G. F. Unger 2181 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2181 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jene Burschen damals, die sich zu Cattle Kings - zu Herdenkönigen - machten, gehörten zu der Sorte, die stets hungrig ist und sich zumeist nur durch Kühnheit behauptet. Sie waren rücksichtslos und verachteten das Schwache.
Viele waren nichts anderes als Piraten im Sattel. Und sie machten sich ihre eigenen Gesetze. Mit einer Schlinge fingen sie sich Land und Rinder ein, verschafften sich die wichtigen Wasserrechte und hielten sich für unbesiegbar. Ihre Größe beruhte gewissermaßen auf den Niederlagen vieler Kleiner.
Sie waren also nicht das, was man bewundern sollte. Aber es gab sie. Und deshalb kann ein Autor, der in seinen Geschichten den alten Westen schildert, diese Burschen nicht übergehen.
Dies ist die Geschichte von Tabhunter Ketshum.
Mit einer Handvoll Getreuer schuf er sich ein gewaltiges Rinderreich. Doch es hatte keinen Bestand. Seine Unersättlichkeit richtete es zugrunde ...


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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Cattle King

Vorschau

Impressum

Cattle King

Jene Burschen damals, die sich zu Cattle Kings – zu Herdenkönigen – machten, gehörten zu der Sorte, die stets hungrig ist und sich zumeist nur durch Kühnheit behauptet. Sie waren rücksichtslos und verachteten das Schwache.

Viele waren nichts anderes als Piraten im Sattel. Und sie machten sich ihre eigenen Gesetze. Mit einer Schlinge fingen sie sich Land und Rinder ein, verschafften sich die wichtigen Wasserrechte und hielten sich für unbesiegbar. Ihre Größe beruhte gewissermaßen auf den Niederlagen vieler Kleiner.

Sie waren also nicht das, was man bewundern sollte. Aber es gab sie. Und deshalb kann ein Autor, der in seinen Geschichten den alten Westen schildert, diese Burschen nicht übergehen.

Dies ist die Geschichte von Tabhunter Ketshum.

Mit einer Handvoll Getreuer schuf er sich ein gewaltiges Rinderreich. Doch es hatte keinen Bestand. Seine Unersättlichkeit richtete es zugrunde ...

Als sie alle am Tisch versammelt sind, um das Frühstück einzunehmen, das fast schon ein Mittagessen und ganz bestimmt ihr Abschiedsessen ist, betrachtet er sie der Reihe nach.

Sie sind verkatert, und sie schlürfen den Kaffee gierig, um wieder einigermaßen klare Köpfe zu bekommen. Es war eine lange Nacht in Lou Marrylands sündigem Haus.

Oh, sie würden gewiss gern noch einige Tage und Nächte bleiben und nachholen, was sie in langen Kriegsjahren entbehrten: Weiber und Alkohol. Aber ihr Geld ist alle. Sie müssen bis Mittag hier raus.

Ihr Anführer betrachtet sie und denkt dabei: Dies also sind die letzten Männer meiner Abteilung – nur noch sieben. Guerillas für den Süden waren wir, und mich nannten sie Major.

Aber jetzt sind wir Satteltramps. Und wir sollten uns von hier aus in alle Winde verstreuen, damit wir unsere Fährte verwischen und uns die Häscher der Blaubäuche nicht finden können. Nun gut ...

Nachdem er dies gedacht hat, klopft er mit dem Löffel gegen die Tasse.

Die Gesichter der Männer wenden sich ihm zu.

Er sagt ruhig: »Von hier aus reitet jeder seinen eigenen Weg. Verwischt eure Fährten. Geht nicht auf die Heimatweide zurück, nicht dorthin, wo man euch von früher her kennt. Sucht nach einer Chance. Irgendwo wartet sie auf jeden von uns, man muss sie nur finden. Viel Glück.«

Sie starren ihn an. Und in ihren verkaterten Hirnen beginnt es nun gewissermaßen zu knirschen. Endlich begreifen sie, dass er sie verlassen will und plötzlich alles ganz anders sein wird. Denn bisher hat er für sie gedacht und ihnen nur gesagt, was sie zu tun hatten. Jetzt aber ...

Sie halten inne bei ihren Gedanken an die Zukunft. Sie weigern sich, weiterzudenken. Und endlich sagt einer stotternd: »Mamamajor, dududu willst uns doch ninicht verlassen?« Die Stimme des Fragers gewinnt zuletzt wieder mehr Festigkeit, und es ist ein vorwurfsvoller Klang darin.

Die anderen nicken zu diesen Worten, wobei dieses Nicken mehr dem vorwurfsvollen Klang als den Worten selbst gilt. Sie haben nun auch ihren verkaterten Zustand vergessen. Jetzt sind sie hellwach, und in ihren Augen erkennt er jenes Funkeln, das immer dann in ihren Augen war, wenn sie wussten, dass es hart werden würde.

Er ist ein großer, sehniger, hellblonder Mann mit blaugrauen Augen, ein Mann, der schon äußerlich so wirkt, als könnte er andere Männer führen oder als würden diese sich ihm ganz selbstverständlich unterordnen, weil sie spüren, dass er auf allen Gebieten der beste Mann ist. Fest erwidert er die funkelnden Blicke.

Eigentlich will er ihnen sagen, dass nun alles vorbei sei. Ja, er will ihnen sagen, dass er nicht länger für sie denken und sorgen möchte, sondern nur noch für sich allein. Aber er würde dann ihre ganze Verachtung zu spüren bekommen. Und so sagt er: »Ich werde dann, wenn ich eine Chance für uns gefunden habe, jedem von euch einen postlagernden Brief nach El Paso senden. Von dort aus könnt ihr diese Briefe anfordern. Gut so?«

Sie starren ihn nun noch funkelnder an. Nur einen kurzen Moment lang strömt und prallt ihr Misstrauen gegen ihn. Dann erinnern sie sich daran, dass er sie niemals anlog, stets zu ihnen die Wahrheit sagte und sie niemals enttäuschte. Und weil er ihre Blicke fest erwidert, glauben sie ihm.

»Nun gut«, sagt einer von ihnen. »Unser Major hat stets gewusst, was gut für uns war. Und wir konnten uns auch stets auf ihn verlassen. Nun gut, machen wir es so. Irgendwann werden wir wieder alle beisammen sein.«

Und alle beginnen sie nacheinander zu nicken.

Dann endlich – so als hätten sie plötzlich Appetit bekommen – fangen sie an zu essen.

Als er seine wenigen Sachen in die beiden Satteltaschen und die Sattelrolle packt, da kommt Lou Marryland ins Zimmer. Sie trägt noch ihren Morgenmantel, und sie hat ihn sich eng um ihre prallen Formen gewickelt.

Diese Nacht lag sie in seinen Armen dort in diesem zerwühlten Bett.

Er betrachtet sie jedoch auf eine unpersönlich wirkende Art, so als hätte es zwischen ihnen nie was gegeben, und vielleicht hat es das auch wirklich nicht. Denn käufliche Liebe ist ein Geschäft.

»Was willst du?«, fragt er ruhig, indes er die Schnallen der Satteltaschen schließt.

Sie verharrt dicht genug vor ihm, sodass er sie greifen könnte. Sie duftet verlockend. Denn wenn sie auch ein Flittchen ist, so pflegt sie sich dennoch wie eine Lady.

Sie sagt: »Bleib hier, Major. Ich weiß nicht mal deinen Namen. Sie nennen dich alle nur Major. Aber ich sage dir, bleib hier. Diese Stadt wird bald aufblühen. Denn sie liegt an zwei sich kreuzenden Wagenwegen. Mit deinen Männern könntest du diese Stadt übernehmen. Und wir könnten reich werden. Oder war es nicht schön zwischen uns in dieser Nacht?« Sie fragt es zuletzt mit einem aggressiven Klang in der Stimme.

Er grinst, und es ist ein scharfes, blinkendes Grinsen unter seinem gelben Sichelbart. »Nein«, sagt er dann nur. Er erklärt nicht, warum er nicht will. Er sagt einfach nur »Nein«, aber weil sie eine erfahrene Frau ist, liest sie eine Menge in seinen Augen und spürt es auch mit ihrem feinen Instinkt.

»Diese Stadt ist dir zu schäbig«, murmelt sie. »Und dieses Haus ist dir zu anrüchig. Du bist einer von den Burschen, die sich jetzt nach diesem Krieg ein Königreich erobern wollen. Ich wäre dir auch nicht gut genug. Na schön, dann raus hier! Raus hier! Du hast bezahlt für alles, was du bekommen hast. Es ist Mittag. Wenn ihr bleiben wollt, müsst ihr neu zahlen.«

Er sagt nichts mehr, nimmt sein Gepäck, geht hinaus, die Treppe hinunter und durch die Hintertür in den Hof. In einem Corral sind die Pferde.

Sein grauer, narbiger Wallach kommt auf seinen Pfiff hin zum Gatter. Er sattelt ihn, befestigt die Sattelrolle hinter dem Zwiesel, wirft die prallgefüllten Satteltaschen über den Pferdenacken, sitzt auf und reitet davon, ohne sich noch einmal umzublicken.

Hinter ihm kommen die anderen Männer nacheinander heraus. Und oben aus den Fenstern blicken die Mädchen in den Hof. Sie lachen und rufen anzügliche Bemerkungen, die begeistert erwidert werden.

Aber dann reiten auch Tabhunter Ketshums Männer davon. Ihre Wege trennen sich. Manche reiten zu zweit, einige allein.

Was wird in den nächsten Wochen und Monaten aus ihnen werden? Und werden sie jemals wieder etwas von ihrem Major hören?

In den nächsten Tagen und Wochen reitet Tabhunter Ketshum nach Westen, immer nur nach Westen. Er hält sich nie lange irgendwo auf, nur eben lange genug, um an einem Spieltisch ein paar Dollar zu gewinnen und sich umzuhören nach irgendwelchen Chancen.

Überall hier im Südwesten tauchen die Steuereintreiber der Union auf, begleitet von Soldaten. Und schon bald finden überall Versteigerungen statt. Die Käufer sind zumeist reiche Yankees oder deren Beauftragte. Denn die Yankees im Osten, die Kriegsgewinnler, die während des Krieges große Geschäfte machen konnten, die haben eine Menge Geld. Und sie kaufen auf den Versteigerungen auf, was sie nur bekommen können. Sie bekommen es billig, sozusagen für einen Apfel und ein Ei. Manche arbeiten mit den Steuereintreibern zusammen.

Tabhunter Ketshum bekommt dies alles mit in diesen Wochen des Reitens und Suchens nach Chancen.

Einige Male ist es fast so weit, dass er einem Steuereintreiber oder einem reichen Yankee die Kasse rauben will. Doch dann beherrscht er sich letztlich, versucht am Spieltisch ein paar Dollar zu gewinnen und reitet eine Zickzackfährte nach Westen.

Am Nachmittag muss er über einen Hügelsattel.

Zu seinen Füßen – nur drei oder vier Meilen entfernt – erblickt er eine kleine Stadt im Tal.

Als er sie erreicht, ist es schon fast Abend. Der Himmel wird sich bald über der sinkenden Sonne röten.

Von Norden her kommt eine Abteilung Soldaten mit einigen Zivilisten herangeritten. Man sieht ihnen an, dass sie einen langen Ritt hinter sich haben und einige Tage und Nächte im Freien verbrachten. Ihre Pferde stolpern. Die Reiter hängen müde in den Sätteln.

Als Tabhunter Ketshum von Osten her den Platz in der Stadtmitte erreicht, treffen die Reiter von Norden her ebenfalls dort ein.

Sie versammeln sich beim Brunnen.

Einige Neugierige treten näher. Und in Begleitung eines Armeezahlmeisters erscheint ein Mann auf der Hotelveranda, der laut ruft: »He, warum habt ihr den verdammten Hengst nicht eingefangen? Seid ihr denn alle solch große Pfeifen, dass ihr einen Hengst und ein Dutzend Stuten nicht einfangen könnt?«

Die Stimme des Mannes grollt böse vor Verachtung. Er ist dickleibig und halb wie ein Städter aus dem Osten gekleidet. Wahrscheinlich kommt er nicht mal ohne Hilfe auf ein Pferd. Aber seine Stimme klirrt vor Wut und Verachtung.

Tabhunter Ketshum drängt sich mit seinem Pferd zwischen die Reiter beim Brunnen und den hier vorhandenen Wassertrögen. Auch er und sein Tier sind durstig und mit Staub bedeckt.

Er hört die heiseren, missmutigen und ärgerlichen Stimmen der Reiter, die wie er ihre Tiere tränken und sich erfrischen. Tabhunter Ketshum wird in diesen Minuten klar, was hier geschehen ist.

Ein Zuchthengst und ein Dutzend Zuchtstuten sind von dem dicken Mann ersteigert worden. Aber dann ist der Hengst mit den Stuten in einer dunklen Nacht verschwunden.

Und dann hat der reiche Yankee tausend Dollar Prämie für die Wiederbeschaffung ausgesetzt. Der Zahlmeister hat sogar Soldaten ausgeschickt, die den Zivilisten als Treiber helfen sollten beim Einkreisen des Hengstes und dessen Stuten.

Aber der Hengst ist ihnen entkommen.

Als Tabhunter Ketshum das alles weiß, nimmt er sein Pferd an den Zügeln, zieht es hinter sich her und geht zur Hotelveranda hinüber, wo noch der Zahlmeister und der dicke Yankee stehen und sich von einem Sergeant Bericht erstatten lassen.

Als sich der Sergeant abwendet und geht, tritt Tabhunter Ketshum näher. Er fragt: »Erhöhen Sie die Prämie, Mister?«

Die beiden Männer sehen ihn an. Und in ihren Augen erkennt er, wie hart und erfahren sie sind. Die beiden Kerle sind hier, um den Süden auszuplündern, wie es gewiss ihrer Meinung nach jeder Besiegte verdient hat. Was der Zahlmeister als Vertreter der Besatzungsmacht versteigert, kauft der Dicke für ein Spottgeld.

»Und wenn?«, fragt der Dicke.

»Dann schaffe ich den Hengst und die Stuten herbei«, erwidert Tabhunter Ketshum ruhig.

»Und warum gerade Sie – wenn es die anderen nicht schaffen?«

»Weil ich besser bin«, erwidert Ketshum schlicht. »Aber es muss sich lohnen«, fügt er hinzu. »Zweitausend Dollar.«

»Fünfzehnhundert, wenn Sie den verdammten Hengst und alle Stuten herschaffen. Fünfzehnhundert. Und für jede fehlende Stute fünfzig Dollar weniger. Es waren zwölf Stuten.«

Tabhunter Ketshum nickt. »Geben Sie mir das schriftlich«, verlangt er.

»He, Sie sind wohl ein ganz vorsichtiger Bursche, Mann? Wie ist Ihr Name? Sie sind doch Texaner – oder?«

»Ich heiße Tabhunter Williams«, sagt dieser und nennt dabei nur seine beiden Vornamen. »Und wer sind Sie?«

Der Dicke prustet nun vor verächtlichem Vergnügen. »Er kennt mich nicht mal«, schnauft er schließlich. »Mann, Williams, ich bin John Fitzgerald!«

Er sagt es wie ein Mann, der sicher ist, dass man ihn nun mit Respekt und Ehrfurcht behandelt.

Aber Tabhunter Ketshum nickt nur und sagt: »Wie schön für Sie. Dann geben Sie mir endlich den Vertrag, der mir bei Erfolg die ausgemachte Prämie sichert ...«

Tabhunter Ketshum nimmt sich Zeit in den nächsten Tagen und Nächten. Aber er weiß, dass ihm der Hengst mit den Stuten nicht entkommen kann. Er wird ihn irgendwann mit dem Lasso einfangen. Und wenn er den Hengst an der Leine hat, werden die Stuten ihm folgen. Das sind sie nicht anders gewöhnt. Dazu zwingt sie ihr Instinkt.

So einfach ist das also.

Wenn er den Hengst in der Lassoschlinge hat, ist er eintausendfünfhundert Dollar reicher. Und das ist ein gewaltiger Batzen Geld in dieser Zeit. Dafür könnte er eine Ranch kaufen.

Die Fährte führt nach Westen, also nicht in Richtung von El Paso im Süden und auch nicht nach Santa Fe im Norden.

Es geht nach Westen, immer nur nach Westen.

Immer tiefer folgt er dem Tier und dessen Harem in die Sacramento Mountains. Die Fährte führt durch Hügelketten, tiefe Schluchten und gewaltige Canyons, über Pässe hinweg hinunter zu Ebenen. Und dann öffnen sich auch schon wieder jenseits dieser Ebenen neue Canyon-Mäuler, geht es hinunter in tiefe Schluchten.

Weiter im Süden auf der anderen Seite des Hauptkammes der Rockys müssen die Andreas Mountains sein, und von diesen abwärts gelangt man irgendwo zwischen Las Palomas und Socorro zum Rio Grande.

Das weiß Tabhunter Ketshum einigermaßen sicher. Doch in dieser Gegend hier war er noch nie. Es ist dies auch Apachenland.

Tabhunter Ketshum muss also mit Vorsicht reiten.

Eine Woche später sieht er den Hengst und die Stuten zum ersten Mal von einem Pass aus über die Ebene zu seinen Füßen ziehen und in einem Canyonmaul verschwinden. Er hat Zeit, all die Tiere zu zählen, und er stellt fest, dass sie noch vollzählig sind.

Er verspürt nun ein erstes Anzeichen von Ungeduld. Doch es gelingt ihm, dies zu unterdrücken, wegzuwischen. Denn er weiß zu gut, dass Ungeduld der schlimmste Feind des Jägers ist.

Etwa zwei Stunden später ist er unten auf der Ebene und lässt seinen grauen Wallach auf der deutlichen Fährte traben. Aber dann biegt die Fährte plötzlich aus, schlägt einen kleinen Halbkreis und kehrt wieder auf den alten Indianerpfad zurück.

Er hält an, und er fragt sich, warum der Hengst mit seinen Stuten hier so plötzlich abbog, fast so, als hätte ihn aus den Büschen oder zwischen den kaum brusthohen Felsen hervor ein Wolf angeknurrt oder ein Puma angefaucht.

Tabhunter Ketshum wendet sein Pferd und reitet hinüber zum alten Indianerpfad. Und da sieht er es.

Es sind Gerippe, Menschengerippe und Totenschädel, halb zugedeckt und zugeweht zwar, doch nicht völlig verborgen. Außer den Gerippen ist nichts zu entdecken vom Sattel aus – keine Ausrüstungsgegenstände oder Reste von Kleidungsstücken, Stiefel zum Beispiel. Wasserflaschen, Sättel.

Er überlegt, und sein Verstand sagt ihm, dass die Toten bis auf die nackte Haut ausgeraubt wurden. Also können es nur Apachen gewesen sein. Denn diese können alles gebrauchen.

Er seufzt leise, und er kann sich vorstellen, was für ein Drama sich hier abspielte. Sogar der Hengst bekam hier noch eine ungute Witterung, sodass sein Instinkt ihn einen Bogen schlagen ließ.

Er sitzt ab, findet einen Knüppel und beginnt damit herumzustochern. Nein, er weiß nicht, was er sucht. Aber vielleicht hofft er auf irgendein Ausrüstungsstück, das ihm sagen kann, ob diese Toten Zivilisten oder Soldaten waren.

Er will schon aufgeben und sich seinem wartenden Pferd zuwenden, diesem narbigen Wallach, der ein Kriegspferd ist und sich nicht vor Toten oder deren Gerippen fürchtet. Aber da stößt sein stochernder Stock auf etwas, das ihm zuerst als Stein unter der staubigen Erde vorkommt. Er hebelt es mit dem Stockende heraus.

Es ist eine grün gewordene Messingdose, wie Reiter sie in diesem Land benutzen als Tabaksdose oder Behälter für Zündhölzer, die nicht nass werden sollen.

Er öffnet sie und holt ein eng zusammengefaltetes Papier hervor, herausgerissen wahrscheinlich aus einem Notizbuch.

Mit Tintenstift wurden die Worte geschrieben:

... die Apachen machen uns gleich alle. Wir fanden keinen Weg für unsere Herde durch die Berge. Aber wir fanden ein herrliches Tal als Weide mit vielen Wasserstellen. Wir ließen Shorty Frank im Tal bei der Herde und wollten ausschwärmen, um einen Pass nach Westen zu suchen. Da versperrten uns die Apachen den Weg. Zwei von uns haben sie schon getötet. Gleich kommen sie wieder und erledigen den Rest von uns. Gott sei uns gnädig, denn wir alle waren Sünder.

H.B. Barrow

P.S. Kümmert euch um Shorty Frank, denn er verlor ein Bein und hat kein Pferd mehr. Er ist bei der Herde im Valley.

Tabhunter Ketshum starrt auf die kaum lesbaren Worte auf dem zerknüllten Zettel und versucht alles zu begreifen. Aber eigentlich ist das recht einfach, wenn man nur genügend Vorstellungskraft hat.

Eine Herde wurde nach Westen getrieben und wollte auf die andere Seite der Rockys. Das Ziel dieser Herde konnten nur die Gold- und Silberfundgebiete in Kalifornien gewesen sein.

Denn dort, wo Zehntausende von Glückssuchern nach Gold und Silber suchten, konnte man Rinder für viel Geld verkaufen. Dort war das Fleisch knapp. Nur musste man es lebend hinbringen.

Um solch eine Herde und deren Treiber muss es sich also hier gehandelt haben.

Immer noch starrt Tabhunter Ketshum auf den Zettel. Er liest den nachträglich unter Postskriptum hinzugefügten Satz. Sollte es möglich sein, dass dort in einem schönen Tal noch ein Überlebender der Herde sitzt, ein Cowboy, der sein Bein verlor und kein Pferd mehr hat? Jahre mussten vergangen sein, zumindest fünf.

Könnte es sein, dass die Rinder und der einbeinige Cowboy immer noch dort ...

Er weigert sich, weiterzudenken. Denn er ist hinter einem Hengst und zwölf kostbaren Zuchtstuten her. Und so reitet er wenig später wieder weiter auf der Fährte.

Dennoch beschäftigt er sich immer wieder in seinen Gedanken mit den Toten, deren Gerippe er fand, mit der Herde in dem einsamen Tal – und mit jenem Shorty Frank, der sein Bein verlor und kein Pferd mehr hatte, sodass man ihn vorerst zurücklassen musste.

Aber man wollte ja wiederkommen. Dass dies nicht ging, daran waren die Apachen schuld.

Auch als es Nacht wird und Tabhunter Ketshum sein Camp aufschlägt, als er dann unter seinen Decken liegt und zu den Sternen am Himmel blickt, muss er immer wieder an die Toten, die Herde und den einbeinigen Shorty Frank denken.

Am nächsten Nachmittag dann jagt er den Hengst und die Stuten vor sich her durch einen schmalen, sich windenden Canyon. Einige Male kommt er den Tieren so nahe, dass er schon das Lasso zu schwingen beginnt.