen und geschossen hätte. Wir sind umgekehrt. Und unsere Rinder sind verloren.«

»Mein Vater hat zugesehen, wie sie mich verprügelten?«, fragt Jim Calborne gepresst.

Am vierten Tag steht Jim Calborne auf.

Am fünften Tag kommt der seit Monaten erwartete Regen, und dieser Regen rettet noch einige Rinder und einen geringen Teil der Ernte.

Es ist jedoch ganz klar, dass die Siedler bis zum nächsten Jahr – bis zur nächsten Ernte – große Not und Hunger leiden werden. Und sie werden noch mehr von der Bank in Elkhorn abhängig sein.

Am sechsten Tag verlässt Jim Calborne seine Familie. Er tut es nach reiflicher Überlegung – nach schlaflosen Nächten, die angefüllt waren mit Nachdenken und Grübeln. Er schleicht sich davon in einer dunklen Regennacht.

Und er hinterlässt einen Zettel, auf dem mit seiner etwas klobigen und schwerfälligen Schrift geschrieben steht:

»Ich gehe fort, denn ich will nicht wie mein Vater in Furcht, Angst und Not im Schatten einer großen und harten Ranch leben, die alles zerbricht. Ich gehe fort aus dem Schatten der Uvaldes. Aber ich komme zurück, wenn ich groß genug geworden bin, um meinen eigenen Schatten zu werfen. Jim.«

Diesen Zettel findet Mary Calborne am nächsten Morgen. Und sie ist eine Frau, die an der Seite des glücklosen Ben Calborne das Weinen längst verlernt hat.

Und sie weint auch diesmal nicht.

Sie sagt nur zu Daniel und Reva: »Euer großer Bruder ist fort. Er ist fort, um ein stolzer Mann zu werden. Und das hätte er hier nicht gekonnt.«

Einige Stunden später taucht Jim Calborne in Elkhorn auf.

Elkhorn kann man kaum eine Stadt nennen. Es gibt hier einen Frachtwagenhof, eine Posthalterei, einen Handelsstore, eine Schmiede, einige Geschäfte und Handwerker und einen Mann, der eine Bank eröffnet hat, aber nebenbei mit Grundstücken, Pferden und Saatgut handelt. Auch eine Sägemühle betreibt er seit einiger Zeit.

Bei diesem Mann, der Tage Talbot heißt, spricht Jim Calborne vor.

Und in Tage Talbots kleinem Büro findet dann folgendes Gespräch statt: »Mister Talbot, ich bin von daheim ausgerissen und gehe fort.«

Tage Talbot ist ein mittelgroßer und ruhiger Mann mit einem scharfen Verstand und einem wachen Instinkt für viele Dinge.

»Weiter, mein Junge, weiter«, brummt Tage Talbot und knetet nachdenklich seine Nase.

Jim blickt ihn an. »Sie waren immer freundlich zu mir, Mister. Sie sagten einmal, dass ich zu Ihnen kommen soll, wenn ich einen guten Freund nötig habe.«

»Das stimmt, Jim. Ich habe dich irgendwie in mein Herz geschlossen. Du hast zwei Winter über für mich gearbeitet. Ich kenne dich gut. Ich denke, dass in dir mehr steckt als in all den anderen Burschen. Du könntest für immer einen Job bei mir bekommen. Ich würde dir dreißig Dollar im Monat bei freier Kost und Unterkunft zahlen. Davon könntest du sogar deine Familie etwas unterstützen.«

Aber Jim schüttelt den Kopf.

»Ich will fort, um ein Mann zu werden – einer, der sich nicht fürchtet und stolz seinen Weg reitet. Ich will mich entwickeln können. Dann komme ich zurück und bringe Wasser auf das trockene Land.«

Als er dies sagt, zuckt Tage Talbot zusammen.

»Wie könntest du das, Junge?«

»Wenn ich ein Mann geworden bin, kann ich das«, sagt Jim fest. Er deutet nach Nordosten. »Ich habe dort hinter den Bergen gejagt. Der Little Elkhorn fließt da durch eine Schlucht. Es gibt eine Spalte, und die Felswand der Schlucht ist dort keine zehn Yards dick. Wenn man die Felsen sprengt, fließt ein Teil des Wassers durch die Spalte. Es muss dann den Weg durch einen engen Canyon nehmen und würde dort aus den Bergen kommen, wo das trockene Land ist. Ein richtiger See würde entstehen. Ich habe mir das alles immer wieder in all den vergangenen Monaten angesehen und genau ausgerechnet. Ja, ich werde als Mann zurückkommen und das trockene Land bewässern.«

Tage Talbot staunt den Jungen nun an.

»Und warum erzählst du mir das, Jim, mein Junge?«

»Damit Sie hier aushalten, Mister Talbot. Damit es Ihre Bank noch gibt, wenn ich heimkomme. Denn wenn ich Wasser auf das trockene Land bringe, werden einige hundert Siedlerfamilien eine Chance bekommen. Dann wird das ganze Land, auf welchem jetzt nur Rinder weiden, ein blühendes Farmland werden. Und ich werde die Hilfe eines Geldgebers nötig haben. Wir werden Partner sein, Mister Talbot. Ich werde Sie brauchen – und Sie werden mich brauchen.«

»Nun gut, Jim«, sagt er. »Schreibe mir ab und zu. Berichte mir von dir, damit ich deine Wege kenne und erkennen kann, ob du es schaffen könntest, groß und beachtenswert zu werden. Ich will auf deine Rückkehr warten. Und vielleicht werde ich auch einige Dispositionen treffen. Ich könnte mir die ganze Sache mal ansehen und einige wichtige Landstücke erwerben. Denn du bist zu dem richtigen Mann gekommen, Jim. Eine Bank kann nur mit dem Land wachsen. Eine Bank kann nur Geschäfte machen, wenn sie Geld an gute Männer verleiht, welche aus diesem Land eine Goldgrube machen. Dann trägt alles seine Zinsen. Dann gibt es Aufschwung, Handel und Verdienst. Solange die Uvalde Ranch das ganze Land beherrscht und kein Siedler eine Chance hat, kann ich keine Geschäfte machen. Nun gut, Jim, ich werde warten und immer an dein Vorhaben denken.«

»Dann ist es gut, Mister Talbot. Und jetzt geben Sie mir hundert Dollar, damit ich mir ein gutes Pferd, einen Sattel und eine Ausrüstung kaufen kann. Sie werden diese hundert Dollar mit Zinsen zurückbekommen, wenn ich heimkehre.«

Wieder starrt Talbot den Jungen an. Und dann gibt er ihm aus einer plötzlichen Regung heraus das verlangte Geld. Er kommt sich dabei nicht einmal wie ein Narr vor, der auf einen Außenseiter setzt.

Es ist ein schöner Tag im Mai, als eine Lok drei schrille Pfiffe hören lässt und dadurch schon aus einer Meile Entfernung ankündigt, dass der Zug diesmal auf der kleinen Station von Elkhorn halten wird.

Als Tage Talbot den Bahnhof erreicht, hält der kleine Zug gerade. Es sind sieben Güterwagen und ein Personenwagen.

Und ein Mann wirft einen Sattel und zwei Packtaschen von der Plattform des Personenwagens und springt denn selbst hinunter, geschmeidig und federnd.

Es ist ein großer Mann, sehr groß und dunkel, breit in den Schultern, schmal in den Hüften und sehr kraftvoll. Er hat ein langes, schmales und ruhiges Geeicht und zwei fest und scharf blickende graugrüne Augen. Er trägt einen hellgrauen Stetson, ein rotes Hemd und eine dunkelbraune Lederweste. Über seiner Schulter hängt ein Waffengurt.

Dieser Mann blickt sich um, richtet seinen Blick dann auf Tage Talbot, lächelt ernst und sagt: »Da bin ich, Tage. Ich glaube, du erkennst mich gar nicht?«

»Doch, jetzt erkenne ich dich, Jim«, erwidert Tage Talbot. »Willkommen daheim.«

Sie reichen sich die Hände, betrachten sich fest, und Tage Talbot weiß jetzt genau, dass er einen richtigen Mann sieht. Aus dem dünnen und mageren Jungen, den er damals schon aus irgendeinem Grund gerngehabt hat, wurde ein richtiger Mann.

Talbot winkt dem Stationsneger.

»Sammy, bringe Mister Calbornes Gepäck ins Hotel.«

»Nein«, sagt Jim Calborne, »nicht ins Hotel. Zum Mietstall. Ich will gleich nach dem Essen heim. Ich werde mir ein Pferd kaufen und heimreiten. Ich war lange genug fort.«

Tage Talbot nickt. Er wartet, bis sich der Neger mit dem Gepäck entfernt hat. Dann sagt er sanft: »Deine Mutter, Jim, wirst du nicht mehr sehen können.«

Er kann sehen, wie Jim Calborne zusammenzuckt und wie Jims ruhiges Gesicht ausdruckslos wird. Alles, was in Jim Calborne jetzt ist, bleibt tief in ihm verborgen. Nichts von seinen Gefühlen kommt an die Oberfläche.

Seine Stimme klingt ruhig und beherrscht, als er fragt: »Was ist mit meiner Mutter, Tage?«

Der schluckt mühsam.

»Dort«, sagt er dann und deutet zu einem Hügel gegenüber der Stadt. Jim blickt hinüber und erkennt den kleinen Friedhof.

»Vor zwei Wochen«, murmelt Tage Talbot.

Jim macht drei tiefe Atemzüge. Dann hebt er die Hand und wischt sich über das Gesicht.

»Wir haben einen guten Arzt hier«, murmelt Talbot. »Aber er konnte ihr nicht helfen. Du hast in den letzten Jahren auch Geld genug an deine Familie geschickt. Deine Mutter brauchte nichts mehr zu entbehren. Aber es war zu spät. Die Jahre zuvor waren zu hart für diese Frau. Und sie hatte sich immer an die letzte Stelle gestellt. Zuerst kamen immer ihr Mann und ihre Kinder. Sicherlich musste sie zu oft hungern. Es war zu spät, Jim. Sie hatte es mit der Lunge. Aber bevor sie starb, da konnte ich ihr noch sagen, dass du bald kommen würdest. Doch sie wusste es schon. Du hattest es ihr geschrieben. Sie war sehr ruhig und fast glücklich. Sie sagte, dass du alles richtig gemacht hättest und dass es gut wäre, dass Daniel und Reva nun einen großen Bruder hätten, der für eine bessere Zukunft sorgen würde.«

Jim Calborne macht einen tiefen Atemzug.

»Burschen vom Schlage der Uvaldes haben Frauen wie meine Mutter auf ihrem Gewissen«, murmelt er.

»Spürst du Hass gegen die Uvaldes?«, fragt Tage Talbot ernst.

Jim blickt in die Ferne.

»Hass? Ich bin nicht heimgekommen, um Rache zu nehmen. Aber ich werde hier das tun, wozu all die anderen Siedler und mein Vater nicht groß genug waren. Ich werde das Land für Siedler öffnen und selbst siedeln. Das ist mein gutes Recht als Bürger der Vereinigten Staaten. Dieses Gesetz ist im Heimstättengesetz verankert. Und wenn die Uvaldes mir das Recht streitig machen und auch mich auf ihre raue Art zerbrechen wollen, dann werde ich sie vernichten.«

Er sagt es mit einem tiefen Ernst.

Tage Talbot betrachtet ihn.

»Nun gut«, sagt er. »Diese Stadt wartet darauf, dass das Land besiedelt wird und eine neue Zeit beginnt. Die Handwerker und Geschäftsleute dieser Stadt warten darauf. Und ich will dir helfen, Jim. Denn auch ich kam damals mit großen Plänen und Hoffnungen in dieses Land. Aber ich konnte das alles nicht verwirklichen, weil die Uvaldes ihre Weide behaupten wollen und gegen jede Besiedlung sind. Versuchen wir es, Jim.«

Sie verlassen den Friedhof und gehen nebeneinander in die Stadt zurück.

Da sich der Mietstall am anderen Ende der Stadt befindet, müssen sie die Hauptstraße entlang. Von allen Seiten werden sie beobachtet. Doch niemand erkennt Jim Calborne. Er hat sich zu sehr verändert.

Vor dem Saloon sitzen zwei Reiter ab, treten auf den Plankengehsteig und sehen Tage Talbot und Jim Calborne entgegen. Sie versperren ihnen sogar den Weg.

Und als Talbot und Calborne anhalten müssen, fragt der eine der beiden Männer fast grob: »Tage, wer ist das?« Dabei deutet er auf Jim.

Tage Talbot wendet sich an Jim. »Das sind Jack und Sego Uvalde«, sagt er. »Das sind Abe Uvaldes Söhne.«

»Ich erkenne sie wieder«, murmelt Jim langsam. Er betrachtet die beiden Uvaldes. Jack ist ein blonder Riese, hart, unduldsam und stolz. Das sieht man ihm an.

Und Sego wirkt jetzt ganz und gar wie ein Indianer, der sich die Haare schneiden ließ und die Kleidung eines Rindermannes trägt. Eine verwegene Wildheit geht von ihm aus.

Jim kennt sich mit Männern aus, und als er Sego betrachtet, da weiß er, dass Sego einer von der Sorte ist, die gerne kämpft und immer einen Grund für einen Kampf findet.

»Ich bin Jim Calborne«, sagt er. »Ich bin der Siedlerjunge, den ihr vor acht Jahren mit den Bullpeitschen bearbeitet habt.«

Sie erinnern sich sofort, und nun erkennen sie ihn. Sie starren ihn an, schätzen ihn ab – und dann grinsen sie.

»Richtig, Jim Calborne – wir hatten dich schon vergessen«, brummt der riesenhafte Jack.

»Und was möchtest du haben?«, fragt Sego und hat helle Lichter in seinen dunklen Augen. »Du bist damals fortgelaufen, wenn ich mich richtig erinnere. Und groß bist du geworden. Aber ich wette, du bist dennoch nur ein Siedlerjunge geblieben, der nie und nimmer gegen einen Rindermann bestehen kann. Wollen wir es mal ausprobieren?«

»Ich möchte keinen Streit«, murmelt Jim Calborne.

Er will um Jack und Sego Uvalde herumgehen, aber Sego streckt seine Hand aus und reißt ihn an der Schulter herum. Dabei sagt er rau: »Hier geblieben, wenn ich mit dir rede, Lehmbrecher!«

Und dann stößt er ihn von sich, sodass Jim drei Schritte rückwärts schwankt und gegen einen Stützbalken prallt, mit dem das obere, vorgebaute Stockwerk des Saloons abgestützt ist.

Segos Rechte klatscht gegen den Revolverkolben.

Jack Uvalde aber stößt ein tiefes Lachen aus. Er ist jetzt etwa achtundzwanzig Jahre und trägt einen Schnurrbart.

»Sego, er wird kneifen«, sagt er. »Das ist die Art der Lehmbrecher. Sie kneifen immer. Du hast ihn zu sehr erschreckt. Und dabei sieht er wie ein Mann aus – groß und hart. Komm, Bruder, es ist genug!«

Er will sich zum Eingang des Saloons abwenden. Doch sein Bruder Sego schüttelt eigensinnig den Kopf.

»Man muss alles richtig machen«, sagt er und starrt Jim Calborne fest an. »Siedlerjunge, nimm deinen Hut vor mir ab«, verlangt er.

Sego Uvalde grinst, und er wirkt wie einer dieser wilden und grausamen Jungen, denen es stets Lust und Freude bereitet, wenn sie andere quälen und peinigen können.

»Den Hut sollst du vor mir ziehen«, verlangt er. »Wir haben dich mal verprügelt. Dann liefst du fort. Und jetzt bist du wieder da. Ich will herausfinden, ob du ein stolzer Mann geworden bist. Wenn das so ist, dann wirst du nämlich gleich auf der Stelle deinen Stolz vergessen und dich unterwerfen müssen. Du wirst jetzt einen Uvalde grüßen, so wie es jeder Siedler in diesem Land tut. Los, ich will es sehen!«

Jim hat seinen Rücken der Fahrbahn zugewandt, doch er hört, wie ein Mann über die Straße kommt und hinter ihm verhält.

Eine ruhige Stimme fragt: »Was ist los, Sego?«

»Misch dich nur nicht ein, Tom Baker«, sagt Sego. »Dies ist Jim Calborne. Und ich habe ihm gesagt, er soll den Hut vor mir und Jack ziehen. Baker, das ist nicht einfach nur ein kleiner Spaß. Ich will mir über diesen Jim Calborne völlig klar werden. Halte dich nur aus dieser Sache heraus, Tom Baker.«

Nun wendet Jim den Kopf, um sich diesen Tom Baker anzusehen.

Er sieht einen Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, mittelgroß und sehr breit. Er trägt einen braunen Schnurrbart – und einen Stern auf der Weste. Auf diesem Stern steht: TOWN MARSHAL.

Jim Calborne weiß nun, dass die kleine Stadt Elkhorn einen Marshal angeworben hat, wahrscheinlich deshalb, weil sie Bahnstation geworden ist und damit die Pflicht hat, sich einen Gesetzesmann zu halten. Doch ein Town Marshal wird von einer Stadt unter Vertrag genommen und vertritt das Stadtgesetz. Seine Befugnisse reichen über die Stadtgrenzen nicht hinaus.

Die Stadt aber lebt hauptsächlich von Geschäften mit der mächtigen Uvalde Ranch. Deshalb glaubt Jim Calborne nicht, dass dieser Marshal etwas gegen die Uvaldes unternehmen wird.